Bayerischer VGH, Beschluss vom 17.09.2014 - 3 ZB 13.1516
Fundstelle
openJur 2014, 21426
  • Rkr:
Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Antragsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 4.209,29 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.

Der Senat lässt offen, ob der Zulassungsantrag nicht schon daran scheitert, dass er entgegen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht die Gründe i.S.d. § 124 Abs. 2 VwGO darlegt, aus denen die Berufung zuzulassen ist, sondern sich nur in Form einer Berufungsbegründung gegen das erstinstanzliche Urteil wendet.

Denn selbst wenn man darin die Geltendmachung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO und die Geltendmachung eines Verfahrensmangels i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO sehen wollte, hat das Verwaltungsgericht die Klage auf Vergütung von 242,75 Mehrarbeitsstunden durch Zahlung von 4.209,29 Euro zu Recht abgewiesen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Von September 2009 bis 31. Juli 2010 leistete der Kläger 242 Stunden und 45 Minuten angeordnete Überstunden. Diese brachte er ab 1. August 2010 ein, erlitt jedoch bereits am 2. August 2010 einen Verkehrsunfall, der dazu führte, dass er dienstunfähig erkrankte und mit Ablauf des 31. Juli 2011 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde. Mit Schreiben vom 10. Juni 2011 beantragte der Kläger seine dienstlich angeordneten Überstunden auszubezahlen, da er aufgrund Krankheit nicht in der Lage sei, diese noch einzubringen.

Rechtlicher Ausgangspunkt ist Art. 87 Abs. 2 Satz 2 BayBG, wonach Beamte und Beamtinnen, die durch eine dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht werden, innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren ist. Ist eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können an ihrer Stelle Beamte und Beamtinnen in Besoldungsgruppen mit aufsteigenden Gehältern eine Vergütung erhalten (Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG). Art. 87 Abs. 2 BayBG wird ergänzt durch Art. 61 BayBesG, wonach eine Vergütung nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG voraussetzt, dass sich die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit auf konkrete, zeitlich abgrenzbare und messbare Dienste bezieht. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 kann die Mehrarbeitsvergütung nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres möglich war.

Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass solche zwingenden dienstlichen Gründe im Fall des Klägers nicht vorlagen. Ein Vergütungsanspruch kann erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Anfall von Mehrarbeitsstunden entstehen. Die Mehrarbeitsstunden sind von September 2009 bis 31. Juli 2010 entstanden, so dass frühestens ein Anspruch auf Abgeltung ab Oktober 2010 für die im September 2009 aufgebauten Mehrarbeitsstunden entstanden ist. Vorrangig ist jedoch ein Abbau der Mehrarbeitsstunden innerhalb der Jahresfrist, den der Kläger auch beginnend ab 1. August 2010 beabsichtigte, der jedoch aufgrund seiner Dienstunfähigkeit nach dem von ihm während der Dienstbefreiuung unverschuldet erlittenen Unfalls am 2. August 2010 gescheitert ist. Insoweit ist es unerheblich, ob der Kläger die Mehrarbeitsstunden bereits vor dem 1. August 2010 hätte sukzessiv abbauen können - wovon das Verwaltungsgericht ausgeht - oder der Kläger diese - wie von ihm in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts vorgetragen -wegen der Verhältnisse auf der Dienststelle nicht hat abbauen können, worauf das Verwaltungsgericht jedoch in den Entscheidungsgründen nicht eingegangen ist. Darin ist kein Verfahrensmangel in Form der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu sehen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), da die Tatsache nicht entscheidungserheblich war, denn ein Vergütungsanspruch konnte vor Oktober 2010 nicht entstehen.

Der Anspruch ist primär auf Freizeitausgleich gerichtet und wird sekundär um einen Vergütungsanspruch ergänzt, wenn und soweit Mehrarbeit aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch Dienstbefreiung (innerhalb eines Jahres) ausgeglichen werden konnte. Daraus folgt zugleich, dass ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung dann nicht besteht, wenn in der Person des Beamten liegende Gründe, insbesondere eine Erkrankung, einen fristgerechten Freizeitausgleich verhindert haben (vgl. BayVGH B.v. 11.3.1985 –3 B 84 A.2188 – ZBR 1985, 225 bestätigt durch BVerwG B.v. 24.5.1985 – 2 B 45/85 juris; BayVGH B.v. 6.11.2006 – 3 ZB 03.3190 – juris; OVG Lüneburg B.v. 29.4.2013 –5 LA 186/12ZBR 2013, 265). Ein Vergütungsanspruch besteht demnach nicht, wenn ein geplanter Freizeitausgleich aufgrund persönlicher Gründe, worunter auch der vom Kläger erlittene Verkehrsunfall und die sich daran anschließende Dienstunfähigkeit zählt, nicht mehr möglich ist. Es handelt sich nicht um zwingende dienstliche Gründe in der Sphäre des Dienstherrn, sondern um in der Person des Klägers liegende Gründe, die ihn an der fristgerechten Dienstbefreiung gehindert haben.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Ruhestandsversetzung sei aus dienstlichen Gründen erfolgt und diese stellten zwingende dienstliche Gründe i.S.v. Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG dar (so VG Würzburg U.v. 5.3.2013 W 1 K 12.455 – juris Rn. 29) Das Stufenverhältnis zwischen Freizeitausgleich und Mehrarbeitsvergütung rechtfertigt es, darauf abzustellen, ob in der Person des Beamten Gründe vorlagen, die den Freizeitausgleich verhindert haben.

Ebenso ist ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG nicht gegeben. Es liegt ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung eines in den Ruhestand versetzten Beamten im Vergleich zu einem im Dienst befindlichen Beamten, dessen Überstunden vergütet werden können, vor. Die Mehrarbeitsvergütung dient dazu, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass aus zwingenden dienstlichen Gründen die grundsätzlich vorgesehene Dienstbefreiung nicht erteilt werden kann. Sie tritt an die Stelle der primär geschuldeten Dienstbefreiung und nicht anstelle der geleisteten Mehrarbeit als solche. Es besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Möglichkeit, vom Dienst befreit zu werden, und dem Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung. Der vorgenannte Zusammenhang ist unterbrochen, wenn der Beamte ohnehin keinen Dienst leistet. Da er naturgemäß keine Dienstbefreiung beanspruchen kann, besteht zugleich auch kein Anspruch auf das Surrogat in Form von Mehrarbeitsvergütung (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 29.4.2013 a.a.O. – juris –).

Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass andere Dienststellen der Polizei im Freistaat Bayern in gleichgelagerten Fällen sehr wohl Überstunden bezahlen würden, die vor einer Pensionierung aus einem nachvollziehbaren Grund - wie z.B. eine plötzliche Erkrankung - nicht mehr abgebaut werden könnten, kann daraus auch kein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung begründet werden. Zunächst ist bereits fraglich, ob die in der vorgelegten E-Mail vom 16. November 2011 dargelegten Fälle mit dem des Klägers vergleichbar sind, da es eine Vielzahl von Fallgestaltungen gibt, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Des weiteren ist in Ziff. 61.1.1 Satz 4 der bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (BayVwVBesG) festgelegt, dass eine Mehrarbeitsvergütung nicht geleistet werden kann, wenn ein geplanter Freizeitausgleich aufgrund persönlicher Gründe (z.B. plötzlich aufgetretene Krankheit, Pensionierung) nicht möglich ist. Insoweit gibt es allgemeine Verwaltungsvorschriften für den gesamten Bereich im Freistaat Bayern, die eine einheitliche Verwaltungspraxis gewährleisten sollen. Dieser Verwaltungspraxis entspricht auch die angefochtene Entscheidung. Sollte es trotzdem zu gegenteiligen Entscheidungen gekommen sein, was jedoch nach Angaben des Beklagten nicht den Bereich des Polizeipräsidiums München betrifft, kann der Kläger daraus keinen Anspruch auf Gleichbehandlung herleiten. Der Kläger kann nicht verlangen, dass er ebenso behandelt wird, da es keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht gibt. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. BVerwG U.v. 4.9.1990 1 C 7/88NVwZ-RR 1991, 350) als auch des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG B.v. 12.9.2007 – 2 BvR 1413/06ZBR 2008, 196). Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung ist es nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht den möglicherweise fehlerhaften Vollzug der Vergütung der Mehrarbeitsstunden gegenüber anderen Beamten keine weitere Bedeutung beigemessen hat.

Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).