BGH, Urteil vom 25.02.2009 - 2 StR 554/08
Fundstelle
openJur 2011, 3618
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 24. Juni 2008, soweit es die Angeklagten L. und S. betrifft, in den Strafaussprüchen mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Gründe

Das Landgericht hatte die Angeklagten wegen Vergewaltigung jeweils zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Revisionen der Angeklagten hatte der Senat dieses Urteil mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen (BGH NStZ 2008, 303). Dieses hat die Angeklagten erneut der Vergewaltigung schuldig gesprochen und den Angeklagten S. zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten L. zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren auf die Rechtsfolgenaussprüche beschränkten und auf die Sachrüge gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts haben die Angeklagten sowie der frühere Mitangeklagte H. die Nebenklägerin gegen deren Willen zu Oralverkehr an allen drei Beteiligten und zusätzlich zu Vaginalverkehr mit H. gezwungen, wobei das Opfer durch - im Einverständnis mit den anderen erfolgte - Schläge des früheren Mitangeklagten H. gefügig gemacht wurde.

Bei der Strafzumessung hat das Landgericht die Verwirklichung der Regelbeispiele der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB) und der gemeinschaftlichen Begehung (§ 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB) erkannt, die Strafe aber gleichwohl bei beiden Angeklagten dem Normalstrafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB entnommen.

II.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die Nichtanwendung des Regelstrafrahmens des § 177 Abs. 2 Satz 1 StGB begegnet nur dann keinen rechtlichen Bedenken, wenn gewichtige Milderungsgründe vorliegen (Fischer StGB 56. Aufl. § 177 Rdn. 65, 74 m.w.N.).

Es ist Sache des Tatrichters, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von Tat und Täter gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts ist nur möglich, wenn die Strafzumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht bestimmte Strafzumessungsfaktoren oder rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Betracht lässt oder wenn sich die Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein (BGHSt 29, 319, 320). All dies gilt namentlich auch für die Strafrahmenwahl. Die Entscheidung über die Annahme eines minder schweren Falles und - entsprechend - über das Absehen von der Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB ist auf Grund einer Gesamtbetrachtung zu treffen, die alle Umstände einzubeziehen hat, die für die Wertung der Tat und des Täters bedeutsam sind, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten, ihr vorausgehen oder nachfolgen (BGH, Urt. vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 275/08; BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 8). Hierbei ist eine Bewertung nur des engeren Tatgeschehens unzulässig (BGH, BGHR StGB vor § 1/minder schwerer Fall, Gesamtwürdigung 5; Gesamtwürdigung, unvollständige 10). Einen durchgreifenden Rechtsfehler stellt es dar, wenn der Tatrichter bei der Strafrahmenwahl einen bestimmenden Strafzumessungsgesichtspunkt (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO) erkennbar außer Betracht lässt.

2. So liegt es hier. Die Strafrahmenwahl des Landgerichts begegnet daher durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

Es hat lediglich formal eine Gesamtbewertung der für und gegen die Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte vorgenommen, dabei jedoch die Regelwirkung des § 177 Abs. 2 StGB nicht hinreichend berücksichtigt. Die Angeklagten sowie der frühere Mitangeklagte H. haben beide Regelbeispiele dieser Bestimmung erfüllt. Der gesetzlichen Regelwirkung stellt das Landgericht lediglich durchschnittliche bzw. weniger gewichtige Milderungsgründe gegenüber. Insbesondere hat es bei der strafmildernden Berücksichtigung des Geständnisses nicht erkennbar bedacht, dass die Angeklagten dieses erst sehr spät abgelegt haben, nachdem sie zuvor die Tat nachhaltig in Abrede gestellt hatten, hierdurch wurde das Opfer im ersten Durchgang einer schwer traumatisierenden Vernehmung ausgesetzt. Die vom Tatrichter hervorgehobene Zahlung von insgesamt 1.000 Euro durch die ursprünglich drei Angeklagten ist angesichts der das Opfer treffenden Folgen wenig geeignet, eine Abweichung von der Regelwirkung zu begründen. Strafschärfend waren nicht nur die zahlreichen Vorstrafen der beiden Angeklagten zu berücksichtigen, sondern auch der Umstand, dass der Angeklagte S. erst wenige Wochen zuvor zu einer nicht zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten verurteilt worden war. Der Angeklagte L. befand sich erst seit vier Monaten auf freiem Fuß, nachdem die weitere Vollstreckung der gegen ihn erkannten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen Raubes zugunsten einer Therapie zurückgestellt worden war. Auch wenn das Landgericht mit Recht hervorgehoben hat, dass die gegen das Opfer verübte Gewalt vom früheren Mitangeklagten H. ausgegangen ist, durfte es nicht unberücksichtigt lassen, dass hierdurch auch die Angeklagten Körperverletzungstatbestände verwirklicht haben. Dies bleibt für die vorzunehmende Strafzumessung trotz der Beschränkung des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft auf den Strafausspruch zu beachten.

Strafschärfend hätte auch berücksichtigt werden müssen, dass sich drei Täter am Opfer vergangen haben, während das - vom Landgericht zutreffend angenommene - Regelbeispiel in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB schon beim Zusammenwirken zweier Beteiligter verwirklicht ist. Hinzu kommt die lange Dauer der Ausführung der das Opfer schwer belastenden Tat sowie die dementsprechenden nachhaltigen Tatfolgen. Ferner hat das Landgericht die zum Teil lebensbedrohlichen Folgen für das Opfer bei dem Angeklagten S. nicht erwähnt.

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