Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 18.09.2014 - 12 LA 15/14
Fundstelle
openJur 2014, 21197
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag des Beigeladenen, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom    13. November 2013 zuzulassen, wird abgelehnt.

Der Beigeladene trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 30.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich als anerkannte Umweltvereinigung gegen die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur wesentlichen Änderung seiner Tierhaltungsanlage.

Der Beigeladene ist Landwirt und betreibt in F. auf dem Rittergut G. bereits eine Tierhaltungsanlage mit 80.000 Masthähnchenplätzen, 776 Mastschweinen, 540 Ferkelaufzuchtplätzen sowie Sauen (170 Plätze) und Ebern (9 Plätze). Im Jahr 2011 beantragte der Beigeladene bei dem Beklagten, ihm den Neubau von zwei Masthähnchenställen mit weiteren 100.000 Plätzen sowie entsprechenden Nebenanlagen zu genehmigen. Ferner beantragte er die Nutzungsänderung des Sauenstalls zum Schweinemaststall (Zahl der Mastschweineplätze zukünftig 1.470).

Nördlich der Betriebsstätte grenzen Flurstücke an, die mit Laubwald bestanden sind. Für diese Flurstücke erteilte der Beklagte auf Antrag der Mutter des Beigeladenen mit Bescheid vom 20. Juni 2012 die Genehmigung zur Umwandlung von Wald in eine andere Nutzungsart (Ackerland).

Gegen das Vorhaben des Beigeladenen erhob der Kläger Einwendungen und rügte unter anderem eine zu hohe Stickstoff- und Ammoniakzusatzbelastung des FFH-Gebietes „Swatte Poele“ und des nördlich der Hofstelle befindlichen Waldes. Nach Erörterung der Einwendungen und der Vorlage mehrerer Ergänzungsgutachten durch den Beigeladenen erteilte der Beklagte diesem mit Bescheid vom 3. September 2012 die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur wesentlichen Änderung der Anlage in Gestalt des Neubaus von zwei Mästhähnchenställen (einschließlich Abluftreinigung), des Neubaus von vier Futtermittelsilos, der Nutzungsänderung eines Sauenstalls zum Schweinemaststall und der Ausrüstung des Schweinemaststalls mit einer Abluftreinigungsanlage. Über den unter dem 2. Oktober 2012 erhobenen Widerspruch des Klägers entschied der Beklagte nicht.

Gegen die in dem Waldumwandlungsverfahren erteilte Genehmigung erhob der Kläger, nachdem er davon anlässlich einer Akteneinsichtnahme erfahren hatte, Anfang des Jahres 2013 Klage. Die Anträge der Mutter des Beigeladenen, festzustellen, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung habe, hilfsweise die sofortige Vollziehung der Waldumwandlungsgenehmigung anzuordnen, lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 12. März 2013 - 3 B 5/13 - ab. Die hiergegen von der Mutter des Beigeladenen erhobene Beschwerde wies der 4. Senat des beschließenden Gerichts durch Beschluss vom 29. August 2013 - 4 ME 76/13 - zurück.

Auf die vom Kläger am 15. Juli 2013 erhobene Untätigkeitsklage gegen die dem Beigeladenen unter dem 3. September 2012 erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur wesentlichen Änderung der Tierhaltungsanlage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 13. November 2013 diese Genehmigung aufgehoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage des klagebefugten Klägers sei als Untätigkeitsklage im Sinne des § 75 Satz 1 VwGO zulässig, weil der Beklagte bislang den Widerspruch des Klägers gegen die erteilte Genehmigung innerhalb angemessener Frist nicht beschieden habe. Ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung sei nicht ersichtlich. Vergleichsverhandlungen zwischen den Hauptbeteiligten dieses Verfahrens hätten nicht geschwebt. Besondere Schwierigkeiten des zu entscheidenden Falles seien nicht zu erkennen. Das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in Sachen der erteilten Waldumwandlungsgenehmigung habe die Untätigkeit des Beklagten nicht rechtfertigen können. Auch nach Ergehen der gerichtlichen Entscheidungen im Eilverfahren habe der Beklagte im Übrigen zu erkennen gegeben, dass er auch weiterhin den Widerspruch nicht bescheiden wolle. Auch die nunmehr von dem Beklagten geforderte Beibringung eines Gutachtens durch den Beigeladenen zu der Frage, ob entsprechend dem Runderlass des MU und des ML vom 1. August 2012 die beaufschlagten Waldflächen die zusätzlichen Immissionen ertragen könnten, vermöge einen zureichenden Grund nicht abzubilden. Die Klage habe auch in der Sache Erfolg. Die erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung sei formell rechtswidrig, weil es an der Durchführung einer ordnungsgemäßen Umweltverträglichkeitsprüfung fehle. Die angefochtene Genehmigung sei ferner wegen des Vorliegens einer auch nach den Antragsunterlagen in dem FFH-Gebiet „Swatte Poele“ zu erwartenden erhöhten Stickstoffdeposition, die zumindest eine hier fehlende (fehlerfreie) FFH-Vorprüfung erforderlich gemacht hätte, rechtswidrig. Die Genehmigung verstoße ferner materiell jedenfalls gegen § 5 BImSchG. Die genehmigte Tierhaltungsanlage zeige jedenfalls nicht mehr hinnehmbare Ammoniakkonzentrationen in den angrenzenden Waldflächen auf. Ferner verstoße das Vorhaben materiell insoweit gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG, § 34 c Abs. 2 NNatG, als es zu einer zusätzlichen Stickstoffbelastung in dem FFH-Gebiet „Swatte Poele“ führe.

II.

Der Antrag des Beigeladenen, die Berufung gegen dieses Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen des von ihm allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils sind begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Der Rechtsmittelführer muss darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht unrichtig ist. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen.

1. Der Beigeladene macht geltend, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestünden deshalb, weil das Verwaltungsgericht die Klage des Klägers als Untätigkeitsklage zugelassen und eine Sachentscheidung getroffen habe, obwohl ein „zureichender Grund“ gemäß § 75 Satz 3 VwGO dafür vorgelegen habe, dass über den Widerspruch noch nicht entschieden worden sei. Das überzeugt nicht. Im Einzelnen:

Es kann dahinstehen, ob - wie der Kläger meint - behauptete Mängel der Auslegung und Anwendung der Vorschrift des § 75 Satz 3 VwGO allenfalls als Verfahrensmängel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gerügt werden können, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ausschließlich die unrichtige Anwendung materiellen Rechts betrifft und dies auch dann gilt, wenn geltend gemachte Verstöße gegen das Verfahrensrecht zu Zweifeln an der Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses Anlass geben (vgl. dazu nur Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., § 124 Rdnr. 80 m. w. N.). Jedenfalls sind gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, die Klage sei als Untätigkeitsklage zulässig, durchgreifende Bedenken nicht zu erheben.

Der Beigeladene vertritt insoweit die Auffassung, der Beklagte habe bis zur Entscheidung des Nds. Oberverwaltungsgerichts in dem einstweiligen Rechtsschutzverfahren 4 ME 76/13 zur Waldumwandlungsgenehmigung abwarten dürfen. Mit diesem Argument können ernstliche Zweifel schon deshalb nicht erfolgreich begründet werden, weil der Beklagte auch nach der Beschlussfassung des Gerichts am 29. August 2013 zur Entscheidung über den Widerspruch keinen Anlass gesehen, sondern etwa durch Schriftsatz vom 26. September 2013 zu erkennen gegeben hat, auch weiterhin den Widerspruch nicht bescheiden zu wollen. Weigert sich die Behörde indes, sich mit der Sache zu befassen, so fehlt schon allein deshalb ein zureichender Grund im Sinne des § 75 Satz 3 VwGO (vgl. nur Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 75 Rdnr. 15 m. w. N.). Davon abgesehen ist anerkannt, dass ein zureichender Grund für die Nichtbescheidung eines Widerspruchs regelmäßig nicht darin besteht, dass die Behörde zunächst den Ausgang eines auf vorläufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens abwarten will. Das folgt aus der unterschiedlichen Zielrichtung von Eil- und Hauptsacheverfahren und den verschiedenartigen Entscheidungsmaßstäben (vgl. nur OVG NRW, Beschl. v. 2.8.1991 - 4 E 851/91 -, NVwZ-RR 1992, 453; Bay. VGH, Beschl. v. 18.11.1994 - 11 C 94.2603 -, NVwZ-RR 1995, 237). Angesichts dessen kommt es auch nicht darauf an, ob der das Hauptsacheverfahren bildende Streitgegenstand (vollständig) mit dem Streitgegenstand des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens identisch ist.

Der Beigeladene kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, wegen der von dem Beklagten unter dem 25. September 2013 gestellten Forderung nach Beibringung eines Gutachtens zur Stickstoffbelastung des Waldes entsprechend dem Gemeinsamen Runderlass des MU und des ML vom 1. August 2012 hätte das Verwaltungsgericht nicht zur Sache entscheiden dürfen. Auch dieser Rüge vermag der Senat nicht zu folgen. Insoweit macht das Verwaltungsgericht zu Recht darauf aufmerksam, dass die immissionsschutzrechtliche Genehmigung nach Prüfung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nur erteilt werden kann, wenn sichergestellt ist, dass die Betreiberpflichten erfüllt werden. Zu diesem Zweck hat der Antragsteller seinem Genehmigungsantrag die Unterlagen beizufügen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind, und diese gegebenenfalls auf Verlangen der zuständigen Behörde zu ergänzen (§ 10 Abs. 1 BImSchG, § 4 Abs. 1 Satz 1 9. BImSchV). Das schließt nähere Angaben und Untersuchungen zu den zu erwartenden Immissionen ein (§ 4a Abs. 1 und 2 9. BImSchV). Die Genehmigungsbehörde holt selbst Sachverständigengutachten ein, soweit dies für die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen notwendig ist (§ 13 9. BImSchV). Es ist demgegenüber nicht Sinn des Widerspruchsverfahrens, erstmals Prüfungen anzustellen, die notwendiger Teil des Genehmigungsverfahrens sind. Wenn der Beigeladene in diesem Zusammenhang meint, das Schutzinteresse des Klägers gehe angesichts der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen null, lässt er außer Acht, dass diese Wirkung in Drittanfechtungssituationen bei fehlender Sofortvollzugsanordnung wie auch sonst bei Widersprüchen gegen belastende Verwaltungsakte regelmäßig eintritt und für diese Fälle in § 75 Satz 3 VwGO gleichsam mitgedacht ist. Die Bestimmung des § 75 VwGO gilt für alle Klagen, für die ein Vorverfahren vorgeschrieben ist, also auch für Anfechtungsklagen, und dient der Beschleunigung der Verwaltungstätigkeit und der durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen Effektivität des Verwaltungsrechtsschutzes. Damit wäre nicht vereinbar, wenn die beabsichtigte Nachholung der im Genehmigungsverfahren unterbliebenen notwendigen Prüfungen einen hinreichenden Grund für die Nichtbescheidung des Widerspruchs darstellen und einer Sachentscheidung des Gerichts entgegenstehen würde. Dies gilt erst recht, wenn diese Prüfungen eine erhebliche Zeit in Anspruch nehmen und deren Abschluss konkret gar nicht absehbar ist. Mithin war das Verwaltungsgericht auch unter diesem Gesichtspunkt nicht verpflichtet, das Verfahren auszusetzen.

Ob laufende Vergleichsverhandlungen zwischen einer Behörde und einem Kläger als zureichender Grund für die Untätigkeit der Behörde anerkannt werden können, muss nicht weiter erörtert werden, denn derartige Vergleichsverhandlungen zwischen dem Kläger und dem Beklagten haben nach den unwidersprochen gebliebenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts und auch nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung nicht stattgefunden.

2. Der Beigeladene macht zur Begründung ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils ferner geltend, das Argument des Verwaltungsgerichts, die FFH-Vorprüfung zum FFH-Gebiet „Swatte Poele“ reiche nicht aus, halte einer kritischen Würdigung nicht stand. Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung vertreten, dass die von dem Beklagten praktizierte Heranziehung einer Irrelevanzschwelle von 3 vom Hundert des Critical-Load-Werts ohne Berücksichtigung des Umstands, dass die Vorbelastung des FFH-Gebiets den Critical-Load-Wert bereits mehr als das Doppelte überschreite, und ohne zu ermitteln, darzustellen und zu bewerten, welche weiteren Vorhaben in dem Zeitraum zwischen der Ermittlung der Vorbelastung des Gebiets im Jahre 2007 und der Erteilung der Genehmigung realisiert worden seien, die auch eine Auswirkung auf das FFH-Gebiet hätten, fehlerhaft und rechtswidrig sei. Der Beklagte habe ohne eigene Prüfung die Annahme des von dem Beigeladenen beauftragten Sachverständigen übernommen, dass eine Schwelle von 3 vom Hundert des Critical-Load-Werts als Bagatellschwelle gelte, ohne die Vorbelastungen zu berücksichtigen. Dem hält der Beigeladene entgegen, eine Herabsetzung der 3 %-Regelung sei allein dann vorzunehmen, wenn in dem Zeitraum ab dem Jahr 2007 im „Eintragungsbereich“ des FFH-Gebietes andere Anlagen genehmigt (worden seien) und betrieben würden, die ihrerseits zu einer Schädigung des FFH-Gebietes führen könnten. Solche Anlagen seien nicht vorhanden. Der Beklagte habe deshalb ohne eigene Prüfung die Annahmen des vom Beigeladenen beauftragten Sachverständigen übernehmen dürfen. Mit diesem Vortrag werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die zuständige Behörde die nach § 34 Abs. 1 BNatSchG gebotene Prüfung der Verträglichkeit anhand der dafür erforderlichen und von dem Projektträger vorzulegenden Unterlagen vorzunehmen hat (§ 34 Abs. 1 Satz 3 BNatSchG). Das Verwaltungsgericht hat ferner die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt, wonach es für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung eines Gebiets von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 FFH-RL bzw. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG darauf ankommt, ob diese Beeinträchtigung einem für das Gebiet festgelegten Erhaltungsziel zuwiderläuft. In diesem Fall ist jede Überschreitung eines Wertes, der die Grenze der nach naturschutzfachlicher Einschätzung für das Erhaltungsziel unbedenklichen Auswirkungen markiert, als erheblich anzusehen. Critical Loads sind als naturwissenschaftlich begründete Belastungsgrenzen in diesem Sinne zu verstehen. Sie sollen Gewähr dafür bieten, dass an dem Schutzgut auch langfristig keine signifikant schädlichen Effekte auftreten. Werden solche Grenzen bereits von der Vorbelastung ausgeschöpft oder sogar überschritten, so folgt daraus, dass prinzipiell jede Zusatzbelastung mit dem Erhaltungsziel unvereinbar und deshalb erheblich ist, weil sie die kritische Grenze überschreitet oder schon mit der Vorbelastung verbundene Schadeffekte verstärkt. Allerdings kann eine eventuelle Zielunverträglichkeit im Hinblick auf ihren Bagatellcharakter hinzunehmen sein. Ob dies bei einer Zusatzbelastung der Fall ist, ist indes eine naturschutzfachliche Frage, die näherer Prüfung bedarf (vgl. zum Ganzen nur BVerwG, Beschl. v. 5.9.2012 - 7 B 24.12 -, NVwZ-RR 2012, 922; Urt. v. 14.4.2010 - 9 A 5.08 -, BVerwGE 136, 291, jeweils m. w. N.).

Im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren hatte der Beigeladene die Landwirtschaftskammer Niedersachsen beauftragt, im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ein Immissionsschutzgutachten zur Ermittlung der durch das Vorhaben verursachten Geruchs-, Staub- und Ammoniakimmissionen sowie der zu erwartenden Stickstoffdeposition anzufertigen. Das Gutachten ist (in der Ursprungsfassung) unter dem 30. August 2011 erstellt und unter dem 17. Februar und 18. Juli 2012 ergänzt worden. Mit der ersten Ergänzung vom 17. Februar 2012 sollte das Immissionsschutzgutachten vom 30. August 2011 näher erläutert werden, soweit es um die Beurteilung der Auswirkungen der ermittelten Stickstoffdeposition auf das FFH-Gebiet „Swatte Poele“ geht. In der ersten Ergänzung berichtet die Sachverständige, dass der Critical Load für Wälder zwischen 10 und 20 kg N je ha und Jahr und für Moor zwischen 5 und 10 kg N je ha und Jahr liege. Demnach überschreite die Hintergrundbelastung, die für den Wald innerhalb des FFH-Gebiets bei 45 kg N je ha und Jahr und für das Moor innerhalb des FFH-Gebiets bei 35 kg N je ha und Jahr liege, den jeweiligen Critical Load um mehr als das Doppelte. Daher sei zu prüfen, ob im FFH-Gebiet „Swatte Poele“ in den Moorbereichen eine Zusatzbelastung zwischen 0,15 kg und 0,30 kg N je ha und Jahr sowie in den Waldbereichen eine Zusatzbelastung zwischen 0,30 kg und 0,60 kg N je ha und Jahr eingehalten werde. Die Vorbelastungsdaten zur Stickstoffdeposition des Umweltbundesamtes seien das letzte Mal im Jahr 2007 aktualisiert worden. Da die vorhandenen Stallanlagen des Beigeladenen vor dieser Zeit genehmigt worden seien, seien diese bereits in der Hintergrundbelastung enthalten. Daher sei hier bei der Betrachtung der Irrelevanzschwelle die Stickstoffzusatzbelastung bedingt durch die zwei neuen Hähnchenställe zu berücksichtigen. Im Moorbereich des FFH-Gebiets würden Werte für die Zusatzdeposition zwischen 0,08 kg und 0,20 kg je ha und Jahr erreicht. Im Waldbereich lägen die Werte für die Zusatzdeposition zwischen 0,15 kg und 0,26 kg je ha und Jahr. Die Sachverständige schließt daraus, dass im Moorbereich der Mittelwert von 0,225 kg je ha und Jahr und im Waldbereich der konservative Wert von 0,30 kg je ha und Jahr unterschritten würden. In diesem Zusammenhang weist der Kläger indes zu Recht darauf hin, dass nach den Berechnungen der Landwirtschaftskammer Niedersachsen allein der Betrieb der neuen Masthähnchenställe bei isolierter Betrachtung zusätzliche Belastungen der im FFH-Gebiet geschützten Moorbereiche in einem Umfang verursachen würde, mit dem die untere Grenze der 3 % Schwelle (teilweise) bereits deutlich überschritten würde.

Mit der zweiten Ergänzung vom 18. Juli 2012 zum Immissionsschutzgutachten vom 30. August 2011 wurden aufgrund der Einführung der VDI-Richtlinie 3894 (Blatt 1) und des nun geplanten Einbaus und Betriebs einer nach dem DLG-Prüfrahmen zertifizierten Abluftreinigungsanlage im vorhandenen Stallgebäude Nr. 3 neue Ausbreitungsrechnungen auf der Grundlage der in der erwähnten Richtlinie genannten Ammoniakemissionsfaktoren und unter Berücksichtigung von Emissionsminderungen aufgrund des Einsatzes von RAM-Futter, der Strohabdeckung des Güllebehälters und des Betriebs einer zertifizierten Abluftreinigungsanlage im Stallgebäude Nr. 3 durchgeführt. Hinsichtlich der Stickstoffdeposition ergab sich, dass im Moorbereich des FFH-Gebiets eine Stickstoff-Zusatzdeposition zwischen 0,07 kg und 0,15 kg je ha und Jahr erreicht wird und im Waldbereich die Werte für die Zusatzdeposition zwischen 0,10 kg und 0,21 kg je ha und Jahr liegen. Das bedeutet, dass nach dieser Untersuchung im Moorbereich des FFH-Gebiets die Zusatzdeposition die untere Grenze der irrelevanten Stickstoff-Zusatzbelastung (gerade) erreicht. Dieser Einschätzung liegt indes - wie gesagt - zugrunde, dass mit dem Einsatz von (dort sog.) nährstoffreduziertem Futter (RAM-Futter) eine deutliche Verringerung der Stickstoffausscheidung zu erzielen ist, die die Gutachterin u. a. unter Verweis auf eine Publikation der Landwirtschaftskammer Niedersachsen aus dem Jahr 2009 für die Mastschweinehaltung mit 20 % und für die Masthähnchenhaltung mit 10 % beziffert hat (Immissionsschutzgutachten vom 30.8.2011, S. 24; 2. Ergänzung zu diesem Gutachten vom 18.7.2012, S. 9). Ob diese Annahmen belastbar sind, erscheint zweifelhaft und wird nicht mit Bezug auf die VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1 „Emissionen und Immissionen aus Tierhaltungsanlagen; Haltungsverfahren und Emissionen, Schweine, Rinder, Geflügel, Pferde“ vom September 2011, welche den Stand der Haltungstechnik und der Maßnahmen zur Emissionsminderung bei der Haltung der genannten Tierarten beschreiben will und darüber hinaus Konventionswerte für die Emissionen u. a. von Ammoniak aus Tierhaltungsanlagen enthält, plausibel gemacht. Zwar geht auch die VDI-Richtlinie 3894 Blatt 1 davon aus, dass Ammoniakemissionen verringert werden, wenn der Stickstoffeintrag durch eine an den tatsächlichen Bedarf der Tiere angepasste Fütterung begrenzt wird. Dies führe zu einer verringerten Stickstoffausscheidung zwischen 5 % und 20 % je nach Tierart, Leistungsstadium und Ausgangssituation. Die Richtlinie nennt in diesem Zusammenhang verschiedene Fütterungsmaßnahmen, u. a. den Einsatz der RAM-Fütterung (S. 47 f.), wobei das RAM-Futter als „Rohprotein-angepasstes Mischfutter“ bezeichnet wird (S. 8). Im Anhang B „Minderungspotenziale“ (S. 77) wird den dort genannten Fütterungsmaßnahmen ein bestimmtes Reduktionspotenzial zugeordnet, welches bei der Rohprotein-angepassten Fütterung durch Phasenfütterung (2 Phasen) bis 10 %, durch Mehrphasenfütterung (3 bis 4 Phasen) bis 20 % und durch Multiphasenfütterung bis 40 %, jeweils als Emissionsminderungsmaßnahme bei der Schweinehaltung, betragen soll. Abgesehen davon, dass es angesichts der Bandbreite des Reduktionspotenzials der Rohprotein-angepassten Fütterung in dieser Tabelle näherer Begründung bedurft hätte, warum gerade die in den Gutachten angenommenen (festen) Prozentsätze als gesichert angesehen werden können und die tatsächlichen Betriebsverhältnisse zutreffend berücksichtigen, betreffen die genannten Größenordnungen der Reduktion - wie erwähnt - auch nur die Haltung von Schweinen (Tabelle B1) und findet sich in Tabelle B2 nur noch die Angabe eines Reduktionspotenzials für Milchvieh/Rinderställe, während eine entsprechende Tabelle für die Geflügelhaltung nicht Gegenstand dieses Anhangs ist. Das spricht dafür, dass insoweit vergleichbar gesicherte Erkenntnisse noch nicht existieren und derartige Minderungsgrade noch nicht ausreichend anerkannt sind (vgl. auch Kamp, AUR 2013, 294, 298; KTBL (Hg.), Emissionen und Immissionen von Tierhaltungsanlagen - Handhabung der Richtlinie VDI 3894, KTBL-Schrift 494, 2012,  S. 69 ff.). Sie haben jedenfalls keinen Niederschlag in der den aktuellen Stand der Haltungstechnik beschreibenden Richtlinie gefunden. Dies alles begründet jedenfalls Zweifel daran, dass die Annahmen zum Emissionsminderungspotenzial, wie sie dem Immissionsschutzgutachten vom 30. August 2011 nebst Ergänzungen zugrunde liegen, hinreichend gesichert sind. Den insoweit bereits erstinstanzlich erhobenen Einwänden des Klägers sind der Beklagte und der Beigeladene nicht entgegengetreten.

Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu: Die Abschätzung der Stickstoff-Zusatzdeposition in den Gutachten beschränkt sich auf die Betrachtung der geplanten Änderungen der Anlage des Beigeladenen. Bei der Beantwortung der Frage, ob Zusatzbelastungen des Gebiets durch ein zur Genehmigung gestelltes Projekt ausnahmsweise irrelevant und damit gebietsverträglich sind, sind indes neben den Auswirkungen dieses Projekts summativ auch diejenigen anderer in Betrieb befindlicher oder jedenfalls hinreichend verfestigter Projekte einzubeziehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.9.2012, a. a. O). Dass im Umfeld des FFH-Gebiets „Swatte Poele“ (möglicherweise) weitere Anlagen vorhanden sind, deren Auswirkungen noch nicht in die vorliegenden Daten zur Vorbelastung eingegangen und die mit Blick auf eine Summationswirkung zu berücksichtigen sind, macht der Kläger geltend und verweist insoweit auf zwei konkret benannte Anlagen in der Umgebung, von denen nach Art, Größe und Lage nicht von vornherein gesagt werden kann, dass angesichts der von ihnen ausgehenden Emissionen eine Beeinträchtigung des Schutzgebiets ernstlich nicht zu besorgen ist. Eine FFH-Verträglichkeitsprüfung ist indes erforderlich, wenn solche Beeinträchtigungen nicht offensichtlich ausgeschlossen werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 9 A 20.05 -, BVerwGE 128, 1, Rdnr. 60). Vor diesem Hintergrund erweist sich die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass es an einer den habitatrechtlichen Anforderungen entsprechenden FFH-Verträglichkeitsprüfung fehle, als im Ergebnis nachvollziehbar und wird diese Einschätzung durch die Begründung des Zulassungsantrags nicht ernstlich in Zweifel gezogen.

Von den vorstehenden Erwägungen abgesehen, vermag das Vorbringen des Beigeladenen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung auch deshalb nicht zu begründen, weil das Verwaltungsgericht seine Feststellung, die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 3. September 2012 sei rechtswidrig und verletze den Kläger in den ihm durch das Umwelt-Rechtsbehelfs-gesetz zur Wahrnehmung zugewiesenen Rechten, nicht nur darauf gestützt hat, dass es angesichts der zu erwartenden erhöhten Stickstoffdeposition an einer hinreichenden FFH-Prüfung fehle. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr selbständig tragend die erteilte Genehmigung auch deshalb als rechtswidrig bezeichnet, weil es an der Durchführung einer ordnungsgemäßen Umweltverträglichkeitsprüfung fehle und die Genehmigung ferner materiell jedenfalls gegen § 5 BImSchG und auch gegen § 34 Abs. 2 BNatSchG, § 34 c Abs. 2 NNatG verstoße. Gegen diese Feststellungen und die darauf bezogenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts bringt der Beigeladene Einwände nicht vor. Im Fall einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbständig tragenden Begründung des angefochtenen Urteils bedarf es jedoch zur hinreichenden Darlegung im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO eines geltend gemachten und vorliegenden Zulassungsgrundes in Bezug auf jede dieser Begründungen. Daran fehlt es hier.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 1 und 3 GKG und folgt der Wertbemessung des Verwaltungsgerichts.