Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 10.10.2014 - Vf. 25-III-14
Fundstelle
openJur 2014, 22668
  • Rkr:

Der Verfassungsgerichtshof hat bereits am 10. Mai 2010 (VerfGHE 63, 51) entschieden, dass gegen Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen; danach bleiben die Stimmen, die für an der 5 %-Klausel gescheiterte Parteien abgegeben wurden, bei der Ermittlung der Sitzverteilung im Landtag unberücksichtigt. Es sind keine Gründe ersichtlich, die eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nahelegen würden.

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Gründe

I.

Gegenstand des Verfahrens ist ein Antrag auf Entscheidung über die Gültigkeit der Landtagswahl 2013.

1. Die Wahl zum 17. Bayerischen Landtag am 15. September 2013, bei der die Antragsteller wahlberechtigt waren, hatte folgendes Ergebnis:

        GesamtstimmenSitze SitzverteilungprozentualCSU47,7 %10156,1 %SPD20,6 % 4223,3 %FREIE WÄHLER 9,0 % 1910,6 %GRÜNE 8,6 % 1810,0 %FDP 3,3 %--DIE LINKE 2,1 %--ÖDP 2,0 %--REP 1,0 %--NPD 0,6 %--BP 2,1 %--BüSo 0,0 %--DIE FREIHEIT 0,1 %--FRAUENLISTE 0,1 %--DIE FRANKEN 0,7 %--PIRATEN 2,0 %--Die Bekanntmachung des Landeswahlleiters des Freistaates Bayern vom 2. Oktober 2013 zum Ergebnis der Wahl wurde am 18. Oktober 2013 veröffentlicht (StAnz Nr. 42).

2. Mit Schreiben vom 5. und 15. November 2013 an den Bayerischen Landtag beanstandete der Antragsteller zu 2, dass die Landtagswahl 2013 gegen Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV verstoße, wonach die Sitzverteilung gemäß einem verbesserten Verhältniswahlrecht zu erfolgen habe. Diese verfassungsrechtliche Voraussetzung sei bei der Feststellung des Wahlergebnisses nicht beachtet worden. Nach der verfassungswidrigen Bestimmung des Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG würden die der 5 %-Sperrklausel unterfallenden Stimmen wie ungültige Stimmen behandelt und kämen daher den Parteien zugute, die mindestens 5 % der Stimmen erhalten hätten. Insgesamt 26 Abgeordnete hätten auf diesem Weg ihr Mandat erhalten, seien also in Wahrheit nicht gewählt worden. Die Wähler der nicht im Parlament vertretenen Parteien würden so um ihr Wahlrecht gebracht. Sie dürften nur bei der Vorfrage, welche Parteien die 5 %-Hürde übersprängen, mitentscheiden. Von dem Teil der Wahl, bei dem das Stärkeverhältnis der Parteien im Parlament festgelegt werde, seien sie ausgeschlossen. Abhilfe sei nicht nur verfassungsrechtlich geboten, sondern auch ohne allzu großen Aufwand möglich. Wenn man nicht zwei Wahlgänge vorsehen wolle, genüge die Einführung einer Eventual- oder Ersatzstimme, die zum Tragen komme, falls die Sperrklausel greife.

Die Antragstellerin zu 1 erhob mit Schreiben vom 12. November 2013 an den Bayerischen Landtag eine inhaltsgleiche Beanstandung.

3. Am 20. Februar 2014 beschloss der Ausschuss für Verfassung, Recht und Parlamentsfragen, die Wahlbeanstandung zurückzuweisen (LT-Drs. 17/792). Auf dieser Grundlage stellte die Vollversammlung des Bayerischen Landtags am 25. Februar 2014 die Gültigkeit der Landtagswahl 2013 fest (LT-Drs. 17/852).

II.

1. Mit am 25. März 2014 eingegangenem Schreiben beantragen die Antragsteller, die Unwirksamkeit des Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG sowie der Landtagswahl 2013 festzustellen und deren Wiederholung anzuordnen. Hilfsweise soll der Landtag verpflichtet werden, bis zum 31. Juli 2015 (oder einem vom Verfassungsgerichtshof zu bestimmenden Termin) das Bayerische Landeswahlgesetz, insbesondere dessen Art. 42 Abs. 4 Satz 2, zu ändern.

Die Antragsteller sind der Auffassung, die Landtagswahl 2013 verstoße gegen die Grundsätze der Stimmengleichheit und der Wahlfreiheit (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV), gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 118 Abs. 1 BV) sowie gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien. Zur näheren Begründung wiederholen und vertiefen sie ihren Vortrag gegenüber dem Landtag. Zwar habe eine entsprechende Beanstandung der Antragsteller zur Landtagswahl 2008 keinen Erfolg gehabt. Die hierzu ergangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 10. Mai 2010 beruhe jedoch auf einer groben Verkennung des Wahlrechts bayerischer Bürger, das sich nicht darin erschöpfe, dass der Wähler am Wahltag bei einer Partei ein Kreuz machen dürfe. Die abgegebene Stimme müsse beim Endergebnis als dem entscheidenden Teil der Wahl auch mitgezählt werden; zum Zählwert müsse der Erfolgswert hinzukommen. Dies verwehre der (einfache) Gesetzgeber in Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG denjenigen Hunderttausenden von Wählern, die an der 5 %-Klausel gescheiterte Parteien gewählt hätten. Es stehe nicht im Ermessen des (einfachen) Gesetzgebers, ob verfassungsmäßige Rechte wie das Wahlrecht gelten.

2. In einem weiteren, am 24. Juli 2014 eingegangenen Schreiben vertiefen die Antragsteller ihr Vorbringen. Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG, wonach Stimmen für an der 5 %-Klausel gescheiterte Parteien bei der Ermittlung der Sitze nicht berücksichtigt würden, stehe im Widerspruch zu Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV, der eine Wahl durch alle wahlberechtigten Staatsbürger nach einem verbesserten Verhältniswahlrecht verlange. Die Regelung im Landeswahlgesetz sei auch wegen Verstoßes gegen Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG unwirksam und nichtig. Aus der 5 %-Klausel, die nicht beanstandet werde, ergebe sich keine Einschränkung des für eine Demokratie grundlegenden Wahlrechts aller Staatsbürger. Ebenso wenig könne die beanstandete Regelung, die dem Machterhalt der etablierten Parteien diene und zur Politikverdrossenheit beitrage, auf den Vorbehalt des Art. 14 Abs. 5 BV gestützt werden. Die beiden Fragen, welche Parteien überhaupt in das Parlament einzögen und wie viele Sitze diese erhielten, könnten nur nacheinander beantwortet werden. Neben der Einführung von zwei getrennten Wahlgängen stehe dem Gesetzgeber auch die Möglichkeit offen, eine oder besser mehrere sog. Eventual-, Alternativ-, 2in1- oder Ersatzstimme(n) vorzusehen.

Der Verfassungsgerichtshof habe am 10. Mai 2010 entschieden, dass nicht die Verfassung (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV) dem einfachem Landesrecht vorgehe, sondern umgekehrt Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG das Verfassungsrecht einschränken dürfe. Die von ihm neu geschaffene Theorie vom Vorrang des „Willens des Verfassungsgebers zu Praktikabilität“ vor dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV habe zur Folge, dass Hunderttausende bayerischer Wahlberechtigter ihr Wahlrecht bezüglich der Sitzverteilung verloren hätten und das Verhältniswahlrecht verfälscht worden sei. Die Praktikabilität einer Regelung, die insbesondere auch bei der Einführung einer sog. E-Stimme gewahrt sei, könne jedoch niemals Verstöße gegen die Verfassung rechtfertigen. Die Auffassung, dass es sich bei der Regelung des Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG nur um ein Detail des Wahlrechts handle, sei unhaltbar. Im Übrigen werde Art. 14 Abs. 5 BV insoweit nicht zitiert.

III.

1. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat dem Bayerischen Landtag gemäß Art. 48 Abs. 3 VfGHG Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Der Bayerischen Staatsregierung und der Landeswahlleiterin wurden die Verfahrensunterlagen zur Kenntnisnahme zugeleitet.

2. Der Bayerische Landtag hält den Antrag für unbegründet.

Die mit der 5 %-Sperrklausel verbundene Folge, dass die Stimmen von Parteien, die dieses Quorum nicht erreichten, bei der Ermittlung der Sitzzuteilung unberücksichtigt blieben, sei verfassungsgemäß. Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Art. 118 Abs. 1 BV ergebe sich keine Notwendigkeit, eine gesetzliche Neuregelung mit dem von den Antragstellern gewünschten Inhalt zu verlangen. Die Möglichkeit, einen weiteren Wahlgang oder Ersatzstimmen einzuführen, trage allenfalls zu einer Verunsicherung der Wähler bei, nicht aber zu einer Verbesserung des Wahlrechts.

IV.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgesehen, da eine solche nach der Sach- und Rechtslage nicht geboten erscheint (Art. 48 Abs. 3 Satz 4 VfGHG).

V.

Der Antrag auf Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Gültigkeit der Landtagswahl ist zulässig.

Nach Art. 48 Abs. 1 Nr. 3 VfGHG können Stimmberechtigte, deren Wahlbeanstandung vom Landtag verworfen worden ist, die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs beantragen. Der Antrag ist binnen eines Monats seit der Beschlussfassung des Landtags über die Gültigkeit der Landtagswahl schriftlich einzureichen; er ist durch die Anführung von Tatsachen und Beweismitteln zu begründen (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 VfGHG). Einer Unterstützung der Wahlbeanstandung durch 100 Stimmberechtigte bedarf es seit der zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderungen nicht mehr (vgl. § 3 des Gesetzes zur Änderung des Landeswahlgesetzes, des Bezirkswahlgesetzes und des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 11. Dezember 2012, GVBl S. 620).

Der Antrag gemäß Art. 48 VfGHG ist am 25. März 2014 eingegangen. Die seit dem Beschluss des Landtags vom 25. Februar 2014 (LT-Drs. 17/852) laufende Monatsfrist wurde daher eingehalten.

VI.

Der Antrag ist unbegründet.

1. Die Antragsteller hatten sich bereits bei der Landtagswahl 2008 mit Anträgen auf Wahlprüfung (Vf. 49-III-09) an den Verfassungsgerichtshof gewandt und die Sitzverteilung im Hinblick auf die Parteien beanstandet, die an der 5 %-Klausel des Art. 14 Abs. 4 BV gescheitert waren. Auch damals war ihr Angriffspunkt Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG, wonach Stimmen, die auf infolge der 5 %-Klausel gescheiterte Wahlvorschläge entfallen, bei der Sitzverteilung ausscheiden. Der Verfassungsgerichtshof hat die Anträge am 10. Mai 2010 abgewiesen (VerfGHE 63, 51) und zur Begründung u. a. Folgendes ausgeführt:

c) Aus den Darlegungen der Antragsteller erschließen sich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG.

Diese Bestimmung ist eine Folgeregelung zu der durch Art. 14 Abs. 4 BV (vgl. auch Art. 42 Abs. 4 Satz 1 LWG) vorgegebenen Sperrklausel. Dass der Normgeber sich dafür entschieden hat, die der Sperrklausel unterfallenden Stimmen unberücksichtigt zu lassen, und keine der von den Antragstellern angesprochenen Regelungsalternativen eingeführt hat, liegt im Rahmen seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums. Weder im Hinblick auf den Grundsatz der Wahlgleichheit noch unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit der Parteien sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geltende Bestimmung des Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG ersichtlich. Aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Art. 118 Abs. 1 BV lässt sich die Notwendigkeit einer Neuregelung mit dem von den Antragstellern geforderten Inhalt nicht ableiten.

aa) Die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben insbesondere des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BV bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung des Wahlrechts ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, dem dabei ein Ermessensspielraum zusteht. Der Verfassungsgerichtshof kann die Entscheidung des Gesetzgebers nur dann beanstanden, wenn sie dem in der Verfassung zum Ausdruck kommenden Willen des Verfassungsgebers zuwiderläuft. Er hat dagegen nicht zu prüfen, ob eine bessere, zweckmäßigere, die Einhaltung bestimmter verfassungsrechtlicher Vorgaben in einem noch stärkeren Umfang garantierende Lösung möglich gewesen wäre. Er kann nicht an die Stelle des Gesetzgebers treten und diesem vorschreiben, welche Gestaltung er seinen Regelungen geben soll (VerfGH 58, 56/69 f.; vgl. auch BVerfGE 6, 84/94; BVerfG vom 3.12.1968 = BVerfGE 24, 300/346; BVerfGE 51, 222/238, 249).

bb) Mit Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG hat der Landesgesetzgeber eine Regelung getroffen, die den in Art. 14 Abs. 4 BV zum Ausdruck kommenden Willen des Verfassungsgebers im Rahmen der Ausgestaltung der Details des Wahlrechts umsetzt. Wenn eine Partei aufgrund ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Vorgaben nicht im Landtag vertreten ist, stellt eine Folgeregelung, wonach die für sie abgegebenen Stimmen „unter den Tisch fallen“, eine im Regelungssystem konsequente Normierung dar. Zwar mögen auch gesetzgeberische Lösungsansätze denkbar sein, die den Grundsätzen der Wahlgleichheit und der Chancengleichheit der Parteien noch weitgehender Rechnung tragen würden als die derzeit geltende Regelung (vgl. Speckmann, ZRP 1970, 198; Linck, DÖV 1984, 884; Linck, Jura 1986, 460/465). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob beispielsweise die von den Antragstellern angesprochene Zuteilung von Parlamentssitzen mit nur beratender Stimme mit demokratischen Grundsätzen vereinbar wäre (vgl. auch Schreiber, [BWahlG, 8. Aufl. 2009,] RdNr. 37 zu § 6). Jedenfalls setzt Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG den Willen des Verfassungsgebers auf eine Art und Weise um, die eine einfache und eindeutige Stimmabgabe ermöglicht und damit zu einer praktikablen Handhabung des Wahlvorgangs beiträgt. Angesichts der Bedeutung eines transparenten, in der Praxis umsetzbaren Wahlsystems für die Funktionstüchtigkeit des demokratischen Staatswesens durfte der Gesetzgeber diesem Gesichtspunkt besondere Bedeutung beimessen. Ob Alternativregelungen in anderer Hinsicht vorzugswürdig wären, ist eine politische Frage, die der Verfassungsgerichtshof nicht zu entscheiden hat (vgl. Schreiber, RdNr. 37 zu § 6; Linck, DÖV 1984, 884).

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in dieser Entscheidung mit den Argumenten der Antragsteller im Einzelnen befasst und eine umfassende Prüfung anhand der verfassungsrechtlichen Regelungen insbesondere des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BV vorgenommen. Unter Anwendung üblicher Auslegungsmethoden und nach Würdigung der maßgeblichen Gesichtspunkte ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass der dem einfachen Gesetzgeber durch Art. 14 Abs. 5 BV für die Umsetzung der Vorgaben der 5 %-Klausel (Art. 14 Abs. 4 BV) eingeräumte Konkretisierungsspielraum nicht überschritten ist (Wollenschläger in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 14 Rn. 95 ff.).

2. Die in der Entscheidung vom 10. Mai 2010 dargelegten Grundsätze sind auch für die Prüfung der Landtagswahl 2013 maßgeblich. Es sind keine Gründe ersichtlich, die eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nahelegen würden.

a) Bei der Landtagswahl 2013 wurden für Parteien, die infolge der 5 %- Sperrklausel nicht im 17. Bayerischen Landtag vertreten sind, insgesamt 14 % der Stimmen abgegeben. Diese Stimmen bleiben gemäß Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG bei der Zuteilung der Mandate unberücksichtigt und kommen im Ergebnis den im Landtag vertretenen Parteien zugute. Bei der Landtagswahl 2013 erreichten demnach die CSU bei 47,7 % der Gesamtstimmen 56,1 % der Sitze, die SPD bei 20,6 % der Stimmen 23,3 % der Sitze, die FREIEN WÄHLER bei 9,0 % der Stimmen 10,6 % der Sitze und die GRÜNEN bei 8,6 % der Stimmen 10,0 % der Sitze. Dass die CSU somit über die absolute Mehrheit der Sitze verfügt, obwohl die für diese Partei abgegebene Anzahl der Gesamtstimmen bei 47,7 % und damit unter 50 % lag, ist das Ergebnis einer folgerichtigen Anwendung des Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG auf die konkrete Stimmenzahl. An der verfassungsrechtlichen Bewertung der von den Antragstellern beanstandeten Vorschrift ändert dies nichts (vgl. zur Zwei-Drittel-Mehrheit der CSU bei der Landtagswahl 2003 VerfGHE 63, 51/59). Das Vorbringen der Antragsteller im vorliegenden Verfahren erschöpft sich im Übrigen im Wesentlichen in einer Wiederholung der Gesichtspunkte, die bereits Gegenstand des Verfahrens Vf. 49-III-09 waren.

b) Ebenso wenig ist es im Hinblick auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2014 (NVwZ 2014, 439) zur 3 %-Sperrklausel im Europawahlrecht geboten, die Verfassungsmäßigkeit der 5 %-Klausel im Landtagswahlrecht als solche infrage zu stellen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass der mit der 3 %-Sperrklausel im Europawahlrecht verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen sei. Dieser Einschätzung liegt jedoch die besondere Situation auf europäischer Ebene zugrunde, die nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts mit den Verhältnissen auf nationaler Ebene nicht vergleichbar ist, wo die Bildung einer stabilen Mehrheit für die Wahl einer handlungsfähigen Regierung und deren fortlaufende Unterstützung nötig sei (NVwZ 2014, 439/444). Die vom Bundesverfassungsgericht angesprochene Sicherung der Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments und der Regierung, die bei einer Aufspaltung der Volksvertretung in viele kleine Gruppen gefährdet wäre, rechtfertigt daher nach wie vor auch die für die Landtagswahl geltende Sperrklausel (vgl. VerfGHE 63, 51/58 m. w. N.).

c) Im Hinblick auf die einfachrechtliche Ausgestaltung der Konsequenzen der 5 %-Klausel in Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG lassen sich aus Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG ebenfalls keine Argumente ableiten, die die Auffassung der Antragsteller stützen würden. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach entschieden, dass der Gesetzgeber Differenzierungen in dem Erfolgswert der Stimmen bei der Verhältniswahl vornehmen darf, soweit dies zur Sicherung der Funktionsfähigkeit der zu wählenden Volksvertretung erforderlich ist. Die – nunmehr in § 6 Abs. 4 Satz 1 BWahlG enthaltene – dem Art. 42 Abs. 4 Satz 2 LWG entsprechende Regelung zur Bundestagswahl, wonach bei der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nur Parteien berücksichtigt werden, die mindestens 5 % der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben, wurde daher auch nicht beanstandet (BVerfG vom 29.9.1990 BVerfGE 82, 322/345; VerfGHE 63, 51/59 f. m. w. N.).

VII.

Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).

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