LG Neuruppin, Urteil vom 24.07.2013 - 4 S 101/12
Fundstelle
openJur 2014, 20830
  • Rkr:
Tenor

Das Versäumnisurteil der Kammer vom 30. Januar 2013 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil der Kammer vom 30. Januar 2013 darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

Die Revision wird zugelassen, soweit sie sich auf die dem Beklagten versagte Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts bezieht.

Gründe

A.

Die Klägerin bezeichnet sich als Versicherungsmakler für die Vermittlung von betrieblichen und privaten Versicherungen und Finanzdienstleistungen. Sie schloss mit dem Beklagten am 21. März 2011 eine als Handelsvertretervertrag bezeichnete Vereinbarung ab (Bl. 4 ff. d.A.). Wesentlicher Inhalt dieser Vereinbarung war, dass der Beklagte die Klägerin bei der Vermittlung von Versicherungsverträgen provisionspflichtig unterstützen sollte (vgl. § 1 Abs. 2, § 6 der Vereinbarung). Ausweislich § 2 des Vertrags sollte sich der Beklagte selbständig und unabhängig um die Vermittlung von Versicherungen für die Klägerin bemühen. Die Klägerin verpflichtete sich neben der Provisionszahlung dazu, den Beklagten zu unterstützen und insbesondere „zur Erfüllung seiner Tätigkeiten kostenpflichtiges Adressenmaterial (Leads) zur Verfügung“ zu stellen (§ 5 der Vereinbarung). Diese Daten sollten jeweils eine Kontaktaufnahme zu Interessenten für den Abschluss von Versicherungen ermöglichen.

Die Parteien schlossen am 21. März 2011 ferner einen als „Zusatz-Vereinbarung Leads“ bezeichneten Vertrag (Bl. 15 ff. d.A.). Bei den als Leads bezeichneten Interessenten sollte der Beklagte Beratungstermine wahrnehmen, und Versicherungsverträge für die Klägerin vermitteln. Hierbei sollte der Beklagte jedoch nur zu der Klägerin, nicht aber zu den Interessenten oder Auftraggebern der Klägerin in vertragliche Beziehungen eintreten (§ 1 der Zusatzvereinbarung). Die Parteien vereinbarten zudem in § 2 dieses Vertrags, dass die Leads dem Beklagten kostenpflichtig von der Klägerin zur Verfügung gestellt werden. Die Preise für die Leads bestimmten die Parteien dann in § 2 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung abhängig vom Inhalt des voraussichtlich zu vermittelnden Versicherungsvertrags. Für einen Lead zu einer privaten Krankenvollversicherung – von den Parteien als „PKV-Voll“ bezeichnet - sollten jeweils 160 € von dem Beklagten an die Klägerin gezahlt werden. Die in § 2 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung vereinbarten Preise bezeichneten die Parteien „inkl. MWSt.“. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zu den Akten gereichten Verträge Bezug genommen (Bl. 4 ff. d.A., Bl. 15 ff. d.A.).

In der Folge übermittelte die Klägerin dem Beklagten 10 Leads für eine private Krankenvollversicherung. Mit Rechnung vom 26. April 2011 (Bl. 18 d.A.) forderte die Klägerin von dem Beklagten dann für die Vermittlung dieser 10 Leads zu je 160 € die Zahlung von 1.600 € und fügte dieser Rechnung einen Auflistung der 10 Leads bei. Diese Forderung reduzierte die Klägerin später - infolge einer Reklamation von 2 Leads - auf 8 Leads, mithin auf einen Betrag von 1.280 € (8 * 160 €). Diesen Betrag stellte sie dem Beklagten dann mit Schreiben vom 12. Mai 2011 in Rechnung (Bl. 21 d.A.). Eine Zahlung des Beklagten erfolgte nicht, vielmehr erklärte er mit Schreiben vom 12. Mai 2011 (Bl. 23 d.A.) die fristlose Kündigung des Handelsvertretervertrags und forderte eine „korrekte Rechnung hinsichtlich der von Ihnen bereitgestellten Leads“.

Mit dem vorliegenden Klageverfahren verfolgt die Klägerin den Anspruch aus der Rechnung vom 12. Mai 2011 weiter und verlangt von dem Beklagten die Zahlung der Kosten für die Leads in Höhe von 1.280 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 12. Mai 2011.

Der Beklagte meint, dass der Zahlungsanspruch nicht fällig sei und ihm ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Denn die Vermittlung der Leads durch die Klägerin stelle ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft dar. Die Rechnung der Klägerin vom 26. April 2011 und das Schreiben vom 12. Mai 2011 weise entgegen § 14 UStG die Umsatzsteuer jedoch nicht gesondert aus und sei schon aus diesem Grund nicht ordnungsgemäß. Auch seien in beiden Schreiben jeweils zwei Steuernummern angegeben. Deshalb liege auch die gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG erforderliche Angabe der Steuernummer nicht vor, da nicht erkennbar sei, welche Steuernummer nun zutreffend sei.

Der Beklagte hat zudem auch seine Leistungspflicht hinsichtlich zweier ihm am 19. April 2011 unstreitig zur Verfügung gestellter Leads – für xxx und xxx – mithin in Höhe von 320 € bestritten. Er hat hierzu behauptet, dass er einem Mitarbeiter der Klägerin, xxx, am 18. April 2011 per Mail mitgeteilt habe, dass ihm zunächst keine weiteren Leads zur Verfügung gestellt werden sollen, da er „irgendwie das Gefühl habe, dass die Qualität der Leads teilweise zu wünschen übrig lasse“ (Bl. 46 d.A.). Deshalb meint der Beklagte, dass er nicht für die ihm am 19. April 2011 zur Verfügung gestellten Leads von xxx und xxxi zahlen müsse.

Die Klägerin meint, dass ihre Rechnungen keine gesonderten Umsatzsteuernachweise erfordern. Denn die Übermittlung von Leads sei in der vorliegenden Ausgestaltung gemäß § 4 Nr. 11 UStG als Versicherungsvermittlungstätigkeit umsatzsteuerfrei. Soweit der Beklagte die Angabe von 2 Steuernummern in den Rechnungen als unzutreffend erachte, gelte Folgendes. Die 2. Steuernummer stellt – was zwischen den Parteien unstreitig ist – die eigene Steuernummer des Beklagten dar, ihre Angabe könne deshalb nicht gegen § 14 UStG verstoßen.

Ferner hat die Klägerin behauptet, dass der Beklagte gerade mit den ihm am 19. April 2011 von ihr zur Verfügung gestellten Leadkontakten - nämlich mit xxx und xxx – telefonisch Verhandlungen aufgenommen habe. Deshalb sei nicht nachvollziehbar, wenn der Beklagte nun vortrage, dass er am 18. April 2011 die Übersendung weiterer Leads untersagt habe. Eine Mail des Beklagten vom 18. April 2011, mit der ihr die weitere Übersendung von Leads an den Beklagten untersagt worden sein soll, sei ihr überdies unbekannt.

Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Versäumnisurteil vom 26. Juli 2011 zur Zahlung von 1.280 € nebst Zinsen seit dem 12. Mai 2011 antragsgemäß verurteilt (Bl. 27 f. d.A.). Auf den Einspruch des Beklagten hat das Amtsgericht mit Urteil vom 03. Mai 2012 das Versäumnisurteil aufrechterhalten (Bl. 138 ff d.A.). Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die gegenständliche Leistung gemäß § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerfrei sei und deshalb kein Zurückbehaltungsrecht bestehe.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er das Ziel der Klageabweisung verfolgt. In der Berufungsverhandlung am 09. Januar 2013 hat der Beklagte keinen Antrag gestellt. Daraufhin hat die Kammer die Berufung des Beklagten mit Versäumnisurteil vom 30. Januar 2013 zurückgewiesen (Bl. 270 ff. d.A.). Hiergegen richtet sich der Einspruch des Beklagten vom 31. Januar 2013, mit dem er beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils des Landgerichts Neuruppin vom 30. Januar 2013 und des Versäumnisurteils des Amtsgerichts Oranienburg vom 26. Juli 2011 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil des Landgerichts Neuruppin vom 30. Januar 2013 aufrechtzuerhalten.

B.

Auf den rechtzeitigen Einspruch des Beklagten war das die zulässige Berufung zurückweisende Versäumnisurteil der Kammer vom 30. Januar 2013 aufrechtzuerhalten. Denn die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht zur Zahlung von 1.280 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. Mai 2011 verurteilt.

I. Der Klägerin steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 1.280 € (1.) zu, der fällig (2.) und durchsetzbar (3.) ist. Auch der geltend gemachte Zinsanspruch besteht in dem zuerkannten Umfang (4.).

1. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch folgt aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Handelsvertretervertrag gemäß §§ 92, 84 ff HGB in Verbindung mit der „Zusatz-Vereinbarung Leads“ (Bl. 15 ff. d.A.). Die Parteien haben in § 2 Abs. 1 dieser Vereinbarung geregelt, dass der Beklagte an die Klägerin einen jeweils genauer bestimmten Betrag zu zahlen hat, wenn er von der Klägerin Leads erhält.

Der daraus folgende Zahlungsanspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe von 1.280 €. Die Parteien haben in § 2 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung geregelt, dass der Beklagte an die Klägerin 160 € für einen Lead „PKV-Voll“ zu zahlen hat. Die Klägerin hat hierzu wiederum vorgetragen, dass sie dem Beklagten 10 Leads „PKV-Voll“ zur Verfügung gestellt hat. Da lediglich zwei dieser Leads reklamiert worden seien, stehe ihr ein Zahlungsanspruch für 8 Leads, mithin in Höhe von 1.280 € zu (8 * 160 €).

Das hiergegen gerichtete Verteidigungsvorbringen trägt nicht.

a) Der Beklagte hat dazu von der Klägerin bestritten vorgetragen, dass er am 18. April 2011 per Mail die weitere Übersendung von Leads untersagt und den mit der Klägerin geschlossenen Vertrag gekündigt habe. Deshalb müsse er nicht für die ihm am 19. April 2011 zu Verfügung gestellten Leads für die Interessenten xxx und xxx jeweils 160 € zahlen. Mithin könne ein Zahlungsanspruch ohnehin nur in Höhe von 960 € (1.280 € - 160 € - 160 €) bestehen. Allerdings hat der darlegungs- und beweisbelastete Beklagte auf das Bestreiten der Klägerin erstinstanzlich keinen Beweis dafür angetreten, dass er den Vertrag mit der Klägerin gekündigt und die Übersendung von Leads untersagt hat, sondern lediglich Bezug auf den Ausdruck einer E-Mail genommen (Bl. 37 d.A., 46 d.A.). Deshalb war dem erstmals im Berufungsrechtszug erfolgten Beweisantritt durch Benennung des Zeugen xxx mangels Zulassungsgrundes gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr nachzugehen. Der Beklagte hat insbesondere keine Gründe dargelegt, aus denen sich ergibt, dass der verspätete Beweisantritt nicht auf Nachlässigkeit beruht.

b) Angesichts der voranstehenden Ausführungen ist auch unerheblich, ob der Beklagte ohnehin wie von der Klägerin ergänzend behauptet, mit den Zeugen xxx und xxx Kontakt zur Vermittlung von Versicherungen aufgenommen hat. Denn nach § 2 der Zusatz-Vereinbarung Leads wird die Zahlungspflicht für einen Lead schon durch dessen Übermittlung an den Beklagten und nicht erst durch die Kontaktaufnahme mit den Interessenten ausgelöst.

2. Der Anspruch ist auch fällig. Ausweislich § 2 Abs. 2 S. 1 der Zusatzvereinbarung haben die Parteien vereinbart, dass dem Beklagten die Kosten pro Lead „dem laufenden AMP-Kontokorrentkonto belastet bzw. in Rechnung gestellt“ werden sollen. Der Beklagte hat sich ausweislich § 2 Abs. 2 S. 1 der Zusatzvereinbarung auch verpflichtet, „Schuldsalden innerhalb von 14 Tagen auszugleichen“.

Diese Regelungen zu Grunde gelegt, haben die Parteien vereinbart, dass ein fälliger Anspruch erst bei Bestehen eines von der Klägerin abgerechneten Schuldsaldos bestehen kann. Dieses Ergebnis entspricht auch der Interessenlage der Parteien. Denn dem Beklagten stehen gegen die Klägerin bei erfolgreicher Vermittlung Provisionsansprüche zu. Da diese ausweislich § 2 Abs. 2 der Zusatzvereinbarung in einem Kontokorrent mit den Zahlungsansprüchen der Klägerin gegen den Beklagten verrechnet werden sollen, kann erst nach Vorlage einer Rechnung mit der erforderlichen Sicherheit das Bestehen und die Fälligkeit etwaiger Zahlungsansprüche der Klägerin ermittelt werden.

Diese besonderen Fälligkeitsvoraussetzungen sind auch erfüllt. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 26. April 2011 in der Gestalt der Korrektur vom 12. Mai 2011 eine Rechnung im Sinne des § 2 Abs. 2 S. 1 der Zusatzvereinbarung erstellt. Denn die Klägerin hat die Kosten der bis dahin zur Verfügung gestellten Leads abgerechnet. Der Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass aufgrund etwaiger Provisionsansprüche dennoch kein oder ein nur geringerer Zahlungsanspruch aus dem Kontokorrentverhältnis mit der Klägerin bestand.

3. Soweit sich der Beklagte auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer vermeintlich nicht den Vorgaben des § 14 UStG entsprechenden Rechnung beruft (vgl. Bl. 88 d.A. unten und ausdrücklich Bl. 193 d.A.), steht dies dem Erfolg der Klage ebenfalls nicht entgegen.

Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 320 BGB besteht nicht. Denn eine etwaige Pflicht zur Rechnungslegung nach § 14 UStG stellt keine Hauptleistungspflicht und auch keine dem Anwendungsbereich des § 320 BGB unterfallende Nebenleistungspflicht dar (BGH, Urteil vom 27.10.2011 - I ZR 125/10, GRUR 2012, 711).

Zwar kann ein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung nach § 14 UStG dazu führen, dass der Empfänger die geschuldete Leistung nach § 273 Abs. 1 BGB zurückhalten kann, bis ihm die Rechnung erteilt wird (BGH, Beschluss vom 08.03.2005 - VIII ZB 3/04, NJW-RR 2005, 1005; OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.05.2008 - 5 U 68/07, juris; OLG Brandenburg, Urteil vom 30.11.2007 - 7 U 94/07, juris; Hüttemann/Jacobs, MDR 2007, 1229). Deshalb kann sich auch der Handelsvertreter gemäß § 369 HGB auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer nicht den Vorgaben des UStG entsprechenden Abrechnung stützen.

Die vorgelegten Rechnungen entsprechen auch offensichtlich nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG. Zwar verstößt die Angabe von 2 Steuernummern nicht gegen § 14 Abs. 4 Nr. 2 UStG, wenn diese wie vorliegend lediglich die Steuernummer der Klägerin - 30/121/05329 (Bl. 18 d.A.) - und des Beklagten – 053/2540/2948 (vgl. Bl. 23 d.A. unten links) wiedergeben. Allerdings fehlen in den Rechnungen der Klägerin insbesondere die gemäß § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG erforderlichen Angaben, nämlich der Steuersatz und der auf das Entgelt entfallende Steuerbetrag. Dieser lässt sich auch nicht aus anderen Unterlagen entnehmen. Aber auch für den Fall, dass die vorliegenden Leistungen nicht umsatzsteuerpflichtig sind, liegt ein Verstoß gegen § 14 Abs. 4 UStG vor. Denn ausweislich § 14 Abs. 4 Nr. 8 UStG muss eine Rechnung im Fall einer Steuerbefreiung einen Hinweis darauf enthalten, dass für die Leistung eine Steuerbefreiung gilt. Einen derartigen Hinweis enthält die vorliegende Rechnung gerade nicht.

Allerdings ist dem Beklagten die Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht verwehrt. Denn die Erteilung einer Rechnung nach Maßgabe des § 14 UStG kann gemäß § 242 BGB dann nicht verlangt werden, wenn die Umsatzsteuerpflicht ernstlich zweifelhaft ist und die zuständige Finanzbehörde den Vorgang noch nicht bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14.01.1980 - II ZR 76/79, NJW 1980, 2710; BGH, Urteil vom 24.02.1988 - VIII ZR 64/87, BGHZ 104, 284ff; BGH, Urteil vom 10.11.1988 - VII ZR 137/87, NJW 1989, 302ff; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.04.2001 - 10 U 36/00, NZM 2001, 591; Kniffka, in: Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 5. Teil, Rn 145; offengelassen von BGH, Urteil vom 02.11.2001 - V ZR 224/00, NJW-RR 2002, 376; zweifelnd auch Zeuner, in: Bunjes/Geist, UStG, § 14, Rn. 68).

Hieran ist nach Auffassung der Kammer auch unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich sowohl durch die Rechtsprechung entwickelten als auch von § 14 c UStG vorgesehenen Korrekturmöglichkeiten für unrichtige und unberechtigte Steuerausweise festzuhalten. Hierbei hat die Kammer berücksichtigt, dass die angerufenen Gerichte über den Streitgegenstand regelmäßig eine einheitliche und endgültige Entscheidung zu treffen und die sich hierbei stellenden Vorfragen unabhängig von dem betroffenen Rechtsgebiet zu klären haben. Bei der vorliegenden steuerrechtlichen Frage ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Kläger bei einer Zug-um-Zug Verurteilung auch bei einer ernstlich zweifelhaften Steuerpflicht zunächst verpflichtet wäre, die Rechnung zu erstellen und erst in der Folge das Berichtigungsverfahren einzuleiten. Hinzu kommt, dass die Klärung steuerrechtlicher Fragen zu einer erheblichen Verzögerung auch von unstreitigen Forderungsprozessen führen kann (i.d.S. auch Heeseler, Das Zurückbehaltungsrecht bei Fehlen von umsatzsteuerlich geforderten Rechnungsangaben, BB 2006, 1137). Dies erscheint der Kammer angesichts des für die Finanzbehörden gemäß § 88 AO geltenden Amtsaufklärungsgrundsatzes, der auch im finanzgerichtlichen Verfahren gemäß § 76 FGO Anwendung findet, als nicht sachgerechte Verlagerung in den vom Beibringungsgrundsatz geprägten Zivilprozess. Den berechtigten Interessen des Rechnungsempfängers, der das Insolvenzrisiko des Rechnungsstellers trägt, kann durch eine enge Auslegung der Voraussetzungen für eine ernstlich zweifelhafte steuerrechtliche Lage hinreichend Rechnung getragen werden.

Die Voraussetzungen dafür, dass dem Beklagten die Berufung auf das Zurückbehaltungsrecht verwehrt ist, sind erfüllt. Denn die Umsatzsteuerpflicht ist ernstlich zweifelhaft. Deshalb kann auch offenbleiben, ob sich das Zurückbehaltungsrecht nicht ohnehin nur auf 243,20 € beschränkt, nämlich den Teilbetrag des Entgelts, der auf die Umsatzsteuer entfällt. Voraussetzung für eine ernstliche zweifelhafte Steuerpflicht ist, dass eine endgültige Beurteilung der objektiven Steuerpflicht auf besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art stößt und damit ernsthaft die Gefahr besteht, dass die Finanzbehörden die Frage der Steuerpflicht abweichend von der Einschätzung der Zivilgerichte beurteilen (BGH, Urteil vom 02.11.2001 - V ZR 224/00, NJW-RR 2002, 376).

Dies ist der Fall. Der Vorgang ist durch die zuständige Finanzbehörde nicht bestandskräftig der Umsatzsteuer unterworfen. Die von den Parteien hierzu im Laufe des Rechtsstreits vorgelegten Auskünfte unterschiedlicher Finanzämter (Bl. 83, 136, 251 und 264 d.A.) beziehen sich ungeachtet der Frage, welche Finanzbehörde zuständig ist, ersichtlich nicht auf die vorliegende Abrechnung. Eine endgültige Beurteilung der objektiven Steuerpflicht stößt auch auf besondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art.

a) Ausweislich § 4 Nr. 11 UStG sind Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler umsatzsteuerfrei. Die Vorschrift dient der Umsetzung von Art. 13 Teil B Buchst. a Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazu gehörenden Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden, von der Umsatzsteuer.

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es für die steuerfreie Versicherungsvermittlungstätigkeit wesentlich, Kunden zu suchen und diese mit dem Versicherer zusammenzubringen. Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen. Nicht steuerfrei sind hingegen Leistungen, die keinen spezifischen und wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweisen, sondern allenfalls dazu dienen, als Subunternehmer den Versicherer bei den ihm selbst obliegenden Aufgaben zu unterstützen, ohne Vertragsbeziehungen zu den Versicherten zu unterhalten. Deshalb gehören etwa die Festsetzung und die Auszahlung der Provisionen der Versicherungsvertreter, das Halten der Kontakte mit diesen und die Weitergabe von Informationen an die Versicherungsvertreter nicht zu den Tätigkeiten eines Versicherungsvertreters (sog. Backoffice-Tätigkeiten, vgl. EuGH, Urteil vom 03.03.2005, Rs. C-472/03 - Arthur Andersen, Slg. 2005, I-01719). In diesem Sinne legt auch der Bundesfinanzhof § 4 Nr. 11 UStG aus und hat entschieden, dass auch solche Leistungen umsatzsteuerfrei sind, durch die ein Unternehmer dem Versicherungsvertreter am Versicherungsabschluss interessierte Kunden benennt und eine so genannte Zuführungsprovision erhält (BFH, Urteil vom 28.05.2009 - V R 7/08, BStBl II 2010, 80).

Die Anwendung dieser Maßstäbe deutet zwar zunächst darauf hin, dass auch die vorliegende Tätigkeit - das Übermitteln von Interessentendaten zwischen der Klägerin und dem Beklagten in einem Kooperationsverhältnis - als umsatzsteuerfrei anzusehen ist. Denn das FG München hat ausgehend von der voranstehenden BFH-Entscheidung auch die kostenpflichtige Weitergabe von Interessentendaten durch einen Versicherungsvermittler an die Versicherung als umsatzsteuerpflichtig erachtet. Es handele sich „um den Kern der steuerbefreiten Tätigkeit, nämlich die am Abschluss einer Versicherung interessierten Personen ausfindig zu machen und mit dem Versicherer zusammen zu führen“ (FG München, Urteil vom 19.05.2010 - 3 K 134/07, zitiert nach juris). Hiervon ausgehend liegen auch bei dem Zur-Verfügung-Stellen von Leads gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kern der steuerbefreiten Tätigkeit betroffen ist, weil sie dazu dienen, die am Abschluss einer Versicherung interessierten Personen ausfindig zu machen und mit dem Versicherer zusammen zu führen. Ausweislich § 1 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung vermittelt die Klägerin zudem selbst die Versicherungen, was darauf hindeutet, dass sie selbst gerade keine bloßen steuerpflichtigen sogenannten Backoffice-Tätigkeiten wahrnimmt

Gleichwohl muss im vorliegenden Sachverhalt berücksichtigt werden, dass die Versicherungsvermittlung zwischen Klägerin und Beklagtem organisatorisch aufgeteilt worden ist und deshalb gesondert geprüft werden muss, ob das Zur-Verfügung-Stellen der Leads auch für die Klägerin dem Kern der steuerbefreiten Tätigkeit zuzuordnen ist. Hierbei ist zu beachten, dass die Tätigkeit eines Versicherungsvertreters sich in verschiedene Dienstleistungen aufteilen lässt, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sein kann. Deshalb können etwa auch Untervermittler, die bei der Vermittlung von Verträgen ohne unmittelbare Beauftragung durch eine der beiden Parteien des abzuschließenden Vertrags tätig sind, steuerfreie Vermittlungsleistungen erbringen. Denn nach dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität sind die Wirtschaftsteilnehmer befugt, das Organisationsmodell zu wählen, das ihren wirtschaftlichen Bedürfnissen am ehesten entspricht, ohne Gefahr zu laufen, eine Steuerbefreiung zu verlieren. Dies umfasst auch die Befugnis, die Dienstleistungen eines Versicherungsvertreters in verschiedene Dienstleistungen aufzuteilen (EuGH, Urteil vom 03.04.2008, Rs. C-124/07 - J.C.M. Beheer, Slg. 2008, I-02101).

Soweit eine Vermittlungstätigkeit in verschiedene Dienstleistungen aufgeteilt ist, kann die Dienstleistung jedes einzelnen Unternehmers allerdings nur dann als ein von der Steuer befreiter Umsatz qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt. Der Begriff der Vermittlung setzt daher nicht unbedingt voraus, dass der Vermittler als Untervertreter eines Hauptvertreters in unmittelbaren Kontakt mit den beiden Vertragsparteien tritt, um alle Klauseln des Vertrags auszuhandeln. Voraussetzung ist jedoch, dass sich seine Tätigkeit nicht etwa nur auf die Übernahme eines Teils der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit beschränkt (EuGH, Urteil vom 21.06.2007, Rs. C-453/05 (Ludwig), Slg. 2007 Seite I-05083; BFH, Urteil vom 06.09.2007 - V R 50/05, BFHE 219, 237; siehe hierzu insgesamt auch FG Münster, Urteil vom 31.01.2013 - 5 K 189/10 U, nicht rechtskräftig, juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.03.2011 - 6 K 2456/09, nicht rechtskräftig, DStRE 2011, 1210).

Die Klärung der Frage, ob die Tätigkeit der Klägerin ein eigenständiges Ganzes darstellt, das die spezifischen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt, ist von erheblichen Schwierigkeiten tatsächlicher Art geprägt. Auf eine derartige Tätigkeit deutet zwar hin, dass die Klägerin jedenfalls nach der Vertragskonzeption selbst die Versicherungsverträge vermittelt und hierbei ausweislich § 1 der Zusatz-Vereinbarung-Leads lediglich durch den als Vertriebspartner auftretenden Beklagten unterstützt werden soll. Allerdings sind den vorgelegten Vertragswerken gerade keine weiteren Einzelheiten der Kooperation zwischen der Klägerin und dem als Vertriebspartner bezeichneten Beklagten zu entnehmen. Insbesondere wird nicht ersichtlich, wie die Aufgabenverteilung zwischen der Unterstützung der Klägerin durch den Beklagten (§ 1 Abs. 2 Handelsvertretvertrag, § 1 Abs. 1 Zusatz-Vereinbarung-Leads) und der Unterstützung des Beklagten durch die Klägerin (§ 5 Handelsvertretervertrag) ausgestaltet ist und welche Tätigkeiten die beiden Vertragsparteien im Einzelnen und in welcher Form der Zusammenarbeit durchführen. Da diese Beurteilung nur im Wege einer umfassenden Gesamtschau der vertraglichen Grundlagen und tatsächlichen Ausgestaltung der Zusammenarbeit erfolgen kann, liegen besondere Schwierigkeiten tatsächlicher Art vor. Denn hierbei müssen nicht nur die Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten ermittelt werden. Vielmehr muss auch berücksichtigt werden, ob und in welchem Umfang die Klägerin selbst überwiegend durch eigene Mitarbeiter oder weitere selbständige Vermittler tätig ist. Hinzu kommt, dass erst nach dieser Gesamtschau geprüft werden kann, ob die in der Zusatz-Vereinbarung-Leads geregelte Zahlungspflicht isoliert oder als Teil einer einheitlichen Leistung im Vertragsverhältnis der Parteien anzusehen ist (siehe hierzu auch 3.10 Abs. 1-5 UStAE bzw. Abschn. 29 UStR 2008).

Diese besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Art bleiben auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur steuerbefreiten Überwachung von Versicherungsvertretern bestehen. Danach kann zwar auch die Betreuung, Schulung und Überwachung von Versicherungsvertretern nach § 4 Nr. 11 UStG umsatzsteuerbefreit sein. Voraussetzung ist jedoch, dass der Unternehmer, der diese Leistungen übernimmt, durch Prüfung eines jeden Vertragsangebots zumindest mittelbar auf eine der Vertragsparteien einwirken kann, wobei auf die Möglichkeit, eine solche Prüfung im Einzelfall durchzuführen, abzustellen ist (BFH, Urteil vom 30.10.2008 - V R 44/07, VersR 2009, 1560). Auch hierzu ist den vorgelegten Vertragswerken nichts zu entnehmen. Insbesondere ist nicht erkennbar, ob, auf welchem Weg und in welchem Umfang die Klägerin Kontrollrechte in Bezug auf die von dem Beklagten und weiteren Vermittlern für sie vermittelten Versicherungen wahrnimmt. Deshalb kann auch insoweit nicht ohne eine umfangreiche Gesamtschau des Inhalts und der Ausgestaltung der Kooperation zwischen der Klägerin und dem Beklagten und der Frage, ob die Klägerin auch durch angestellte Mitarbeiter Versicherungen vermittelt oder überwiegend mit selbständigen Vermittlern tätig war, entscheiden werden (vgl. zu den Maßstäben etwa die Prüfung in: FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.03.2011 - 6 K 2456/09, nicht rechtskräftig, DStRE 2011, 1210, juris Rn. 112-116).

Diese besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Art werden zudem begleitet von besonderen Schwierigkeiten rechtlicher Art. Denn sowohl die Frage, ob die Weitergabe von Kundendaten zum Abschluss von Versicherungsverträgen steuerbefreit ist, als auch die Frage, wie das vorliegende Organisationsmodell einer Vermittlungsgesellschaft zu bewerten ist, die sich selbständiger Untervermittler bedient, ist derzeit Gegenstand finanzgerichtlicher Klärung. Daher besteht auch aus diesem Grund derzeit ernsthaft die Gefahr, dass die Finanzbehörden die Frage der Steuerpflicht abweichend von der Einschätzung der Zivilgerichte beurteilen.

Denn das FG Münster hat die Revision hinsichtlich der Rechtsfrage zugelassen, ob es für die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 11 UStG ausreicht, wenn sich die Tätigkeit im Wesentlichen auf die bloße Weitergabe beschränkt, nämlich das bloße Kaufen und Verkaufen von Angeboten zum Abschluss von Kurzzeitversicherungsverträgen, da es sich nur um eine Art Handelstätigkeit handelt, die aber keinen spezifischen oder wesentlichen Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften aufweist (FG Münster, Urteil vom 31.01.2013 - 5 K 189/10 U, juris). Eine Entscheidung in dem unter dem Aktenzeichen V R 9/13 beim Bundesfinanzhof anhängigen Rechtsstreit ist noch nicht getroffen. Deshalb kommen zu den Schwierigkeiten tatsächlicher Art auch noch Schwierigkeiten rechtlicher Art hinzu, weil derzeit noch ungewiss ist, wie eng oder weit der Kernbereich der steuerbefreiten Tätigkeit im Sinne des § 4 Nr. 11 UStG in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung ausgelegt wird ist. Genau dies ist auch für den vorliegenden Sachverhalt entscheidend, nämlich ob es sich bei dem Zur-Verfügung-Stellen von Leads nur um eine Handelstätigkeit oder eine Tätigkeit mit spezifischem Bezug zu einzelnen Vermittlungsgeschäften handelt.

Zudem hat das FG Rheinland-Pfalz die Revision hinsichtlich der Frage zugelassen, ob eine Gesellschaft, die sich zur Vermittlung von Fondsanteilen überwiegend selbständiger Vermittler bedient, mit ihrer Tätigkeit in vollem Umfang steuerfreie Vermittlungsleistungen erbringt (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.03.2011 - 6 K 2456/09, nicht rechtskräftig, DStRE 2011, 1210). Auch diese Frage kann abhängig davon, ob die Klägerin die Versicherungen tatsächlich überwiegend durch selbständige Vermittler - wie den Beklagten - vermittelt, auch im vorliegenden Sachverhalt streitentscheidende Bedeutung haben. Eine Entscheidung in dem hierzu unter dem Aktenzeichen XI R 13/11 beim Bundesfinanzhof anhängigen Rechtsstreit ist ebenfalls noch nicht getroffen. In der Gesamtschau ist die Feststellung der Steuerpflicht damit nicht nur besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher Art sondern auch rechtlicher Art unterworfen, da auch die vorliegend maßgeblichen Rechtsfragen noch keiner abschließenden Klärung in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zugeführt worden sind.

b) Dem Vorliegen einer ernstlich zweifelhaften steuerrechtlichen Lage steht auch § 4 Nr. 10 UStG nicht entgegen. Denn die hier streitigen Umsätze sind nicht gemäß § 4 Nr. 10 b UStG umsatzsteuerbefreit. Nach dieser Vorschrift sind Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird, umsatzsteuerbefreit. Die Verschaffung von Versicherungsschutz i.S. von § 4 Nr. 10 b UStG liegt vor, wenn der Unternehmer mit einem Versicherungsunternehmen einen Versicherungsvertrag zugunsten eines Dritten abschließt (BFH, Urteil vom 16.01.2003 V R 16/02, BStBl II 2003, 445; Urteil vom 09.10.2002 V R 67/01, BFH/NV 2003, 130), mithin der Unternehmer selbst einem Dritten Versicherungsschutz verschafft. Versicherungsnehmer muss hiernach der Unternehmer selbst sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da weder Klägerin noch Beklagter selbst Versicherungsnehmer werden.

c) Sonstige Gründe, die eine Entscheidung über die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 11 UStG im vorliegenden Sachverhalt entbehrlich machen, sind nicht ersichtlich. Die Parteien haben auch keine Nebenpflicht zur Rechnungslegung nach Maßgabe des § 14 UStG vereinbart, so dass ein Anspruch auf Rechnungslegung nicht unabhängig von der steuerrechtlichen Beurteilung besteht. Zwar enthält § 2 Abs. 1 der Zusatzvereinbarung den Zusatz „Alle Preise inkl. MWSt.“ Die Klägerin hat auch in ihrer Rechnung vom 26. April 2011 (Bl. 18 d.A.) ausdrücklich ausgeführt, dass die Preise „inkl. MwSt.“ angegeben seien Dennoch folgt auch aus dem Zusatz „inkl. MWSt.“ keine Pflicht der Klägerin, eine Rechnung nach § 14 UStG mit gesondertem Umsatzsteuerausweis zu erteilen. Denn die Parteien können als Private keine Steuerpflicht für steuerbefreite Leistungen vereinbaren. Im vorliegenden Sachverhalt sind auch die Voraussetzungen des § 9 UStG für einen Verzicht auf die Steuerbefreiung nicht erfüllt. Der Zusatz „inkl. MWSt“ kann auch nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Parteien jedenfalls eine Rechnungslegung nach den Maßstäben des § 14 UStG vereinbart haben. Denn die Parteien wollten durch die Preisangabe „inkl. MWSt“ bei verständiger Auslegung lediglich klarstellen, dass kein noch höherer Betrag für die Leads gezahlt werden muss.

d) In der Gesamtschau ist es dem Beklagten daher gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf sein Zurückbehaltungsrecht zu berufen, da die Frage der Umsatzsteuerpflicht ernstlich zweifelhaft ist. Dies gilt umso mehr, als dass der Beklagte überhaupt nicht für die ihm unstreitig zur Verfügung gestellten 6 Leads mit einem Gesamtbetrag von 960 € gezahlt hat, obwohl auch aus seiner Sicht insoweit nur die Frage des Umsatzsteueranteils streitig ist. Daher sind seine Interessen an der Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ohnehin nicht außergewöhnlich hoch zu gewichten.

4. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB, 308 ZPO ab dem 12. Mai 2011, da die Parteien in § 2 Abs. 2 der Zusatzvereinbarung eine Fälligkeit 14 Tage nach Rechnungsstellung vereinbart haben. Die Zuvielforderung von 320 € in der Rechnung vom 26. April 2011 ließ den tatsächlich geschuldeten Betrag von 1.280 € nicht in den Hintergrund treten (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.1990 - XI ZR 217/89, NJW 1991, 1286) und der tatsächlich geschuldete Betrag war auch hinreichend sicher ermittelbar (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 13.10.2006 - 3 U 200/05, juris).

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 344, 704, 709 ZPO.

III. Die Zulassung der Revision beruht darauf, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 02.11.2001 (V ZR 224/00, NJW-RR 2002, 376) offen gelassen hat, ob an der Rechtsprechung zum Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts bei ernstlich zweifelhafter Steuerrechtslage festzuhalten ist. Es ist daher erforderlich, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

Die vorgenommene Beschränkung beruht darauf, dass die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbstständigen Teil des Streitstoffs beschränkt werden kann, welcher Gegenstand eines Teilurteils sein kann oder auf den der Revisionskläger seine Revision beschränken könnte (st. Rspr., etwa BGH, Urteil vom 17.06.2004 - VII ZR 226/03NJW 2004, 3264). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil das Zurückbehaltungsrecht in Bezug auf den gesamte Klageforderung geltend gemacht wird und deshalb keine Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht (vgl. BGH, Urteil vom 16.01.1992 - VII ZR 85/90, NJW 1992, 1632). Deshalb kann die Revision auf das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts beschränkt und dementsprechend auch beschränkt zugelassen werden (vgl. BGH, Urteil vom 02.06.1966 - VII ZR 162/64, NJW 1966, 1755; siehe auch: Müller-Glöge, in: Germelmann, Arbeitsgerichtsgesetz, § 72, Rn 38). Hiervon hat die Kammer Gebrauch gemacht, weil das Urteil im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung hat und es auch nicht erforderlich ist, die Revision zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung zuzulassen.

Streitwert: 1.280 €