LG Paderborn, Urteil vom 25.04.2013 - 3 O 44/13
Fundstelle
openJur 2014, 22356
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines auf der Handelsplattform des Internet-Auktionshauses F geschlossenen Kaufvertrages.

Der Beklagte stellte am 23.10.2012 unter seinem F Mitgliedsnamen "M" auf der vorgenannten Handelsplattform das streitgegenständliche Gebrauchtfahrzeug, einen Audi A4 2.0 TDI, zum Startpreis von 1,00 € ein. Die Klägerin bot unter ihrem F Mitgliedsnamen "B" für das Fahrzeug. Nach 11 Minuten beendete der Beklagte durch Ausfüllen und Absenden des von F zur Verfügung gestellten Formulars "für das vorzeitige Beenden von Angeboten" seine Auktion vorzeitig. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Gebot von 7,10 € Höchstbietende. Ihr Maximalgebot lag bei 9.222,00 €. Durch die Beendigung der Auktion wurden die zu diesem Zeitpunkt abgegebenen Gebote der Klägerin sowie die anderer Bieter gestrichen.

In §10 Nr. 1 der F AGB wird unter anderem ausgeführt:

"[...] Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen dem Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn, der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen. [...]"

Mit Schreiben vom 21.11.2012 forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 05.12.2012 auf, das Fahrzeug gegen Zahlung des vereinbarten Kaufpreises zu übergeben. Mit Schreiben vom 23.11.2012 erklärte der Beklagte schriftlich, dass ein Kaufvertrag nicht zustande gekommen sei. Vorsorglich erklärte er die Anfechtung eines möglicherweise zustande gekommenen Kaufvertrages.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass zwischen dem Anbieter - dem Beklagten - und dem im Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung Höchstbietenden - der Klägerin - ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sei. Das Fahrzeug habe einen objektiven Marktwert von mindestens 14.507,10 € gehabt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 14.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 20.12.2012 sowie 925,60 € vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass ein wirksamer Kaufvertrag zwischen den Parteien nicht zu Stande gekommen sei. Im Übrigen habe er den Vertrag wirksam anfechten können, da er sich insofern geirrt habe, dass er kein Mindestgebot angegeben hatte.

Schließlich scheitere der Anspruch an dem Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit gemäß § 242 BGB.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Nichterfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages (§§ 280 I, 281 I, II BGB) ist zwar entstanden, der Durchsetzbarkeit steht jedoch § 242 BGB entgegen.

Zwar ist vorliegend zwischen den Parteien ein wirksamer Kaufvertrag gem. § 433 I BGB zu Stande gekommen. Der Beklagte hat das Fahrzeug zwecks Durchführung einer Online-Auktion auf der Website von F und Freischaltung der Angebotsseite eingestellt. Darin liegt nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die ausdrückliche Erklärung, er nehme bereits zu diesem Zeitpunkt das höchste wirksam abgegebene Kaufangebot an (BGHZ 149, 129, 133 ff.).

Die vorzeitige Beendigung und Streichung aller Angebote führt nicht zu einem wirksamen Widerruf gem. § 130 I S. 2 BGB seines abgegebenen Angebotes. Dies ergibt sich bereits aus der über § 10 Nr. 1 S. 1 AGB zwischen den Parteien vereinbarten Verbindlichkeit dieses Verkaufsangebotes, mit der die Unwiderruflichkeit des Vertragsangebotes begründet werden soll. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von F sind zwischen den Parteien durch die Teilnahme an der Auktion verbindlich anerkannt worden.

Die in der vorgenannten Bestimmung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgezeigte Möglichkeit, ein Angebot schon vor dem festgelegten Vertragsende zurückzuziehen bzw. ein vorliegendes Angebot eines Käufers zu streichen ist lediglich als ein Hinweis auf die vom Gesetzgeber in §§ 119 ff. BGB vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten zu werten.

Entgegen der Rechtsansicht des Beklagten ist der Kaufvertrag auch nicht durch die vom Beklagten gem. § 143 I BGB erklärte Anfechtung von Anfang an nichtig, § 142 I BGB. Der Beklagte hat nicht hinreichend vorgetragen, dass und inwieweit er bei der Einstellung des Kfz einem nach §§ 119 ff. BGB relevanten Irrtum unterlegen war.

Der Durchsetzbarkeit des Schadensersatzanspruchs steht vorliegend jedoch der Einwand des aus § 242 BGB abgeleiteten Instituts des Rechtsmissbrauchs entgegen. Die Ausübung eines Rechts ist dann unzulässig, wenn das ihm zugrunde liegende Interesse im Einzelfall aus besonderen Gründen nicht schutzwürdig erscheint (Einwand der unzulässigen Rechtsausübung). Eine solche Aberkennung der Schutzwürdigkeit ist das Ergebnis einer umfassenden Wertung des Interesses. Nicht schon jedes Ungleichgewicht, nicht schon jede übermäßige wirtschaftliche Benachteiligung der Gegenseite macht eine Rechtsausübung unzulässig, sondern es muss sich um Ausnahmefälle einer grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht zu vereinbarenden Benachteiligung handeln (BGH WM 1967, 988, 989). Nach einer solchen Abwägung ist vorliegend das Interesse der Klägerin auf Schadensersatz nicht schutzwürdig. Zwar obliegt das Risiko einer fehlerhaften Einstellung eines Verkaufsangebotes auf einer Auktionsseite grundsätzlich dem Verkäufer. Auch ist unbestritten, dass die Besonderheit von Internetauktionen die Unwiderruflichkeit der Vertragsangebote erfordert um zu vermeiden, dass der Bieter der Willkür des Verkäufers ausgesetzt ist. Des Weiteren hat der Verkäufer im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften die Möglichkeit der Anfechtung und ist dadurch auch bei der Teilnahme an Internetauktionen grundsätzlich hinreichend geschützt. Eine Verurteilung zum Ersatz von Schadensersatz würde jedoch im vorliegenden Fall zu einer mit der Gerechtigkeit nicht vereinbarenden Benachteiligung des Beklagten führen. Der Beklagte unterlag bei Einstellung des Angebots einem (vorliegend für §§ 119 ff. BGB unbeachtlichen) Fehler. Diesen Fehler versuchte der Beklagte unverzüglich zu korrigieren. Er füllte unverzüglich das "Formular für die frühzeitige Beendigung von Angeboten" aus und sendete es an F. Die Auktion wurde daraufhin beendet. Dieser Vorgang dauerte unstreitig 11 Minuten. Eine F Auktion dauert regelmäßig bis zu einer Woche. In dieser Zeit werden, insbesondere auf hochwertige Alltagsgegenstände, wie das vorliegende Kfz eine Vielzahl von Angebote abgegeben. In den 11 Minuten zwischen Einstellung des Artikels und Beendigung der Auktion wurden auf den vom Beklagten eingestellten Artikel bereits zwei Gebote abgegeben. Das höhere Gebot von 7,10 € war zu diesem Zeitpunkt das der Klägerin. Dass die Klägerin nicht davon ausgehen konnte, dass ihr Angebot von 7,10 €, das Höchstgebot für einen Audi sein würde, ist offensichtlich. Die Klägerin geht selbst von einem Marktwert für das Fahrzeug von mindestens 14.507,10 € aus. Das Gebot der Klägerin von 7,10 € auf den vom Beklagten eingestellten Artikel, der einen Neuwert von mehr als 45.000,00 € aufwies und nach eigener Schätzung der Klägerin zum Zeitpunkt der Auktion mindestens 14.507,10 Euro betrug, war augenscheinlich und für die Klägerin ersichtlich nicht ausreichend um diesen Artikel nach Ende der Auktion zu erwerben. Zwar kann die Diskrepanz zwischen erreichtem Preis und dem Wert eines Artikels in einem von Angebot und Nachfrage regierten Markt grundsätzlich nicht dazu führen, dass die Durchsetzung eines "Schnäppchens" als rechtsmissbräuchlich angesehen wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Verkäufer Artikel zur Versteigerung anbieten, für die es regelmäßig keinen Markt gibt. Dann kann die Nichterzielung des realen Wertes für einen Artikel nicht zum Nachteil des Bieters als rechtsmissbräuchlich ausgelegt werden. Sie liegt dann im Risikobereich des Verkäufers. Im vorliegenden Fall besteht jedoch ein Markt für das vom Beklagten eingestellte Kfz. Nach Überzeugung des Gerichts ist es ausgeschlossen, dass vorliegend keine weiteren ernsthaften Gebote für das Kfz abgegeben worden wären. Die Klägerin konnte nicht damit rechnen, dass sie das Kfz für 7,10 € ersteigern würde, hätte der Beklagte die Auktion bis zum Ende durchgeführt. Ein "Schnäppchen" für ein solches Kfz ist auch noch bei einem Preis von 10.000 € anzunehmen. Die Klägerin würde bei Anerkennung einer Schadensersatzpflicht dafür belohnt, dass der Beklagte in Annahme der Zulässigkeit und der Gebotenheit einer unmittelbaren Behebung des von ihm fehlerhaft oder unvollständig verfassten Angebots schnellstmöglich versuchte, die Auktion abzubrechen. Die Klägerin ist vorliegend auch nicht der Willkür des Beklagten ausgesetzt gewesen. Der Beklagte hat versucht unmittelbar nach Einstellung des Artikels die Auktion zu beenden. Die Tatsache, dass das Ausfüllen des Formulars und die Übersendung an das Auktionshaus, sowie die Bearbeitung durch die F insgesamt 11 Minuten in Anspruch nahm führen nicht dazu, dass der Klägerin hier willkürlich die Möglichkeit entzogen wurde, einen Audi für 7,10 € zu erwerben. Diese Chance bestand von vornherein nicht. Im Rahmen dieser Abwägung ist die Schadensersatzklage der Klägerin als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 242 BGB anzusehen, mit der Folge, dass die Klägerin den ihr zustehenden Schadensersatzanspruch nicht durchsetzen kann (vgl. LG Koblenz, NJW 2010, 159-161).

Dem Antrag der Klägerin, ihr Schriftsatznachlass auf die Schriftsätze des Beklagten vom 17.04.2013 und 24.04.2013 und zu den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung zu gewähren, war nicht zu entsprechen, weil es sich um Vorbringen handelt, welches nicht entscheidungserheblich für die Kammer war (vgl. Greger in Zöller, ZPO, 28. Aufl., § 283, Rn. 2a).

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird festgesetzt auf 14.500,00 Euro.