FG Hamburg, Urteil vom 16.07.2014 - 3 K 240/13
Fundstelle
openJur 2014, 23442
  • Rkr:
Tatbestand

A. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den das beklagte Finanzamt (FA) den Kläger als Geschäftsführer der A ... GmbH (A GmbH) neben dem weiteren Geschäftsführer B als Gesamtschuldner für Umsatzsteuerschulden der A GmbH nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt ... € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

I.

1. Der Kläger war ab dem ... 2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten A GmbH, die zunächst in ... ansässig war. Gegenstand des Unternehmens war der "Handel mit Waren aller Art, insbesondere Vertrieb von Altmetallen und Metallschrott und ähnlichen Wertstoffen" (Betriebsprüfungsarbeitsakte -BpAA- Bd. II Bl. 16). Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung in die Straße-1 ... in C beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. ...).

2. Die A GmbH reichte beim FA ab dem Voranmeldungszeitraum (VAZ) Mai 2009 Umsatzsteuervoranmeldungen ein und meldete darin folgende Umsätze und Vorsteuerbeträge an (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 59:

...

Das FA erteilte in den Vergütungsfällen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus.

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom ... 2009 bis zum ... 2011 bei der A GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Betriebsprüfung wurden u. a. folgende Feststellungen getroffen/Auskünfte eingeholt/Unterlagen vorgelegt:

a) Am 17.06.2009 bestand ein Kassenfehlbestand in Höhe von ... € (BpAA Bd. I Bl. 130).

b) aa) Im Rahmen der Prüfung holte der Betriebsprüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger der von der A GmbH bezogenen Warenlieferungen ein, u. a. auch bezüglich der hier streitbefangenen Rechnungen/Gutschriften von/an- D, Straße-2 Nr. ..., E,- F, Straße-3 ..., G, sowie- der Fa. H GmbH & Co KG (H), Straße-4 ..., C (BpAA Bd. I Bl. 142 ff.; BpAA Bd. III Bl. 39 ff., 72 ff.).

bb) Die A GmbH hatte die in den Rechnungen/Gutschriften der vorgenannten Rechnungsaussteller gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen/Gutschriften (BpAA Bd. I Bl. 142 ff., Bd. II Bl. 91 f., Bd. III Bl. 39 ff., RbA Bd. I Bl. 56 ff.):

...

cc) Der Kläger, dessen Aufgabe es laut interner, nicht schriftlich fixierter Absprache mit Herrn B war, sich um die geschäftlichen Unterlagen sowie die Vorbereitung der Buchhaltung und die Zusammenarbeit mit der Steuerberaterin zu kümmern, hatte sich folgende Unterlagen der Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger zum Nachweis der jeweiligen Unternehmereigenschaft vorlegen lassen und entsprechende Kopien zu den Unterlagen der A GmbH genommen:

aaa) bezüglich Herrn D:- Nachweis der Eintragung als Steuerpflichtiger (Unternehmer) des FA J vom ... 2009 (BpAA Bd. I Bl. 171)- steuerliche Bescheinigung für die Erteilung einer Erlaubnis nach der GewO des FA J vom ... 2009 (BpAA Bd. I Bl. 172)- Reisegewerbekarte vom ... 2009 (BpAA Bd. I Bl.173 f.)- Personalausweis (BpAA Bd. I Bl. 175)

bbb) bezüglich Herrn F:- Bescheinigung des FA G vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 86)- Bescheid des Bundeszentralamtes für Steuern über Zuteilung der USt-Identifikationsnummer vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 87)- Gewerbeanmeldung vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 89)- notarielle Handlungsvollmacht für Herrn K vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 102 ff.)- Handlungsvollmacht für Herrn K vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 107)- ... (BpAA Bd. III Bl. 105 f.)

ccc) bezüglich der Fa. H:- Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des FA C-... vom ... 2009 (RbA Bd. I Bl. 73)- Gewerbeanmeldung vom ... 2002/... 2002 (RbA Bd. I Bl. 74)

dd) Hinsichtlich der Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger wurden von den angefragten Finanzämtern/Steuerfahndungsstellen folgende Ermittlungs(zwischen)ergebnisse mitgeteilt:

aaa) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen L (Steufa L) teilte bezüglich dem - durch das Gericht am 24.06./25.06.2014 schriftlich vernommenen - Zeugen D mit, er sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Der Zeuge D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der A GmbH in C, der M Recycling GbR in ... und bei der N GmbH & Co KG in ... Der von dem Zeugen D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

Der Zeuge D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in E über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

Der Umstand, dass der Zeuge D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden (RbA Bd. I Bl. 92 f.).

bbb) Das FA G teilte bezüglich Herrn F mit, er habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in G angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr F unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr F dem FA G mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn F ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr F nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).

ccc) Bezüglich der Fa. H erhielt der Betriebsprüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die H habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die A GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum ... 2007 der Geschäftsführer der H gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).

ee) Dementsprechend erkannte der Betriebsprüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von dem Zeugen D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt ... €), Herrn F (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt ... €) sowie der Fa. H (VAZ Februar 2010; ... €) ausgewiesene Vorsteuer nicht zum Abzug an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom ... 2011 BpA Bl. 7 ff.).

c) aa) Laut Kassenbuch der A GmbH wurden im Juli 2009 neben den Zahlungen an den Zeugen D in Höhe von insgesamt ... € weitere Barzahlungen (inkl. einer Bankeinzahlung über ... €) in Höhe von ... € geleistet (BpAA Bd. I Bl. 140 f.).

bb) Laut Kassenbuch der A GmbH wurden im August 2009 neben den Zahlungen an den Zeugen D in Höhe von insgesamt ... € weitere Barzahlungen (inkl. einer Bankeinzahlung über ... €) in Höhe von ... € geleistet (BpAA Bd. I Bl. 149 ff.).

cc) Laut Kassenbuch der A GmbH wurden im September 2009 neben den Zahlungen an den Zeugen D in Höhe von insgesamt ... € weitere Barzahlungen (inkl. einer Bankeinzahlung über ... €) in Höhe von ... € geleistet (BpAA Bd. I Bl. 158 f.).

4. Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der A GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der Fa. H in Höhe von ... € für März 2010 und in Höhe von ... € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).

5. Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über ... € fällig gestellt. Die A GmbH zahlte nicht.

6. Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die VAZ Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16 - 23).

7. a) Die A GmbH verbuchte im Zeitraum November 2009 bis Januar 2010 Gutschriften (November und Dezember 2009) und Rechnungen (Januar 2010) von/an Herrn R, Straße-5 ..., S, gewinnmindernd und machte die in den folgenden Gutschriften/Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend (BpAA Bd. IV Bl. 5 - 12):...

b) Der Kläger hatte sich folgende Unterlagen von dem - in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2014 vernommenen - Zeugen R zum Nachweis seiner Unternehmereigenschaft vorlegen lassen und entsprechende Kopien zu den Unterlagen genommen:- steuerliche Bescheinigung des FA S-... vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 90)- Gewerbeanmeldung vom ... 2009 (BpAA Bd. III Bl. 91)- Kopie der Vorderseite des Personalausweises (BpAA Bd. III Bl. 93)

c) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen S (Steufa S) die schriftliche Einlassung des Zeugen R vom 18.05.2011 zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich der Zeuge R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa S dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in S gekommen, eine Adresse, mit der er, der Zeuge R, ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal ... €.

Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.

d) Aufgrund dieser Mitteilung erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den VAZ Januar 2010 und versagte dabei der A GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Zeugen R in Höhe von insgesamt ... € mit dem Hinweis, der Zeuge R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).

e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18). Dabei versagte es hinsichtlich der im November und Dezember in den dem Zeugen R erteilten Gutschriften ausgewiesenen Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt ... € den Vorsteuerabzug (KlA Bl. 20R).

8. Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den VAZ März 2011 über ... € fällig gestellt, die von der A GmbH nicht bezahlt wurde.

II.

Die A GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:

 "Hiernach steht der Klägerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.

Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, F und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen L in Sachen D, des Finanzamtes G in Sachen F und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen S in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Klägerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.

Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Klägerin aus den Rechnungen der H nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Klägerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der H mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Klägerin von der H (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Klägerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können... Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der H und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die H unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."

III.

1. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Kläger mit, dass seine Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der A GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum seiner Geschäftsführung fällig geworden. Das FA bat den Kläger, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

2. Am ... 2012 wurde aufgrund des von der A GmbH am ... 2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. T aus C zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).

3. Am ... 2012 erließ das FA gegenüber dem Kläger einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Kläger für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der A GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt ... € gemäß § 69 Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, mit der Begründung, er sei als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen.

Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.

In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Klägers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Klägers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Kläger habe als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der A GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den von dem Kläger verwalteten Mitteln der A GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das FA seien von dem Kläger nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).

Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der andere Mitgeschäftsführer B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22R).

IV.

1. Der Kläger legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom ... 2012 ein. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 bis April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.

Nachdem das FG Hamburg die Anträge auf AdV mit Beschluss vom 12.01.2012 abgelehnt habe, habe er gemeinsam mit Herrn B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten sie unverzüglich Insolvenz angemeldet.

Unabhängig hiervon habe die A GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.

2. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. T sämtliche der durch die A GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).

3. Mit Einspruchsentscheidung vom ... 2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).

V.

Der Kläger hat am ... 2013 bei Gericht Klage erhoben.

1. Er trägt zur Begründung der Klage vor, dem Haftungsbescheid fehle eine ausreichende Begründung (a)), der A GmbH stehe der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen/Gutschriften zu (b)), so dass er auch keinen Pflichtenverstoß gegangen habe (c)). Schließlich habe das FA den Quotenschaden unzutreffend ermittelt (d)) und das ihm eingeräumt Ermessen nicht sachgerecht ausgeübt (e)):

a) Der Haftungsbescheid vom ... 2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der A GmbH, nicht aber um seine, des Klägers, Pflichtwidrigkeit und Haftung. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb seine, des Klägers, Pflichtverletzung vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.

b) Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zwar formal bestandskräftig, materiell aber rechtswidrig seien. Der A GmbH stehe der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zu, da die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG vorlägen (aa) und bb)), insbesondere auch von der Unternehmereigenschaft der Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger auszugehen sei, da er, der Kläger, keine weiteren als die von ihm vorgenommenem Überprüfungsmöglichkeiten bzgl. der Unternehmereigenschaft gehabt habe und dazu auch kein Anlass bestanden habe (cc)) und er nicht gewusst habe und auch nicht habe wissen können, dass die Umsätze in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen gewesen seien (dd)). Schließlich sei der Vorsteuerabzug selbst dann zu gewähren, wenn die Rechnungsaussteller/Gutschriftenempfänger als Strohmänner zu qualifizieren seien (ee).

aa) Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. UStG formal ordnungsgemäß.

bb) Die abgerechneten Warenlieferungen seien alle tatsächlich ausgeführt worden. Dies hätten die Zeugen der Steuerfahndung so bestätigt.

cc) aaa) Die Rechnungsausteller der streitigen Rechnungen/Gutschriften seien Unternehmer i. S. des § 2 Abs. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG); die Geschäftsbeziehungen zu ihnen seien begründet und die Lieferungen in einer Weise durchgeführt worden, wie es im Schrotthandelsgewerbe allgemein üblich sei und wie sie die A GmbH - durch die Betriebsprüfung unbeanstandet - auch mit einer Vielzahl weiterer Lieferanten begründet und durchgeführt habe.

bbb) Nach den Grundsätzen der neueren EuGH-Rechtsprechung sei daher der A GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen zwingend zu gewähren gewesen. Der EuGH habe in seinem Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11 Mahageben und David, UR 2012, 591) entschieden, dass die Aufbürdung des Risikos des Steuerausfalls vom Fiskus auf den steuerpflichtigen Leistungsempfänger unionsrechtswidrig sei. Dieser Rechtsprechung trage seit dem Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 (5 V 1934/13 U, EFG 2014, 395) nunmehr auch die deutsche Finanzgerichtsbarkeit Rechnung. Danach sei er, der Kläger, nicht verpflichtet gewesen, weitere Nachforschungen über seine Lieferanten ohne besonderen Anlass anzustellen. Ein konkreter Anlass sei hier von dem FA nie substantiiert dargestellt oder auch nur behauptet worden. Das FA habe nicht zu Umständen der Lieferungen vorgetragen, welche auf einen ungewöhnlichen und Misstrauen erzeugenden Vorgang schließen ließen. Vielmehr habe das FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets lediglich argumentiert, die A GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht.

ccc) Die A GmbH habe keine anderen Möglichkeiten zur Ermittlung der Identität der Geschäftspartner gehabt und es habe auch kein konkreter Anlass bestanden, wonach er, der Kläger, verpflichtet gewesen sei, weitere Nachforschungen anzustellen.

(1) Er, der Kläger, sei hinsichtlich der Angaben ausweislich der vorgelegten Unterlagen seitens der Lieferanten gutgläubig gewesen und habe keinen Anlass gehabt, an dem Wahrheitsgehalt der Angaben und Unterlagen zu zweifeln. Er habe die Erkenntnisse oder Verdachtsmomente, welche durch die Finanzbehörden/Steuerfahndungsstellen zu einem späteren Zeitpunkt ermittelt worden seien, bei der Begründung und Durchführung der Geschäftsbeziehung bzw. im Zeitpunkt der Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen nicht kennen können.

Die Lieferanten hätten einen erheblichen Aufwand (z. B. Anmietung von Wohnungen, Fingierung eines Unternehmens in der Außendarstellung, - zunächst - ordnungsgemäße Anmeldung bei Finanz- und Gewerbeämtern, etc.) betrieben, um zumindest in der äußeren Darstellung den Eindruck eines normalen und steuerehrlichen Unternehmens zu erzeugen. Dieser Aufwand habe ganz offensichtlich nur dem Zweck gedient, den jeweiligen Geschäftspartner zu täuschen. Allein mit Blick auf das Finanzamt wäre ein solcher Aufwand nicht erforderlich gewesen, um Steuern zu hinterziehen.

Er, der Kläger, habe nicht gewusst, dass sämtliche Lieferanten angeblich keinen Geschäftsbetrieb unterhalten hätten. Im Übrigen benötige ein Schrotthändler aber weder einen "Schrottplatz" o. Ä., da viele Schrotthändler ausschließlich im sog. Streckengeschäft tätig seien, noch einen Fuhrpark. Der Umstand, dass die Lieferanten R und D regelmäßig in Begleitung erschienen seien, sei kein Hinweis auf eine evtl. Steuerstraftat. Ganz im Gegenteil hätten diese Lieferanten offensichtlich in Begleitung mindestens einer weiteren Person erscheinen müssen, da sie keine Lkw gehabt hätten. Er, der Kläger, habe die für die Fa. H vorgelegten Geschäftsunterlagen für ordnungsgemäß gehalten. Erst nachträglich und nur durch Erkenntnisse der Finanzbehörde hätten sich Zweifel an der Echtheit der Unterlagen ergeben; die "offensichtlichen Schreibfehler und Ungereimtheiten" seien ihm zuvor nicht aufgefallen; sie seien auch gar nicht augenfällig. Im Übrigen seien alle anderen Unterlagen echt gewesen.

Er, der Kläger, sei von den hier streitigen Lieferanten erfolgreich getäuscht worden. Er sei bei der Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen hinsichtlich der Unternehmereigenschaft der Lieferanten gutgläubig und überzeugt davon gewesen, aus ihren Rechnungen zum Vorsteuerabzug berechtigt zu sein. Wie es in der Branche üblich sei, habe er sich die Gewerbeanmeldung, die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie Ausweispapiere und Vollmachten zeigen lassen und diese als Kopien zu seinen Unterlagen genommen. Weitere Maßnahmen seien weder üblich noch nötig.

Zum Beweis dieser Tatsache hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Beweisantrag gestellt, die Geschäftsführer, Inhaber oder Disponenten der Firmen U Recycling GbR, V, W ..., X, Y Recycling GmbH, Z GbR, AA GmbH, BB Recycling GmbH und CC GmbH als Zeugen zu vernehmen. Sie würden bekunden, dass sie mit den hier streitgegenständlichen Lieferanten (einzeln oder allen) in Geschäftsbeziehung gestanden hätten und erfolgreich nach den jeweiligen Systemen/Tatbegehungsplänen getäuscht worden seien und dass sie zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten dieselben Maßnahmen ergriffen hätten wie er, der Kläger, wobei diese Maßnahmen üblich seien im Schrotthandelsgewerbe. Weitere Möglichkeiten zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten stünden ihnen nicht zur Verfügung und hätten auch ihm, dem Kläger, nicht zur Verfügung gestanden.

(2) Das vom FA vorgetragene Argument, es müsse stutzig machen, wenn neu am Markt tätige Händler "aus dem Stand heraus" so hohe Umsätze tätigten, sei nicht stichhaltig.

In diesem Zusammenhang hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung den Beweisantrag gestellt, ein Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis der Tatsachen, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass auch "Neuhändler" hohe Umsätze tätigten, dass es keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz dahingehend gebe, dass wenn "Neuhändler" hohe Umsätze tätigten, dies ein Indiz für eine etwaige Strohmanntätigkeit sei, sowie dass das Schrotthandelsgewerbe traditionell und seit Generationen von ethnischen Minderheiten und sozialen Randgruppen dominiert werde, dass heute im Verhältnis zu dem Stand vor einigen Jahrzehnten ein Vielfaches an Metallschrott gehandelt werde und das zu einem erheblich höheren Preis und es daher nicht ungewöhnlich sei bzw. auf der Hand liege, dass Neuhändler gleich zu Beginn der Geschäftsaufnahme hohe Umsätze erwirtschaften könnten.

(3) Auch die weiteren Umstände der Geschäftsanbahnung und Durchführung seien nicht ungewöhnlich gewesen.

Im Einzelnen:

a) Der Zeuge D sei mit einer Begleitperson kurz vor der ersten Lieferung in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen. Der Vorname der Begleitperson sei ihm, dem Kläger, genannt worden, er könne sich daran aber nicht mehr erinnern. Die beiden Personen hätten sich vorgestellt und die kurzfristige Lieferung hochwertigen Metallschrotts angeboten. Im Rahmen dieses ersten Gesprächs habe Herr D ihm, dem Kläger, die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die Gewerbeanmeldung u. Ä. ausgehändigt. Er habe daraufhin hiervon Kopien für seine Akte angefertigt und den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte mitgeteilt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er, der Kläger, seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches hätten der Zeuge D und seine Begleitperson einen freundschaftlichen Umgangston miteinander gehabt; eine eventuelle Dominanz der Begleitperson sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es im Rahmen dieses Treffens nicht zu "schwierigen Verhandlungen" gekommen sei, sondern er, der Kläger, lediglich seine Lieferbedingungen genannt und nicht zur Disposition gestellt habe. Im Übrigen sei es bei dem Gespräch, an dem sich der Zeuge D rege beteiligt habe, um allgemeine Dinge gegangen. Die persönlichen Hintergründe von dem Zeugen D (Schulbildung, Geschäftserfahrung u. Ä.) seien ihm, dem Kläger, unbekannt und nicht Gesprächsthema gewesen.

Wenige Tage später sei die erste Lieferung ausgeführt worden, die bereits beim ersten Treffen angekündigt worden sei. Vor Ort in Straße-1 ... sei ein Fahrer mit beladenem Lkw erschienen. Er, der Kläger, habe die Ware flüchtig begutachtet, und sodann dem Fahrer mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle. Endabnehmer der Ware des Zeugen D seien die Unternehmen DD GmbH (DD), Y Recycling GmbH (Y) und N (N) gewesen. Lkw-Fahrer hätten sodann die Ware direkt bei den vorgenannten Unternehmen abgeliefert. Anschließend - in der Regel am selben oder in seltenen Fällen am darauffolgenden Tag - sei der Zeuge D in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die entsprechenden Wiegescheine vorgelegt. Teilweise seien die Wiegescheine schon vorab per Fax durch die Endabnehmer an die A GmbH übersandt worden.

Der Zeuge D sei alleine oder mit unterschiedlichen Begleitpersonen erschienen, wobei es sich häufig um eine junge Frau gehandelt habe. Nur anhand der vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge der Zeuge D zuvor geliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine habe er mit dem Zeugen D abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von dem Zeugen D) als auch der Ausgangsrechnung (an DD etc.) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend oder ausschließlich bar bezahlt worden.

Auf Empfehlung der Steuerberatung habe er, der Kläger, von dem Zeugen D verlangt, dass er Rechnungen über seine Lieferungen stellen solle. Er, der Kläger, habe die erste Rechnung für den Zeugen D vorgeschrieben, da dieser von anderen Abnehmern ausschließlich die Abrechnung im Wege der Gutschriftenerteilung gewohnt und daher mit den Formalitäten einer umsatzsteuerlich ordnungsgemäßen Rechnung nicht vertraut gewesen sei. Der Zeuge D habe diese Rechnung mit seiner Unterschrift als eigene Rechnung bestätigt. In der Folgezeit habe der Zeuge D sämtliche Rechnungen gemäß den von ihm mitgebrachten Wiegescheinen selbst erstellt.

Der Zeuge D habe nicht den Eindruck gemacht, im Schrottgewerbe unerfahren gewesen zu sein. Sowohl dessen Verweis auf eigene andere Kunden (die Gutschriften erstellten) als auch die Feststellungen der Steuerfahndungsbehörde, wonach der Zeuge D eine Vielzahl von Kunden gehabt habe, ließen keinen anderen Schluss zu, als dass er durchaus Erfahrung im Schrottgewerbe gehabt habe.

Es möge zutreffen, dass der Zeuge D, wie von ihm in seiner schriftlichen Äußerung dargelegt, keine Kenntnis von Schrottlieferungen gehabt habe, da die Ware im Rahmen des Streckengeschäfts ohnehin nicht an den Geschäftssitz der A GmbH geliefert worden sei. Sofern der Zeuge D tatsächlich nur zum Abrechnen bei der A GmbH erschienen und im Übrigen an dem Liefervorgang bei Endkunden nicht persönlich beteiligt gewesen sei, so habe er von den tatsächlich durchgeführten Lieferungen keine unmittelbare Kenntnis erlangen können. Zutreffend habe der Zeuge D in seiner schriftlichen Zeugenaussage gegenüber dem Gericht bestätigt, dass er seine Strohmann-Aktivität nicht thematisiert habe.

Der festgestellte Kassenfehlbetrag vom 17.06.2009 (oben I. 3. a)) resultiere aus einem Fehler des Zeugen D bei der Rechnungsstellung. Da die Wiegescheine der in Strecke gelieferten Ware auf den 17.06.2009 datiert gewesen seien, habe er seine Rechnung ebenfalls auf den 17.06.2009 ausgestellt. Tatsächlich sei er aber wohl erst am 18.06.2009 im Büro der A GmbH zur Abrechnung erschienen. Am 18.06.2009 sei auch erst die Auszahlung an ihn vorgenommen worden. Da er, der Kläger, die Kassenaufzeichnungen nicht täglich erstellt habe, habe er den Kassenbucheintrag einige Tage später irrtümlich unter dem Rechnungsdatum vorgenommen.

ß) Bezüglich Herrn F habe er, der Kläger, beim zuständigen FA G vor der ersten Lieferung angerufen und sich nach dem Lieferanten F erkundigt. Dort habe er nur die fernmündliche Auskunft erhalten, dass Herr F steuerlich gemeldet sei. Weitere Auskünfte seien nicht erteilt worden. Die Sachbearbeiterin sei nicht bereit gewesen, diese Angabe schriftlich zu bestätigen.

Herr F sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich mit Herrn K kurz vor der ersten Lieferung in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen. Die beiden hätten sich vorgestellt und angeboten, kurzfristig hochwertigen Metallschrott liefern zu können. Im Rahmen dieses ersten Gesprächs habe Herr F die Unterlagen (Unbedenklichkeitsbescheinigung, Gewerbeanmeldung, Vollmacht u. Ä.) übergeben. Er, der Kläger, habe hiervon für die eigene Akte Kopien angefertigt. Herr F habe erklärt, dass Herr K für ihn die einzelnen Lieferungen durchführen werde (Ablieferung der Ware und Entgegennahme des Kaufpreises). Er, der Kläger, habe den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte benannt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches seien Herr F und Herr K gleichberechtigt und partnerschaftlich aufgetreten. Eine eventuelle Dominanz von Herrn K sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen.

Wenige Tage später sei die erste - zuvor von Herrn K telefonisch angekündigte - Lieferung durchgeführt worden. Er, der Kläger, habe Herrn K mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle, da die A GmbH mangels eigener Platzkapazität zu dieser Zeit ausschließlich sog. Streckengeschäfte getätigt habe. Endabnehmer für die Ware des Herrn F sei die Fa. DD gewesen. Herr K habe die Ware direkt bei DD angeliefert bzw. durch einen Lkw-Fahrer anliefern lassen. Anschließend - regelmäßig am selben oder seltener am darauffolgenden Tag - sei Herr K in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die Wiegescheine von DD vorgelegt. Nur anhand dieser vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge Herr F bei DD zuvor angeliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine von DD habe er mit Herrn K abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von Herrn F) als auch der Ausgangsrechnung (an DD) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend bar bezahlt worden. Mindestens einmal sei die Zahlung per Banküberweisung auf ein Konto des Herrn F geleistet worden.

Weder Herr F noch Herr K hätten Angaben über die Herkunft des Schrotts gemacht.

Schlussendlich habe sich bei der Geschäftsverbindung zu Herrn F ein typisches Risiko des Streckengeschäfts realisiert. Im Schrotthandelsgewerbe seien die Kontakte zu Lieferanten und Abnehmern die wichtigsten Geschäftsgeheimnisse. Aus diesem Grund verrate kein Schrotthändler dem jeweiligen Geschäftspartner, woher und zu welchem Preis die Ware veräußert werde. Im Streckengeschäft sei es aber unvermeidbar, dass Lieferant und Endabnehmer direkt aufeinanderträfen. Daher bestehe für sie die Möglichkeit, unter Ausschluss des Zwischenhändlers direkt eine Geschäftsbeziehung einzugehen. Genau dies sei bei Herrn F der Fall gewesen. Nachdem Herr F bzw. Herr K durch die A GmbH die Fa. DD kennengelernt gehabt habe, hätten sie eine direkte Geschäftsbeziehung begründet, ohne dass die A GmbH weiter beteiligt gewesen wäre.

?)Die Geschäftsbeziehung zu der Fa. H habe er, der Kläger, alleine geführt. Herr B habe keinen Kontakt zu diesem Lieferanten gehabt und sei bei der Geschäftsanbahnung auch nicht zugegen gewesen. Er, der Kläger, sei bei der Geschäftsanbahnung in Begleitung von dem - in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2014 vernommenen - Zeugen EE gewesen. Ende/Mitte Januar hätten sich bei ihm, dem Kläger, die Herren O und FF vorgestellt und eine Geschäftsbeziehung anbahnen wollen. Sie hätten erklärt, dass es sich bei der Fa. H um ein Baugeschäft handele und sie kurzfristig hochwertigen Metallschrott, der überwiegend von Baustellen stamme, anliefern könne. Herr O habe sich als Geschäftsführer und den Zeugen FF als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt und erklärt, dass der Zeuge FF die einzelnen Lieferungen durchführen werde. Das Auftreten der Herren sei ihm, dem Kläger, seriös erschienen und habe den Eindruck vermittelt, dass die Herren die ordnungsgemäßen Vertreter eines "normalen" Unternehmens seien. Dass es sich bei den Originalunterlagen um Fälschungen gehandelt habe, sei weder ihm noch dem Zeugen EE aufgefallen.Im Zuge dieses ersten Gesprächs hätten die Herren O und FF ihm die steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung und die Gewerbeanmeldung sowie eine Vollmacht ausgehändigt. Dabei habe es sich um Originalunterlagen mit farbigen Stempeln gehandelt. Er, der Kläger, habe von diesen Unterlagen Kopien gefertigt und die Originale zurückgegeben und den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte benannt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er, der Kläger, seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches seien Herr O und der Zeuge FF gleichberechtigt und partnerschaftlich aufgetreten. Eine eventuelle Dominanz von dem Zeugen FF sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen. Der Zeuge FF sei ihm flüchtig bekannt gewesen. Er, der Kläger, habe gewusst, dass der Zeuge FF im selben Gebäude ein kleines Büro angemietet habe und im Baugewerbe tätig gewesen sei.

Wenige Tage später sei die erste - im ersten Gespräch vereinbarte - Lieferung durchgeführt worden. Vor Ort sei ein Fahrer mit beladenem Lkw zusammen mit dem Zeugen FF erschienen. Er, der Kläger, habe die Ware flüchtig begutachtet und sodann dem Zeugen FF mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle. Endabnehmer der Ware von der Fa. H sei überwiegend die Fa. DD gewesen. Der Zeuge FF habe die Ware direkt bei der Fa. DD angeliefert bzw. durch einen Fahrer anliefern lassen. Laut Auskunft des Mitarbeiters ... von der Fa. DD sei der Zeuge FF bei allen Lieferungen zugegen gewesen.

Anschließend - in der Regel am selben oder in seltenen Fällen am darauffolgenden Tag - sei der Zeuge FF in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die Wiegescheine der Fa. DD vorgelegt. Nur anhand dieser vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge die Fa. H zuvor geliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine habe er mit der Fa. H/dem Zeugen FF abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von der Fa. H) als auch der Ausgangsrechnung (an DD) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend oder ausschließlich bar bezahlt worden. Zur Abrechnung sei der Zeuge FF immer alleine im Büro der A GmbH erschienen.

Mindestens ein-, eventuell auch zwei- bis dreimal sei es zu Unstimmigkeiten über die Qualität der Ware bei der Ablieferung bei der Fa. DD gekommen. In diesem Fall/diesen Fällen sei er, der Kläger, von der Fa. DD informiert worden, da er für die Fa. DD der Lieferant gewesen sei. Er sei sodann zum Betriebshof der Fa. DD gefahren, um dort die strittigen Fragen mit den Mitarbeitern der Fa. DD zu klären und eine einvernehmliche Lösung zu finden. Bei diesen seltenen Fällen habe er die Wiegescheine persönlich unterschrieben, da er bereits vor Ort gewesen sei.

Der Zeuge FF habe in seiner Vernehmung am 11.06.2014 gegenüber dem Gericht entgegen seiner damaligen Einlassung vor dem Amtsgericht GG eingeräumt, der tatsächliche Lieferant gewesen zu sein. In Bezug auf die Rechnungen der Fa. H habe er schließlich die Aussage verweigert, offenbar in der Erkenntnis, dass er sich durch seine Zeugenaussage "um Kopf und Kragen" rede. Der Zeuge EE habe in seiner Vernehmung am 28.05.2014 gegenüber dem Gericht bestätigt, dass durch die den Zeugen FF/Herrn O zumindest dem Anschein nach Originalunterlagen vorgelegt worden seien. Für den Umstand, dass es sich bei dem Zeugen FF nicht um einen "Schreiber" handele, sprächen die Aussagen der Steuerfahnder, wonach ein Schreiber üblicherweise nicht länger als ein Jahr tätig sei.

d) der Zeuge R sei mit einer Begleitperson kurz vor der ersten Lieferung in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen. Der Vorname der Begleitperson sei ihm, dem Kläger, genannt worden, er könne sich daran aber nicht mehr erinnern. Die beiden Personen hätten sich vorgestellt und die kurzfristige Lieferung hochwertigen Metallschrotts angeboten. Im Rahmen dieses ersten Gesprächs habe der Zeuge R ihm, dem Kläger, die Unbedenklichkeitsbescheinigung, Gewerbeanmeldung u. Ä. ausgehändigt. Er habe daraufhin hiervon Kopien für seine Akte angefertigt und den Kaufpreis der einzelnen Metallschrotte mitgeteilt. Ein Verhandeln oder Feilschen über die Höhe des Kaufpreises habe es nicht gegeben, da er, der Kläger, seinerseits feste Verkaufspreise von seinen Abnehmern gehabt habe, die ihrerseits auch nicht über die Höhe des Preises verhandelt hätten. Im Rahmen dieses ersten Gespräches hätten der Zeuge R und seine Begleitperson einem freundschaftlichen Umgangston miteinander gehabt; eine eventuelle Dominanz der Begleitperson sei für ihn, den Kläger, nicht erkennbar gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es im Rahmen dieses Treffens nicht zu "schwierigen Verhandlungen" gekommen sei, sondern er, der Kläger, lediglich seine Lieferbedingungen genannt und nicht zur Disposition gestellt habe. Im Übrigen sei es bei dem Gespräch um das Gewerbe gegangen. Der Zeuge R habe sich rege an dem Gespräch beteiligt. Dabei habe er einen ruhigen und überlegten Eindruck gemacht und überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass er bereits seit vielen Jahren mit dem Schrotthandelsgewerbe vertraut sei. Er habe keinesfalls den Eindruck eines offensichtlichen Drogenabhängigen erweckt. Das äußere Erscheinungsbild habe vielmehr dem optischen Eindruck entsprochen, den der Zeuge R auch während seiner gerichtlichen Zeugenaussage am 11.06.2014 hinterlassen habe.

Wenige Tage später sei die erste Lieferung vorgenommen worden, die bereits beim ersten Treffen angekündigt worden sei. Vor Ort sei ein Fahrer mit beladenem Lkw erschienen. Er, der Kläger, habe die Ware flüchtig begutachtet, und sodann dem Fahrer mitgeteilt, wohin die Ware geliefert werden solle. Endabnehmer der Ware des Zeugen R seien die Unternehmen DD, Y und N gewesen. Lkw-Fahrer hätten sodann die Ware direkt bei den vorgenannten Unternehmen abgeliefert. Anschließend - in der Regel am selben oder in seltenen Fällen am darauffolgenden Tag - sei der Zeuge R in den Geschäftsräumen der A GmbH erschienen und habe die entsprechenden Wiegescheine vorgelegt. Dabei sei der Zeuge R regelmäßig mit unterschiedlichen Begleitpersonen erschienen, gelegentlich aber auch allein, wobei möglicherweise eine Begleitperson im geparkten Pkw gewartet haben könne. Nur anhand dieser vorgelegten Wiegescheine habe er, der Kläger, gewusst, welche Ware und in welcher Menge der Zeuge R zuvor geliefert habe. Aufgrund der Angaben der Wiegescheine habe er mit dem Zeugen R abgerechnet. Da die Wiegenoten die Grundlage für die Erstellung der Eingangsabrechnung (von dem Zeugen R) als auch der Ausgangsrechnung (an DD etc.) gewesen seien, sei die Lieferbeschreibung inhaltlich identisch; lediglich die Preise variierten geringfügig, da im Streckengeschäft nur geringe Gewinnaufschläge möglich seien. Nach seiner, der Klägers, Erinnerung seien die Lieferungen überwiegend oder ausschließlich bar bezahlt worden. Abgerechnet sei überwiegend durch Gutschriften seitens der A GmbH, teilweise habe aber der Zeuge R auch Rechnungen ins Büro gebracht.

Der Zeuge R habe keine Angaben zu der Herkunft des Metallschrotts gemacht.

Ausweislich der schriftlichen Stellungnahme seines Verteidigers vom 18.05.2011 (oben I. 7. c)) habe der Zeuge R offenbar selbst geglaubt, dass er ein ordnungsgemäßes Geschäft betrieben habe, weil ihm eine angemessene Erfolgsbeteiligung (33% - 50% des Gewinns) und die steuerrechtlich ordnungsgemäße Organisation seines Betriebes versprochen worden sei. Erst später (nach Beendigung der Geschäftsbeziehung zu der A GmbH) sei er selbst misstrauisch geworden, als er von dem - in der mündlichen Verhandlung am 17.04.2014 vernommenen - Zeugen HH darauf hingewiesen worden sei, dass etwas "ungerade laufe".

Der Umstand, dass der Zeuge R sein Verhalten und seine Beteiligung selbst für ein normales Geschäft gehalten habe, schließe aus, dass sein konkretes Auftreten und Verhalten bei der Geschäftsanbahnung mit der A GmbH ungewöhnlich bzw. auffällig gewesen sei. Er, der Kläger, habe daher keinen Anlass gehabt, bezüglich der Unternehmereigenschaft des Zeugen R misstrauisch zu sein. Der Zeuge R habe zudem durch seine Stellungnahme vom 18.05.2011 - wenn auch möglicherweise unbeabsichtigt - zum Ausdruck gebracht, dass er zumindest am Anfang davon ausgegangen sei, Einfluss auf wesentliche Aspekte des Geschäfts zu haben, wodurch er sich durchaus als Unternehmer i. S. des § 2 UStG qualifiziert habe.

Die Umstände, die zum Misstrauen von Herrn HH geführt hätten, seien unklar und nicht aufgeklärt worden.

dd) Er, der Kläger, habe bereits aus den oben genannten Gründen nicht gewusst und habe auch nicht wissen müssen, dass die Umsätze in eine Steuerhinterziehung einbezogen gewesen seien. Dies könne auch nicht aus dem Umstand, dass die A GmbH in den streitigen Zeiträumen ausschließlich im Streckengeschäft tätig gewesen sei, geschlussfolgert werden. Bei dem Streckengeschäft handele es sich um ein übliches und auch wirtschaftlich sinnvolles Geschäftsmodell (Beweis: Sachverständigengutachten). Für die A GmbH habe bereits aufgrund des noch nicht fertiggestellten Platzes und der damals noch fehlenden BImSchG-Genehmigung gar keine andere Möglichkeit der Geschäftstätigkeit bestanden. Das wesentliche "Kapital" eines Schrotthändlers seien seine Kenntnisse über Lieferanten und Abnehmer und deren unterschiedliche Preise. Sofern ein Schrotthändler im Markt etabliert und bekannt sei und nachgewiesen habe, zuverlässig größere Mengen liefern zu können, erhalte er von den großen Abnehmern wie z. B. Y, N u. a. bessere Verkaufskonditionen und Preise als bis dato noch unbekannte Händler und Kleinhändler. Die Preise würden von den Großhändlern vorgegeben. Tägliche Preisverhandlungen gebe es nicht. Vielmehr seien die Preise bekannt und mittlere Händler wie die A GmbH wüssten daher, bei welchem Einkaufspreis ein Veräußerungsgewinn erzielt werden könne. Neue Händler erhielten nicht die Vorzugskonditionen wie bereits etablierte Händler. Sobald sich aber ein neuer Händler im Markt einen Namen als zuverlässiger Geschäftspartner gemacht habe, erhalte er ähnliche Verkaufskonditionen. Dies sei z. B. bei Herrn F der Fall gewesen, als die Fa. DD nach diversen Lieferungen von Herrn F über die A GmbH direkt mit Herrn F in eine Geschäftsbeziehung eingetreten sei und die A GmbH somit "ausgebootet" habe.

Er, der Kläger, sei seit vielen Jahren Schrotthändler und bei den Großabnehmern bekannt. Ihm seien als etablierter Händler die entsprechenden Vorzugskonditionen von den Großhändlern eingeräumt worden. Hierdurch sei er in der Lage gewesen, durch das Streckengeschäft eine im Verhältnis zum Umsatz zwar geringe, in absoluten Zahlen aber auskömmliche Marge zu erwirtschaften.

ee) Im Übrigen berechtigten die Rechnungen selbst dann zum Vorsteuerabzug, wenn die streitgegenständlichen Lieferanten als Strohmänner anzusehen seien, da auch ein "Strohmann", der nach außen im eigenen Namen auftrete, im Verhältnis zum "Hintermann" jedoch auf dessen Rechnung handele, leistender Unternehmer im Sinne des UStG sein könne (Urteile des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 05.02.2014 1 StR 422/13, wistra 2014, 191; vom 29.01.2014 1 StR 469/13, wistra 2014, 190).

c) Seine, des Klägers, persönliche Haftung gem. § 69 AO scheide bereits deshalb aus, weil er nach bestem Wissen und Gewissen formal ordnungsgemäße Rechnungen zur Buchhaltung gereicht hätte, von denen er davon ausgegangen sei, dass diese materiell ordnungsmäßig seien. Er habe somit seine steuerlichen Verpflichtungen gem. § 150 AO erfüllt.

d) aa) Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0% betrage. Er, der Kläger, habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des FG Hamburg vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der A GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von ... € (2009) und ... € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die A GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die A GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.

bb) Die A GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.

e) Der Haftungsbescheid sei schließlich rechtswidrig, weil das FA das ihm eingeräumte Ermessen nicht zweckgerecht ausgeübt habe. Das FA habe seine Entscheidung, ob und in welcher Höhe es ihn, den Kläger, in Haftung nehme, auf einen nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalt gestützt. Der Haftungsbescheid selbst enthalte keine Sachverhaltsdarstellung, sondern nehme lediglich Bezug auf das Einspruchsverfahren der A GmbH, das gerade nicht seine Haftung als Geschäftsführer zum Gegenstand gehabt habe und daher keine Angaben oder Feststellungen zu dem ihm vorgeworfenen pflichtwidrigen Verhalten enthalten habe. Erst in der Einspruchsentscheidung sei in einem Nebensatz klargestellt worden, dass das FA die Weitergabe der Wareneinkaufsrechnungen zur Buchhaltung als grob fahrlässig und somit haftungsbegründend ansehe. Das FA habe bis zu diesem Zeitpunkt aber nicht ermittelt, welcher der Geschäftsführer der A GmbH welche Kenntnis von den hier streitigen Geschäftsbeziehungen gehabt habe und für die Weitergabe der Abrechnungen an die Buchhaltung verantwortlich gewesen sei. Das FA habe ihn, den Kläger, zu keinem Zeitpunkt zur Mitwirkung aufgefordert.

Der Kläger beantragt,den Haftungsbescheid vom ... 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 aufzuheben;dem beklagten Finanzamt die Kosten des Verfahrens sowie des Vorverfahrens aufzuerlegen und die Beiordnung des Klägervertreters für das Vorverfahren für notwendig zu erklären;hilfsweise,die Revision zuzulassen.

2. Das FA beantragt,die Klage abzuweisen.

Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff., 377 ff.):

a) Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Kläger genannte Entscheidung des FG Düsseldorf (oben V. 1. a)) stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der A GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.

b) Der Vorsteuerabzug aus den streitigen Rechnungen sei zu Recht versagt worden. Der Kläger habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die A GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Der Kläger habe dabei auch wissen müssen, dass die streitigen Umsätze in eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen gewesen seien.

c) Dadurch habe der Kläger seine Pflichten als Geschäftsführer zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.

d) aa) Das FA sei an das BMF-Schreiben vom 07.02.2014 (IV D 2 - S 7100/12/10003) gebunden, wonach der Kläger - da das FA objektive Umstände vorgetragen habe, nach denen der Kläger habe wissen müssen, dass die Umsätze in einem vom Lieferer oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer begangenen Betrug eingebunden gewesen seien - nachweisen müsse, dass er alle Maßnahmen ergriffen habe, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden könnten, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug eingebunden seien. Selbst nach neuester (wenn auch zeitlich vor Erlass des BMF-Schreibens ergangener) EuGH-Rechtsprechung lägen vorliegend ausreichend objektive Gesichtspunkte vor, die darauf schließen ließen, dass der Kläger habe wissen müssen, dass die streitgegenständlichen Lieferer in Betrugsabsicht gehandelt hätten.

bb) Es, das FA, könne sich der Äußerung des Zeugen D in seiner Vernehmung durch die Steuerfahndungsprüfer am ... 2011, wonach er sich nicht vorstellen könne, dass ein Abnehmer geglaubt habe, dass es sich bei der Lieferung um seinen Schrott gehandelt habe, nur anschließen. Es könne sich dies ebenfalls nicht vorstellen, zumal bei den großen Mengen, die "aus dem Nichts" über den Zeugen D abgerechnet worden seien.

cc) Gegen Herrn F sei mittlerweile auf der Grundlage des Steuerfahndungsberichtes vom ... 2013 Anklage erhoben worden. Daraus ergebe sich, dass er zum Zeitpunkt der angeblichen Lieferungen ohne Fahrerlaubnis, ohne Betriebsausstattung und ohne gültigen Firmensitz gewesen sei. Ihn selbst habe wohl auch niemand auf den Schrottplätzen gesehen. Die Fa. F Metallrecycling als bislang gänzlich unbekanntes "Unternehmen" ohne Kontakte habe gegenüber der A GmbH innerhalb von zwei Wochen Schrott im Wert von ... € brutto abgerechnet. Für einige der Lieferungen (..., ... und ... 2009) dürfe ein Schwerlaster nicht einmal ausgereicht haben. Hier seien jedenfalls weitere Erkundigungen erforderlich gewesen, durch die die Mängel spätestens aufgefallen wären - wenn sie nicht schon von vornherein ersichtlich gewesen seien.

dd) Der Zeuge FF habe in seiner gerichtlichen Vernehmung am 11.06.2014 bestätigt, den im Hauptverhandlungsprotokoll vom ... 2013 erwähnten mobilen Koffer tatsächlich besessen zu haben. Er habe damit auf Wunsch Rechnungen fertiggemacht und ausgedruckt. Darüber hinaus habe der Zeuge FF in der Vernehmung bestätigt, dass die Feststellungen in dem Strafurteil des AG GG, Schöffengericht, vom ... 2013 zutreffend seien.

Der Kläger habe den Zeugen FF gekannt und gewusst, dass dieser im Baubereich tätig gewesen sei. Der Kläger habe selbst bei einem Schrotthändler gelernt, jahrelang in diesem Bereich gearbeitet und dadurch die größeren Anbieter gekannt. Ihm werde daher als erfahrenem Schrotthändler auch die Praxis bekannt gewesen sein, dass gerade bei der Einschaltung von Strohmännern Wert darauf gelegt werde, dass die rein formalen, leicht zu beschaffenden Nachweise für die Unternehmereigenschaft vorhanden seien. Mit dem Wissen, dass diese Unterlagen auch ein Nichtunternehmer mit auch nur ein bisschen krimineller Energie leicht beschaffen könne, habe er bei Unstimmigkeiten umso eher hellhörig werden müssen.

Die sich aufdrängende Frage, woher der Zeuge FF plötzlich die Kontakte zu Anbietern hochpreisigen Schrotts gehabt habe und warum sich diese Anbieter nicht direkt an ihn oder andere Abnehmer gewandt hätten, habe sich der Kläger im besten Falle nicht gestellt. Im Rahmen der Betriebsprüfung bei der A GmbH seien weder für die Lieferungen der Fa. H noch für eine andere Lieferung Wiegescheine oder Aufzeichnungen über Kfz-Kennzeichen gefunden worden. Auch bei den vorgetragenen Streckengeschäften sei es eine Obliegenheit des Klägers gewesen, sich nicht nur auf angebliche mündliche Angaben zu verlassen. Ein ordentlicher Kaufmann hätte diese Nachweise zu seinen Unterlagen genommen. Insbesondere auch, weil nach den Angaben des Zeugen FF Ware auch teilweise zunächst zur Straße-1 ... gefahren worden sein solle.

ee) Der Zeuge R habe in seiner gerichtlichen Vernehmung am 11.06.2014 sinngemäß ausgesagt, dass er Rechnungen zum Teil wackelig unterschrieben habe, da er Heroin konsumiert habe, hochdosiert gewesen sei und Probleme gehabt habe, seine Sachen "auf die Reihe" zu bekommen. Dies sei seiner Einschätzung nach auch offensichtlich gewesen, denn anderenfalls hätten ihn die Hintermänner wohl auch nicht so ausgenutzt.

Selbst wenn man - entgegen seiner, des FA, Ansicht - annehmen wollte, dass die Heroinabhängigkeit des Zeugen R nicht auf den ersten Blick ersichtlich gewesen sei, sei gleichwohl zu fragen, wie ein erfahrener Schrotthändler wie der Kläger habe annehmen können, dass ein ihm bislang völlig unbekannter Händler innerhalb kürzester Zeit sehr große Mengen hochwertigen Schrotts anliefern könne und dies mit rechten Dingen zugehe. Allein für die Lieferungen vom ... 2009 (über 31 t) und ... 2009 (fast 75 t) sowie ... 2010 (über 71 t) habe man jeweils mindestens zwei bis drei Schwerlaster benötigt.

Darüber hinaus stellten sich in diesem Zusammenhang folgende Fragen:- Wieso seien Lieferungen in dieser Größenordnung über einen Unbekannten und Unerfahrenen abgewickelt worden?- Weshalb sei nur der Zeuge HH - nach Überschreiten einer "Liefer"-Grenze von ... € - an den Zeugen R herangetreten und habe ihm gegenüber geäußert, dass er mit ihm als Schreiber keine Geschäfte mehr machen wolle?

VI.

Die steuerstrafrechtlichen Ermittlungen gegen den Zeugen D, Herrn F, die Fa. H sowie den Zeugen R sind zwischenzeitlich wie folgt weitergeführt worden:

1. a) Der Zeuge D ist am ... 2011 von dem - in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2014 vernommenen - Zeugen, dem Steuerfahndungsprüfer JJ, und dessen Kollegin ... vernommen worden. Er hat folgende Angaben zu Protokoll gegeben (FGA Sonderband Steuerfahndung, Bl. 53 ff.):

 "Frage: Können Sie vorweg zunächst einmal Ihre Schul- und Berufsausbildung schildern?

Antwort: Ich verfüge weder über eine Schul- noch eine Berufsausbildung. Ich mache aber derzeit meinen Hauptschulabschluss nach.

Frage: Es liegen diverse Abrechnungen über Ablieferungen von Schrott und Altmetall auf ihren Namen vor. Was können Sie hierzu sagen?

Antwort: Hierzu kann ich sagen, dass ich - wenn überhaupt - nur einige wenige Male ganz kleine Ablieferungen am Anfang getätigt habe. Hierbei hat es sich aber vielleicht um Beträge von maximal ... Euro und ohne Umsatzsteuer gehandelt. Diese Ablieferungen habe ich bei dem Recyclinghof U in J getätigt. Weitere Ablieferungen habe ich aber nicht mehr getätigt. Zu den anderen Abrechnungen auf meinem Namen kann ich folgendes erklären:Angefangen hat alles als ich auf dem Recyclinghof U in J gewesen bin. Beim Runterfahren vom Hof hat mich eine Person angesprochen, die ich nur als den "XYZ" kenne. Wie dessen genauer Name ist, weiß ich nicht. Dieser hat mich dort angesprochen, ob ich für ihn nicht Abrechnungen über Ablieferungen unterschreiben könne. (...)Jedenfalls hat er mich da gefragt, ob ich mir etwas Geld nebenbei hinzuverdienen wollte. Da ich nicht abgeneigt war, habe ich dann okay gesagt. Er hat mir gesagt, dass ich hierfür seine Ablieferungen auf meinen Namen abrechnen sollte. Dafür sollte ich von ihm jeweils einen kleineren Betrag bekommen.Mit dem "XYZ" ist das etwa vier Wochen so gelaufen. (...)

Frage: Wie ist es denn in diesen Fällen bei den Recyclinghöfen vor Ort genau abgelaufen?

Antwort: Zum Ablauf kann ich einmal sagen, dass es z. B. bei M so gewesen ist, dass ich zunächst außerhalb des Recyclinghofes warten sollte. (...).Bei den Ablieferungen bin ich eigentlich immer erst mit dem Zug nach KK gefahren und bin dort mit dem Auto vom Bahnhof abgeholt worden. Hierbei hat es sich um einen weißen ... gehandelt. Vielleicht war es auch ein ...Ich bin später, nachdem die Ablieferung erfolgt ist, zum Recyclinghof gebracht worden und bin in das Büro reingegangen. Dort habe ich immer erklärt, dass eine Ablieferung vorher auf meinen Namen erfolgt ist, ich aber nicht früher kommen konnte und nun abrechnen wolle. Mir wurde vor jedem Recyclingunternehmen immer gesagt, dass ich behaupten solle, dass es sich um meinen Schrott handelt. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das jemand geglaubt hat, weil ja vorher schon andere abgeliefert haben und XYZ und die anderen ja auch dort schon bekannt waren. Die haben vorher auch gesagt, da kommt nachher noch einer zum Unterschreiben vorbei.Die Abrechnungsunterlagen habe ich unterschrieben und das Geld entgegengenommen. Beim Recyclingunternehmen habe ich Bargeld bekommen oder auch einen Scheck, wenn es sich um größere Beträge gehandelt hat. Mit den Unterlagen, d. h. den Abrechnungen und dem Geld oder dem Scheck bin ich rausgegangen und wieder in das Auto oder den Lkw von XYZ eingestiegen. Wenn ich einen Scheck bekommen habe, sind wir anschließend gleich zur Bank gefahren, um diesen Scheck einzulösen. Das Geld habe ich später an XYZ und so übergeben. Außerdem noch die Abrechnungen.

Ich selbst habe für meine Unterschrift vielleicht 150 oder 200 Euro bekommen. Außerdem habe ich auch noch die Fahrtkosten für den Zug bekommen (...).Zu den Anrufen kann ich noch sagen, dass ich vorher angerufen worden bin, wenn ich nach KK kommen sollte, teilweise sind die Anrufe auch schon in der Nacht erfolgt, weil ich entsprechend früh am Bahnhof sein sollte. (...).

Frage: Sind Ihnen die Namen der Personen bekannt, für die Sie unterschreiben sollten?

Antwort: (...). Teilweise ist es auch so abgelaufen, dass ich angerufen wurde und nach KK gekommen bin. Dort bin ich in eine sehr noble Limousine eingestiegen mit abgetönten Scheiben (...). In diesen Fällen ist es dann so gewesen, dass wir mit einem wahnsinnig hohen Tempo vielleicht eine halbe Stunde oder eine Stunde gefahren sind und ich überhaupt nicht wusste, wo wir waren. Dies sollte ich auch nicht mitkriegen. In diesen Fällen ist es so gewesen, dass die Abrechnungen nur reingereicht wurden in das Auto, ich diese unterschrieben habe und die unterschriebenen Abrechnungen wieder rausgegeben worden sind.Bei welchen Höfen dies gewesen ist, kann ich nicht sagen. Ich kann mich hierbei nur noch erinnern, dass ich auf den Abrechnungen nur noch den Betrag erkennen konnte und nicht den Namen der Firma. Der wurde mit einem Brett oder so was ähnlichem abgedeckt. Ich weiß aber, dass es sich um Vorwahlen von C gehandelt hat, also .../ oder auch .../ Welcher Ort dies war, kann ich nicht sagen.Es war auf jeden Fall so, dass ich nicht mitkriegen sollte, für welchen Hof ich dort unterschrieben habe. (...).

Frage: Können Sie sich vielleicht noch erinnern, wo Sie überall zum Unterschreiben waren?

Antwort: Wo genau im Einzelnen auf mich abgeliefert wurde, weiß ich nicht. Ich kann mich aber erinnern, dass wir an einem Tag bei 7 oder 10 verschiedenen Firmen gewesen sind und dort abgerechnet haben. Ich habe einmal auf den Tacho gesehen als ich abgeholt wurde und am Ende. Insgesamt sind wir etwa 1.200 oder 1.300 km gefahren.An dem Tag haben wir quasi eine Rundtour gemacht, d. h. wir sind von KK nach ... gefahren und anschließend noch nach C und wieder zurück nach J. Danach stellte sich aber heraus, dass noch eine Ablieferung in C erfolgt ist und wir sind wieder zurück nach C und anschließend über die Autobahn wieder zurück nach KK.

Frage: (...) ist Ihnen die Firma A bekannt?

Antwort: Auf Anhieb sagt mir diese Firma gar nichts. Es mag durchaus sein, dass ich dort im Auto gesessen und etwas unterschreiben habe."

b) Der Zeuge JJ als zuständiger Sachbearbeiter beim Finanzamt für Fahndung und Strafsache L - Steuerfahndung - hat die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Fahndungsbericht vom ... 2011 sowie dem undatierten Steuerbericht abschließend festgehalten (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 75 ff., 83 ff.). Aus der in dem Steuerbericht enthaltenen Aufstellung der einzelnen Abrechnungen ergibt sich dabei, dass der Zeuge D im Jahr 2009 Abrechnungen über Schrott- und Metalllieferungen über insgesamt ... € (inkl. USt) unterschrieben hat. Die A GmbH ist unter den aufgeführten Abnehmern als einzige in C ansässig (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 79 ff.)

c) Mit Anklage der Staatsanwaltschaft L vom ... 2011 wurde Herr D wegen Steuerhinterziehung in 13 Fällen angeklagt. Ihm wurde zur Last gelegt, in den im einzelnen aufgeführten Fällen die Umsätze nach § 14c Abs. 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) aus Gutschriften und Rechnungen, in denen er als leistender Unternehmer aufgetreten sei, obwohl er tatsächlich nicht der leistende Unternehmer gewesen sei, nicht angemeldet und dadurch Umsatzsteuern verkürzt zu haben (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 63 ff.).

d) Mit Urteil des Amtsgerichts L - Jugendrichter - vom ... 2013, rechtskräftig seit dem ... 2013, wurde Herr D wegen Steuerhinterziehung in 9 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (FGA Sonderband Bl. 68 ff.).

Das Urteil enthält zur Sache u. a. folgende Feststellungen:

Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung glaubhaft eingeräumt, auf den Lieferscheinen insoweit seine Unterschrift abgegeben zu haben. Die Lieferungen habe er allerdings tatsächlich nicht selbst durchgeführt. Er habe die Unterschriften für andere Lieferanten geleistet und habe als sogenannter "Schreiber" hierfür jeweils geringe Entgelte von den eigentlichen Lieferanten erhalten. Er sei damals drogenabhängig und dumm gewesen. Ihm sei allerdings klar gewesen, dass sein Verhalten nicht richtig gewesen sei. Deshalb habe der dann auch irgendwann aufgehört. (...).

2. Bezüglich Herrn F hat der - in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vernommene - Zeuge LL als zuständiger Sachbearbeiter beim Finanzamt für Fahndung und Strafsache L - Steuerfahndung - die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Fahndungsbericht vom ... 2013 wie folgt festgehalten (FGA Sonderband Bl. 200 ff.):

Der Besch. meldetet sich zum ... 2009 bei der Stadt G in Straße-3 ... mit alleinigem Wohnsitz an. Zum ... 2009 hatte er unter dieser Anschrift bereits eine Betriebsstätte seines angeblichen Metallrecycling-Unternehmens angemeldet. Als Wohnanschrift gab er hier noch eine Anschrift in den ... an. Dem Besch. wurde aufgrund seiner Gewerbe- und Wohnsitzanmeldungen vom Finanzamt G die St.Nr. (...) erteilt. Ab dem ... 2009 war er zur Abgabe monatlicher Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet. Da er diese nicht einreichte, erfolgten ohne irgendwelche zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnisse freie Schätzungen durch das Finanzamt i.H.v. (...).

Mit Schreiben vom ... 2010 wurde dem Besch. auf Anforderung der Steuerberaterin (...) eine Bescheinigung erteilt, dass er beim Finanzamt G steuerlich geführt wird und keine in Vollstreckung befindlichen Steuerrückstände hat. Ein Hinweis auf die nicht abgegebenen Voranmeldungen wurde mit aufgenommen.

Mit Schreiben vom "marz 2010", eingegangen am 20.04.2010, teilt der Besch. mit, seinen Betrieb aus gesundheitlichen Gründen zum ... 2010 eingestellt zu haben. Zum ... 2010 erfolgte gleichfalls die Abmeldung des Wohnsitzes in G. (...)

Aufgrund einer Verdachtsanzeige der Bank-1 mach dem Geldwäschegesetz wurde bekannt, dass der Besch. im Januar und Februar 2010 mehrere Zahlungen einer DD GmbH (...) aus sein Konto (...) erhalten hatte (Empfängerbenennung: F Metallrecycling), die jeweils am selben Tag in annähernd voller Höhe in bar abgehoben wurden. In einem Fall stammte der Zahlungseingang von der A GmbH.

Aus einer Kontrollmitteilung des Finanzamtes C-... vom Juni 2010 ergaben sich weitere Leistungen, für die der Besch. im Inland Zahlungen erhalten haben soll. Es handelt sich hier jedoch ausschließlich um Barzahlungen, die im Wege der Gutschrift durch den Leistungsempfänger, die Fa. A (...) angerechnet wurden. Soweit die Gutschiften gleichzeitig für die Übergabe des Bargeldes sein sollten bzw. sofern eine Quittung vorlag, ist die mutmaßlich eigenhändige Unterschrift des F - bekannt z. B. aus der Kontoeröffnung oder der Gewerbeanmeldung - dort nicht zu identifizieren. Die Gutschrift vom ... 2009 trägt dagegen erkennbar den Namenszug K. Hierbei handelt es sich um den ... Staatsbürger K (...), der auch für das o.g. Konto des Besch. bei der Bank-1 verfügungsberechtigt war. Die anderen Namenszüge auf den Gutschriften lassen sich nicht eindeutig zuordnen.

(...)

Grundsätzlich sprechen aus der Sicht der Steuerfahndung jedoch folgende Punkte für die Annahme, dass der Besch. nicht leistender Unternehmer war:

I. Die verwendete Anschrift ist ein Scheinsitz. Der Besch. verfügte dort nicht über Büroräume, Lagerflächen etc. Es handelt sich um eine reine Briefkastenadresse in einem ausschließlich für Wohnzwecke genutzten Stadtteil von G. (...)

II. Der Besch. verfügte über keinerlei Betriebsausstattung wie eigene Fahrzeuge oder Arbeitnehmer. Er war zu der Zeit seiner angeblichen Lieferungen nicht mobil und dürfte daher kaum in der Lage gewesen sein, seinen angeblichen Geschäften nachzugehen (Entzug der Fahrerlaubnis ... 2009 bis ... 2010 wegen vorausgegangener ...). Der "F", der sich beim Spediteur MM vorstellte, erschien dagegen in einem ...

III. Nichts deutet darauf hin, dass der Besch. selbst gegenüber den beteiligten Geschäftspartnern in Erscheinung getreten ist. Der Spediteur MM hat die Person, die sich ihm als "F" vorgestellt hat anhand des Passfotos nicht das Bild dem Besch. zuordnen können. Vielmehr hat er - wenngleich ohne absolute Gewissheit - den K als denjenigen identifiziert, der sich ihm gegenüber als F ausgegeben hat.

IV. Im Außenverhältnis der "Fa. F" scheint ausschließlich der K als Handelnder aufgetreten zu sein. Der DD GmbH wurde hierzu eine Vollmacht des "Einzelunternehmers" F für den K vorgelegt. Auch bei der Bank-1 ... hatte der K umfassende Handlungsvollmacht für den Besch.

V. Keine einzige der Unterschriften auf den Rechnungen und Quittungen lässt sich dem angeblichen Unternehmer F zuordnen. Die Unterschriften sind entweder unleserlich oder stammen von K.

VI. Hinzu kommen die tatsächlichen Umstände der Altmetalllieferungen:F Metallrecycling wäre ein Lieferant, der gleichsam aus dem Nichts in der Lage gewesen sein soll, innerhalb kürzester Zeit hochwertige Altmetalle unbekannten Ursprungs im Wert von ... Euro zu beschaffen. Ohne über eigene Fahrzeuge zu verfügen hätte F in der Gegend nahe der ... Grenze (...) der Spedition MM in kurzen Abständen befüllte Container mit Kupferschrott übergeben.

3. a) Bezüglich der Fa. H hat der - in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vernommene - Zeuge NN als zuständiger Sachbearbeiter beim FA P, Steuerfahndungsstelle gegen den - in der mündlichen Verhandlung am 11.06.2014 vernommenen - Zeugen FF ermittelt und die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Bericht über Steuerstraftaten vom ... 2012 wie folgt festgehalten (FGS Sonderband Bl. 136 ff., insbes. 148 ff.):

Der Besch. hat im Veranlagungszeitraum 2009 sowie in den Voranmeldungszeiträumen I. bis IV/2010 Rechnungen unter den Firmen- PP Bau GmbH (...)- H Bau GmbH u. Co KG, Straße-4 ..., C- H GmbH u. Co KG, Straße-4 ..., C und- RR GmbH ... (...)ausgestellt, denen keine Lieferungen und Leistungen zu Grunde lagen. Die Rechnungen hatten im Wesentlichen hochpreisigen Edelschrott (hauptsächlich Kupfer) zum Gegenstand. Entsprechende Wareneinkäufe waren bei dem Beschuldigten nicht festzustellen.Die vorgenannten Gesellschaften PP Bau GmbH sowie H (Bau) mbH u. Co KG waren zum Zeitpunkt der Rechnungserteilung und zum Zeitpunkt der vermeintlichen Leistung nicht unter den in den Rechnungen genannten Anschriften ansässig.

Die H GmbH u. Co KG ist nach Ermittlungen der Steuerfahndung P und nach den Ermittlungen der Steuerfahndung C unter der Adresse Straße-4 ... in C zu keiner Zeit existent gewesen.

Gleiches gilt für die H Bau GmbH u. Co KG. Nach den Erkenntnissen der Steuerfahndung C wurden die Gesellschaftsanteile der persönlich haftenden Gesellschafterin, der SS-Projektmanagement GmbH mit Vertrag vom ... 2009 an einen ... veräußert. Dieser ist aber seit ... 2007 nicht mehr unter der im Vertrag angegebenen Wohnanschrift in C gemeldet und gilt melderechtlich als "unbekannt verzogen". Die Steuerfahndung C geht bezüglich der GmbH daher von einer Firmenbestattung aus.

Die PP Bau GmbH ist bereits aus Ermittlungen der Steuerfahndung C bekannt. (...) Der Beschuldigte FF hat im Anschluss an die Firmenbestattung weiterhin unter der Firma der PP Bau GmbH Rechnungen geschrieben. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies, sofern es sich um Baudienstleistungen und andere Dienstleistungen handelte, ebenfalls zur Verschleierung des Einsatzes von anderen Subunternehmern erfolgte. Sofern die Rechnungen hochpreisigen Schrott zum Gegenstand hatten, dienten diese zur Verschleierung der wahren Herkunft des Schrotts. (...)

b) In der Hauptverhandlung vor dem AG GG am ... 2013 hat sich der Zeuge FF als Angeklagter laut Hauptverhandlungsprotokoll wie folgt eingelassen (FGA Sonderband Steuerfahndung Bl. 98 ff.):

Die meisten Firmen sind auf mich zugekommen, mit der Frage, ob ich ihnen eine Rechnung schreiben kann. Ich habe dann mehrere Briefköpfe erstellt und Rechnungen geschrieben. Wenn die Firmen eine Rechnungen benötigten mit Leistungen in Höhe von ... oder ... Euro, habe ich diese Rechnungen geschrieben.

Bei den Firmen waren es teilweise Bekannte von mir oder es wurden Kontakte geknüpft. Bei den unterschiedlichen Firmen liefen die Kontakte auch unterschiedlich ab. Bei der Firma A z. B. habe ich den Namen des Geschäftsführers vergessen. Es war ein ... Landsmann, ca. ... Jahre alt. Das war in Straße-1 ... in C. Das war ein Schrotthandel. Ich habe dort beim Neubau geholfen. Dadurch kam der Kontakt zustande. Die Absprachen haben wir bei ihm im Büro getroffen.

Er rief mich an und ich fuhr dann hin und fragte, was er bräuchte. Ich hatte immer meinen mobilen Koffer dabei mit Drucker, Laptop und konnte vor Ort die Rechnungen gleich fertigmachen und ausdrucken. Ich habe die Sachen aus der Not heraus gemacht. Ich bekam 3 bis 5 % auf jede Rechnung von der Gesamtsumme, also von der Summe + Mehrwertsteuer. Meinen Anteil bekam ich sofort bezahlt, wenn ich die Rechnungen übergeben hatte. Wenn die Summe zu hoch war, habe ich teilweise auch nur 2 % bekommen. Ich bekam manchmal ... € in bar ausgehändigt.

Das lief von 2006, 2007 bis 2010. Ich bin alleine zu den Firmen gegangen und habe das alleine gemacht. Das klappte auch immer. (...)

c) Mit Urteil des Amtsgerichts GG - Schöffengericht - vom ... 2013, rechtskräftig seit dem ... 2013, wurde der Zeuge FF wegen Steuerhinterziehung in besonders schwerem Fall in 3 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (FGA Anlagenband Bl. 57 ff.).

Das Urteil enthält zur Sache folgende Feststellungen:

Der Angeklagte wirke im Tatzeitraum - ... 2010 und danach - an einem sogenannten Umsatzsteuerkarussell als Missing Trader mit. Hierbei hinterzog er Umsatzsteuern in Höhe von insgesamt ... €. Unter den Firmen PP Bau GmbH, H Bau GmbH & Co KG, H GmbH & Co KG und RR GmbH stellte der Angeklagte Rechnungen mit gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträgen aus bzw. veranlasste Gutschriftenabrechnungen, obwohl der Rechnungsstellung wie der Angeklagte wusste, kein entsprechender Leistungsaustausch zu Grunde lag. Die Rechnungen bzw. Gutschriften hatten im Wesentlichen hochpreisigen Edelschrott zum angeblichen Liefergegenstand. Den Firmen A GmbH und (...) wurde so ermöglicht, einen tatsächlich nicht existierenden Vorsteueranspruch geltend zu machen.

4. a) Bzgl. des Zeugen R hat der - in der mündlichen Verhandlung am 07.05.2014 vernommene - Zeuge TT als zuständiger Sachbearbeiter beim Finanzamt für Fahndung und Strafsache S -Steuerfahndung - die Ergebnisse des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Fahndungsbericht vom ... 2011 wie folgt festgehalten (FGA Sonderband Bl. 192 ff.):

Ein in der Schrottbranche häufig anzutreffendes Modell zur Verschleierung von Lieferanten und Lieferwegen ist der Einsatz von Strohmännern bzw. Scheinlieferanten, die als sog. "Schreiber" bezeichnet werden. Hierbei werden meist mittellose bzw. finanziell und sozial schwache Personen eingesetzt, die lediglich ein entsprechendes Gewerbe anmelden, eine Bestätigung des zuständigen Finanzamtes über die steuerliche Erfassung als Regelunternehmer und eine USt-IdNr. beantragen und ggf. Rechnungsvordrucke, Briefbögen oder Firmenstempel anfertigen lassen.

Beim Beschuldigten liegen die typischen Anzeichen eines "Schreibers", nämlich eine Gewerbeanmeldung eines Branchenfremden, sofort hohe Umsätze ("aus dem Stand"), Nichtabgabe der gebotenen Umsatzsteuervoranmeldungen, keine oder nur geringe betriebliche Unterlagen, fehlende Geschäftsausstattung (Betriebsgelände, Lagerplatz, Fuhrpark), teilweise große räumliche Entfernung zwischen "Betriebssitz" und Abnehmer, augenscheinliche "En-Block"-Unterschriften auf den Abrechnungen vor. Insbesondere ist beim Durchschreibeverfahren der Abrechnungen der Fa. V augenscheinlich erkennbar, dass die Belege bei Leistung der Unterschriften übereinander lagen.

Nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung unterhielt der Beschuldigte in S, Straße-5 ..., zu keiner Zeit seinen Wohn- oder Betriebssitz.

Auch durch weitere Maßnahmen, insbesondere die TKÜ-Maßnahmen, konnte der tatsächliche Aufenthalt des Beschuldigten zunächst nicht ermittelt werden.

(...)

Der Beschuldigte verfügte hinsichtlich des abgerechneten Materials weder über die Geschäftsausstattung noch die entsprechenden Geschäftskontakte.

Für den Ermittlungszeitraum, nämlich Juli 2009 bis April 2010, konnten insgesamt 8 Recyclinghöfe ermittelt werden, mit denen der Steuerpflichtige Netto-Umsätze in Höhe von ... Euro abgerechnet hat.(...)

Nach den Feststellungen der Fahndungsprüfung ist der Steuerpflichtige somit bei den bekannten Recyclinghöfen tatsächlich nicht als Schrotthändler tätig geworden, sondern als sog. "Schreiber" eingesetzt worden.

Tatsächlich hat der Beschuldigte keinen Schrott an die Recyclinghöfe geliefert. Die vorgetäuschten Lieferungen dienten lediglich dazu, die tatsächlichen Lieferanten des Schrotts zu verschleiern und dem Abnehmer gleichwohl den Vorsteuerabzug zu gewährleisten.

Die tatsächliche und eigentliche Leistung des Beschuldigten umfasste lediglich die Zurverfügungstellung seiner Personalien, insbesondere auch für die Anmeldung des Gewerbes, sowie dem Unterschreiben der Abrechnungen, für die dann eine geringe "Provision" gezahlt worden ist.

b) Mit Urteil des Landgerichts UU vom ... 2011, rechtskräftig seit dem ... 2012, wurde der Zeuge R als dortiger Angeklagter wegen Steuerhinterziehung in 5 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt und seine Unterbringung ... angeordnet (FGA Sonderband Bl. 104 ff.).

Das Urteil enthält zur Sache u. a. folgende Feststellungen:

Nach seiner Haftentlassung im März 2009 verfügte der Angeklagte weder über eine Wohnung noch über einen Arbeitsplatz. (...) Der Angeklagte wurde in dieser Zeit von einer namentlich nicht bekannt gewordenen männlichen Person (...) angesprochen, ob er ein Schrotthandelsgewerbe anmelden wolle. Aufgabe des Angeklagten als Gewerbetreibender sollte sein, mit Dritten, die über Schrott, Altmetalle und Ähnliches verfügten, zu Schrottplätzen und Recyclinghöfen zu fahren, den Verkaufserlös für den dort abgelieferten Schrott entgegen zu nehmen und über die Verkäufe Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis zu verfassen beziehungsweise entsprechende Gutschriften der Käufer entgegen zu nehmen. (...)

Der Angeklagte stimmte dem oben genannten Vorschlag zu, er sah darin eine günstige Möglichkeit, jedenfalls so viel Geld zu verdienen, dass er damit seine Heroinkonsum finanzieren und Entzugserscheinungen vermeiden konnte.

Die Person, die dem Angeklagten den oben genannten Vorschlag unterbreitet hatte, benannte ihm eine Anschrift im ... S (Straße-5 ...), unter der er sich meldebehördlich und als Gewerbetreibender anmelden sollte.

(...) In der Folgezeit bekam der Angeklagte - durch Vermittlung der Person, die ihn ursprünglich angesprochen hatte - Anrufe von Schrottbesitzern, die ihn mit bereits beladenen Lastkraftwagen und Sattelzügen abholten und mit ihm zu Schrottplätzen und Recyclinghöfen fuhren. Dort wurden der Schrott (Eisen und Buntmetalle, vor allem Kupfer) abgeladen und gewogen und der Ankaufspreis festgesetzt. Der Angeklagte erklärte jeweils - durch Unterschrift unter eine entsprechend vorgedruckte Lieferantenerklärung oder durch entsprechende handschriftliche Zusätze auf Wiegescheinen und Gutschriften - dass er Eigentümer des angelieferten Schrotts sei. Ferner legte er die "Steuerliche Bescheinigung" vom ... 2009 und regelmäßig seinen Personalausweis vor. Er erhielt dann - überwiegend mit einer von dem Abnehmer ausgestellten, Menge und At der angelieferten Altmetalle ausweisenden Gutschrift mit offenem Umsatzsteuerausweis - den Bruttoerlös einschließlich Umsatzsteuer bar ausgezahlt. Diese Beträge übergab er dann seinem jeweiligen Begleiter, der ihm daraus einen Anteil zahlte.

Die vom Angeklagten entgegen genommenen Gutschriften waren auch als solche oder als Ankaufsrechnung bezeichnet und auf Briefköpfen des jeweiligen Abnehmers ausgestellt oder mit dessen Stempel versehen worden. Ferner waren sie datiert, an den Angeklagten unter der Anschrift Straße-5 ... in S adressiert, nannten seine Steuernummer (..) und trugen eine (fortlaufende) Gutschriftennummer. (..) In einigen Fällen erhielt er keine Gutschriften, sondern legte - vermutlich von dem ihn begleitenden tatsächlichen Schrottverkäufer - per Computer erstellte, ebenfalls Art und Menge der angelieferten Altmetalle ausweisende Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis vor, in denen der Angeklagte mit der Anschrift Straße-5 ... in S als Lieferant aufgeführt war, oder er unterschrieb vor Ort eine mit Hilfe eines Rechnungsblocks verfasste handschriftliche Rechnung entsprechenden Inhalts.

Diese auch so bezeichneten Rechnungen wiesen Namen und Anschrift des Abnehmers als Rechnungsadressaten auf, nannten das (Leistungs-)Datum und die vorgenannte Steuernummer des Angeklagten. Überwiegend befand sich auf ihnen aber keine fortlaufende Rechnungsnummer.

Der Angeklagte wusste, dass sie in den Rechnungen und Gutschriften ausgewiesen Umsatzsteuer (im vollen Umfang) an das Finanzamt abzuführen war. Er tat dies nicht, sondern verließ sich auf zusagen der Person, die ihn angesprochen und dabei geäußert hatte, man werde im gewissen Umfang "für ihn beim Finanzamt einzahlen, um zu zeigen, dass nicht nur rausgezogen werde". Solche Einzahlungen erfolgten indessen nicht. (...)

In der Anklageschrift wurde dem Angeklagten auch vorgeworfen, in einem erheblichen Umfang (Hinterziehungssumme mehr als ... €) unberechtigt Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis für Schrottlieferungen an die Abnehmerin A GmbH in C-... zwar ausgestellt, eine entsprechende Steuererklärung (Voranmeldung) aber nicht abgegeben zu haben. Von der Verfolgung dieser Teile der Tat hat die Kammer mit Beschluss vom ... 2011 gemäß § 154a Abs. 2 StPO abgesehen. Es bestehen Zweifel, ob die entsprechenden Unterschriften tatsächlich vom Angeklagten stammen und er bei den Lieferungen im Januar 2010 anwesend war.(...)

Ende April 2010 hörte der Angeklagte auf. Er war nicht mehr bereit, Schrottlieferungen zu begleiten und dafür seinen Namen herzugeben. Er war zunehmend darüber verärgert, dass er nur geringe Beträge für seine Mitwirkung bekam. Er hatte zudem von einem der Komplementäre der HH OHG erfahren, dass es bei "seinen" Ablieferungen nicht mit rechten Dingen zugehe und er, der Angeklagte, wohl nur ein sogenannter Schreiber sei.

VII.

1. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26.02.2014 der Einzelrichterin übertragen (FGA Bl. 43).

2. Die Einzelrichterin hat den Kläger unter Setzung einer Ausschlussfrist bis zum 17.06.2014 aufgefordert, die die den einzelnen Einkaufs-Rechnungen der Firmen F, H GmbH & Co KG, R sowie D zugrunde liegenden Warenlieferungen in der Weise zu konkretisieren, dass im Einzelnen dargelegt wird, wer das Material anbot, wie ein Abnehmer gefunden wurde, mit wem die An- und Verkaufspreise ausgehandelt wurden und durch wen, wann von wo nach wo das Material geliefert wurde (FGA Bl. 290).

3. a) Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen B, HH, VV, NN, TT, LL, JJ, EE, WW, FF und R. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des weiteren Inhalts der Verhandlungen wird auf den Inhalt der Sitzungsprotokolle vom am 17.04.2014 (FGA Bl. 152c ff.), 07.05.2014 (FGA Bl. 234 ff.), 28.05.2014 (FGA Bl. 299 ff.) und 11.06.2014 (FGA Bl. 320 ff.) Bezug genommen.

b) Das Gericht hat des weiteren Beweis erhoben durch die schriftliche Zeugenvernehmung der Zeugen M und D. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Schriftsatzes der M Recycling GbR vom 07.04.2014 (FGA Bl. 116 ff.) sowie des Faxes von Herrn D vom 25.06.2014 (FGA Bl. 372) Bezug genommen

Darüber hinaus wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschriften vom 26.06.2013 (FG-A Bl. 381 ff.) und vom 16.07.2014 (FG-A Bl. 397 ff.) sowie auf die oben angeführten Unterlagen und die damit zusammenhängenden Vorgänge aus der FGA und den folgenden Steuerakten:- ein Band Haftungsakten (St.-Nr.-1)- Steuerakten der A GmbH (St.-Nr.-2) - ein Band Umsatzsteuerakten, - ein Band Betriebsprüfungsakten, - Band I und II der Rechtsbehelfsakten, - Band I und II der Klageakten und - vier Bände Betriebsprüfungsarbeitsaktensowie den durch die Zeugen eingereichten Unterlagen in den beiden Sonderbänden (Sonderband Steuerfahndung sowie Sonderband "Inhalt Klarsichthülle") und dem - nicht beschrifteten - Aktenordner mit Originalunterlagen der A GmbH.

Gründe

B. Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

I.

Der Haftungsbescheid vom ... 2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO); das FA hat den Kläger zu Recht gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 69 AO für die Umsatzsteuersteuerschulden der A GmbH nebst steuerlicher Nebenleistungen in Haftung genommen.

1. Gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO haften die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Der Haftungsschuldner kann gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.

Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Er ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

a) Der Kläger war als eingetragener Geschäftsführer der A GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.

b) Der Kläger hat als Geschäftsführer der A GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften von Herrn D, Herrn F, der Fa. H und dem Zeugen R die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aa)) sowie die sich für die VAZ November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (bb)).

Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Klägers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die A GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.

Die durch den Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen.

aa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).

aaa) Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).

bbb) Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteile vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

ccc) Dabei trägt in tatsächlicher Hinsicht der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind (BFH-Urteile vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259; vom 04.09.2003 V R 9 und 10/02, BFH/NV 2004, 149). Vorliegend trifft damit den Kläger auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG. Demzufolge ist es seine Sache, entscheidungserhebliche Tatsachen im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht vorzutragen und zu belegen. Das gilt auch, soweit es um die Frage geht, ob der Kläger Kenntnis von der Strohmanneigenschaft des als Leistender Auftretenden hatte oder haben musste und auch für das Wissen oder Wissenkönnen vom Tatplan eines Vor- oder Nachlieferanten (BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315). Die Schwierigkeit eines Negativbeweises ändert die Verteilung der Beweislast grundsätzlich nicht. Denn denjenigen, der sich auf das Nichtvorliegen von Tatsachen oder Umständen beruft, kann die Feststellungslast ohnehin nur treffen, wenn der Gegner - hier das FA - substantiierte Tatsachen oder Umstände vorgetragen hat, die für das Vorliegen des Positivums sprechen (BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; BFH-Beschluss vom 08.04.1993 X B 22/92, BFH/NV 1994, 180).

ddd) An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11 Mahageben und David, UR 2012, 591). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn der zur Begründung des Abzugsrechts geltend gemachte Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war und aufgrund der von den Steuerbehörden beigebrachten objektiven Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige dies wusste oder hätte wissen müssen. Da es sich bei der Versagung um eine Ausnahme handelt, ist zunächst das Vorliegen aller materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs zu prüfen und zu bejahen. Erst wenn die den Vorsteueranspruch begründenden Tatsachen durch den Steuerpflichtigen nachgewiesen wurden, stellt sich die Frage nach dem Nachweis des Ausnahmetatbestandes (vgl. Lohse, BB 2014, 860).

eee) Bei Anwendung dieser Grundsätze war der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Zeugen D, des Herrn F und des Zeugen R sowie der Fa. H nicht zuzulassen.

(1) Das Gericht ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Zeuge D, Herr F, die Fa. H und der Zeuge R jeweils von einem Dritten als Strohmann vorgeschoben und daher lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.

Im Einzelnen:

(a) Bezüglich des Zeugen D beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben gegenüber dem Zeugen JJ am ... 2011, deren Inhalt der Zeuge JJ in seiner Vernehmung am 28.05.2014 bestätigte, auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa L in ihren Berichten (oben A. VI. 1 b)), den Feststellungen in dem Urteil das AG L vom ... 2013 in Verbindung mit der Anklageschrift vom 13.09.2011 (oben A. VI. 1 c) und d)), den glaubhaften Angaben des Zeugen JJ in seiner Vernehmung am 28.05.2014 sowie den schriftlichen Angaben des Zeugen D in dem Fax vom 25.06.2014.

Danach ergibt sich folgendes Bild:        - Herr D war im Jahr 2009 erst 19 Jahre alt und hatte keinen Schulabschluss erlangt;- nur zwei Tage nach seiner steuerlichen Erfassung durch das FA J (oben A. I. 3. b) cc) aaa)) begannen die Lieferungen an die A GmbH am ... 2009. Über einen Zeitraum von 6 Monaten wurden insgesamt 42 Lieferungen (bei Rechnungsnummern von ... bis ...) über insgesamt ... € abgerechnet;- der Zeuge D hatte keine Erfahrung im Schrotthandel; dies zeigt sich insbesondere auch dadurch, dass der Kläger dem Zeugen D, der keinerlei Erfahrung im Ausfertigen von Rechnungen hatte, die erste Rechnung vorschreiben musste, nach dessen Vorbild der Zeuge D die weiteren an die A GmbH gerichteten Rechnungen fertigte;- die Rechnungen enthalten teilweise doppelte Rechnungsnummern, erfüllen also nicht die Voraussetzungen des §§ 14, 14a UStG;- die Rechnungsbeträge wurden ausschließlich bar gezahlt;- der Zeuge D wurde zu den einzelnen Ablieferungsstellen gefahren, um dort Unterschriften zu leisten, dabei wurde er zuvor angekündigt mit den Worten, dass "gleich einer zum Abrechnen" komme, d. h. im Zusammenhang mir den einzelnen Lieferungen ist der Zeuge D gegenüber der A GmbH nicht z. B. zwecks Preisabsprache, Terminabsprache usw. tätig geworden;- aus den vorliegenden Kassenbuchaufzeichnungen (oben A.I.3.c)) ergibt sich, dass in diesen Monaten neben den Barzahlungen an Herrn D nur noch in geringem Umfang weitere Bargeldbeträge ein- und ausgezahlt wurden, insbesondere keine anderen Metallankäufe größeren Umfangs gegen Bargeld getätigt wurden;- der Zeuge D war nach seinen eigenen glaubhaften Angaben tatsächlich ein bloßer Schreiber und hatte keine Verfügungsgewalt über die Ware, kaufte sie zuvor nicht selber an, besorgte nicht ihren Transport, verhandelte nicht über die Preise, hatte an der angegebenen Rechnungsanschrift tatsächlich keinen Geschäftssitz etc. und wurde dementsprechend als Schuldner von gem. § 14c Abs. 2 UStG unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer verurteilt;- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt;- aufgrund des festgestellten Kassenfehlbetrags steht fest, dass am 17.06.2009 nicht genügend Bargeld für die Zahlung der Rechnung des Zeugen D zur Verfügung stand. Die diesbezügliche Erklärung des Klägers ist nicht geeignet, diese Feststellung zu erschüttern, denn damit räumt er ein, das Kassenbuch nicht ordnungsgemäß geführt zu haben, so dass den Eintragungen gar kein Beweiswert mehr zukäme.(ß) Hinsichtlich Herrn F beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa L in dem Bericht vom ... 2013 (oben A. VI. 2) sowie den Angaben des Zeugen LL in seiner Vernehmung am 07.05.2014.

Danach ergibt sich folgendes Bild:- nur 1 Monat nach der Gewerbeanmeldung vom ... 2009 begannen die Lieferungen an die A GmbH am ... 2009. Über einen Zeitraum von knapp 3 Wochen wurden insgesamt 6 Lieferungen über insgesamt ... € abgerechnet;- es wurde - mit einer Ausnahme (RbA Bd. I Bl. 78) - ausschließlich bar gezahlt;- die Zahlungen wurden z. T. gar nicht, z. T. nur unleserlich auf den Gutschriften quittiert, eine Unterschrift (BpAA Bd. III Bl. 42) könnte von Herrn K stammen, wobei aber keine Unterschrift des Herrn K zu den Unterlagen der A GmbH zwecks Vergleichs genommen worden war;- der eigentliche Geschäftspartner (Herr F) ließ sich von einem Handlungsbevollmächtigten vertreten;- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt.

?) Bezüglich der Fa. H beruht die Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa P in dem Bericht vom ... 2012 (oben A. VI. 3a)), den glaubhaften Angaben des Zeugen NN in seiner Vernehmung am 07.05.2014, den glaubhaften Angaben des Zeugen EE in seiner Vernehmung am 28.05.2014, der Einlassung des Zeugen FF als Angeklagter in der mündlichen Verhandlung vor dem AG GG am ... 2013, den Feststellungen in dem Urteil des AG GG vom ... 2013 (oben A. VI. 3c)) sowie den Angaben des Zeugen FF in seiner Vernehmung am 11.06.2014.

Danach ergibt sich folgendes Bild:        - der Zeuge FF hat im Jahr 2010 Abdeck-/Scheinrechnungen unter den Schein-Firmen PP Bau GmbH, H Bau GmbH & Co KG, H GmbH & Co KG sowie RR GmbH ausgestellt, denen tatsächlich keine Leistungen zugrunde lagen;- der Zeuge FF verfügte dafür über einen mobilen Koffer und eine Mappe mit Unterlagen zur Übergabe an den jeweiligen Rechnungsempfänger zur Vorlage beim Finanzamt;- der Zeuge FF war nicht im Metall- und Schrotthandel, sondern tatsächlich im Baugewerbe tätig;- der Zeuge FF hatte ein Büro in Straße-1 ... auf dem Betriebsgelände der A GmbH für seine Bautätigkeit angemietet;- Herr O war im Jahr 2010 nicht mehr eingetragener Geschäftsführer der Fa. H;- der Zeuge FF hat in seiner Vernehmung am 11.06.2014 bekundet, dass es sich bei für die A GmbH gebuchten und dem Vorsteuerabzug unterworfenen Rechnungen der Fa. H ebenfalls um bloße Scheinrechnungen gehandelt habe, denen keine Lieferung zugrunde gelegen hätten. Er habe zwar auch Metalle an die A GmbH geliefert, dies aber unter dem Briefkopf der RR GmbH abgerechnet;- es wurde ausschließlich bar gezahlt;- die Zahlungen wurden überwiegend gar nicht auf den Rechnungen oder auf einem sonstigen Schriftstück quittiert; lediglich auf der Rechnung vom ... 2010 befindet sich ein Stempel der Fa. H und darauf die Unterschrift "O" (BpAA Bd. III Bl. 72);- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt;- die dem Kläger anlässlich der ersten Besprechung ausgehändigten Unterlagen waren gefälschte Urkunden.d) Hinsichtlich des Zeugen R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften schriftlichen Angaben in dem gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (oben A.I.7c)), den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa S in dem Bericht vom ... 2011 (oben A.VI. 4a)), den Feststellungen in dem Urteil des LG UU vom ... 2011 (oben A.VI.4.b), den Angaben des Zeugen TT in seiner Vernehmung am 07.05.2014 sowie den Angaben des Zeugen R in seiner Vernehmung am 11.06.2014.

Danach ergibt sich folgendes Bild:        - 5 Monate nach der Gewerbeanmeldung (oben A. I. 7.b)) begannen die Lieferungen an die A GmbH am ... 2009. Über einen Zeitraum von nur gut 2 Monaten wurden insgesamt 12 Lieferungen über insgesamt ... € abgerechnet;- die Rechnungsnummern in 2010 sind nicht fortlaufend, erfüllen also nicht die Voraussetzungen des §§ 14, 14a UStG;- die Rechnungsbeträge wurden ausschließlich bar bezahlt;- der Zeuge R war nach seinen eigenen glaubhaften Angaben tatsächlich ein bloßer Schreiber und hatte keine Verfügungsgewalt über die Ware, kaufte sie zuvor nicht selber an, besorgte nicht ihren Transport, verhandelte nicht über die Preise, hatte an der angegebenen Rechnungsanschrift tatsächlich keinen Geschäftssitz etc. und wurde dementsprechend als Schuldner von gem. § 14c Abs. 2 UStG unberechtigt ausgewiesener Umsatzsteuer verurteilt;- die Herkunft des Schrotts war dem Kläger unbekannt;- die Rechnungen in 2010 hat der Zeuge R mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht selbst geschrieben; er äußerte in seiner Vernehmung Zweifel daran, dass es sich bei den Unterschriften auf den Rechnungen um seine Unterschrift handele; diese Zweifel hatte er zuvor schon vor dem LG UU geäußert, das daraufhin von der Verfolgung dieser Teile der Tat gem. § 154a Abs. 2 StPO abgesehen hat;- der Zeuge R war in 2009/2010 schwer heroinabhängig; nach seiner eigenen Einschätzung war dies auch erkennbar, sonst wäre er ja nicht so ausgenutzt worden.(2) Es bestanden hinreichend Anhaltspunkte für den Kläger, die Verhältnisse der streitigen Lieferanten zu überprüfen. Dabei ist zunächst einmal zu berücksichtigen, dass der Metallhandel eine Branche ist, in der ein Teil der Marktteilnehmer ihre geschäftliche Tätigkeit auf eine Hinterziehung von Umsatzsteuer ausrichtet ("Hochrisikobranche"), was letztendlich zur Einführung des § 13b Abs. 2 Nr. 7 UStG geführt hat, wonach die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers erweitert wurde auf steuerpflichtige Lieferungen von Industrieschrott, Altmetallen und sonstigen Abfallstoffen. Zudem wurde der überwiegende Anteil der Lieferungen als sog. Strecken- bzw. Reihengeschäft abgewickelt, so dass die Ware nicht auf den Platz der A GmbH angeliefert wurde und daher der persönliche Kontakt zu den Lieferanten weniger intensiv war. Bereits unter diesen Umständen bestand im Streitfall Anlass, die Identität der gegenüber der A GmbH auftretenden Personen eingehend zu prüfen. Dies galt umso mehr, als bei der von der A GmbH gehandelten Ware die Gefahr groß ist, auf Hehlerware von Diebstählen zu stoßen. Angesichts dieser Umstände und der überwiegenden Barzahlungen unterlag der Kläger als Geschäftsführer der A GmbH weitgehenden Sorgfaltspflichten.

Das Gericht ist der Überzeugung, dass der Kläger zumindest damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass der Zeuge D, Herr F, die Fa. H und der Zeuge R nicht die tatsächlich Leistenden waren, sondern nur rechnungsmäßig in die Leistungskette eingeschaltet wurden und weder eine eigene Verpflichtung eingehen noch Steuern entrichten wollten.

Dies folgert das Gericht aus folgenden Umständen:                a)    Bezüglich des Zeugen D-       kannte der Kläger das geringe Alter von dem Zeugen D;-       kann dem Kläger, der nach eigenen Angaben bereits jahrelang im Schrotthandelsgewerbe tätig ist, zur Überzeugung des Gericht nicht verborgen geblieben sein, dass der Zeuge D über keinerlei vertiefte Kenntnisse im Schrott- und Metallhandel verfügte; zumal der Zeuge D nicht in der Lage war, eine ordnungsgemäße Rechnung zu schreiben, so dass der Kläger ihm die erste Rechnung "vorschreiben" musste;-       sah sich der Kläger veranlasst, auf Rechnungserteilung durch den Zeugen D hinzuwirken und nicht durch Gutschriften abzurechnen;-       wurde der Zeuge D dem Kläger als der, "der zum Abrechnen kommt", angekündigt. Dies steht aufgrund der glaubhaften Angaben von dem Zeugen D fest: Zwar hatte der Zeuge D keine konkrete Erinnerung an die A GmbH mehr, er schilderte jedoch ausführlich seine Erinnerungen an die Fahrten nach C. Da es sich bei der Fa. A GmbH nach den Feststellungen der Steuerfahndung um die einzige Abnehmerin mit Geschäftssitz in C handelte, ist das Gericht davon überzeugt, dass die von Herrn D beschrieben Vorgehensweise bei den Abrechnungen auch bei der A GmbH praktiziert wurde;-       war dem Kläger aufgrund der ihm vorgelegten Unterlagen bekannt, dass sich der Zeuge D unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei der A GmbH als Lieferant vorstellte, ohne der A GmbH speziell vermittelt/empfohlen worden zu sein. Diesen Umstand hätte der Kläger zum Anlass nehmen müssen, den Zeugen D nach seinen Erfahrungen im Schrotthandel und seinen Referenzen zu fragen, und sich danach zu erkundigen, wie er gerade auf die A GmbH als mögliche Geschäftspartnerin komme etc. Diese Nachfragen hat der Kläger aber gerade nicht gestellt;-       wurden zum Teil tägliche bzw. mit nur geringem zeitlichen Abstand Lieferungen von nicht geringer Menge abgerechnet, ohne dass der Kläger Erkundigungen über die Herkunft des Schrotts einholte bzw. entsprechende Nachfragen bei dem Zeugen D stellte.ß)    Bezüglich Herrn F-       wusste der Kläger von Anfang an, dass nicht Herr F, sondern Herr K die Lieferungen abwickeln werde. Nach dem Grund für diese Vorgehensweise hat er sich nach eigenen Angaben nicht erkundigt;-       wurden die Zahlungen nur unleserlich quittiert;-       wurden mit nur geringem zeitlichen Abstand Lieferungen von hoher Menge abgerechnet, ohne dass der Kläger Erkundigungen über die Herkunft des Schrotts einholte bzw. entsprechende Nachfragen bei Herrn F stellte;-       hat der Kläger den Umstand, dass die Bescheinigung des FA G am ... 2009 und damit vor der Gewerbeanmeldung vom ... 2009 ausgestellt wurde, nicht als Anlass für Rückfragen bei Herrn F genommen. Der - behauptete - Telefonanruf beim FA G kann den Kläger insoweit nicht vollständig entlasten, denn die Frage, ob Herr F steuerlich geführt werde, ist insoweit nicht ausreichend, vielmehr hätte der Kläger auch erfragen müssen, ob Herr F seinen steuerlichen Pflichten (insbesondere Abgabe der USt-Voranmeldungen) nachkommt.?)    Bezüglich der Fa. H-       konnte aufgrund der widersprüchlichen Angaben des Zeugen FF in seiner Zeugenvernehmung am 11.06.2014 nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob den Rechnungen der Fa. H an die A GmbH tatsächlich Lieferungen zugrunde lagen oder ob es sich um "bestellte" Schein-/Abdecklieferungen handelte. Diese Frage kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, weil selbst für den Fall, dass tatsächlich Lieferungen stattgefunden hätten, der Kläger zur Überzeugung des Gerichts zumindest damit rechnete und billigend in Kauf nahm, dass die Fa. H nicht die tatsächliche Lieferantin der abgerechneten Metalle war, denn-       der Kläger wusste, dass der Zeuge FF eigentlich im Baugewerbe tätig war. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts zum einen daraus, dass der Zeuge FF in Straße-1 ... ein Bürozimmer für seine Tätigkeit im Baugewerbe angemietet hatte und der Kläger - wie er selbst einräumte - Kontakt zu ihm hatte, sowie aus den glaubhaften Bekundungen des Zeugen EE, der bekundete, der Zeuge FF habe sich stets mit seinen guten Leistungen im Baubereich gebrüstet, insbesondere damit, der ... zu sein;-       der Kläger hat nicht aufgeklärt, wie der Bauunternehmer FF plötzlich an Metallschrott kommen sollte. Nach seinen, des Klägers, Angaben habe der Zeuge FF behauptet, der Schrott stamme von verschiedenen Baustellen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, den Schrott auf diese behauptete Herkunft überprüft zu haben;-       der Kläger hat nicht weiter aufgeklärt, weshalb der Zeuge FF für die Fa. H auftrat. Die Verbindung zwischen Herrn O und dem Zeugen FF hat der Kläger nicht hinterfragt. Der Kläger hat auch keinen Handelsregisterauszug angefordert, sonst hätte er erfahren, dass Herr O gar nicht (mehr) der Geschäftsführer der Fa. H war und-       der Kläger hätte durch einen aufmerksamen Blick feststellen können, dass es sich bei den überreichten Unterlagen um Fälschungen handelt, so trägt die Gewerbeanmeldung z. B. zwei unterschiedliche Daten sowie eine uneinheitliche Nummerierung.d)    Bezüglich des Zeugen R -    wurden mit nur geringem zeitlichen Abstand Lieferungen von hoher Menge gegenüber der A GmbH abgerechnet, ohne dass der Kläger Erkundigungen über die Herkunft des Schrotts einholte bzw. entsprechende Nachfragen bei dem Zeugen R stellte;-       notierte sich der Kläger keine Kfz-Nummern bzw. die Namen der Anlieferer;-       hat sich der Kläger nicht zu den von dem Zeugen R selbst geäußerten Zweifeln eingelassen, ob auch in 2010 der Zahlungserhalt tatsächlich von dem Zeugen R quittiert wurde;-       war für den Kläger ersichtlich, dass die Rechnungsnummern in 2010 nicht fortlaufend waren (oben A. I. 7.a));-       hat der Zeuge HH dem Zeugen R auf den Kopf zugesagt, dass er ein bloßer Schreiber sei und er, der Zeuge HH, keine Umsatzsteuer mehr an ihn auszahlen würde. Nach den glaubhaften Angaben des Zeugen R in seiner Vernehmung am 11.06.2014 konfrontierte ihn der Zeuge HH mit seiner, des Zeugen R, "Schreibereigenschaft", nachdem die Geschäfte ein Volumen von ... € erreicht gehabt hätten. Insoweit geht das Gericht davon aus, dass auch für den Kläger die "Schreibereigenschaft" des Zeugen R erkennbar war und er mit dieser rechnete, er jedoch nicht die gleichen Konsequenzen wie der Zeuge HH zog.(3) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen.

Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteile vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob nach dem EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U, EFG 2014, 395), kann dahingestellt bleiben, da der Kläger aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.

(4) Weder der Kläger noch die A GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom ... 2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Der Kläger hat trotz der Setzung einer Ausschlussfrist (oben) keine konkreten Angaben gemacht bzw. ergänzende Nachweise eingereicht, wonach die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich als Erbringer der gegenüber der A GmbH abgerechneten Leistungen anzusehen wären.

(5) Ohne Bedeutung ist im Ergebnis, dass der Kläger sich die für die Unternehmereigenschaft sprechenden Unterlagen der streitigen Lieferanten hat vorlegen lassen. Dem Gericht ist aus früheren Verfahren bekannt, dass gerade bei der Einschaltung von Strohmännern Wert darauf gelegt wird, dass die formellen Nachweise zur Prüfung der Unternehmereigenschaft vorhanden sind. Dies dürfte auch dem Kläger nicht verborgen geblieben sein.

Die von dem Kläger beantragte Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung und Einholung eines Sachverständigengutachtens war nicht durchzuführen. Die zum Beweis gestellten Tatsachen sind nicht beweisbedürftig bzw. können als wahr unterstellt werden.

Im Einzelnen:Die Tatsache, dass das Schrotthandelsgewerbe traditionell und seit Generationen von ethnischen Minderheiten und sozialen Randgruppen dominiert werde, kann als wahr unterstellt werden.

Die Tatsache, dass die im einzelnen aufgeführten Zeugen mit den hier streitgegenständlichen Lieferanten (einzeln oder allen) auch in Geschäftsbeziehung standen und sie zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten dieselben Maßnahmen ergriffen hätten wie der Kläger, wobei diese Maßnahmen üblich seien im Schrotthandelsgewerbe und weitere Möglichkeiten zur Überprüfung und Versicherung der Identität und der Unternehmereigenschaft der hier streitgegenständlichen Lieferanten ihnen und auch dem Kläger nicht zur Verfügung gestanden hätten, ist nicht beweisbedürftig, da es vorliegend ausschließlich um die Verhältnisse bei der A GmbH und die im Streitfall - erhöhten - persönlichen Pflichten des Klägers geht.

Die im Zusammenhang mit den "Neuhändlern" unter Beweis gestellten Tatsachen sind ebenso wie die unter Beweis gestellt Tatsache, dass das Streckengeschäft ein übliches und auch wirtschaftlich sinnvolles Geschäftsmodell sei, ebenfalls nicht beweisbedürftig. Das Gericht hat bei seiner Überzeugungsbildung keinen allgemein gültigen Erfahrungssatz dahingehend zugrunde gelegt, dass wenn "Neuhändler" hohe Umsätze tätigten, dies ein Indiz für eine etwaige Strohmanntätigkeit sei, und hält es auch nicht per se für ungewöhnlich, wenn Neuhändler gleich zu Beginn der Geschäftsaufnahme hohe Umsätze erwirtschaften und wenn Geschäfte im Metall- und Schrotthandel in Form sog. Streckengeschäfte abgewickelt werden.

bb) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Kläger seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der A GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.

c) Der Kläger hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).

aa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Kläger nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen (s.o.).

bb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von ... sowie März 2011 in Höhe von ... € hätte der Kläger hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen.

d) Auch die Inanspruchnahme des Klägers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2003 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

aa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die A GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 04.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der A GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die A GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (vgl. BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).

bb) Entsprechendes gilt bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, in denen aufgrund der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuerbeträge eine zu niedrige Zahllast festgesetzt wurde. Insoweit ist bereits durch das Einreichen der falschen Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein adäquat kausaler Schaden entstanden (vgl. Urteil des FG Köln vom 31.03.2009 8 K 1483/06, EFG 2009, 1359).

cc) aaa) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

bbb) Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322). Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570).

Der Kläger hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Kläger auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Der bloße Hinweis auf die in den Bilanzen ausgewiesenen Jahresfehlbeträge ist insoweit nicht ausreichend.

cc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der A GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO; vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

2. Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Kläger (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen von zur Verschleierung der tatsächlichen Lieferanten vorgeschobenen Dritten mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die A GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

3. Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Klägers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Kläger ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.

Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Klägers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom ... 2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Klägers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Kläger zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Kläger zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der A GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulden betraf, für die der Kläger in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).

Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Kläger seine Pflicht als Geschäftsführer der A GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern, einzustehen, § 34 Abs. 1 AO.

4. Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Anhaltspunkte für eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehlgebrauch seitens des FA sind nicht ersichtlich.

Das FA hat vielmehr sowohl sein Entschließungs- als auch sein Auswahlermessen zutreffend ausgeübt. Eine Inanspruchnahme des Klägers als Geschäftsführer der A GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der A GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der A GmbH, Herrn B, ebenfalls durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom ... 2012 ausdrücklich hingewiesen.

II.

1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

2. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor. Zwar sind nach Ansicht des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs bei einem der Leistungsbeziehung zu Grunde liegenden Strohmannverhältnis unter Berücksichtigung der jüngeren Rechtsprechung des EuGH vom 21.06.2012 (C-80/11 Mahageben und David) und vom 13.02.2014 (C-18/13 Maks Pen EOOD) noch nicht abschließend geklärt (BFH-Beschluss vom 16.04.2014 V B 48/13, juris), soweit der Leistungsempfänger auf die Angaben des Lieferanten vertraute und sich diese Angaben später als falsch herausstellen. Vorliegend hat die Würdigung jedoch ergeben, dass der Kläger damit rechnete und zumindest billigend in Kauf nahm, dass die Angaben der Lieferanten unzutreffend waren.