LG Arnsberg, Urteil vom 26.06.2014 - 5 O 21/06
Fundstelle
openJur 2014, 24437
  • Rkr:
Tenor

Auf die Widerklage wird der Kläger verurteilt, an den Beklagten ein Schmerzensgeld von 7.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.07.2006 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass der Kläger - vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs - verpflichtet ist, dem Beklagten sämtliche materiellen und den nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden aus der zahnärztlichen Behandlung vom 14.10.2002 bis zum 19.08.2003 zu ersetzen.

Die Klage und die weitergehende Widerklage werden abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 79 %, der Beklagte zu 21 %.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der jeweils beizutreibenden Beträge vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger, der früher als selbständiger Zahnarzt in O1 tätig war, macht gegen den Beklagten Restvergütungsansprüche für erbrachte zahnmedizinische Leistungen geltend.

Im Wesentlichen liegen dabei den Forderungen folgende Rechnungen zugrunde:

- Rechnung vom 11.09.2003 (Bl. 26 d.A.) über 628,73 €

- Rechnung vom 11.09.2003 (Bl. 28 -30 d.A.) über 6.410,03 €

- Rechnung vom 29.12.2004 (Bl. 32,33 d.A.) über 284,33 €.

Berechnet wurden dabei hauptsächlich Kosten im Zusammenhang mit einer Brückenversorgung im Oberkiefer des Beklagten im Bereich der Zähne 14-17 und 24-27.

Der Kläger behauptet, seine zahnärztlichen Leistungen gemäß den vorstehend genannten Rechnungen vollständig und mangelfrei erbracht zu haben. Die Mangelfreiheit der prothetischen Versorgung und die fehlerfreie zahnärztliche Behandlung ergäben sich aus dem im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens (LG Arnsberg 5 OH 1/05) eingeholten Gutachtens des Sachverständigen P1.

Unter Berücksichtigung der vom Beklagten erbrachten Zahlungen und zweier Stornierungen errechnet der Kläger entsprechend seiner Forderungsaufstellung vom 12.04.2006 (Bl. 34 d.A.) einen Restvergütungsanspruch von 3.375,97 €.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3.375,97 € nebst Zinsen

i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem

28.05.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Widerklagend beantragt er,

1.

den Kläger zu verurteilen, an den Beklagten ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab Rechtshängigkeit und

2.

festzustellen, dass der Kläger - vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs - verpflichtet ist, dem Beklagten allen materiellen und nicht vorhersehbaren künftigen immateriellen Schaden aus der ärztlichen Behandlung vom 14.10.2002 bis 19.08.2003 zu ersetzen.

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, die vom Kläger erbrachten zahnmedizinischen Leistungen seien derart mangelhaft, dass er zur Zahlung der geltend gemachten Restvergütung nicht verpflichtet sei. Der gesamte angefertigte Zahnersatz müsse erneuert werden. Nach Entfernung des vom Kläger eingegliederten Zahnersatzes sei zunächst eine Regulierung der Kiefergelenke erforderlich. Er (der Beklagte) leide entsprechend dem Befundbericht seines nachbehandelnden Zahnarztes P2 vom 19.05.2006 (Bl. 53 f.) unter einer craniomandibulären Dysfunktion myogenen Ursprungs der Schmerzen bei condylärer Asymetrie RPM (R), abused protrusion (Bruxismus), unstabiler Okklusion und Infraposition bilateral. Die gravierenden Kiefergelenks-, Nacken- und Ohrenschmerzen, unter denen er seit Eingliederung des festen Zahnersatzes durch den Kläger im Juni 2003 leide, seien zurückzuführen auf diese Kiefergelenkserkrankung, die vom Kläger bei seiner Behandlung nicht erkannt worden sei.

Um die Schmerzen, die noch heute vorhanden seien, zu behandeln, sei eine Regulierung der Kiefergelenke durch eine Stabilisierungsschiene erforderlich nach Entfernung des Zahnersatzes. Es sei dann zunächst eine definitive bilaterale orale Stabilität der Kiefergelenke zu schaffen, wobei gleichzeitig die Entfernung eines Wurzelrestes oben links erforderlich sei. Erst dann könne er (der Beklagte) mit einem neuen Zahnersatz versorgt werden.

Die im selbständigen Beweisverfahren behaupteten Mängel der zahnärztlichen Versorgung bestünden. Das im Beweisverfahren eingeholte Gutachten des Sachverständigen P1 hält der Beklagte für insgesamt unbrauchbar, da der Gutachter mit der Grunderkrankung einer craniomandibulären Dysfunktion nicht vertraut sei und diese bei der Begutachtung unberücksichtigt gelassen habe. Insoweit beruft sich der Beklagte auf die Feststellungen seines nachbehandelnden Zahnarztes P2.

Der Beklagte behauptet im Einzelnen, der eingegliederte Zahnersatz sei oben rechts und oben links nicht korrekt und habe die bei ihm vorhandenen Funktionsstörungen erstmals richtig provoziert. Diese Funktionsstörungen habe der Kläger vor der festen Eingliederung des Zahnersatzes durch eine Kiefergelenkschiene behandeln müssen.

Der vom Kläger im Juni 2003 fest eingegliederte Zahnersatz habe in retrudierter Position der Mandibula keine Kontakte mit den Antagonisten, so dass beide Kiefergelenkcondylen nicht abgestützt seien. Aus diesem Grunde passten die Kauflächen der Zähne nicht zueinander. Um Kontakte zu bekommen, müsse er (der Beklagte) den Oberkiefer immer vorschieben, was wiederum den Frontzahnbruxismus und die muskuläre Hyperaktivität verstärke.

Ferner habe der Kläger aufgrund mehrmaliger Nachbesserungsversuche die Zähne des Beklagten behandlungsfehlerhaft zu stark beschliffen.

Der Beklagte behauptet ferner, die Abrechnung des Klägers sei nicht korrekt. Mit der Abrechnung habe der Kläger den ursprünglichen Kostenvoranschlag, der mit 4.477,83 € geendet habe, um 40% überschritten. Hierüber sei er (der Beklagte) nicht informiert worden. Es liege hinsichtlich dieser Leistungen keine wirksame Vereinbarung vor. Darüber hinaus habe der Kläger Nachbesserungsarbeiten in Rechnung gestellt, die nicht abrechnungsfähig gewesen seien. Bei den abgerechneten Zahnreinigungsarbeiten seien die bar gezahlten 150,-€ nicht in Abzug gebracht worden.

Außerdem entstünden durch die erforderliche umfangreiche Nachbehandlung und Neuversorgung Kosten, die weit über die Klageforderung hinausgingen. Allein die umfangreiche Befunderhebung bei P2 habe zu Kosten von 1.563,76 € (Rechnung Bl. 56 f.) geführt, mit denen er gegenüber der Klageforderung die Aufrechnung erkläre. Die weiteren Kosten für die Kiefergelenksregulierung und den neuen Zahnersatz, die derzeit noch nicht beziffert werden könnten, seien Gegenstand des Feststellungsantrages der Widerklage.

Schließlich hält der Beklagte die Zahlung eines Schmerzensgeldes für die seit Eingliederung des Zahnersatzes erlittenen Schmerzen in einer Größenordnung von 10.000,-€ für angemessen.

Der Kläger bestreitet jeglichen Behandlungsfehler, insbesondere auch die Behauptung, er habe die bei dem Beklagten bestehende Kiefergelenkserkrankung verkannt. So habe er ausweislich der Behandlungsunterlagen beim Beklagten eine Schienentherapie begonnen, wobei die Knirscherschiene am 02.12.2002 eingegliedert und in der Folgezeit mehrfach kontrolliert worden sei. Am 05.05.2003 sei die Schlussbissnahme erfolgt. Die streitgegenständliche Brücke sei am 27.05.2003 provisorisch und erst am 17.06.2003 definitiv eingegliedert worden, also gut ein halbes Jahr nach Beginn der Schienentherapie. Nach Zerbeißen der Schiene durch den Beklagten sei eine neue Schiene angefertigt und am 19.11.2003 eingegliedert worden. Die beim Beklagten aufgetretenen Schmerzen im Kieferbereich seien auf seine Grunderkrankung einer CMD in Gestalt des Bruxismus (Zähneknirschen) zurückzuführen, nicht jedoch auf die durchgeführte Schienentherapie. Die Therapie mit der Bissschiene habe der Gutachter im selbständigen Beweisverfahren als lege artis bewertet. Eine abschließende Behandlung der Grunderkrankung vor Eingliederung des Zahnersatzes sei medizinisch nicht möglich, da die Erkrankung psychosomatischen Ursprungs und von Faktoren wie Stress, genetischer Veranlagung und psychischen Belastungen abhängig sei.

Der Kläger bestreitet ferner, dass der eingegliederte Zahnersatz die behaupteten Funktionsstörungen beim Beklagten erstmals richtig provoziert habe.

Eine Nachbesserung bzw. Neuanfertigung des Zahnersatzes hält der Kläger nicht für notwendig und verweist insoweit auf das Gutachten P1, wo als Schmerzursache eine chronische Pulpitis festgestellt worden sei. Es wird bestritten, dass der Zahnersatz nicht funktionsfähig sei und nicht nachgebessert werden könne. Zudem seien die geklagten Beschwerden durchaus auch auf ein Nichttragen der Schiene durch den Beklagten zurückzuführen.

Der Schmerzensgeldanspruch wird auch der Höhe nach bestritten.

Der Kläger bestreitet eine Überschreitung des Heilund Kostenplanes um 40% und behauptet dazu, der HKP habe sich ausschließlich auf die prothetische Leistung bezogen, wohingegen in den streitgegenständlichen Rechnungen weitere Leistungen (z.B. Füllungen, konservierende Maßnahmen) und auch die Schienentherapie berechnet worden seien. Von Mehrkosten der prothetischen Versorgung könne daher keine Rede sein.

Die streitgegenständlichen Rechnungen bezögen sich auch nicht auf Nachbesserungsarbeiten. Bereits aus der Datierung ergebe sich, dass es sich bei den abgerechneten Leistungen nicht um Nachbesserungsarbeiten des im Jahr 2003 eingegliederten Zahnersatzes handeln könne.

Die für die Zahnreinigungen vom Beklagten bereits erbrachten Leistungen seien in den Stornierungen enthalten und somit bereits berücksichtigt worden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.

Die Kammer hat die Akte 5 OH 1/05 LG Arnsberg zu Beweiszwecken beigezogen und weiter Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen P3. Insoweit wird auf das schriftliche Gutachten vom 06.02.2008 (Bl. 195 ff.d.A.) Bezug genommen. Der Sachverständige hat der Kammer sein Gutachten mündlich erläutert. Diesbezüglich wird auf die Sitzungsniederschrift vom 26.06.2013 (Bl. 345 ff .d.A.) verwiesen.

Der Rechtstreit war zwischenzeitlich gem. § 240 ZPO wegen eines Insolvenzverfahrens des Klägers unterbrochen. Das Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts O2 vom 25.05.2011 aufgehoben und der hiesige Rechtstreit auf Antrag des Beklagten fortgesetzt.

Gründe

Die Klage ist unbegründet, der Widerklage war in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange stattzugeben.

A.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Restvergütung in Höhe von 3.375,97 € aus dem zahnärztlichen Behandlungsvertrag in Verbindung mit § 611 BGB.

Die Parteien haben einen Behandlungsvertrag geschlossen, dessen Gegenstand unter anderem eine Versorgung mit Zahnersatz war. Insofern ist anerkannt, dass es sich bei der zahnärztlichen Behandlung auch bei zahnprothetischer Behandlung durch Anfertigen und Einsetzen eines festen Zahnersatzes, um einen Dienstvertrag handelt (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 71. Auflage, Einführung vor § 631 Randziffer 32).

Es kann dahin stehen, ob sämtliche Positionen der Rechnungen des Klägers berechtigt sind, was nach dem Gutachten des Sachverständigen P3 nicht der Fall sein dürfte. Denn der Beklagte kann dem Honoraranspruch des Klägers eigene Schadensersatzansprüche wegen mangelhafter Leistung aus § 281 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen halten, wegen derer der Kläger zur alsbaldigen Rückgewähr verpflichtet wäre.

Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen P3 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der vom Kläger gefertigte Zahnersatz derart mit Mängeln behaftet ist, dass er für den Kläger gänzlich unbrauchbar ist. Denn der Sachverständige hat bei seiner Bewertung der zahnärztlichen Leistung des Klägers Fehler in der Planung des Zahnersatzes sowie der Vorbehandlung und Umsetzung festgestellt, die zu einer völligen Unbrauchbarkeit des Zahnersatzes führen. Als aus gutachterlicher Sicht nicht mehr verständlich hat es der Sachverständige angesehen, dass der Kläger dem Beklagten den definitiven Zahnersatz eingegliedert hat, ohne zuvor eine zeitlich ausreichend dimensionierte und klinisch dokumentierte, am Ende beschwerdefreie funktionelle Vorbehandlung durchgeführt zu haben. Dabei könne dahinstehen, ob bei dem Beklagten tatsächlich bereits zu Behandlungsbeginn eine craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) oder lediglich ein Zähneknirschen (Bruxismus) vorgelegen habe. Denn der Sachverständige P3 hat in der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens ausgeführt, dass er der Behandlungsdokumentation des Klägers zum Einen das Bestehen dysfuntioneller Kaugewohnheiten und zum Anderen die damit korrespondierende Absicht einer Biss-Anhebung ausdrücklich entnehmen könne. Aus der Behandlungsdokumentation gehe hervor, dass der Kläger eine Veränderung der Kausituation durch eine funktionelle Vorbehandlung für notwendig erachtet und beabsichtigt habe, unabhängig von der Frage, ob diese Planung auf einer CMD oder auf einem vorhandenen Bruxismus beruhte. Eine solche Veränderung des Bisses könne jedoch nur durch ein Langzeitprovisorium erfolgen. Es müsse über eine längere Zeit (über mehrere Monate) die Veränderung mittels stetig anzupassendem Langzeitprovisorium vorgenommen und auch getestet werden, ob eine Beschwerdefreiheit eintrete. Für eine solche Vorbehandlung sei der Zeitraum zwischen der unter dem 16.04.2003 dokumentierten Absicht zur Biss-Anhebung bis zur definitiven Eingliederung des endgültigen Zahnersatzes im Juni 2003 deutlich zu kurz gewesen, um eine angemessene, in Therapieschritten zu vollziehende funktionelle Vorbehandlung ermöglichen zu können. Dieses Vorgehen hat der Sachverständige als nicht mehr verständlich und damit als grob behandlungsfehlerhaft angesehen. Auch der Zeitraum zwischen der provisorischen Eingliederung des Zahnersatzes und dem definitiven Einzementieren von rund einer Woche zwischen dem 11. und dem 17.06.2003 hat der Sachverständige als deutlich zu kurz angesehen. Der Erfolg einer Biss-Anhebung und die Beurteilung, ob der Zahnersatz passe, sei in einem derart kurzen Zeitintervall nicht möglich. Im Übrigen lasse das häufige Einschleifen des neu hergestellten Zahnersatzes ab Juni 2003 erkennen, dass im Verlauf der Erstellung des neuen Zahnersatzes im Oberkiefer-Seitenzahnbereich eine adäquate Berücksichtigung der Kieferrelation nicht erfolgt sei.

Der vom Kläger angefertigte Zahnersatz ist für den Beklagten wertlos. Denn der Sachverständige P3 hat ausgeführt, zur Behandlung des Beklagten müsse der seinerzeit erstellte Zahnersatz zunächst entfernt werden. Es müsse dann über ein Langzeitprovisorium eine entsprechende Biss-Einstellung erfolgen, bevor schließlich ein neuer endgültiger Zahnersatz eingegliedert werden könne. Der vom Kläger seinerzeit gefertigte Zahnersatz sei in der jetzigen Form dann nicht mehr brauchbar.

Die Feststellungen des Sachverständigen P3 werden auch nicht entkräftet durch die anderslautende Bewertung des Sachverständigen P1, der sein Gutachten vom 03.03.2006 im beigezogenen selbständigen Beweisverfahren erstattet hat. Denn ersichtlich hat der Sachverständige P1 die bereits durch den Kläger selbst dokumentierten Funktionsstörungen des Beklagten und die beabsichtigte Bissanhebung bei der Beurteilung der zahnärztlichen Versorgung nicht hinreichend berücksichtigt und den vom Kläger hergestellten Zahnersatz weitgehend isoliert von den bestehenden Funktionsstörungen des Beklagten beurteilt. Seine schriftlichen Ausführungen vermochten daher die Kammer nicht zu überzeugen. Im Übrigen steht das Gutachten des Sachverständigen P3 auch im Einklang mit den Feststellungen des vom Beklagten konsultierten Zahnarztes P2.

Soweit der in der mündlichen Verhandlung persönlich gehörte Kläger erklärt hat, es seien lediglich leichte funktionelle Störungen beim Beklagten vorhanden gewesen, die eine Biss-Anhebung gar nicht erforderlich gemacht hätten, folgt die Kammer diesen Ausführungen nicht. Denn ihnen steht die eigene Behandlungsdokumentation des Klägers entgegen, nach der dysfunktionelle Kaugewohnheiten und eine Absicht zur Biss-Anhebung ausdrücklich dokumentiert sind.

Die Kammer schließt sich aus den vorstehenden Gründen den Ausführungen des Sachverständigen P3 an. An der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen bestehen keine Zweifel. Er ist als Oberarzt der F1 des Universitätsklinikums O3 ausgewiesener Experte für Zahnersatz unter Berücksichtigung besonderer Kiefergelenksituationen.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen P3 ist der angefertigte Zahnersatz für den Beklagten vollkommen wertlos. Dementsprechend kann der Kläger unter dem Aspekt "dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est" keine Vergütung fordern. Für die Kammer ist anhand der vom Kläger vorgelegten Rechnungen nicht ersichtlich, dass in ihnen auch Behandlungskosten enthalten sind, die sich nicht unmittelbar auf den Zahnersatz erstreckten. Auch die berechnete Schienentherapie war nicht zielführend, so dass hierauf entfallende Kosten ebenfalls nicht beansprucht werden können.

B.

Die Widerklage ist teilweise begründet.

Der Beklagte hat gegen den Kläger aus dem zahnärztlichen Behandlungsvertrag in Verbindung mit §§ 630 a, 611, 253 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB und auf deliktischer Grundlage nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. §§ 253 Abs. 2, 249 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schmerzensgeld und Schadenersatz.

I.

Aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen P3 steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass dem Kläger bei der zahnärztlichen Behandlung des Beklagten grobe Behandlungsfehler unterlaufen sind.

So hat der Kläger beim Beklagten einen definitiven Zahnersatz eingegliedert, ohne eine angemessene funktionelle Vorbehandlung vorgenommen und deren Erfolg abgewartet zu haben. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen. Dieses Vorgehen hat der Sachverständige aus zahnmedizinischer Sicht als nicht mehr nachvollziehbar bezeichnet. Die Kammer schließt sich dieser Bewertung als grob behandlungsfehlerhaft aus juristischer Sicht an.

Die Frage, ob der Kläger außerdem behandlungsfehlerhaft gehandelt hat, indem er entweder durch insuffiziente röntgenologische Befunderhebung in der Planungsphase des Zahnersatzes den im Kiefer vorhandenen Wurzelrest vom Zahn 26 nicht erkannt oder bei Kenntnis vom Vorhandensein des Wurzelrestes dem Beklagten nicht zu dessen Entfernung vor der definitiven Eingliederung des Zahnersatzes geraten hat, kann letztlich dahinstehen, weil ein etwaiger Behandlungs- oder Aufklärungsfehler keine Folgen nach sich gezogen hat. Denn der Wurzelrest ist auch derzeit im Kieferknochen des Beklagten noch vorhanden, ohne dass es zu Beschwerden gekommen wäre. Zudem ist der definitiv eingegliederte Zahnersatz bereits aus anderen Gründen zu entfernen und nicht mehr verwertbar.

Aufgrund des nachvollziehbaren Gutachtens des Sachverständigen P3 ist die Kammer zudem davon überzeugt, dass in Folge der Behandlungsfehler des Klägers, insbesondere der unzulänglichen Vorbehandlung, eine verstärkte Funktionsstörung beim Beklagten im Bereich einer craniomandibulären Dysfunktion verursacht worden ist. Die Beschwerdebekundungen des Beklagten, wonach es seit Juni 2003 zu Kiefergelenks-, Nacken- und Ohrenschmerzen gekommen ist, sind auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen nachvollziehbar. So hat der Sachverständige in diesem Zusammenhang auf die Bemerkungen in der Behandlungskarte nach der Eingliederung des Zahnersatzes ab dem 17.06.2003 hingewiesen, wonach mehrfach "Bruxismus" sowie das Durchbeißen der Schiene und Schmerzen beim Zubeißen und ""extrem erschwerende Umstände aufgrund äußerst starkem Bruxismus" dokumentiert sind. Darüber hinaus ist aufgrund der fehlerhaften Behandlung des Klägers die vollständige Entfernung des eingegliederten Zahnersatzes mit einer sich anschließenden länger andauernden Schienenbehandlung sowie die Anfertigung und Eingliederung eines neuen Zahnersatzes beim Beklagten notwendig.

Angesichts der grob fehlerhaften Behandlung sowie der hierdurch hervorgerufenen Schmerzen und der künftig erforderlichen Folgebehandlung hält die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.000 € für angemessen, aber auch ausreichend. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat die Kammer auch berücksichtigt, dass die Beschwerdedauer bis zum heutigen Tag nicht dem Kläger in Gänze zuzurechnen ist. Denn der Beklagte hat sich bis jetzt keiner Nachbehandlung unterzogen, obwohl seine Kiefer- und Gebisssituation bereits einer Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren und im Jahre 2006 einer Privatbegutachtung durch P2 unterzogen worden ist. Für die Kammer ist daher nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte trotz mehrfacher Dokumentation seiner Bisssituation und dem zwischenzeitlichen mehrjährigen Ruhen des Verfahrens keine Nachbehandlung hat vornehmen lassen. Zudem lässt dieses Zuwarten des Beklagten nur den Rückschluss auf eine eher mäßige Schmerzbelastung zu, da starke Schmerzen nicht über einen derart langen Zeitraum zu tolerieren gewesen wären. Im Hinblick auf diese eher geringgradige Schmerzintensität für einen anzuerkennenden Zeitraum von ca. 3 Jahren sowie die eingetretene Vertiefung der Grunderkrankung und die künftig notwendig werdende langandauernde Schienenbehandlung zur Behebung der CMD hält die Kammer ein Schmerzensgeld von 7.000 € für angemessen.

II.

Der zulässige Feststellungsantrag des Beklagten ist im Hinblick auf den eingetretenen Gesundheitsschaden und die notwendige künftig anstehende Zahnbehandlung im Hinblick auf die damit verbundenen materiellen und nicht die nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden begründet.

C.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB; die Widerklage wurde dem Kläger am 18.07.2006 zugestellt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

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