AG Deggendorf, Urteil vom 22.09.2014 - 3 C 713/14
Fundstelle
openJur 2014, 21538
  • Rkr:

1. Ein Insolvenzverwalter ist mit der Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen gegen seinen Vorgänger im Amt wegen von diesem zu Unrecht geleisteter Vergütungen an dritte Dienstleister (§ 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV) im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage grundsätzlich präkludiert. Denn er hätte entsprechende Einwände im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens gelten machen können und müssen. In diesem Verfahren ist das Insolvenzgericht, also der Rechtspfleger, nämlich nicht nur berechtigt, sondern vielmehr auch verpflichtet, die Berechtigung entsprechender Vergütungen für externe Dienstleister zu prüfen (BGH, Urteil vom 11.11.2004, IX ZB 48/04). Etwas anderes gilt dann, wenn der erste Insolvenzverwalter eine entsprechende Prüfung durch das Insolvenzgerichts und seinen Nachfolger im Amt nicht ermöglicht hat, indem er die von ihm vergüteten Dienstleistungen entgegen seiner Pflicht aus § 8 Abs. 2 InsVV im Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung nicht ordnungsgemäß dargelegt hat. 2. Ein Insolvenzverwalter, der ohne nähere Begründung oder Entschuldigung um die Entlassung aus seinem Amt bittet, handelt damit grundsätzlich gegen die ihm nach der Insolvenzordnung obliegenden Pflichten. Wenn ihm aber dennoch nach dem Gesetz ein Anspruch auf Vergütung für seine bisherige Tätigkeit zusteht, dann ist er grundsätzlich nicht verpflichtet, der Masse den Schaden zu ersetzen, der daraus entsteht, dass im konkreten Fall die Vergütung beider Insolvenzverwalter in der Summe höher ausfällt als der Betrag, den er, der scheidenden Insolvenzverwalter, als Vergütung bekommen hätte, hätte er seinen Auftrag zu Ende geführt.

Tenor

I. Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Deggendorf vom 02.12.2013, Az.: 1 IN 321/07, wird bis zur Erteilung der Zustimmung zur Schlussverteilung durch das Insolvenzgericht in dem Verfahren 1 IN 321/07 beim Amtsgericht - Insolvenzgericht - Deggendorf in Höhe von 4.547,26 € für unzulässig erklärt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 69 % und der Beklagte zu 31 %

III. Das Urteil ist für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Beschluss vom 29.07.2014 über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Deggendorf vom 02.12.2013, Az.: 1 IN 321/07, wird aufgehoben.

Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.06.2014, Az. 2 M 5857/14, wird gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.800,00 € in Höhe von 4.547,26 € aufgehoben.

Tatbestand

Der Beklagte war Insolvenzverwalter über das Vermögen des M. und vollstreckt nunmehr aus dem zu seinen Gunsten ergangen Vergütungsbeschluss. Der Kläger, der dem Beklagten im Amt nachfolgte, erhebt Vollstreckungsgegenklage wegen von ihm erklärter Aufrechnungen mit Schadensersatzansprüchen, die ihm seiner Ansicht nach gegen den Beklagten als ehemaligen Insolvenzverwalter zustehen.

Im Einzelnen liegt dem Rechtsstreit folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der mit Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Deggendorf vom 04.03.2008 zum Insolvenzverwalter bestellte Beklagte beauftragte im Rahmen seiner Insolvenzverwaltung Rechtsanwälte B. mit der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen. Diese machten gegenüber 3 Anfechtungsgegnern Ansprüche geltend, Klage wurde in keinem Fall erhoben. Für diese Tätigkeit leistete der Beklagte aus der Masse 1.171,82 €. Außerdem beauftragte der Beklagte einen Dritten mit der Bearbeitung von Insolvenzbescheinigungen und leistete hierfür aus der Masse 1.786,79 €. Für die Prüfung von Forderungsanmeldungen durch Dritte leistete der Beklagte 1.588,65 €. Insgesamt leistete der Beklagte mithin für delegierte Dienstleistungen einen Betrag von 4.547,26 € aus der Masse.

Mit Schreiben vom 04.07.2012 (Bl. 401 der beigezogenen Insolvenzakte, Az. IN 321/07) teilte der Beklagte dem Insolvenzgericht Deggendorf mit, dass er „aus gegebenem Anlass“ den Vertrag mit der B.-GbR gekündigt habe, ihm deshalb die notwendige Infrastruktur zur Bearbeitung von Insolvenzverfahren nunmehr nicht mehr zur Verfügung stünde und er deshalb zu der Überzeugung gelangt sei, dass es nicht mehr vertretbar erscheine, die ihm anvertrauten Verfahren weiter zu bearbeiten. Er bat daher darum, ihn von seinem Amt zu entbinden. Darauf entließ das Insolvenzgericht den Beklagten mit Beschluss vom 09.07.2012 und bestimmte den Kläger zum neuen Insolvenzverwalter.

Unter dem 04.02.2013 stellte der Beklagte einen Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung. Die von ihm an Dritte vergebenen oben genannten Dienstverträge finden hierin keine Erwähnung. Für die Einzelheiten und die vom Beklagten mit vorgelegten Anlagen wird auf Bl. 466 ff. der beigezogenen Insolvenzakte verwiesen.

Mit Schreiben vom 22.04.2013 (Bl. 480 der beigezogenen Insolvenzakte, Az. IN 321/07) wurde dem Kläger dieser Vergütungsantrag samt Anlagen sowie der gesamte Schriftverkehr des bisherigen Insolvenzverwalters überreicht. In diesem Schreiben wurde auf richterliche Weisung um Mitteilung gebeten, ob der Schlussrechnungslegung des Beklagten zugestimmt werden könne; ebenfalls wurde um Stellungnahme zum gestellten Vergütungsantrag gebeten. In der Sache erfolgte keine Stellungnahme.

Mit Beschluss vom 02.12.2013 (Bl. 496 der beigezogenen Insolvenzakte, Az. IN 321/07) wurde die Vergütung des Beklagten auf insgesamt 15.651,65 € festgesetzt. Gegen diesen Beschluss legte der Beklagte unter dem 21.12.2013 sofortige Beschwerde ein. Unter dem 28.01.2014 folgte der Schlussbericht des Beklagten (Bl. 513 ff. der beigezogenen Insolvenzakte IN 321/07). Aus den Anlagen hierzu (Saldoaufstellung) geht hervor, dass aus der Masse 1.186,70 € „Rechts- und Beratungskosten“ und 3.360,56 € „Fremdleistungen“ geleistet wurden (Bl. 525 der beigezogenen Akte). Mit Schreiben vom 05.02.2014 wurde dem Kläger dieser Schlussbericht samt Anlagen übersandt „mit der Bitte um Kenntnisnahme und Stellungnahme, insbesondere ob der vorgetragene Sachverhalt mit der vor Ort vorliegenden Sachlage und den Unterlagen übereinstimmt“. Weiter war in diesem Schreiben (Bl. 530 f. der beigezogenen Insolvenzakte, Az. IN 321/07) folgende Fragen ausdrücklich formuliert:

„Wurde das streitgegenständliche Insolvenzverfahren aus Ihrer Sicht tatsächlich soweit erledigt und abgeschlossen, dass eine Kürzung der festgesetzten Vergütung nicht gerechtfertigt war und entspricht der Rest der im Vergütungsantrag vorgenommenen Kürzung Ihrer Vergütung für die von Ihnen für den Verfahrensrumpf noch zu erledigenden Aufgaben und Tätigkeiten? Auf die Dringlichkeit wegen der bestehenden Beschwerde wird hingewiesen.“

Der Kläger reagierte auch auf dieses Anschreiben nicht.

Mit Beschluss vom 11.03.2014 wies das Landgericht die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 21.12.2013 als unbegründet zurück.

Der Beklagte stellte daraufhin dem Kläger die für ihn festgesetzte Vergütung in Rechnung. Der Kläger verweigert aus den unten näher dargelegten Gründen die Auszahlung. Nunmehr betreibt der Beklagte die Zwangsvollstreckung. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.06.2014, Az. 2 M 5857/14, hat er in das Insolvenztreuhandkonto des Klägers vollstreckt.

Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte gegen seine Pflichten als Insolvenzverwalter verstoßen habe, indem er die oben genannten Dienstleistungen in Höhe von 4.547,26 € aus der Masse vergütet hat. Denn es habe sich bei den entsprechenden Tätigkeiten nicht um „besondere Aufgaben“ im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV gehandelt. Der Beklagte hafte somit gem. § 60 Abs. 1 InsO für den daraus entstandenen Schaden. Mit diesem nach Ansicht des Klägers bestehenden Schadensersatzanspruch hat der Kläger die Aufrechnung gegen den Vergütungsanspruch des Beklagten erklärt.

Der Kläger ist außerdem der Auffassung, dass der Beklagte seine ihm als Verwalter obliegenden Pflichten verletzt habe, indem er ohne nähere Begründung und Entschuldigung die Entlassung aus seinem Amt beantragt habe. Er hafte deshalb für den daraus entstanden Schaden, nämlich die Differenz aus der (fiktiv) festzusetzenden Vergütung des Beklagten, wenn dieser seinen Verwaltungsauftrag zu Ende geführt hätte und den Mehrkosten, die nunmehr daraus entstehen, dass sowohl der Beklagte als auch der Kläger eine Vergütung erhalten. Diese Differenz berechnet der Kläger dem Grunde nach nachvollziehbar auf 9.918,91 € (Bl. 28 d.A.) und erklärt in dieser Höhe ebenfalls die Aufrechnung.

Der Kläger hatte neben seinen Klageanträgen beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf - Insolvenzgericht - vom 02.12.2013, Az. 1 IN 321/07, bis zum Erlass eines Urteils einstweilen einzustellen. Darauf hat das Gericht mit Beschluss vom 29.07.2014 die Zwangsvollstreckung antragsgemäß ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt.

Der Kläger beantragt nunmehr noch:

1. Die Zwangsvollstreckung aus der vollstreckbaren Ausfertigung des Beschlusses des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Deggendorf vom 02.12.2013, Az. 1 IN 321/07, wird bis zur Erteilung der Zustimmung zur Schlussverteilung durch das Insolvenzgericht in dem Verfahren 1 IN 321/07 beim Amtsgericht - Insolvenzgericht - Deggendorf für unzulässig erklärt.

2. Gemäß § 770 ZPO wird angeordnet, dass die Vollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Deggendorf vom 02.12.2013, Az.: 1 IN 321/07, bis zur Rechtskraft dieses Urteils einstweilen eingestellt wird.

3. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 25.06.2014, Az. 2 M 5857/14, wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und den Beschluss vom 29.07.2014 über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aufzuheben.

Er ist der Ansicht, dass der Kläger mit seinen Einwendungen hinsichtlich zu Unrecht gezahlter Vergütungen für ausgelagerte Drittleistungen jedenfalls präkludiert sei, da er diese im Vergütungsverfahren hätten geltend machen können und müssen.

Wegen des vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzanspruches im Hinblick auf die doppelte Verwalterbestellung vertritt der Beklagte die Ansicht, dass ein solcher Anspruch nicht bestehe, da das Gesetz grundsätzlich jedem Insolvenzverwalter eine Vergütung zubillige. Da die Vergütung eines Insolvenzverwalters reine Tätigkeitsvergütung sei, komme es auf den Grund des Verwalterwechsels nicht an. Es fehle nach alledem an einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten.

Das Gericht hat die Gerichtsakte des dem Streit zugrundeliegenden Insolvenzverfahrens, AG Deggendorf, Az. 1 IN 321/07, beigezogen.

Gründe

I.

Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

1.

Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Deggendorf vom 02.12.2013, Az.: 1 IN 321/07, war in Höhe von 4.547,26 € für unzulässig zu erklären. Denn in dieser Höhe ist der titulierte Vergütungsanspruch des Beklagten durch Aufrechnung des Klägers erloschen.

Der Kläger als jetziger Insolvenzverwalter kann gegen den Beklagten als ehemaligen Insolvenzverwalter wegen von ihm an externe Dienstleister bezahlten insgesamt 4.547,26 € Schadensersatz in dieser Höhe verlangen.

a) Entgegen der Ansicht des Beklagten ist der Kläger mit seinem Einwand zu Unrecht geleisteter Vergütungen nicht analog § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert.

Dies ergibt sich allerdings nicht - wie vom Kläger vorgetragen - daraus, dass Schadensersatzansprüche gegen den Insolvenzverwalter im Festsetzungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Der Kläger übersieht bei seinem „Hinweis auf die seit 1995 hierzu bestehende Rechtsprechung des BGH und die einhellig hierzu ergangene Kommentierung“ (Bl. 27 d.A.), dass der BGH für die hier einschlägige Konstellation gerade anders entschieden hat: Seine Ansicht, dass die Vorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO „grundsätzlich“ (!) nicht daran hindere, gegen Vergütungsforderungen des Verwalters im Wege der Vollstreckungsabwehrklage mit Forderungen aufzurechnen, die schon vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses bestanden haben, hat der BGH maßgeblich damit begründet, dass das Verfahren der Vergütungsfestsetzung dem Rechtspfleger übertragen sei und dieser nicht befugt sei, über eine nach Bestand und Höhe streitige Gegenforderung zu entscheiden (BGH, Urteil v. 05.01.1995, IX ZR 241/93). Dass das Insolvenzgericht (und damit der Rechtspfleger) aber sehr wohl befugt - ja gar verpflichtet - ist, über die Berechtigung der Vergütung von Dritten gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV – also über das Vorliegen von „besonderen“ Aufgaben im Sinne dieser Vorschrift – zu entscheiden, hat der BGH im Jahr 2004 ausdrücklich klargestellt (Urteil vom 11.11.2004, IX ZB 48/04). Er hat in diesem Urteil darüber hinaus ausdrücklich entschieden, dass das Insolvenzgericht - kommt es zu dem Ergebnis, dass die kostenträchtige Einschaltung Externer nicht erforderlich war - die festzusetzende Vergütung um den zu Unrecht aus der Masse entnommenen Betrag kürzen kann. In der Tat handelt es sich damit bei der Frage, ob ein Insolvenzverwalter seine Aufgaben unzulässig delegiert hat - um die Formulierung des Beklagten aufzugreifen - um „das klassische Thema des Vergütungsfestsetzungsverfahrens“.

Dass der Kläger mit seinen Einwänden im vorliegenden Fall dennoch nicht präkludiert ist, ist allein der Tatsache geschuldet, dass der Beklagte es vorliegend schuldhaft verhindert hat, dass die entsprechende Prüfung im Vergütungsfestsetzungsverfahren in angemessener Weise stattfinden konnte. Denn er hat die von ihm abgeschlossenen Dienstverträge und die von ihm hierfür aus der Masse geleisteten Vergütungen im Vergütungsantrag entgegen seiner Pflicht aus § 8 Abs. 2 InsVV in keiner Weise erwähnt. Nach § 8 Abs. 2 InsVV ist im Antrag auf Vergütung „näher darzulegen“, welche Dienstverträge für besondere Aufgaben im Rahmen der Insolvenzverwaltung abgeschlossen worden sind. Bei dieser Pflicht handelt es sich nicht etwa um eine reine Formalvorschrift, sondern um eine Pflicht von erheblicher Bedeutung. Denn allein aufgrund einer angemessenen Darlegung der abgeschlossenen Dienstverträge ist es dem Insolvenzgericht möglich, seiner ihm nach dem BGH obliegenden Prüfungspflicht nachzukommen. Verhindert ein Insolvenzverwalter schuldhaft die Prüfungsmöglichkeiten für das Gericht (und seinen Amtsnachfolger), kann dem Amtsnachfolger nicht verwehrt werden, im Rahmen einer späteren Vollstreckungsgegenklage die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen einzuwenden, die auf dem entsprechenden - im Vergütungsverfahren nicht prüffähigen - Sachverhalt beruhen.

b) Der dem Kläger gegen den Beklagten zustehende Schadensersatzanspruch beruht auf § 60 Abs. 1 S. 1 InsO. Nach dieser Vorschrift ist der Insolvenzverwalter allen Beteiligten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Dabei hat er für die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Insolvenzverwalters einzugestehen (§ 60 Abs. 1 S. 2 InsO).

Vorliegend hat der Beklagte, wie unter a) bereits dargelegt, gegen seine Darlegungspflichten aus § 8 Abs. 2 InsVV verstoßen. Die Bedeutung dieser Pflicht wurde im Vorstehenden bereits herausgestellt. Nur bei ordnungsgemäßer Dokumentation der vom Insolvenzverwalter an externe Dritte vergebenen Aufträge ist es dem Gericht möglich, seiner Pflicht (!) entsprechend zu überprüfen, ob die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV vorliegen, ob mithin die „besonderen Aufgaben“ in Wahrheit nicht „allgemeine Geschäfte“ betrafen. Hierzu muss der Vergütungsantrag, so hat der BGH in seiner o.g. Entscheidung aus 2004 ausdrücklich betont, die zur Überprüfung erforderlichen Angaben enthalten.

Kommt der Insolvenzverwalter dieser Dokumentations- und Auskunftspflicht nicht nach, ist grundsätzlich von einem fehlenden Entnahmerecht auszugehen (Haarmeyer/Mock, in: dies., InsVV, 5. Aufl. 2014, § 5 Rn. 42). Dies muss auch im vorliegenden Fall - auch im Rahmen des hiesigen Rechtsstreits - gelten. Denn der Beklagte hat es auch im Rahmen der jetzigen Vollstreckungsgegenklage nicht „nachgeholt“, die entsprechenden Aufträge näher zu beschreiben. Keinesfalls ausreichend sind insbesondere die zwei Einträge aus den Anlagen des Schlussberichts vom 28.01.2014, aus denen - nach mühsamer Lektüre - lediglich zu entnehmen ist, dass aus der Masse 1.186,70 € „Rechts- und Beratungskosten“ und 3.360,56 € „Fremdleistungen“ geleistet wurden (Bl. 525 der beigezogenen Akte). Der Vortrag des Klägers im hiesigen Verfahren spricht eher dafür, dass keine besonderen Aufgaben vorgelegen haben; der Vortrag des Beklagten beschränkt sich auf den - letztlich zirkelschlüssigen - Hinweis darauf, dass die „genannten Aufgaben“ voll und ganz dem üblichen Rahmen entsprächen, da der Insolvenzverwalter hierfür gemäß § 5 InsVV eine gesonderte Vergütung beanspruchen könne (Bl. 41 d.A.). Dem entscheidenden Gericht ist es auf der Basis dieses Vortrags nicht möglich, darüber zu entscheiden, ob „besondere Aufgaben“ im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 3 InsVV vorgelegen haben. Damit gilt auch in diesem Stadium, dass von einem fehlenden Entnahmerecht auszugehen ist.

Dem Beklagten ist insoweit auch ein Verschuldensvorwurf zu machen, da er als Insolvenzverwalter und darüber hinaus Rechtsanwalt über seine Darlegungspflichten wissen muss.

2.

Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger diese auf seine Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten auf Grund der durch seine „Amtsniederlegung“ entstandenen Mehrkosten an Verwaltervergütung stützt. Insoweit steht dem Kläger kein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 60 Abs. 1 S. 1 InsO wegen Pflichtverletzung zu.

Für die Pflichten, die einem Insolvenzverwalter hinsichtlich der Fortführung des ihm einmal angetrauten Amtes obliegen, liefert die Vorschrift des § 59 Abs. 1 InsO den wichtigsten Anhaltspunkt: Diese besagt, dass das Insolvenzgericht den Insolvenzverwalter - von Amts wegen oder auf Antrag (u.a.) des Verwalters - „aus wichtigem Grund“ aus dem Amt entlassen kann.

Das Gesetz knüpft die Entlassung des Insolvenzverwalters deshalb an einen wichtigen Grund, da eine solche während eines laufenden Verfahrens regelmäßig mit erheblichen Folgen für das Verfahren und insbesondere den entlassenen Insolvenzverwalter behaftet ist. Das Insolvenzgericht darf daher von diesem Mittel nur dann Gebrauch machen, wenn die Entlassung für die Verfahrensfortführung notwendig ist und ein wichtiger Grund im Sinne des § 59 InsO vorliegt. Bei der Beurteilung, ob ein wichtiger Grund vorliegt, muss sich das Gericht letztlich an der Frage orientieren, ob die Entlassung notwendig ist, um die Ordnungsgemäßheit und Rechtmäßigkeit des Verfahrens und die Erreichung aller Ziele des Insolvenzverfahrens sicherzustellen (Graeber, in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2013, § 59 Rn. 12). Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der Insolvenzverwalter entweder wegen persönlicher Pflichtverletzungen im Amt nicht mehr tragbar erscheint, zum anderen dann, wenn begründeter Anlass zur Sorge besteht, dass der Insolvenzverwalter sein Amt nicht mehr mit der gebührenden Mühe ausführen wird. Insoweit kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der Insolvenzverwalter die in seiner Person eingetretene Unfähig- bzw. Unwilligkeit rechtfertigen oder entschuldigen kann. Entscheidend ist, dass im Ergebnis die Gefahr besteht, dass der Verwalter sein Amt nicht mehr mit der gebotenen Mühe ausführen wird. Vor diesem Hintergrund kann durchaus auch der nicht weiter begründete Wunsch eines Insolvenzverwalters, von einem oder allen Insolvenzverfahren entlastet zu werden, für das Insolvenzgericht einen wichtigen Grund darstellen, den seines Amtes offenbar müde gewordenen Insolvenzverwalter zu entlassen. Denn bereits der Wunsch eines Insolvenzverwalters, entlassen zu werden, lässt befürchten, dass es diesem für seine weitere Tätigkeit an der notwendigen Motivation mangeln wird. Von einem Insolvenzverwalter, der sein Amt nicht behalten möchte, ist nicht zu erwarten, dass er seine Amtspflichten bestmöglich ausübt. Vor diesem Hintergrund hat auch das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Deggendorf den Beklagten auf dessen Antrag vom 04.07.2012 just entlassen, ohne beispielsweise noch der Frage nachzugehen, welcher Art der vom Beklagten als „gegeben“ bezeichnete Anlass ist, aus dem er den Vertrag mit der B.-GbR gekündigt - und damit die für seine Verwaltungen notwendigen Infrastrukturen aufgegeben - hat.

Das heißt umgekehrt nicht, dass der Insolvenzverwalter, der aus nicht näher erklärten und entschuldigenden Gründen sein Amt aufgeben möchte, für sich einen wichtigen Grund im Sinne des § 59 Abs. 1 InsO in Anspruch nehmen kann. Denn die Möglichkeit der Entlassung eines Insolvenzverwalters dient primär dem Schutz des Insolvenzverfahrens und nur in zweiter Linie den Interessen des Insolvenzverwalters selbst. Die Übernahme des Amtes eines Insolvenzverwalters ist daher grundsätzlich immer mit der Verpflichtung verbunden, die damit zusammenhängenden Aufgaben vollständig zu erfüllen. Die Erkenntnis eines Insolvenzverwalters, dass er aus persönlichen, wirtschaftlichen oder selbst eingeleiteten beruflichen Gründen kein Interesse an einer weiteren Tätigkeit hat und er sein Amt daher aufgeben möchte, widerspricht dem Amtsgedanken (Graeber, in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2013, § 59 Rn. 38a). Insoweit verletzt ein Insolvenzverwalter durchaus seine ihm nach der Insolvenzordnung obliegenden Pflichten, wenn er ohne entschuldigende Gründe um die Entlassung aus dem Amt bittet.

Nichts desto weniger begründet eine solche Pflichtverletzung allenfalls in ganz besonderen Ausnahmefällen eine Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters. Dies folgt aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Rechts. Es wäre systemwidrig, eine dem Insolvenzverwalter nach dem Gesetz zustehende Vergütung als Aspekt eines der Masse entstandenen Schadens zu qualifizieren. Etwas anderes kann nur in solchen (Ausnahme-)Fällen gelten, in denen es aufgrund des Verhaltens des scheidenden Insolvenzverwalters schlicht untragbar erscheint, die Masse mit den Mehrkosten für die Bestellung eines zweiten Verwalters zu belasten. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Insolvenzverwalter sein Amt bereits in dem Wissen aufnimmt, dieses alsbald wieder abzugeben, nur um eine Teilvergütung „abzugreifen“. In solchen Fällen dürfte der Insolvenzverwalter seinen Vergütungsanspruch ohnehin verwirkt haben.

Die im Vorstehenden dargelegten Grundsätze führen auch keine unbilligen Ergebnisse herbei. Dies gilt insbesondere deshalb, da die Bestellung eines zweiten Insolvenzverwalters keineswegs zwingend mit einer höheren Belastung der Masse einhergeht. Denn dass der Insolvenzmasse durch die Bestellung eines zweiten Insolvenzverwalters ein Schaden entsteht, kann durchaus verhindert werden, indem die Vergütung des scheidenden Insolvenzverwalters so festgesetzt wird, dass unter Berücksichtigung der angemessenen Vergütung des nachfolgenden Insolvenzverwalters für das Insolvenzverfahrens insgesamt keine zusätzlichen Belastungen entstehen (so auch Graeber, in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2013, § 59 Rn. 38a). Dass dies im vorliegenden Fall nicht passiert ist, ist maßgeblich dem Kläger selbst zuzuschreiben, der auf wiederholte Aufforderung des Insolvenzgerichts im Vergütungsfestsetzungsverfahren (einschließlich des Beschwerdeverfahrens), Stellung dazu zu nehmen, ob die vom Beklagten beantragten Vergütungen in Anbetracht der Sachlage angemessen sind, lediglich geschwiegen hat. Zu den im Vorstehenden bereits dargelegten Gründen, aus denen eine Schadensersatzpflicht, wie sie der Kläger begründet, ausscheiden muss, kommt also im vorliegenden Fall folgende Überlegung hinzu: Selbst wenn man die hier entstandene Mehrbelastung der Masse durch die Bestellung eines zweiten Insolvenzverwalters als Schaden ansieht, beruht dieser Schaden nicht adäquat kausal auf der Pflichtverletzung des Beklagten; die Festsetzung der Vergütung durch das Insolvenzgericht und insbesondere das Unterlassen des Klägers, hier unterstützend und korrigierend einzugreifen, haben den Zurechnungszusammenhang unterbrochen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 S. 1 2. Alt. ZPO.

III.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

IV.

Die im Tenor unter IV. getroffenen Anordnungen beruhen auf § 770 ZPO i.V.m. § 769 ZPO. Das Gericht hat sie nach pflichtgemäßem Ermessen getroffen, um - unter Berücksichtigung der vorläufigen Vollstreckbarkeit dieses Urteils - einen Einklang mit der Hauptsacheentscheidung herzustellen.

Im Hinblick auf die vorläufige Vollstreckbarkeit dieses Urteils brauchte der Beschluss vom 29.07.2014 über die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Insolvenzgericht - Deggendorf vom 02.12.2013, Az. 1 IN 321/07, nicht in Höhe von 4.547,26 € aufrecht erhalten zu werden. Für die Aufhebung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in dieser Höhe kam von Gesetzes wegen (§ 769 Abs. 1 S. 1 letzter HS ZPO) eine Aufhebung nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht.

Streitwert: 14.446,17 €

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