VG München, Beschluss vom 06.08.2014 - M 18 S 14.50352
Fundstelle
openJur 2014, 21527
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist nach seinen Angaben ein am ... 1995 geborener malischer Staatsangehöriger. Am ... Januar 2014 stellte er im Bundesgebiet einen Asylantrag.

In einem Gespräch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am ... Januar 2014 gab der Antragsteller an, er habe sich seit dem Verlassen seines Heimatlandes 4 Jahre in Libyen, 3 Wochen in Italien, 3 Monate in Österreich, 2 Tage in Italien, 2 Monate in Österreich und dann 2 Wochen in Italien aufgehalten. Von Libyen aus sei er mit einem Boot nach Italien gereist. Im Jahr 2013 habe er sowohl in Italien als auch in Österreich einen Asylantrag gestellt.

Es wurde - jeweils am ... Februar 2014 - ein EURODAC-Treffer sowohl in Österreich (AT120…) als auch in Italien (IT2AG …) ermittelt.

Am ... Februar 2014 richtete das Bundesamt ein Übernahmeersuchen an Österreich. Das österreichische Bundesasylamt antwortete mit Schreiben vom ... Februar 2014, dass der Übernahme nicht zugestimmt wird. Ein vom Antragsteller in Österreich eingeleitetes Asylverfahren sei aufgrund der Zuständigkeit Italiens zurückgewiesen und gleichzeitig die Ausweisung nach Italien verfügt worden.

Am ... März 2014 richtete daraufhin das Bundesamt ein weiteres Übernahmeersuchen an Italien. Eine Reaktion des italienischen Staates ist in den Behördenakten nicht festzustellen.

Mit Bescheid vom ... Juni 2014 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung nach Italien an. Auf die Begründung dieses Bescheides wird Bezug genommen. Ein Zustelldatum kann der vorgelegten Behördenakte nicht entnommen werden.

Am 18. Juni 2014 erhob der Antragsteller zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München Klage gegen den Bescheid vom ... Juni 2014 (M 18 K 14.50351) und beantragte weiter,

hinsichtlich der Abschiebungsanordnung nach Italien die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen.

Zur Begründung brachte der Antragsteller vor, er sei von den italienischen Behörden bereits darauf hingewiesen worden, dass man für ihn keinen Platz habe und ihn deshalb in seine Heimat zurückschicken werde. Auch habe er in Italien keinerlei Hilfe oder Unterstützung erhalten. Er fürchte daher, in Italien kein faires Asylverfahren zu erhalten, weil die Behörden dort ihm gegenüber voreingenommen seien.

Das Bundesamt legte mit Schreiben vom ... Juni 2014 die Behördenakte vor und äußerte sich im Übrigen nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ordnet das Bundesamt, wenn ein Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung sind nach der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Überprüfung gegeben. Danach ist Italien aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig.

Maßgeblich für die Zuständigkeitsbestimmung ist die Dublin-III-VO, weil der streitgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO bestimmten Zeitpunkt gestellt worden ist.

Der Antragsteller hat bei seiner Anhörung selbst eingeräumt, auf dem Seeweg nach Italien eingereist zu sein. Die vorrangig (vgl. Art. 7 Dublin-III-VO) zu prüfenden Kriterien in den Art. 8 - 12 Dublin-III-VO sind vorliegend nicht einschlägig, so dass die Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO aus der ursprünglichen Einreise des Antragstellers auf dem Seeweg in dieses Land resultiert. Auf das binnen der Frist nach Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO an Italien gerichtete Wiederaufnahmegesuch hat Italien nicht reagiert. Dies führt nach Art. 25 Abs. 2 Dublin IIII-VO dazu, dass davon auszugehen ist, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben worden ist.

Die Überstellung an Italien ist auch nicht rechtlich unmöglich im Sinn des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO.

Nach dem Prinzip der normativen Vergewisserung (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 – juris) bzw. dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens (vgl. EuGH, U.v. 21.12.2011 – C-411/10 und C-493/10 – juris) gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat der EU den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK), der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EMRK) und der Charta der Grundrechte i.S.v. Art. 6 Abs. 1 EUV entspricht. Allerdings ist diese Vermutung nicht unwiderleglich. Vielmehr obliegt den nationalen Gerichten die Prüfung, ob es im jeweiligen Mitgliedstaat Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber gibt, welche zu einer Gefahr für die Antragsteller führen, bei Rückführung in den zuständigen Mitgliedstaat einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtscharta) ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH v. 21.12.2011 a.a.O.). Die Vermutung ist aber nicht schon bei einzelnen einschlägigen Regelverstößen der zuständigen Mitgliedstaaten widerlegt. An die Feststellung systemischer Mängel sind vielmehr hohe Anforderungen zu stellen. Von systemischen Mängeln ist daher nur dann auszugehen, wenn das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber regelhaft so defizitär sind, dass zu erwarten ist, dass dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.2014 – 10 B 6.14 – juris).

Ausgehend von diesen Maßstäben und im Einklang mit der aktuellen obergerichtlichen Rechtsprechung ist im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller in Italien aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, dort einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 - juris m.w.N.). Dabei begründet auch die Lage der Personen, die in Italien einen internationalen Schutzstatus zuerkannt bekommen haben, noch keine systemischen Mängel. Dies gilt auch in Ansehung des Umstands, dass Italien kein mit dem in der Bundesrepublik bestehenden Sozialleistungssystem vergleichbar landesweites Recht auf Fürsorgeleistungen kennt und hier nur im originären Kompetenzbereich der Regionen und Kommunen ein sehr unterschiedliches und in weiten Teilen von der jeweiligen Finanzkraft abhängiges Leistungsniveau besteht (VGH BW, U.v. 16.4.2014 – A 11 S 1721/13 - juris).

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).