VG Oldenburg, Urteil vom 23.09.2014 - 1 A 1314/14
Fundstelle
openJur 2014, 22081
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger machen gegenüber der beklagten Gemeinde einen Anspruch auf ungehindertes Betreten des Nordseestrandes geltend, woran sie sich durch Absperrungen und Entgeltpflicht gehindert sehen.

Zum Gemeindegebiet der Beklagten gehören die Küstenbadeorte … und …-… mit langen Badestränden im Vordeichsgelände. Die Deiche gehören den Deichverbänden. Das Strandgelände davor ist Eigentum des Landes Niedersachsen, das die Flächen an die beigeladene … GmbH verpachtet hat. Alleingesellschafterin der GmbH ist die Beklagte. Die Gesellschafterversammlung besteht aus einer vom Rat gewählten Person.

Die Beigeladene bewirtschaftet die Pachtflächen als Strandbad. Dazu sind in … 4 Gebäude mit Sanitärräumen und Kiosken errichtet. Außerdem gibt es im östlichen Bereich am meistbesuchten Teil des Strandes mit dem breitesten Sandstrand einen Kinderspielplatz. Es sind von Ost nach West abnehmend Strandkörbe aufgestellt. Nach Westen hin wird der Strand schmaler und weniger besucht. Die Beigeladene reinigt das Pachtgelände von Müll und mäht die Grünflächen. Für Besucher stehen kostenlose Parkplätze südlich des Deiches zur Verfügung. Der westlichste Bereich der Pachtfläche wird als Campingplatz genutzt. Im Übrigen wird auf den Lageplan auf Blatt 97 der Gerichtsakten Bezug genommen. Der Deich wird streckenweise von Schafen beweidet. Zur Straße hin ist das Deichgelände durchgehend eingezäunt. Der Strand kann nur an einigen Durchgängen mit Kassenhäuschen erreicht werden.

In … ist das Gelände ebenfalls einzäunt. Der Zugang ist an 5 Strandkassen, aber auch über den Parkplatz am Campingplatz mit einem Kassenautomaten möglich. Auf dem Strandgelände sind Sanitärgebäude, Kioske, Kinderspielgelegenheiten und DLRG Rettungsstationen vorhanden. Die Beigeladene befreit das Pachtgelände von Müll und mäht die Grünflächen. Ein großer Teil der Pachtflächen wird als Campingplatz genutzt.

Die Strandkassen sind etwa von April bis Oktober vormittags und nachmittags besetzt. Das Entgelt für einen Tag beträgt grundsätzlich 3 Euro. Gemeindeeinwohner und Inhaber einer Kurkarte haben freien Zutritt.

Die Kläger sind Einwohner von benachbarten Gemeinden. Sie suchen die Badeorte der Beklagten zum Strandspaziergang oder zum Baden auf und sehen sich am freien Zugang zu den Stränden gehindert, wenn die Beigeladene ein Entgelt fordert. Nachdem sie die Beklagte ergebnislos aufgefordert hatten, die Beigeladene anzuweisen, für den einfachen Strandzugang kein Entgelt zu erheben und auch der Landkreis als Naturschutzbehörde ein Einschreiten zur Sicherung des ungehinderten Zugangs zur freien Landschaft abgelehnt hatte, erhoben sie beim Amtsgericht … Klage gegen die Beigeladene auf freien Zutritt zum Strand. Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 21. Oktober 2013 – Az. 5 C 323/13 – als unzulässig ab. Es sei das Verwaltungsgericht zuständig, da die Kläger ihre Rechte aus dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Niedersächsischen Wald- und Landschaftsordnungsgesetz herleiteten und sich auf einen öffentlichen Gemeingebrauch beriefen. Das Urteil ist rechtskräftig.

Am 3. April 2014 haben die Kläger Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Sie sind der Ansicht, die Beklagte müsse die Beigeladene anweisen, den Klägern ohne Gebühren oder Entgelte freien Zugang zu den Stränden zu ermöglichen. Sowohl die Naturschutzgesetze als auch das Niedersächsische Wald- und Landschaftsordnungsrecht gewährten jedem das Recht, die freie Landschaft zu betreten und sich dort zu erholen. Zur freien Landschaft gehöre auch der Meeresstrand mit dem Uferbereich. Dieses Betretensrecht dürfe nicht von der Zahlung eines Eintritts abhängig gemacht werden, sondern müsse unentgeltlich gewährleistet werden. Dagegen verstoße die von der Beklagten beherrschte Beigeladene. Es gehe den Klägern nicht darum, die Infrastruktureinrichtungen der Strandbäder in Anspruch zu nehmen. Sie wollten lediglich an den Stränden spazieren gehen oder auch baden, ohne dafür eine Gebühr entrichten zu müssen.

Die Kläger beantragen,

die Beklagte zu verurteilen, als Gesellschafterin die Beigeladene anzuweisen, ab sofort von den Klägern keine Gebühren oder Entgelte zu verlangen, wenn sie lediglich auf dem Gebiet der Gemeinde … Zutritt zum Strand, bzw. zum Meer der Nordsee nehmen wollen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält wegen ihrer gesellschaftsrechtlich begründeten Einflussnahmemöglichkeit auf die Beigeladene schon den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht für gegeben. Die Beigeladene betreibe das Strandbad als öffentliche Einrichtung und erbringe die Dienstleistungen in Form des Privatrechts. Der Rechtsstreit werde nicht über das „Ob“ der Benutzung, sondern über das „Wie“ geführt und könne deshalb nicht mit der Beklagten, sondern müsse mit der Beigeladenen geführt werden. Die Klage sei abgesehen davon auch unbegründet. An Küstengewässern und am Meeresstrand bestehe kein Gemeingebrauch. Der Meeresstrand sei keine freie Flur, die von jedem betreten werden könne. Durch den Pachtvertrag und durch die Nutzung als Strandbad sei das Betretensrecht ohnehin ausgeschlossen.

Die Beigeladene schließt sich dem Standpunkt der Beklagten ohne eigene Antragsstellung an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verfahrensakte, auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge der Beklagten und auf die Gerichtsakte des Amtsgerichts … 5 C 323/13 Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Gründe

Gegenstand der Klage ist nicht unmittelbar der entgeltfreie Zutritt zu den Stränden, die von der Beigeladenen in … und … bewirtschaftet werden, sondern die vorgelagerte Frage, ob die Beklagte als Alleingesellschafterin verpflichtet werden kann, auf die Beigeladene in der Weise einzuwirken, dass den Klägern der entgeltfreie Zutritt ohne Inanspruchnahme der Infrastruktureinrichtungen ermöglicht wird. Eine derartige Klage kann als „Einwirkungsklage“ bezeichnet werden ( vergl. OVG Hamburg, Urt. v. 25.02.2014, 3 Bf 338/09, DVBl 2014, 1069).

Die Klage kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Erfolg haben. Sie ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig und darüber hinaus auch unbegründet. Der behauptete Anspruch besteht nicht.

Allerdings ist der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gem. § 40 Abs. 1 VwGO gegeben. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit. Das Verhältnis der Beklagten zur Beigeladenen ist nicht nur ein privatrechtliches, nämlich ein gesellschaftsrechtliches nach dem GmbH Gesetz, sondern auch ein öffentlich-rechtliches, nämlich ein kommunalwirtschaftliches nach dem NKomVG. Das GmbH Gesetz bietet lediglich die gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten der Einflussnahme der Gesellschafter auf die GmbH, die für private oder öffentlich-rechtliche Gesellschafter gleichermaßen gelten. Ergänzend regeln §§ 136ff NKomVG über die Kommunalwirtschaft die öffentlich-rechtlichen formellen und materiellen Voraussetzungen der Einflussnahme auf die Gesellschaft. Wenn eine Gemeinde der von ihr beherrschten GmbH Weisungen erteilt, wie sie nach. § 137 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 NKomVG möglich sind, werden diese öffentlich-rechtlich beurteilt, soweit die Gemeinde damit öffentliche Aufgaben erfüllt. Das ist hier der Fall. Die Beklagte bedient sich der Beigeladenen zur Erfüllung ihrer Aufgaben zur Förderung des Fremdenverkehrs und der Erholung. Die Erholung ist in § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG definiert als natur- und landschaftsverträglich ausgestaltetes Natur- und Freizeiterleben. Die dauerhafte Sicherung auch des Erholungswertes von Natur und Landschaft ist gem. § 1 Abs. 4 BNatSchG öffentliche Aufgabe. Der Erholung dient auch das freie Betreten von Landschaftsteilen.

Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zu erheben. Die auf Verwaltungsakte beschränkte Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO kommt nicht in Betracht. Die begehrte Einflussnahme auf die Beigeladene ist kein Verwaltungsakt, sondern Ausübung kommunalverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte. Da kein Verwaltungsakt beantragt wird, ist auch nicht über die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Untätigkeitsklage zu entscheiden, als die die Klage erhoben worden ist.

Die auch für allgemeine Leistungsklagen erforderliche Klagebefugnis ist in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO gegeben. Die Kläger machen geltend, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Sie berufen sich darauf, dass jedermann, also auch sie, einen Anspruch auf Betreten der freien Landschaft und Natur hat (vergl. dazu BVerfG Beschl. v. 06.06.1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137). Zur Durchsetzung dieses Anspruchs begehren sie verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz.

Die Zulässigkeit der Leistungsklage setzt wie jede verwaltungsgerichtliche Klage weiter ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis voraus. Das fehlt, wenn sich das Klageziel auf anderem Wege schneller oder einfacher als mit der erhobenen Klage erreichen lässt (Kopp/Schenke, VwGO Kommentar, 17. Aufl. Anm. 48 vor § 40 VwGO). Die Kammer sieht eine solche Möglichkeit in der Rechtsverfolgung gegenüber der Beigeladenen vor den Zivilgerichten.

Mit ihrer Klage können die Kläger ihr Ziel, die Strände in … und … zum Spazierengehen und Baden ohne vorheriges Entgelt betreten zu können, nur mittelbar erreichen. Die beklagte Gemeinde hat die Zugangssperren nicht errichtet und erhebt auch kein Entgelt für die Nutzung der Strandbäder. Die Strandbäder werden von der Beigeladenen betrieben, die für die Nutzung entsprechend ihrer Nutzungsbedingungen ein privatrechtliches Entgelt verlangt und an den Strandkassen entrichten lässt. Die Beigeladene ist gegenüber der Beklagten eine rechtlich eigenständige juristische Person des Privatrechts. Die Beklagte kann nur als Gesellschafterin im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen und kommunalwirtschaftlichen Vorschriften Einfluss auf die Geschäfte der Beigeladenen nehmen. Da die Beigeladene öffentliche Aufgaben der Beklagten erfüllt, ist die Beklagte gem. § 137 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG gehalten, sich einen angemessenen Einfluss auf die Gesellschaft zu sichern. Diese Möglichkeit der Einflussnahme ist hier gegeben. Die Beklagte ist alleinige Gesellschafterin der Beigeladenen und somit jederzeit und ungehindert in der Lage, ihre Weisungsrechte über den Vertreter in der Gesellschafterversammlung durchzusetzen.

Bei antragsgemäßer Verurteilung müsste die Beklagte ihren Vertreter anweisen, in der Gesellschafterversammlung auf die Beigeladene entsprechend dem Urteilstenor einzuwirken. Die Vertreter der Gemeinde haben keine Entscheidungsfreiheit, wenn ein Beschluss des Rates oder des Verwaltungsausschusses vorliegt, sind sie gem. § 138 Abs. 1 S. 2 NKomVG daran gebunden. Es müssten somit zunächst der Verwaltungsausschuss oder der Rat dem Vertreter der Gemeinde durch Beschluss aufgeben, in der Gesellschafterversammlung entsprechend tätig zu werden. Dann müsste die Gesellschafterversammlung einen Beschluss fassen, den der Geschäftsführer der Beigeladenen auszuführen hätte. Auf jeder dieser Stufen entstehen dabei auch vollstreckungsrechtliche Probleme.

Dieser „Umweg“ würde vermieden, wenn die Kläger ihren Anspruch direkt gegen den naturschutzrechtlich oder wasserrechtlich verpflichteten Pächter oder Eigentümer richten. Dass gerichtlicher Rechtsschutz gegenüber der Beigeladenen erlangt werden kann, ist nicht streitig. Auch wenn Unternehmen von der öffentlichen Hand in Form des Privatrechts etwa als GmbH betrieben werden, unterliegen diese Unternehmen der unmittelbaren Rechts- und Grundrechtsbindung (vergl. OVG Hamburg, Urt. v. 25.02.2014, 3 Bf 338/09 DVBl 2014,1069, Rn 51; BVerfG Urt. v. 22.02.2011, 1 BvR 699/06, BVerfGE 128, 226, Rn. 50; auch Nds. OVG, Beschl. v. 21.12.2010, 10 LA 273/08, Vnb). Auch wenn es in der Sache um naturschutzrechtliche Betretensrechte geht, kann dieser Streit vor Zivilgerichten ausgetragen werden. Der Streit zwischen dem Eigentümer bzw. Besitzer einerseits und dem Erholungssuchenden andererseits betrifft die Grenzen der dinglichen Besitz- und Eigentumsrechte aus § 903 und § 858 BGB, die durch Vorschriften des Naturschutzrechts eingeschränkt werden können. Das Zivilgericht hat diese öffentlich-rechtlichen Einschränkungen zu prüfen.

Dem Fehlen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses für die verwaltungsgerichtliche Klage gegen die Beklagte kann nicht entgegen gehalten werden, dass die Kläger bereits einen Zivilprozess gegen die Beigeladene geführt haben. Sie haben vor dem Amtsgericht … Klage gegen die Beigeladene erhoben, mit der sie ihren Anspruch auf Betreten des Strandes durchsetzen wollten (5 C 323/13). Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.10.2013  als unzulässig abgewiesen, weil seiner Meinung nach das Verwaltungsgericht zuständig sei. Das Urteil ist rechtskräftig.

Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ist unabhängig davon zu beurteilen, ob um den näherliegenden Rechtsschutz bereits nachgesucht wurde. Auch wenn die Kläger noch keine Klage vor dem Zivilgericht erhoben hätten, wäre ihnen die Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen die Beklagte versperrt. Auch der mangelnde Erfolg der Klage vor dem Zivilgericht kann die Zulässigkeit der verwaltungsgerichtlichen Klage nicht begründen. Gegen eine ablehnende Entscheidung des Zivilgerichts sind die statthaften Rechtsmittel der ZPO gegeben.

Die Kammer hat davon abgesehen, eine Klageänderung in dem Sinne anzuregen, dass die Beigeladene in die Rolle der Beklagten tritt und ihr gegenüber der Anspruch auf freies Betreten der Strände geltend gemacht werden solle. Die Klage gegen die Beigeladene wäre unzulässig, weil der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten nicht gegeben wäre. Das Verhältnis der Strandbenutzer zur Beigeladenen ist ausschließlich privatrechtlich geprägt. Als GmbH kann sie mangels Beleihung keine hoheitlichen Befugnisse ausüben. Auch wenn die Beklagte sich der Beigeladenen bedient, um ihre kommunalen Aufgaben im Bereich Tourismus und Erholung zu erfüllen, bleibt doch das Verhältnis der Benutzer zur Beigeladenen ausschließlich privatrechtlich bestimmt. Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz setzt voraus, dass zumindest eine der beiden Parteien Hoheitsgewalt ausübt (Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar 17. Aufl. Anm. 14 zu § 40 VwGO).

Die Klage ist nicht nur unzulässig. Sie ist auch unbegründet. Weder aus Natur- und Landschaftsschutzrecht noch aus Wasserrecht oder dem Recht der öffentlichen Einrichtungen lässt sich der ungehinderte Zugang zum Strandgelände und zum Meer herleiten.

Auf Betretensansprüche aus § 59 Abs. 1 BNatSchG und auch aus § 23 Niedersächsisches Gesetz über den Wald und die Landschaftsordnung (NWaldLG) können die Kläger sich nicht berufen. Voraussetzung ist die Zuordnung der beanspruchten Flächen zur freien Landschaft. Der im Bundes- und Landesrecht gleichermaßen benutzte Begriff stimmt inhaltlich mit dem Begriff der „Flur“ in § 56 BNatSchG a.F überein (Maus in Frenz/Müggenborg, BNatSchG Kommentar, Anm. 10 zu § 59 BNatSchG). Es kann deshalb auf die Rechtsprechung und Literatur zur Vorgängerregelung zurückgegriffen werden. Eine freie Landschaft ist entsprechend der Zielrichtung der Naturschutz- und Landschaftsordnungsgesetze anzunehmen, wenn das aus dem Betreten der Fläche hervorgerufene Wohlbefinden noch mit der Naturhaftigkeit der Landschaft in Beziehung steht (Maus aaO Anm. 14). Als Ausformung der Sozialbindung des Eigentums ist das naturschutzrechtliche Betretungsrecht auf die Fälle zu beschränken, in denen der Grundstückseigentümer dem Betreten seines Grundstücks durch die Öffentlichkeit ersichtlich keinerlei anzuerkennende eigene Nutzungsinteressen entgegensetzen kann und für den Erholungssuchenden ohne weiteres erkennbar ist, dass er sich in der freien Landschaft befindet und dass die betretenen Flächen nicht der privaten Nutzung unterliegen. Dann hat der Eigentümer keine Möglichkeit, allein aufgrund seiner formalen Eigentümerstellung Dritte von dem Grundstück fernzuhalten (OVG Berlin-Brandenburg, U. v. 02.04.2009, 11 B 8.08, juris). Dem Eigentümer ist es verwehrt, das Betretensrecht für Erholungssuchende aus einer nur formalen Rechtsposition zu verwehren, wenn er sein Eigentum nicht nutzt.

Hier wird das gepachtete Strandgelände durch die Nutzung als Strandbad, also einer kommerziellen Freizeiteinrichtung, geprägt. Allein schon das Vorhandensein der festen Gebäude sowie die zahlreichen Strandkörbe bestimmen die Nutzung des Strandbades. Mit dieser Nutzung durch Badegäste ist die uneingeschränkte Nutzung durch Spaziergänger und die damit verbundene Störung der Ruhe im Liege und Aufenthaltsbereich insbesondere an Tagen mit starkem Besucherverkehr nicht zu vereinbaren. Die Erwartung der Badegäste geht dahin, ungestört baden und sich erholen zu können, nicht aber Teil eines Wandergebietes zu sein. Auch die Aktivitäten der Beigeladenen zur Attraktivitätssteigerung des Geländes etwa durch das Mähen der Flächen und Pflege der Strände stehen der Annahme der freien ungenutzten Landschaft entgegen. Durch die Bearbeitung der Wiesen wird gerade der naturhafte Zustand verändert und die Nutzung der Wiesen für das Liegen oder das Spazierengehen der Badegäste ermöglicht. Der Beigeladenen entstehen erhebliche Aufwendungen zur Aufrechterhaltung des Strandbades, die als Gebäude oder Einrichtungen oder Angebote sichtbar werden und somit die Annahme eines freien vom Eigentümer nicht genutzten Landschaftsteils ausschließen. Die Pflege des Strandes und der Wiesen sowie die aufgestellten Strandkörbe und die angelegten Spiel- und Erholungsflächen heben das Gelände optisch aus einer Fläche mit sich selbst überlassener Flora und Fauna heraus. Es ist hinzunehmen, dass die Beigeladene die Flächen durch Nutzung als Strandbad der freien Landschaft entzieht und somit vom Betretensrecht ausschließt. Auf Aufrechterhaltung eines bisherigen Zustandes als freie Landschaft besteht kein Anspruch.

Ungenutzte Flächen, auf denen das Betreten außerhalb der Wege und Straßen erfolgen könnte, sind nicht oder nur in geringem Maße vorhanden. Auch wenn es Bereiche auf dem gepachteten Strandgelände geben mag, die wenig von Badegästen in Anspruch genommen und von Infrastruktureinrichtungen weit entfernt sind, kann das der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Die Kläger beschränken ihren Anspruch auf ungehindertes Betreten nicht auf ungenutzte Flächen, sondern wollen überall gehen und baden.

Wegen der hohen Bedeutung der freien Landschaft für die Erholung, wie sie vom Gesetzgeber etwa in § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG hervorgehoben wird, soll die öffentliche Hand gem. § 62 BNatSchG Grundstücke für die Erholung der Bevölkerung bereitstellen und der Allgemeinheit den Zugang ermöglichen. Daraus lässt sich für die Kläger jedoch nichts gewinnen. Zum einen richtet sich dieses Gebot an den Eigentümer, also an das Land Niedersachsen und nicht an einen Pächter. Zum anderen handelt es sich um einen allgemeinen Programmsatz, bei dessen Umsetzung ein erheblicher Entscheidungsspielraum verbleibt. Ein subjektives einklagbares Recht wird durch § 62 BNatSchG nicht begründet (Söhnlein in Frenz/Müggenborg, BNatSchG Kommentar, Anm. 4 zu § 62 BNatSchG). Ein „Grundrecht auf Zugang zum Meeresstrand“, den die Kläger beanspruchen, kann die Kammer nicht erkennen.

Ob das Waldrecht weitergehende Betretensrechte einräumt, ist hier nicht zu entscheiden. Hier geht es nicht um das Betreten des – in der Regel zur Holzgewinnung bewirtschafteten – Waldes, sondern um freie Landschaft.

Aus dem Wasserrecht können die Kläger Rechte auf Betreten der Wasserflächen und der Ufer ebenfalls nicht herleiten. Es mag offen bleiben, ob das Küstengewässer und seine Ufer vom wasserrechtlichen Gemeingebrauch erfasst sind. Selbst wenn es den gäbe, erfasste er nicht den Gemeingebrauch an den Flächen, die zum Zugang zum Gewässer nötig sind. Der Gemeingebrauch am Gewässer setzt sowohl für oberirdische Gewässer als auch für Küstengewässer den erlaubten Zugang voraus.

Sofern das Betreten und Baden sich als Benutzung einer öffentlichen Einrichtung darstellen, kann ein Anspruch nach § 30 NKomVG gegen die Beklagte nicht in Betracht kommen. Ein Streit über das „Wie“ der Benutzung ist nicht mit der Beklagten, sondern mit der Beigeladenen zu führen. Im Übrigen ist ein Anspruch auf kostenfreie Benutzung der öffentliche Einrichtungen durch die Kläger nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung wird gem. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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