OLG Hamm, Urteil vom 30.07.2014 - 8 U 10/14
Fundstelle
openJur 2014, 21050
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Kläger wird das am 13. Dezember 2013 verkündete Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, den Klägern jeweils die Einsichtnahme in seine Mitgliederlisten und seine Urkunden und Bücher, insbesondere seine Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge und Kassenbücher bezogen auf die Jahre 2011, 2012 und 2013 sowie die darauf bezogenen Jahresabschlüsse und Kassenprüfberichte zu gestatten und ihnen die Anfertigung von Ablichtungen zu ermöglichen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Kläger, bei denen es sich um Eheleute handelt, sind Gründungsmitglieder des Beklagten und nehmen diesen auf Einsichtnahme in näher bezeichnete Unterlagen und auf Ermöglichung der Anfertigung von Kopien in Anspruch. Der Kläger zu 1) ist ein in Telgte niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin mit einer Zusatzausbildung auf dem Gebiet der Palliativmedizin, der seit mehr als zehn Jahren im Raum Münster und Umgebung nahezu ausschließlich palliativmedizinisch zur Behandlung und Begleitung von Patienten mit fortgeschrittenen inkurablen Erkrankungen tätig ist.

In dem beklagten Verein, der Anfang 2006 gegründet worden war, haben sich Ärzte, Sozial?, Hospiz? und Pflegedienste sowie weitere Leistungserbringer zu dem Zweck der verbesserten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Palliativmedizin zusammengeschlossen (vgl. § 2 Abs. 1 der Satzung). In § 11 Abs. 3 Ziffer 1 der Satzung heißt es:

"(3)

Der Mitgliederversammlung sind insbesondere folgende Aufgaben vorbehalten:

1. Entgegennahme und Genehmigung des schriftlichen Geschäftsberichtes des geschäftsführenden Vorstandes und des geprüften Kassenberichts

2. (...)"

(8)

Der Vorstand kann außerordentliche Mitgliederversammlungen einberufen. Hierzu ist er verpflichtet, wenn das Interesse des Vereins es erfordert oder wenn ein Fünftel der Vereinsmitglieder schriftlich unter Angabe von Zweck und Grund eine außerordentliche Mitgliederversammlung beantragt haben.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Satzung des Beklagten Bezug genommen (Anlage K5 - Bl. 24). Seit Gründung des Beklagten war der Kläger zu 1) zudem Mitglied eines - von der Satzung des Beklagten als Organ allerdings nicht vorgesehenen - Beirats.

Der Kläger zu 1) war ebenfalls Gründungsgesellschafter der Q GbR. In dieser Gesellschaft haben sich seit Ende 2009 Palliativärzte zusammengeschlossen, um in Q entsprechende Versorgungsleistungen zu erbringen. Die Vorstandsvorsitzende des Beklagten war - wie dem Senat bereits aus dem Verfahren 8 U 117/13 (= 4 O 106/13 LG Münster) bekannt geworden ist - bis zur Auflösung der Q GbR durch Liquidationsbeschluss der Gesellschafter im März 2012 auch deren alleinige Geschäftsführerin.

Zwischen dem Kläger zu 1) und der in Personalunion als Vorsitzende des Beklagten und Geschäftsführerin der Q GbR tätigen Frau Dr. I kam es während des Jahres 2011 zu Unstimmigkeiten. Mit undatiertem Schreiben aus dem letzten Quartal des Jahres 2011, das er u.a. zugleich dem Schriftführer des Beklagten nachrichtlich zukommen ließ, wandte sich der Kläger zu 1) mit einem Schreiben an die Mitgesellschafter der Q GbR - u.a. auch an Frau Dr. I. In diesem Schreiben, auf dessen Einzelheiten Bezug genommen wird (Anlage K7 - Bl. 34 f.) teilt er sein Ausscheiden mit, wobei zwischen den Parteien Streit darüber besteht, ob er damit auch gegenüber dem Beklagten seinen Austritt erklärt hat.

Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.11.2011 hat die Q GbR auf das undatierte Schreiben des Klägers zu 1) erwidert und vorgeschlagen, eine einvernehmliche Regelung über sein Ausscheiden aus der Gesellschaft und die Fortsetzung durch die bisherigen Mitgesellschafter zu treffen. In der Folgezeit wurde zwischen dem Kläger zu 1) und den Mitgesellschaftern erfolglos versucht, das Ausscheiden des Klägers zu 1) aus der Gesellschaft einvernehmlich zu regeln.

Zu der Mitgliederversammlung des Beklagten am 29.08.2012 erhielten die Kläger keine Einladungen, so dass sie in deren Abwesenheit durchgeführt wurde, wobei zwischen den Parteien Streit darüber besteht, ob die Einladung absichtlich oder lediglich versehentlich unterblieben ist. Auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten der auf die Einladung wartenden Kläger ließ der Beklagte dem Kläger zu 1) mit anwaltlichem Schreiben vom 07.11.2012 mitteilen, dass die Mitgliederversammlung für das Jahr 2012 bereits stattgefunden habe. Er wurde darauf hingewiesen, dass man sein (undatiertes) Schreiben aus dem Jahr 2011 als Austrittserklärung aus dem Verein verstehe. Die Kläger argwöhnten deshalb, dass sie gezielt von der Versammlung ferngehalten worden seien, um sie als unliebsame Fragensteller mundtot zu machen.

An der nach Klageerhebung durchgeführten Mitgliederversammlung des Beklagten am 17.10.2013 nahmen die Klägerin zu 2) als Vereinsmitglied und der Kläger zu 1) als Gast ohne Stimm- und Rederecht teil, da der Beklagte auch hier davon ausging, dass der Kläger aufgrund seines Schreibens aus dem Jahr 2011 ausgetreten sei. In der Mitgliederversammlung beantragte die Klägerin zu 2) die Aufschlüsselung und die Vorlage von Unterlagen, aus denen sich die Bezahlung, der Arbeitsumfang und die Einsatzorte aller Angestellten des Beklagten entnehmen lassen. Darüber hinaus beantragte sie Einsichtnahme in die Details des Kassenberichtes.

Mit Schreiben vom 28.10.2013 lehnte die Vorsitzende des Beklagten die in der Mitgliederversammlung gestellten Anträge mit der Begründung ab, dass ein Recht zur Einsichtnahme nicht bestehe, da das dafür erforderliche rechtliche Interesse weder dargelegt noch ersichtlich sei. Gleichwohl hat sich der Beklagte ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zur Überlassung solcher Unterlagen an die Klägerin zu 2) bereit erklärt, die nach deren Ansicht geeignet sein sollten, deren offene Fragen zu beantworten.

Den ursprünglich zu Ziffer 1) angekündigten Antrag, den Beklagten zu verurteilen, ihnen Einsichtnahme in das Protokoll der Mitgliederversammlung des Beklagten vom 29.08.2012 zu ermöglichen und ihnen eine Ablichtung des vollständigen Protokolls zur Verfügung zu stellen, haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte den Klägern das entsprechende Protokoll nebst Teilnehmerliste überlassen hatte.

Die Kläger haben zuletzt beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

1. (...)

2. ihnen die Einsichtnahme in die Mitgliederlisten des Vereins sowie in die Urkunden über Ein- und Austritte von Mitgliedern und die Anfertigung von Kopien zu ermöglichen

sowie

3. ihnen Einsichtnahme zu gewähren in die Bücher und Urkunden, also insbesondere Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge und Kassenbücher des beklagten Vereins, bezogen auf dessen Geschäfte vom Jahr 2009 an, sowie über Zahlungen nach § 9 der Geschäfts- und Finanzordnung des Beklagten, sowie ihnen die Anfertigung von Kopien zu ermöglichen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Soweit die Parteien den Rechtsstreit nicht übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Kläger zu 1) das geltend gemachte Recht auf Einsichtnahme in das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 29.08.2012 (dabei handelt es sich um den übereinstimmend für erledigt erklärten Klageantrag zu 1)), in die Mitgliederliste nebst der Urkunden über die Ein? und Austritte von Mitgliedern (Klageantrag zu 2) sowie in näher bezeichnete Bücher und Urkunden (Klageantrag zu 3) allein schon deswegen nicht zustehe, weil er aufgrund seines undatierten Schreibens aus dem Jahr 2011 seinen Austritt aus dem Beklagten erklärt habe.

Die Klägerin zu 2) sei zwar noch Mitglied des Beklagten, jedoch seien nach § 11 Ziffer 3 seiner Satzung die Information der Mitglieder und die Diskussion über den schriftlichen Geschäftsbericht der Mitgliederversammlung vorbehalten. Auch wenn die Klägerin zu 2) keine Einladung zur Mitgliederversammlung am 29.08.2012 erhalten habe, hätte sie zur Durchsetzung ihrer Rechte gegebenenfalls die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung verlangen müssen, soweit ihre Mitgliedschaftsrechte und Informationsansprüche durch die Nichteinladung betroffen gewesen seien, oder sie hätte die Beschlüsse anfechten müssen. Für ihr Begehren auf Einsichtnahme in die Mitgliederliste des Beklagten, in die Urkunden über die Ein- und Austritte von Mitgliedern, in die Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge, Kassenbücher und über Zahlungen des Beklagten fehle es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, mit der sie die in erster Instanz abgewiesenen Klageanträge zu 2) und zu 3) weiterverfolgen und mit der der Kläger zu 1) die Auferlegung der Kosten im Rahmen der ebenfalls getroffenen Entscheidung nach § 91a ZPO angreift. Die Kläger rügen, dass die angefochtene Entscheidung "jeglicher stichhaltiger Begründung" entbehre. Der Kläger zu 1) macht geltend, entgegen der Annahme des Landgerichts noch immer Mitglied des Beklagten zu sein. Er habe mit seinem Schreiben aus dem Jahr 2011 lediglich seinen Austritt aus der Q GbR, nicht aber (zugleich auch oder ausschließlich) aus dem Beklagten erklärt. Bei umfassender Betrachtung aller Umstände lasse sich sein Schreiben nicht als Austrittserklärung aus dem Beklagten verstehen. Die Kläger machen geltend, an der von ihnen begehrten Einsichtnahme in die näher bezeichneten Unterlagen auch ein berechtigtes Interesse zu haben. Die Einsichtnahme in die Mitgliederliste sei erforderlich, weil sie die Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung anstrebten, da ihnen die Teilnahme an der Mitgliederversammlung im Jahr 2012 rechtsgrundlos verwehrt worden sei. Darüber hinaus bestehe das Einsichtsrecht auch deswegen, da es ihnen um die Anfechtung mehrerer in der Mitgliederversammlung 2013 getroffener, offensichtlich rechtswidriger Beschlüsse gehe. Das berechtigte Interesse an der Einsichtnahme in die Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge und Kassenbücher des Beklagten ab 2009 ergebe sich daraus, dass "angesichts der unzähligen Pflichtenverstöße der Frau Dr. I bei der Führung der Geschäfte sowohl der Q GbR als auch des beklagten Vereins [die begründete] Sorge um den ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Umgang mit den Finanzen des gemeinnützigen Vereins" bestehe. Die Sorge um die ordnungsgemäße Führung der Geschäfte des Beklagten durch die Vorsitzende habe sich in den vergangenen Monaten bestätigt. Dass es sich bei der unterbliebenen Einladung der Klägerin zu 2) um ein Versehen gehandelt habe, sei ausgeschlossen, weil sie bereits zuvor Erläuterungsbedarf hinsichtlich der Vereinsfinanzen angemeldet habe und sie von dem Beklagten auf die Mitgliederversammlung verwiesen worden sei. Er - der Kläger zu 1) - habe auch deswegen ein besonderes Interesse an der Einsichtnahme, da er dafür gesorgt habe, dass dem Beklagten sog. "Kranzspenden" in beträchtlicher Höhe zugekommen seien. Sie müssten sich auch nicht darauf verweisen lassen, ihre Informationsansprüche innerhalb der Mitgliederversammlung geltend zu machen.

Die Kläger beantragen,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und den Beklagten zu verurteilen,

1. ihnen - den Klägern - die Einsichtnahme in die Mitgliederliste des Beklagten sowie in die Urkunden über Ein? und Austritte von Mitgliedern seit Vereinsgründung und die Anfertigung von Kopien zu ermöglichen.

2. ihnen - den Klägern - Einsichtnahme zu gewähren in die Bücher und Urkunden, also insbesondere Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge und Kassenbücher des beklagten Vereins, bezogen auf dessen Geschäfte vom Jahr 2009 an, sowie in die seither angefertigten Jahresabschlüsse und Kassenprüfberichte sowie in die Buchführung über Zahlungen nach § 9 der Geschäfts- und Finanzordnung der Beklagten, und ihnen - den Klägern - die Anfertigung von Kopien zu ermöglichen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Berufung entgegengetreten. Er rügt, dass der in der Berufungsbegründung gehaltene Vortrag zum Teil wissentlich falsch sei, weswegen er nicht länger bereit sei, das Verhalten der Kläger hinzunehmen. Es sei bemerkenswert, dass die Klägerin zu 2) - in Begleitung des Klägers zu 1) - in der Mitgliederversammlung 2013 angesichts der erhobenen Vorwürfe nur zwei Fragen (Erläuterung der Personalkosten und laufenden Kosten mit Antrag auf Einsicht in die Vereinsbücher) zu den vermeintlichen Unstimmigkeiten gestellt habe. Im Übrigen ist der Beklagte zahlreichen Behauptungen der Kläger entgegengetreten. Er vertritt nach wie vor die Ansicht, dass der Kläger zu 1) nicht mehr sein Mitglied sei; er habe mit dem Schreiben aus dem Jahr 2011 die Kündigung seiner Mitgliedschaft erklärt. Die Kläger hätten zudem auch keinen Anspruch auf Einsichtnahme in seine - des Beklagten - Mitgliederliste; erst Recht sei ein derartiger Anspruch bezogen auf die Urkunden über Ein- und Austritte von Mitgliedern nicht gegeben. Den Klägern, die ihren Vortrag allein an der Entscheidung des BGH vom 21.06.2010 (II ZR 219/09) ausrichteten, fehle es an einem berechtigten Interesse. Die Kläger hätten zu keiner Zeit ein ernsthaftes Interesse an der Einberufung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung i.S.d. § 37 BGB gehabt. Die Klägerin zu 2) habe zudem selbst die Mitgliederversammlung 2013 nicht genutzt, um entsprechende Anträge zu stellen; entgegen ihrer Behauptung seien ihr kein Rede-, Stimm-, Antrags-, Kontroll-, Weisungs- und Abberufungsrecht verwehrt worden. Die Klägerin zu 2) verhalte sich dann aber widersprüchlich, wenn sie ihre Mitwirkungsrechte in der Mitgliederversammlung allein deswegen nicht wahrnehme, um sich aus prozesstaktischen Gründen die Möglichkeit einer außerordentlichen Einberufung einer Mitgliederversammlung offenzuhalten. Der Beklagte bestreitet, Vereinsmitglieder in rechtswidriger Weise bewusst ungleich zu behandeln, indem man anderen Mitgliedern eine Aushändigung der Mitgliederliste zugesagt habe. Er bestreitet auch etwaige Pflichtenverstöße seiner Vorsitzenden. Die von den Klägern bemühte finanzielle Verbindung zwischen der Q GbR und ihm - dem Beklagten - bestehe nicht und sei lediglich konstruiert; beide Organisationen arbeiteten lediglich kooperativ zusammen. Er bestreitet auch, dass die Klägerin zu 2) bereits im Vorfeld der Mitgliederversammlung vom 29.08.2012 "Erklärungsbedarf hinsichtlich der Vereinsfinanzen" angemeldet habe. Entgegen der Ansicht des Klägers zu 1) führe er auch keine Einzelnachweise über die Verwendung einzelner Spenden.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die zur Akte gereichten Anlagen Bezug genommen.

II.

1.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet und führt insoweit zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung in dem tenorierten Umfang.

Dabei versteht der Senat den Antrag zu 2) der Kläger, mit der sie ohne Nennung einer zeitlichen Grenze Einsicht in die Urkunden und Bücher des Beklagten "ab 2009" begehren, im Sinne einer interessengerechten Auslegung so, dass in diesem Rechtsstreit allenfalls über ihr Recht auf Einsichtnahme in die Vereinsunterlagen entschieden werden sollte, soweit der Zeitraum bis zum Ende des Jahres 2013 betroffen war. Die Klageabweisung erfasst damit gegenständlich keinen darüber hinaus gehenden Zeitraum auch in Bezug auf zukünftige Vorgänge und Unterlagen.

a)

Beiden Klägern steht gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Einsichtnahme in die aktuelle Liste seiner Mitglieder sowie in dessen Bücher und Urkunden, also insbesondere in die Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge und Kassenbücher, den Jahresabschluss und den Kassenprüfbericht, soweit die Jahre 2011, 2012 und 2013 betroffen sind, zu. Ebenso sind sie berechtigt, (auf ihre Kosten) von den entsprechenden Büchern und Urkunden des Beklagten Ablichtungen zu fertigen.

aa)

Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Beschluss vom 21.06.2010 - II ZR 210/09 - juris Rz. 4 m.w.N.), der sich der Senat anschließt, dass einem Vereinsmitglied kraft seines Mitgliedschaftsrechts auch außerhalb der Mitgliederversammlung ein Recht auf Einsicht in die Bücher und Urkunden des Vereins zusteht, wenn und soweit es ein berechtigtes Interesse darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder berechtigte Belange der Vereinsmitglieder entgegenstehen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts führt die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Ziffer 1 der Satzung des Beklagten, der vorsieht, dass seiner Mitgliederversammlung die Aufgabe vorbehalten ist, den schriftlichen Geschäftsbericht und den geprüften Kassenbericht entgegenzunehmen und zu genehmigen, nicht dazu, dass den Mitgliedern des Beklagten außerhalb der Mitgliederversammlung kein Einsichtsrecht in diese Unterlagen zusteht.

(1)

Beide Kläger sind als Vereinsmitglieder des Beklagten zur Geltendmachung des Einsichtsrechts berechtigt. Die nach wie vor bestehende Mitgliedschaft der Klägerin zu 2) steht zwischen den Parteien außer Streit. Entgegen der Ansicht des Landgerichts ist aber auch der Kläger zu 1) aktivlegitimiert.

Dass er ursprünglich Gründungsmitglied des Beklagten war, ist zwischen den Parteien unstreitig. Seine Mitgliedschaft hat er auch nicht durch sein Schreiben aus dem letzten Quartal des Jahres 2011 verloren. Mit diesem Schreiben erklärt der Kläger zu 1) nicht die Kündigung seiner Vereinsmitgliedschaft oder die Erklärung des Austritts gegenüber dem Beklagten. Dafür, dass das Schreiben einen solchen Inhalt hat, ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet, da ihm der mit dem Austritt des Klägers einhergehende Verlust seiner Mitgliedschaftsrechte günstig wäre.

Dem undatierten Schreiben aus dem Jahr 2011 lässt sich nicht - und schon gar nicht mit der gebotenen und erforderlichen Sicherheit - entnehmen, dass der Kläger zu 1) überhaupt eine Erklärung gegenüber dem Beklagten abgegeben hat. Im Briefkopf sind als Adressaten Frau Dr. C, Herr Dr. F, Frau G, Frau Dr. H und Frau Dr. I genannt. Abgesehen von Frau Dr. L richtet sich das Schreiben an sämtliche Gesellschafter der inzwischen in Liquidation befindlichen Q GbR. Bei Frau Dr. L handelt es sich - wie der Senat aus dem Verfahren 8 U 117/13 weiß und wie die Parteien zudem in der mündlichen Verhandlung in diesem Verfahren bestätigt haben - um die Tochter des Klägers, deren schriftliche Information er offensichtlich für entbehrlich gehalten hat. Darüber hinaus hat er das Schreiben lediglich "nachrichtlich" "an die Mitarbeiterinnen des Palliativzentrums und Q", "Herrn Dr. M2" und "Herrn M - Mitarbeiter des Beklagten - gesandt, was eindeutig erkennen lässt, dass der Kläger zu 1) diesen Adressaten gegenüber jedenfalls keine Erklärung abgeben, sondern sie nur über den Inhalt des Schreibens in Kenntnis setzen wollte.

Aus dem Umstand, dass das Schreiben auch an Frau Dr. I gerichtet ist, lässt sich nicht ohne Weiteres - wie es das Landgericht angenommen hat - der Rückschluss ziehen, dass der Kläger zu 1) das Schreiben auch an sie als Vertreterin des Vorstandes des Beklagten gerichtet hat und hat richten wollen. Das geht lediglich darauf zurück, dass zwischen der geschäftsführenden Gesellschafterin der Q GbR und der Vorsitzenden des Beklagten Personenidentität besteht. Auch wenn der Kläger zu 1) am Ende des Schreibens formuliert: "Ich scheide aus - es liegt jetzt in Eurer Hand, mit diesen wertvollen Organisationen [der Kläger zu 1) hatte zuvor das "Lebenshaus" und das "Palliativnetz" - also den Beklagten - genannt] angemessen umzugehen", vermag sich der Senat angesichts der anderen Umstände nicht die Überzeugung zu bilden, dass der Kläger zu 1) auch seinen Austritt aus dem Beklagten gegenüber dem Beklagten erklärt hat.

(2)

Den Klägern steht ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in die Urkunden und Bücher des Beklagten - insbesondere Geschäftsunterlagen, Buchungen, Verträge und Kassenbücher sowie die Jahresabschlüsse und die Kassenprüfungsberichte - zu, soweit die Jahre 2011, 2012 und 2013 betroffen sind.

Unabhängig von den seitens der Kläger behaupteten Pflichtwidrigkeiten der ersten Vorsitzenden des Beklagten, die lediglich die Jahre 2011 bis 2013 betreffen, ergibt sich das Recht der Kläger auf Einsichtnahme daraus, dass der Beklagte den Kläger zu 1) hinsichtlich seines mit Schreiben vom 01.06.2012 gestellten Antrags auf Einsicht in die Finanzbuchhaltung des Beklagten mit Schreiben vom 06.06.2012 auf die Versammlung seiner Mitglieder verwiesen hat. Zu der am 29.08.2012 durchgeführten Mitgliederversammlung erhielten die Kläger jedoch keine Einladung. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Einladung der Kläger nicht absichtlich, sondern lediglich versehentlich unterblieben ist, rechtfertigt dies die Annahme ihres berechtigten Interesses, sich über die finanziellen Verflechtungen der Q GbR und des Beklagten durch Einsicht in die Urkunden und Bücher des Beklagten zu unterrichten, da sie diesem Ansinnen in der Mitgliederversammlung, auf die der Beklagte zunächst verwiesen hatte, mangels Ladung nicht haben nachkommen können. Zudem ist den Klägern in der Folgezeit nicht einmal freiwillig das Protokoll der Versammlung vom 29.08.2012 zur Verfügung gestellt worden.

Soweit die Kläger ausdrücklich begehrt haben, auch Einsicht in die Unterlagen über Zahlungen nach § 9 der Geschäfts- und Finanzordnung des Beklagten zu erhalten, in der Regelungen zur Aufwandsentschädigung von Vorstandsmitgliedern enthalten sind, bedarf es eines solchen gesonderten Ausspruchs nicht, da diese Unterlagen ohnehin von dem allgemeinen Recht zur Einsichtnahme in die Bücher und Unterlagen, soweit die Jahre 2011 bis 2013 betroffen sind, erfasst werden.

Ein darüber hinaus gehendes berechtigtes Interesse, das auch eine Einsichtnahme in die Unterlagen des Beklagten aus den Jahren 2009 und 2010 betrifft, ist nicht ersichtlich. Die Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger zu 1) und der ersten Vorsitzenden des Beklagten fand erst Anfang 2011 im Zusammenhang mit der Behandlung einer Schmerzpatientin statt. Konkrete Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten bzw. seines Vorstandes bei der Verwaltung des Vereinsvermögens vor 2011 sind nicht ersichtlich und von den Klägern zeitnah auch nicht geltend gemacht. Sie vermuten lediglich, dass der Beklagte durch seine erste Vorsitzende bereits vor diesem Zeitraum seit 2009 pflichtwidrig gehandelt habe. Ein bloßer Argwohn reicht für die Annahme eines berechtigten Interesses nicht aus. Überdies ist nicht ersichtlich, dass Fehler zu den Einladungen früherer Mitgliederversammlungen erfolgt sind.

(3)

Zu den Büchern und Urkunden des Vereins gehört auch die Mitgliederliste (BGH, Beschluss vom 21.06.2010 - II ZR 210/09 - juris Rz. 4 m.w.N.). Dementsprechend steht auch einem einzelnen Vereinsmitglied ein Anspruch auf Einsicht bzw. Herausgabe der Mitgliederliste jedenfalls dann zu, wenn es ein berechtigtes Interesse geltend machen kann (BGH, Beschluss vom 21.06.2010 - II ZR 210/09 - juris Rz. 5). Unter welchen Voraussetzungen ein berechtigtes Interesse des einzelnen Vereinsmitglieds anzunehmen ist, Kenntnis von Namen und Anschriften der anderen Vereinsmitglieder zu erhalten, ist keiner abstrakt generellen Klärung zugänglich, sondern aufgrund der konkreten Umstände des einzelnen Falles zu beurteilen. Es ist jedenfalls dann gegeben, wenn es darum geht, das nach der Satzung oder nach § 37 BGB erforderliche Stimmenquorum zu erreichen, um von dem in dieser Vorschrift geregelten Minderheitenrecht, die Einberufung einer Mitgliederversammlung zu verlangen, Gebrauch zu machen. Diese Voraussetzung liegt hier vor, da die Kläger - unwiderlegt - dargelegt haben, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen zu wollen, die insbesondere die Ordnungsgemäßheit der Finanzbuchhaltung durch die erste Vorsitzende des Beklagten zum Gegenstand haben soll. Allerdings ist der Anspruch auf die Einsichtnahme in die aktuelle Mitgliederliste des Beklagten beschränkt. Für die darüber hinaus gehend verlangte Einsichtnahme in die Urkunden über die Ein? und Austritte von Mitgliedern seit Gründung des Vereins ist kein berechtigtes Interesse der Kläger dargetan oder ersichtlich.

Der Beklagte kann sich allerdings nicht auf die Herausgabe bzw. Nennung der Namen der Mitglieder - unter Schwärzung ihrer Adressen - beschränken. Denn durch die Mitteilung der Anschriften soll das die Einsichtnahme begehrende Mitglied gerade in die Lage versetzt werden, sich mit anderen Mitgliedern in Verbindung setzen zu können, um das für die Beantragung einer außerordentlichen Mitgliederversammlung erforderliche Stimmenquorum zu erreichen. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte mitgeteilt hat, dass einige seiner Mitglieder nicht die Herausgabe bzw. Mitteilung an die Kläger wünschten. Denn allein die lediglich hypothetische Möglichkeit des Missbrauchs der Einsicht in die Liste der Mitglieder beeinträchtigt nicht schon deren Belange; hinzutreten muss vielmehr, dass in der Person der Anspruchsteller konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die durch die Einsicht in die Mitgliederliste offenbarten personenbezogenen Daten für vereinsexterne Zwecke missbraucht werden könnten (BVerfG, Beschluss vom 18.02.1991 - 1 BvR 185/91 - juris Rz. 3). Dafür ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Das Begehren der Kläger auf Einsichtnahme bzw. Herausgabe der Mitgliederliste stellt sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich dar. Zwar behauptet der Beklagte, dass den Klägern aufgrund der noch überschaubaren Zahl an Vereinsmitgliedern die meisten seiner rund 50 Mitglieder ohnehin bekannt seien, jedoch betrifft dies ersichtlich nicht sämtliche Mitglieder. Hinzu kommt, dass eine Kenntnis der Anschriften der Mitglieder nicht behauptet wird und nicht vorausgesetzt werden kann.

bb)

Da das Mitglied zum Zwecke der Unterrichtung ebenfalls einen Ausdruck der in einer Datenverarbeitungsanlage gespeicherten Informationen verlangen kann, die es sich auch durch Einsicht in die Unterlagen des Vereins beschaffen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 21.06.2010 - II ZR 210/09 - juris Rz. 4 m.w.N.), bestehen keine Bedenken daran, dass die Kläger berechtigt sind, von den Unterlagen - auf ihre Kosten - Ablichtungen zu fertigen.

2.

Zugunsten des Klägers zu 1) war auch die in die Gesamtkostenentscheidung einzubeziehende Entscheidung gem. § 91a ZPO über den übereinstimmend für erledigt erklärten Klageantrag zu 1) zu berücksichtigen. Da ihm als Vereinsmitglied ebenfalls ein Anspruch auf Einsichtnahme in das Protokoll der Mitgliederversammlung vom 29.08.2012 zustand, entspricht es billigem Ermessen, die hierauf entfallenden Kosten dem Beklagten aufzuerlegen, nachdem er sich mit des Herausgabe des Protokolls auch in die Rolle des Unterlegenen begeben hat.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 91a ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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