LG Köln, Beschluss vom 07.10.2014 - 28 O 433/14
Fundstelle
openJur 2014, 22319
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 05.10.2014 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war zurückzuweisen. Es fehlt an einem Verfügungsanspruch.

1. Ein Anspruch auf Unterlassung der Vervielfältigung, Veröffentlichung, Verbreitung oder anderweitiger Verwertung des Buches "Vermächtnis - Die Kohl-Protokolle" der Autoren Heribert Schwan und Tilman Jens ergibt sich weder aus Vertrag, noch aus § 97 UrhG oder aus §§ 1004, 823 i.V.m. Art. 1, 2 GG.

a) Unmittelbare vertragliche Ansprüche gegen die Antragsgegnerin bestehen nicht. Zwischen dieser und dem Antragsteller besteht keine vertragliche Verbindung.

b) Soweit sich der Antragsteller auf § 97 UrhG stützt, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg.

aa) Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Urheberrecht nicht den Inhalt und die Information als solche schützt. Genau darauf aber ist der Anspruch gerichtet, mit dem der Antragsgegnerin die Veröffentlichung eines gesamten Buches ohne Rücksicht auf dessen konkreten Inhalt verboten werden soll. Dieses kann aber durchaus auch vorbekannte Umstände enthalten, deren Veröffentlichung der Antragsgegnerin unter keinem Gesichtspunkt untersagt werden kann.

bb) Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Tonbandaufzeichnung zwar im Ganzen als Sprachwerk gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG geschützt sein mag, dass sie jedoch soweit ersichtlich nicht im Ganzen sondern nur in Teilen veröffentlicht wird. Ob hierdurch bereits in das Urheberrecht an der Tonbandaufzeichnung als Ganzem eingegriffen wird, ist fraglich und hängt von Art und Umfang der Übernahme in der Veröffentlichung ab, die jedoch noch nicht bekannt ist. Eine Beurteilung ist daher derzeit unmöglich.

cc) Dies gilt auch für eine etwaige Urheberschutzfähigkeit einzelner übernommener Zitate. Hiergegen richtet sich der Antrag bereits nicht. Entsprechend werden auch keine Zitate mitgeteilt und zum Streitgegenstand gemacht, die an §§ 97, 2 UrhG gemessen werden könnten.

c) Schließlich ist auch kein Anspruch nach §§ 1004, 823 BGB i.V.m. Art. 1, 2 GG wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gegeben.

Zwar beeinträchtigt die Veröffentlichung eines vertraulich gesprochenen Wortes den Antragsteller in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Diese Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ist jedoch nicht per se rechtswidrig. Bei der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts handelt es sich vielmehr um einen sogenannten offenen Tatbestand, d.h. die Rechtswidrigkeit ist nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit positiv festzustellen (Palandt, BGB, § 823 Rn. 95 m.w.N.). Insoweit stehen sich hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1, 2 GG) des Antragstellers und das Recht der Antragsgegnerin auf Presse- und Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) gegenüber.

Diese Abwägung kann jedoch nicht allgemein getroffen werden. Ein absolutes Veröffentlichungsverbot - wie es mit dem Antrag begehrt wird - kann nicht beansprucht werden. Dies könnte allenfalls der Fall sein, soweit die absolut geschützte Intimsphäre betroffen ist. Dieser hat sich der Antragsteller jedoch bereits grundsätzlich begeben, indem er sich dem Antragsgegner im Parallelverfahren geöffnet hat.

Außerhalb dieses Bereiches gewährt das allgemeine Persönlichkeitsrecht allenfalls Schutz gegen einzelne konkrete Äußerungen, die vorliegend jedoch nicht streitgegenständlich sind. Diese wären dann daraufhin zu überprüfen, ob an ihnen unter Berücksichtigung des Kontextes, in den sie eingebettet sind, ein Berichterstattungsinteresse besteht, das das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt. Bei dieser Abwägung wiederum ist im Ausgangspunkt zu berücksichtigen, dass wahre Tatsachenbehauptungen, die den Betroffenen nicht in der besonders geschützten Intimsphäre treffen, grundsätzlich hingenommen werden müssen, wenn ein legitimes Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. Denn das Persönlichkeitsrecht verleiht seinem Träger keinen Anspruch darauf, in der Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie es ihm genehm ist. Zu den hinzunehmenden Folgen der eigenen Entscheidungen und Verhaltensweisen gehören deshalb auch solche Beeinträchtigungen des Einzelnen, die sich aus nachteiligen Reaktionen Dritter auf die Offenlegung wahrer Tatsachen ergeben, solange sie sich im Rahmen der üblichen Grenzen seiner Entfaltungschancen halten. Die Grenze zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird bei der Mitteilung wahrer Tatsachen regelmäßig erst dann überschritten, wo sie einen Persönlichkeitsschaden befürchten lässt, der außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit steht (vgl. BVerfGE 97/391; BGH, NJW 2011, 47).

Ob eine solche Situation bei der bevorstehenden Veröffentlichung zu bejahen ist, kann nicht abstrakt beurteilt werden, sondern bedarf der Abwägung im Einzelfall unter Berücksichtigung des gesamten Kontextes. Das erstrebte allgemeine und absolute Verbot lässt sich danach aus dem rechtlichen Gesichtspunkt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht herleiten.

2. Da es danach bereits an einem Verfügungsanspruch fehlt, bedarf es keiner Entscheidung, ob ein Verfügungsgrund gegeben ist.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

4. Gegenstandswert: EUR 100.000,00