VG Berlin, Urteil vom 26.09.2014 - 12 K 978.13
Fundstelle
openJur 2014, 22973
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Beklagten, dass ihre Bachelorarbeit nicht bestanden und die Wiederholung der Bachelorarbeit ausgeschlossen sei.

Die Klägerin studierte an der Beklagten im Bachelorkombinationsstudiengang Französisch und Geschichte. Eine am 15. Februar 2010 von der Klägerin im Modul Sprachwissenschaft Französisch geschriebene Klausur wurde wegen Täuschungsversuchs mit der Note 5,0 bewertet. Vor Beginn der Bearbeitung waren die Prüflinge darauf hingewiesen worden, dass sie nur Stifte, aber kein Papier zu ihrem Schreibplatz mitnehmen sollten; von der Beklagten werde Papier für die Klausur zur Verfügung gestellt. In einem Vermerk der Aufsichtsperson Frau Dr. H... vom 15. Februar 2010 (Bl. 10 der Prüfungsakte der Beklagten) heißt es: „ Kurz vor Ablauf der Klausur teilte mir Frau S... (Anm. die Klägerin) mit, dass Sie ihr eigenes Papier benutzt habe. Ich forderte sie daraufhin auf, mir ihren Schreibblock zu geben. Dieser Aufforderung ist Frau S...nachgekommen. Gleich darauf kam sie dann zu mir an das Pult. In ihrem Beisein blätterte ich den Block durch und fand beigefügte Zettel mit Stichpunkten zu Fragestellungen der die MAP (Anm.: Modulabschlussprüfung) betreffenden Thematik. Ich teilte Frau Schmidt mit, dass ich dazu eine Aktennotiz anfertigen werde und die Klausur nicht bewertet werden könne.“

Von dieser Bewertung erfuhr die Klägerin über den Online-Prüfungsservice „Agnes“ der Beklagten, der für das Basismodul Sprachwissenschaft das Nichtbestehen und die Note 5,0 auswies sowie das Kürzel „TA“ angab, welches nach Aussage der Klägerin in der mündlichen Verhandlung für „Täuschung“ steht. Die Klägerin bestand in der Folgezeit die Wiederholungsklausur. Ihr wurde auf ihren Antrag hin mit Schreiben der Beklagten vom 27. Juni 2012 das Thema „La femme fatale in der fantastischen Literatur“ für die Bachelorarbeit mitgeteilt. Die Klägerin reichte ihre Bachelorarbeit fristgerecht Anfang September 2012 bei der Beklagten zur Bewertung ein. Der Arbeit war eine von der Klägerin unterschriebene „eidesstattliche Erklärung“ beigefügt, wonach es sich um eine erstmalig, selbständig und ohne fremde Hilfe verfasste Arbeit handele; sämtliche in der Arbeit verwendeten fremden Quellen, auch aus dem Internet seien als solche kenntlich gemacht.

Mit Schreiben vom 26. November 2012 teilten die beiden Prüfer dem Vorsitzenden des Prüfungsausschusses der Philosophischen Fakultät mit, dass die Bachelorarbeit den Tatbestand des Plagiats erfülle und deshalb keiner Begutachtung unterzogen werden könne. Die Bachelorarbeit sei offenkundig in Anlehnung an eine im Internet zugängliche Hausarbeit von K... mit dem Titel „Das Böse ist eine Frau. Die Funktion der Weiblichkeit in der phantastischen Literatur am Beispiel der Erzählungen von Jacques Cazotte, Théophile Gautier und Prosper Merimée“ verfasst. Auf der Grundlage der im Internet frei zugänglichen Leseprobe dieser Hausarbeit sei erkennbar, dass die Bachelorarbeit der Klägerin mit der Hausarbeit von K... hinsichtlich Thema und Corpus (Primär- und Sekundärliteratur) eine große Übereinstimmung aufweise, der Aufbau ähnlich sei und das weite Teile der Hausarbeit in der Arbeit der Klägerin umgeschrieben worden seien.“

Die Klägerin, die von dem Täuschungsvorwurf erfahren hatte, wandte sich bereits mit E-Mail vom 29. November 2012 an den Prüfungsausschussvorsitzenden und bat um ein Gespräch. Am 5. Dezember 2012 hatte sie ein Gespräch mit dem stellvertretenden Prüfungsausschussvorsitzenden, der ihr riet, eine sachliche Darstellung ihrer Position gegenüber dem Prüfungsausschuss schriftlich zu verfassen. Mit E-Mail vom 11. Dezember 2012 übersandte der stellvertretende Prüfungsausschussvorsitzende die Darstellung der Gutachter an die Klägerin und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Daraufhin teilte die Klägerin mit Schreiben vom 13. Dezember 2012 mit: Sie habe die Arbeit von Frau G... gelesen, um sich ein breiteres Wissensspektrum anzueignen, da die Materialien aus dem Seminar zur „Fantastischen Literatur“ ihr nicht ausreichend für die Anfertigung einer Bachelorarbeit erschienen seien. Beim Lesen der Hausarbeit habe es durchaus passieren können, da sie einige Ideen unbewusst übernommen habe. Es liege aber keine bewusste Täuschung vor. Ihre eigene Arbeit sei umfassender angelegt. Auch habe sie auf zusätzliche Quellen zurückgegriffen. Aufgrund der ähnlichen Themenwahl beider Arbeiten gebe es große Übereinstimmungen in der Auswahl der Primär- und Sekundärliteratur.

Der Prüfungsausschuss stufte in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2012 die Täuschung als schwerwiegend ein, da es sich um einen wiederholten Täuschungsversuch handele, das Plagiat die gesamte Arbeit von Frau G... umfasse, und somit eine Eigenleistung der Klägerin so gut wie nicht erkennbar sei. Der Prüfungsausschuss, der als Sanktion ein „endgültiges Nichtbestehen“ für angemessen hielt, entschied, den Fall der Rechtsstelle zu unterbreiten.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin meldete sich der Beklagten gegenüber im März 2013 und bat um Akteneinsicht, die ihr im April 2013 gewährt wurde. Die für Mai 2013 angekündigte Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten konnte wegen Erkrankung nicht gefertigt werden. Der Prüfungsausschuss bat im Hinblick auf seine Sitzung am 18. Juni 2013 um Stellungnahme bis zum 14. Juni 2013. Eine Stellungnahme ging bis zu diesem Zeitpunkt nicht ein. Der Prüfungsausschuss beschloss am 18. Juni 2013, dass die Prüfung der Klägerin aufgrund der offensichtlich vorliegenden Täuschung als nicht bestanden zu werten sei. Er entschied, zunächst von der Möglichkeit, eine Prüfungswiederholung auszuschließen, nicht Gebrauch zu machen. Dies teilte er der Klägerin sowie ihrer Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 20. bzw. 25 Juni 2013 mit und wies darauf hin, dass die Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten abgewartet werden solle. Mit Schreiben vom 12. Juli 2013 führte die Klägerin sodann im Wesentlichen aus: Die Bachelorarbeit sei lediglich aufgrund inhaltlicher Mängel mit 5,0 zu bewerten. Für die Feststellung einer schwerwiegenden Täuschung nach der Prüfungsordnung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage, denn das Berliner Hochschulgesetz treffe keine Regelung, dass bei einem schwerwiegenden Fall einer Täuschung eine Wiederholung der Prüfung nicht möglich sei. Es sei verfassungsrechtlich geboten, eine nicht bestandene Prüfung zumindest einmal zu wiederholen. Auch seien die Regelungen in der Prüfungsordnung nicht hinreichend bestimmt, weil die Frage, wann ein schwerwiegender Fall vorliege, abhängig sei von individuellen Vorstellungen. Die Gutachter seien vorschnell zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Täuschung vorliege. Es könne nicht von einem ersten Täuschungsversuch in der Modulklausur Sprachwissenschaft ausgegangen werden, denn die Klägerin habe damals von sich aus mitgeteilt, ihren eigenen Schreibblock, in welchem sich Zettel mit Stichpunkten der die Klausur betreffenden Thematik befunden hätten, verwendet zu haben und diesen auf Bitte der Aufsicht ausgehändigt. Eine Täuschungsabsicht habe nicht vorgelegen. Zu berücksichtigen sei auch, dass sich die Klägerin bei Abfassung der Bachelorarbeit in einer Krisensituation befunden habe. Es sei nicht erforderlich, die Klägerin vollends von der Prüfung auszuschließen.

Mit Bescheid vom 22. August 2013 stellte der Prüfungsausschuss der Philosophischen Fakultät II der Beklagten fest, dass die Bachelorarbeit der Klägerin nicht bestanden sei und eine Wiederholung der Bachelorarbeit im Kernfach Französisch an der Beklagten ausgeschlossen werde. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus: Es liege eine Täuschung im Hinblick auf die Bachelorarbeit vor. Die Arbeit der Klägerin bestehe zu über 50 % aus nicht oder nur gering veränderten Texten aus der nicht zitierten Arbeit von G... . Der verbleibende Teil decke sich überwiegend inhaltlich mit der Arbeit von ... Desweiteren seien nicht gekennzeichnete Übernahmen von Formulierungen aus studentischen Handouts des Seminars „Französische Fantastik übernommen worden. Von einer unbewussten Übernahme, wie von der Klägerin geltend gemacht, könne nicht ausgegangen werden, denn die Klägerin habe sogar Schreibfehler aus der Arbeit von G... übernommen. Es liege ein schwerwiegender Fall der Täuschung aufgrund der großen Anzahl der Übernahmen und der hohen Übereinstimmung mit der Arbeit von Frau G... in struktureller Hinsicht vor. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Klägerin bereits einmal in einer Modulklausur getäuscht habe. Die von der Klägerin vorgetragene Krisensituation führe zu keinem anderen Ergebnis. Die Klägerin hätte ihre persönliche Situation gegenüber der Beklagten deutlich machen können und ggf, eine Verlängerung der Bearbeitungszeit oder den Rücktritt von der Prüfung beantragen können. Der Ausschuss von der Wiederholungsprüfung werde dadurch gemindert, dass die Klägerin ihre Fächerkombination tauschen und sodann im Hauptfach Geschichte die Abschlussarbeit an der Beklagten schreiben könne. Der Klägerin stehe es auch frei, die Wiederholung der Bachelorarbeit an einer anderen Hochschule abzulegen.

Mit ihrer am 20. September 2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie ergänzend zum bisherigen Vorbringen im Wesentlichen vor: Rechtsgrundlage sei die Satzung zur Regelung von Zulassung, Studium und Prüfung der Beklagten vom April 2013, die bereits vor der Entscheidung des Prüfungsausschusses in Kraft getreten sei.Nach dieser Satzung sei ein Ausschluss von einer Prüfungswiederholung nur bei wiederholtem Täuschungsversuch möglich. Die vermeintliche Täuschung in der Modulklausur vom Februar 2010 könne nicht berücksichtigt werden, weil es an einer rechtskräftigen Feststellung einer Täuschung fehle. Wie sich aus den Stellungnahmen des Erstprüfers der Bachelorarbeit ergebe, fehle es ihm an Objektivität. An der Sitzung des Prüfungsausschusses am 7. August 2013 habe ohne Berechtigung eine Mitarbeiterin der Rechtsstelle teilgenommen, die bereits im Vorfeld Empfehlungen dem Prüfungsausschuss gegenüber zur Verfahrensweise im Falle der Klägerin ausgesprochen habe und damit eine dem Prüfungsausschuss vorbehaltene Aufgabe übernommen habe. Dies stelle einen Verfahrensfehler dar. Im Übrigen sei das Ermessen nicht ausgeübt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 22. August 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und führt im Wesentlichen aus: Die Beklagte habe die zutreffende Rechtsgrundlage herangezogen. Dem Gesetzesvorbehalt sei Genüge getan; der Gesetzgeber müsse keine Sanktionen bei Täuschungshandlungen normieren. Die einschlägige Vorschrift in der Prüfungsordnung sei hinreichend bestimmt, denn die Verwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, wie hier „schwerwiegend“, sei gerichtlich voll nachprüfbar. Die Einordnung einer Täuschung als schwerwiegend erfolge durch den gesamten Prüfungsausschuss und sei daher nicht von individuellen Vorstellungen Einzelner abhängig. Besorgnis der Befangenheit oder andere Verfahrensfehler lägen nicht vor. Die Prüfer hätten im Übrigen nicht über die Frage der schwerwiegenden Täuschung zu entscheiden. Mitarbeiter der Rechtsstelle der Beklagten hätten die Aufgabe Gremien der Beklagten rechtlich zu beraten, sie könnten als Gäste an Prüfungsausschusssitzungen teilnehmen, sie würden aber in diesen Fällen keine Entscheidungen treffen oder Einfluss auf Entscheidungen nehmen. Die Täuschung der Klägerin in der Modulprüfung habe berücksichtigt werden dürfen. Der Prüfungsausschuss habe seine Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid ausführlich dargelegt.

Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18. Juni 2014 dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie der Prüfungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Der Berichterstatter entscheidet als Einzelrichter über die Klage, weil die Kammer ihm gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - den Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen hat.

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 22. August 2013 ist rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage für den von der Beklagten getroffenen Ausspruch, dass die Klägerin die Bachelorarbeit nicht bestanden habe und dass die Wiederholung an der Beklagten ausgeschlossen ist, ist § 37 Abs. 2 der Allgemeinen Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten – ASSP – vom 29. August 2006 (Amtliches Mitteilungsblatt der Beklagten Nr. 1/2007 vom 19. Januar 2007, zuletzt geändert durch die Dritte Änderung vom 13. Juli 2010 (Amtliches Mitteilungsblatt Nr. 39/2010 vom 14. September 2010) sowie § 10 Abs. 2 der Prüfungsordnung für das Bachelorstudium Französisch als Kernfach und Zweitfach im Kombinationsstudiengang – im Folgenden: PO – vom 13. Juni 2007 (Amtliches Mitteilungsblatt Nr. 13/2008 vom 12. Februar 2008). Danach hat die Prüfung nicht bestanden, wer das Ergebnis einer Prüfungsleistung durch Täuschung, durch Verwendung von Quellen ohne deren Nennung oder durch Zitate ohne Kennzeichnung zu beeinflussen; in schwerwiegenden Fällen kann der Prüfungsausschuss bestimmen, dass eine Wiederholung der Prüfung nicht möglich ist. Die Fächerübergreifende Satzung zur Regelung von Zulassung, Studium und Prüfung der Humboldt-Universität zu Berlin (ZSP-HU) vom 16. April 2013 (Amtliches Mitteilungsblatt Nr. 15 /2013 vom 30. April 2013 findet noch keine Anwendung, weil gemäß § 131 Abs. 4 Satz 5 ZSP-HU für Prüfungen, für die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Ordnung bereits Anmeldungen eingegangen sind, die bisher gültigen Bestimmungen auch für zulässige Wiederholungen anwendbar sind.

Entgegen der klägerischen Ansicht sind die Vorschriften der Allgemeinen Satzung für Studien- und Prüfungsangelegenheiten und der Prüfungsordnung für das Bachelorstudium Französisch eine tragfähige Rechtsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten, die Bachelorarbeit mit nicht bestanden zu bewerten und die Wiederholung auszuschließen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin im Hinblick auf den Grundsatz des Gesetzesvorbehalts teilt die Kammer nicht. Prüfungen, die den Nachweis erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten für die Aufnahme eines Berufes erbringen sollen, greifen in die Freiheit der Berufswahl ein und müssen deshalb den Anforderungen des Art. 12 Abs. 1 GG genügen. Dies bedeutet, dass die Leistungsanforderungen in einer solchen Prüfung und die Maßstäbe, nach denen die erbrachten Leistungen zu bewerten sind, einer gesetzlichen Grundlage bedürfen und die Prüfungsschranke nach ihrer Art und Höhe nicht ungeeignet, unnötig oder unzumutbar sein darf (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 30. November 2011 – OVG 10 N 48.09 – juris Rdn. 6). Gesetzliche Grundlage ist § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 des Gesetzes über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz - BerlHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Juli 2011 (GVBl. S. 378). Danach erlässt die Hochschule eine Rahmenprüfungsordnung, in der allgemeine Regelungen zur Organisation und Durchführung der Prüfung zu treffen sind (§ 31 Satz 1 BerlHG), wobei die Prüfungsordnungen insbesondere das Verfahren der Wiederholung von Prüfungen zu regeln hat (§ 31 Abs. 2 Nr. 4 BerlHG). Diese Regelungen genügen den Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, dem sich die Kammer insoweit anschließt, hat in seinem Beschluss vom 30. November 2011, a.a.O. Rdn. 7 zu § 31 Abs. 1 Satz 1 BerlHG a.F., der keine weitergehenden Regelungen als die genannten aktuellen Vorschriften traf, ausgeführt:

„Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip des Grundgesetzes verpflichten den Gesetzgeber, in grundlegenden normativen Bereichen, insbesondere im Bereich der Grundrechtsausübung, die wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen und, sofern Einzelregelungen einer Verordnung überlassen bleiben, die Tendenz und das Programm schon so weit zu umreißen, dass sich der Zweck und der mögliche Inhalt der Verordnung bestimmen lassen. Diese Anforderungen, die sich für Verordnungen aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ergeben, gelten in ähnlicher Weise für die Satzungsgebung, in der ein bestimmter Kreis von Bürgern innerhalb eines durch Wesen und Aufgabenstellung der Körperschaft begrenzten Bereichs ermächtigt wird, durch demokratisch gebildete Organe die eigenen Angelegenheiten zu regeln wie hier im Bereich der Hochschulen (vgl. § 2 Abs. 1 BerlHG). Dabei genügt es, wenn sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des Gesetzes. § 31 Abs. 1 Satz 1 BerlHG stellt eine hinreichende Ermächtigung zum Erlass der Prüfungsordnung einschließlich der Möglichkeit einer Sanktionierung von Täuschungsversuchen dar. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass die Bestimmung keine näheren Regelungen über das Prüfungsverfahren und die Bestehensvoraussetzungen enthält. Denn das Prüfungsrecht wird durch Grundsätze beherrscht, die sich unmittelbar aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben, so dass der Gestaltungsraum des Satzungsgebers hinreichend begrenzt ist. Die genaueren Festlegungen des Prüfungsverfahrens innerhalb dieses Rahmens gehören nicht zu den dem Gesetzgeber vorbehaltenen Leitentscheidungen, sondern dürfen der Regelung durch Hochschulsatzung vorbehalten bleiben, wobei der Gesetzgeber erwarten kann, dass der Satzungsgeber bewährte Prüfungsordnungen in Betracht zieht und die allgemeinen prüfungsrechtlichen Grundsätze beachtet.“

2. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses ist nicht aus formellen Gründen rechtswidrig. Besorgnis der Befangenheit, die allerdings nicht ausdrücklich von der Klägerin geltend gemacht wird, liegt nicht vor. Die Prüfer haben lediglich den Verdacht der Täuschungshandlung geäußert, sind an der Entscheidung des Prüfungsausschusses indes nicht beteiligt gewesen. Die Mitglieder des Prüfungsausschusses haben keine Anhaltspunkte für die Besorgnis der Befangenheit gegeben. Vielmehr haben sie das Vorbringen der Klägerin, auch in einem Gespräch der Klägerin mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, aufgenommen und im Hinblick auf den angekündigten Vortrag der Verfahrensbevollmächtigten der Klägerin die Entscheidung zunächst vertagt und sodann in der Sitzung vom 18. Juni 2013 nur das Vorliegen einer Täuschung festgestellt, die Frage des Vorliegens einer schwerwiegenden Täuschung und des möglichen Ausschlusses von der Wiederholungsprüfung jedoch zunächst offengelassen, um die Stellungnahme der Klägerin abzuwarten.

Gegen die juristische Beratung durch eine Mitarbeiterin der Rechtsstelle der Beklagten ist nichts zu erinnern. Es ist vielmehr die Aufgabe eines Rechtsreferats/Justitiariats ‚“nach innen“ rechtlich zu beraten, indem Rechtsprechung zu einschlägigen Fragen, hier des Prüfungsrechts, herangezogen und ausgewertet wird. Auch die Teilnahme der Mitarbeiterin der Rechtsstelle an der Sitzung des Prüfungsausschusses, um gegebenenfalls die besagten juristischen Fragen erläutern zu können, stößt auf keine Bedenken. Zu beachten ist, dass hier eine „Verwaltungsmaßnahme“ des Prüfungsausschusses zu treffen war, die zwar prüfungsrechtliche Fragen (Täuschung, Plagiat, Sanktionsmaßnahmen) betraf, nicht aber eine den Prüfern obliegende Bewertung, bei der der Bewertungsspielraum der Prüfer streng zu beachten ist.

3. Die Bewertung der Bachelorarbeit mit „nicht bestanden“ ist rechtmäßig, da die Klägerin das Ergebnis ihrer Prüfungsleistung durch Verwendung einer (maßgeblichen) Quelle ohne deren Nennung wie auch durch Zitate ohne Kennzeichnung zu beeinflussen versuchte (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 1 ASSP; § 10 Abs. 2 Satz 1 PO). Es ist unstreitig, dass die Klägerin die Studienarbeit „Das Böse ist eine Frau“ von K... als Quelle für ihre Bachelorarbeit herangezogen hat. Die Klägerin hat bereits in ihrer Stellungnahme vom 13. Dezember 2012 mitgeteilt, dass sie die Arbeit von G... gelesen habe, da ihr die Materialien aus dem Seminar nicht ausreichend erschienen seien. Es habe dabei durchaus passieren können, dass sie einige Ideen unbewusst übernommen habe. Da die Klägerin indes ganze Passagen aus der Arbeit von G... lediglich geringfügig abgeändert übernimmt (vgl. nur statt vieler Abschnitte 2.3 „Einbruch in die reale Welt – Roger Caillos“ sowie 2.2 „Die Du-Themen bei Todorov“ der Arbeit der Klägerin mit Abschnitten 2.1. „Einbruch in die reale Welt – Roger Caillos“ sowie 2.2. „Reflektion der sexuellen Wünsche: die Du-Themen bei Tzvetan Todorov“ der Arbeit von G...) und dabei auch dieselben Zitate inklusive Schreibfehler verwendet (z.B. Bachelorarbeit der Klägerin, Seite 14, Fußnote 44 bzw. Arbeit von G... Seite 9 Fußnote 28 „Beauvoir,… Rohwolt“ statt Rowohlt), die Arbeit von G... aber überhaupt nicht benennt, weder in einer Fußnote noch im Literaturverzeichnis, erfüllt sie die in § 37 Abs. 2 Satz 1 ASSP; § 10 Abs. 2 Satz 1 PO umschriebene Täuschungshandlung.

4. Der Prüfungsausschuss hat beanstandungsfrei die Täuschung der Klägerin als einen schwerwiegenden Fall angesehen (hierzu a) und ermessenfehlerfrei die Klägerin von der Wiederholung der Bachelorarbeit an der Humboldt-Universität ausgeschlossen (hierzu b).

a) Die Klägerin hat in einem schwerwiegenden Fall gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 ASSP; § 10 Abs. 2 Satz 2 PO getäuscht. Schwerwiegend ist die Täuschung in Abgrenzung eines „gewöhnlichen“ Täuschungsversuchs, wenn eine besonders intensive Täuschungshandlung vorliegt, die Verletzung der „Spielregeln des fairen Wettbewerbs“ und der Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge besonders groß ist, ein grobes Täuschungsmanöver vorliegt (organisiertes Zusammenwirken mehrerer Personen, aufwendiger Einsatz technischer Hilfsmittel) oder bei wiederholter Täuschung (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rdn. 240, 244; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 27. September 1995 – 1 UE 3026.94 – juris; Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. November 2013 – 3 Bs 274/13 – juris Rdn.12). Um den unbestimmten Rechtsbegriff des „schwerwiegenden Falles“, der gerichtlich voll überprüfbar ist, auszufüllen, bedarf es der Betrachtung der Gesamtumstände. Hier durfte die Beklagte durchaus berücksichtigen, dass die Klägerin bereits einmal in einer Modulabschlussklausur getäuscht hatte. Das Beisichführen von kleinen Notizzetteln, auf denen Stichpunkte zum Thema der Klausur vermerkt waren, stellt eine Täuschungshandlung dar (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O. Rdn. 230). Die Einlassung der Klägerin, es habe sich um sogenannte Lernkarten gehandelt, die sie zur Prüfungsvorbereitung angefertigt habe, ist ungeachtet der sich im Hinblick auf die geringe Größe (eine dieser „Lernkarten“ hat die Größe von 5 x 8 cm) ergebenden Zweifel an der Wahrhaftigkeit der klägerischen Angaben, unbeachtlich. Allein entscheidend ist, dass die Klägerin ein unerlaubtes Hilfsmittel mitgeführt hat. Unbeachtlich ist auch, dass die Klägerin – ihr diesbezüglicher von der Beklagten bestrittener Vortrag als wahr unterstellt – von sich aus den Schreibblock mit den Notizen der Aufsichtsperson übergeben hat. Denn durch die Mitnahme der „Lernkarten“ in den Prüfungsraum war die Täuschungshandlung bereits vollendet (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. November 2011 – OVG 10 N 21.09 – juris Rdn. 9). Zweifel am Täuschungsvorsatz sind weder erkennbar noch hat die Klägerin den Vorsatz substantiiert bestritten. Die Täuschung in der Modulklausur durfte auch berücksichtigt werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin war diese Täuschung von der Beklagten festgestellt, denn auf der Klausur war „5,0 Täuschungsversuch“ und in dem der Klägerin bekannten Leistungsspiegel des „Agnes-Prüfungsservice online“ mit „5,0 … TA“ vermerkt. Insoweit kann von einer überraschenden Berücksichtigung der Täuschung in der Modulklausur keine Rede sein. Allerdings dürfte allein die vorangegangene Täuschung in einer 2 ½ Jahre vor der Bachelorarbeit geschriebenen Modulklausur nicht ausreichend sein, um bereits einen schwerwiegenden Fall der Täuschung anzunehmen (zum Fall, dass nach einer Täuschung in der Wiederholungsarbeit nochmals getäuscht wurde: Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 27. September 1995, a.a.O.).

Die Täuschung in der Bachelorarbeit ist indes bereits für sich betrachtet schwerwiegend. Das Verhalten der Klägerin, die sich nicht bloß eines unzulässigen Hilfsmittels wie in der genannten Modulklausur bedient hat, sondern als Gerüst (Umfang, Aufbau, Gliederung, Quellen) für Ihre Abschlussarbeit die Arbeit von G... herangezogen hat, ohne dies offenzulegen, ist ein grobes Täuschungsmanöver, das in besonders hohem Maße die Spielregeln des fairen Wettbewerbs und die Chancengleichheit der anderen, sich korrekt verhaltenden Prüflinge verletzt (vgl. Hamburgisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. November 2013, a.a.O. juris Rdn. 13). Zwar ist die Arbeit der Klägerin mit etwa 30 Seiten etwas umfangreicher als die Arbeit von G... (etwa 18 Seiten), aber der Aufbau, die Kapitelüberschriften sowie die ausgewertete Literatur entsprechen nahezu vollständig der im Internet gekauften Arbeit. Ganze Absätze sind lediglich geringfügig umgeschrieben. Wenn man zunächst die Arbeit von G... gelesen hat und danach die Bachelorarbeit der Klägerin liest, „spricht“ die Autorin G... zu einem, ohne dass dies kenntlich gemacht wird. Selbst der Schlussteil (Kapitel 5 „Schlussbetrachtung“) entspricht bis auf die ersten beiden Absätze über 1 ½ Seiten den Ausführungen von G... in deren Kapitel 5 „Schlussbetrachtung“. Im Schlussteil sollen die Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst werden, so dass gerade dort eine eigenständige Aufarbeitung, Interpretation und Meinungsäußerung durch den Prüfling selbst besonders wichtig ist. Die ungekennzeichnete Übernahme fremder Formulierungen wiegt hier besonders schwer (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, a.a.O. Rdn. 243). Letztlich ist trotz einiger selbständiger Passagen in der Bachelorarbeit der Klägerin eine eigenständige wissenschaftliche Leistung der Klägerin kaum zu erkennen. Ihre Leistung besteht in erster Linie darin, die weitgehenden Übernahmen aus der Arbeit von G... umzustellen und geringfügig umzuformulieren.

b) Nach § 37 Abs. 2 Satz 2 ASSP; § 10 Abs. 2 Satz 2 PO „kann“ der Prüfungsausschuss bestimmen, dass eine Wiederholung der Prüfung nicht möglich ist. Damit hat der Prüfungsausschuss Ermessen auszuüben, also den Zweck der Ermächtigung zu beachten und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (vgl. § 40 VwVfG). Ermessensfehler liegen dann vor, wenn die zuständige Behörde den Zweck des ihr eröffneten Ermessens verkennt, insbesondere relevante Tatsachen nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen anstellt, den ihr gesetzten Rahmen, etwa durch unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Maßnahmen, überschreitet oder gar kein Ermessen ausübt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 14 Aufl. 2013, § 40 Rdn. 85 ff; zu einem Ermessensausfall bei einer prüfungsrechtlichen Sanktionsentscheidung vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 21. November 2012 – 9 S 1823/12 – juris Rdn. 45 ff.). Die Beklagte hat das ihr zustehende Ermessen erkannt und beanstandungsfrei ausgeübt. Sie hat ihre Ermessensentscheidung hinreichend begründet und dabei im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die erhebliche Eingriffswirkung des Ausschlusses der Wiederholbarkeitsprüfung im Hinblick auf den Eingriff in das Grundrecht der Klägerin nach Art. 12 Abs. 1 GG erkannt. Sie war sich somit der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst. Sie hat gleichzeitig die Klägerin darauf hingewiesen, dass sie die Abschlussarbeit an einer anderen Hochschule absolvieren kann. Sie hat den Vortrag der Klägerin zu ihren familiären und persönlichen Umständen gewürdigt und zutreffend darauf hingewiesen, dass der Klägerin bei tatsächlichem Vorliegen unzumutbarer Umstände offen gestanden hätte, dies während der Bearbeitungszeit mitzuteilen, damit über eine Verlängerung der Bearbeitungszeit oder über ein Rücktritt hätte entschieden werden können, diese Umstände aber keine Berechtigung zur Täuschung gäben. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden.

5 . Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.

BESCHLUSS

Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf

7.500,00 Euro

festgesetzt.