OLG Köln, Beschluss vom 15.08.2014 - 12 UF 61/14
Fundstelle
openJur 2014, 20685
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts Königswinter vom 25.04.2014 - 71 F 290/13 - teilweise abgeändert:

Dem Antragsgegner wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die ihm im Vergleich vom 25.02.2014, Ziffer 6.) des Amtsgerichts - Familiengericht - Königswinter (71 F 290/13) auferlegten Verpflichtungen, es zu unterlassen, sich wechselseitig künftig zu beschimpfen und körperlich zu attackieren, ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder unmittelbar Ordnungshaft bis 6 Monate angedroht.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gegenstandswert: 500,00 €

Gründe

I.

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute.

Nach einer Auseinandersetzung im gemeinsamen häuslichen Bereich untersagte das Amtsgericht Königswinter auf Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 28.11.2013 dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung, sich der Antragstellerin auf eine Entfernung von weniger als 20 Metern zu nähern, mit ihr Verbindung - auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln - aufzunehmen sowie das näher bezeichnete eheliche Haus wieder zu betreten. Die Anordnung wurde befristet bis zum 30.04.2014.

Nachdem der Antragsgegner die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt hatte, schlossen die Beteiligten im nachfolgenden Termin vom 25.02.2014 einen umfassenden Vergleich. Dieser sieht unter Ziffer 6.) vor:

"Die Parteien verpflichten sich gegenseitig, ohne Anerkennung, gegen diese Verpflichtung in der Vergangenheit verstoßen zu haben, sich künftig nicht mehr zu beschimpfen, belästigen und körperlich zu attackieren."

Auf Antrag der Antragstellerin hat das Amtsgericht Königswinter mit Beschluss vom 25.04.2014 dem Antragsgegner für den Fall der Zuwiderhandlungen gegen die in Ziffer 6.) des Vergleichs vom 25.02.2014 auferlegten Verpflichtungen, es zu unterlassen, die Antragstellerin zu beschimpfen, zu belästigen und körperlich zu attackieren, Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft angedroht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er meint, die in Ziffer 6.) des Vergleichs vorgesehenen Regelungen hätten keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, sie seien vielmehr inhaltlich nicht hinreichend bestimmt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss, mit dem die Verhängung von Ordnungsgeld bzw. Ordnungshaft angedroht wird, ist gemäß §§ 87 Abs. 4 FamFG i.V.m. §§ 567 ff. ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

Sie ist weiter teilweise begründet. Hinsichtlich der vom Amtsgericht ausgesprochenen Androhung liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nicht in vollem Umfang vor.

1.

Gemäß §§ 95 Nr. 4, 96 Abs. 1 S. 2 FamFG sind die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden, wenn die Vollstreckung zur Erzwingung von Duldungen oder Unterlassungen in familiengerichtlichen Verfahren, zu denen Verfahren nach dem Gewaltschutzgesetz gehören, erfolgen soll. Nach § 890 Abs. 2 ZPO muss der Verhängung des Ordnungsmittels dessen Androhung vorausgehen, die das Prozessgericht des ersten Rechtszuges im Beschlusswege auszusprechen hat und zwar entweder in dem die Unterlassungsanordnung treffenden oder in einem gesonderten Beschluss. Da vorliegend die Unterlassungsanordnung in einem gerichtlichen Vergleich getroffen wurde, kam nur ein gesonderter Beschluss in Frage. Denn ein Vergleich kann eine wirksame Androhung nicht enthalten, sie ist wegen ihres öffentlichen Charakters der Verfügung der Parteien entzogen (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 04.03.2013 - 6 WF 27/13 - zitiert nach juris; Stöber in: Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 890 Rz. 12a m.w.N.).

In der Androhung des Ordnungsmittels durch besonderen Beschluss liegt der Beginn der Zwangsvollstreckung, weshalb in diesem Zeitpunkt die allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen vorliegen müssen (BGH, Urteil vom 29.09.1979 - I ZR 107/77 - zitiert nach juris, Rz. 19; OLG München, Beschluss vom 27.07.2001 - Lw W 1860/01 - zitiert nach juris; Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, a.a.O.. Rz. 5; Stöber, a.a.O. m.w.N.). Erforderlich ist also ein zur Vollstreckung geeigneter Titel. Ein Unterlassungstitel bildet aber nur dann eine geeignete Vollstreckungsgrundlage i.S. der §§ 704, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, wenn er aus sich heraus verständlich ist und die zu unterlassende Verletzungshandlung auch für jeden Dritten erkennbar umschreibt (BGH, Beschluss vom 04.03.1993 - IX ZB 55/92 - zitiert nach juris, Rz. 17 m.w.N.; Stöber, a.a.O. § 704 Rz. 4). Sinn und Zweck des Gebotes ist es, zu verhindern, dass der Streit der Parteien darüber, ob ein bestimmtes Verhalten des Unterlassungspflichtigen dem Verbot zuwiderläuft, vom Erkenntnis- in das Vollstreckungsverfahren verlagert wird (BGH NJW 1980, 760). Urteilsformeln, die sich auf die bloße Wiedergabe des Textes einer Verbotsnorm beschränken, sind deshalb unzulässig (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10.07.1987 - 3 W 76/87 - = NJW-RR 1987, 1526). Eine Verallgemeinerung bei der Bezeichnung des Gebots bzw. Verbots ist lediglich insoweit zulässig, als durch sie das Charakteristische der beanstandeten Handlung zum Ausdruck kommt. Denn der Schutzumfang des Unterlassungstitels erstreckt sich auf alle Verletzungshandlungen, die der Rechtsverkehr als gleichwertig ansieht und bei denen die Abweichungen den Kern der Verletzungshandlung unberührt lassen (ständ. Rspr. BGH, so Urteil vom 23.02.2006 - I ZR 272/02 -; Urteil vom 16.11.2000 - I ZR 186/98 -; Urteil vom 10.12.1998 - I ZR 141/96 - zitiert nach juris Rz. 25; vgl. weitere Rechtsprechungsübersicht zur sog. Kerntheorie bei Stöber, § 890 Rz. 3a).

2.

Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf die vorliegend in Rede stehenden Anordnungen ist jedoch andererseits die besondere Zielsetzung des Gewaltschutzgesetzes zu berücksichtigen, ihr ist Rechnung zu tragen. Zwar richtet sich die Vollstreckung zur Erzwingung von Duldungen und Unterlassungen in familiengerichtlichen Verfahren, soweit die §§ 86 ff. FamFG keine besonderen Regelungen vorsehen, gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 4 FamFG nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung. Sinn der im Gewaltschutzgesetz vorgesehenen Anordnungen ist es indes, den Schutz gegen Gewalt, Drohungen und Nachstellungen im Allgemeinen und unter besonderer Berücksichtigung des familiären und sonstigen Nahbereichs zu verbessern (Brudermüller in: Palandt, BGB, 73. Aufl., Einl. GewSchG Rz. 1). Das potentielle Opfer häuslicher oder sonstiger Gewalt soll möglichst umfassend vor Eingriffen in die Rechtsgüter Körper, Gesundheit und Freiheit bzw. diesbezüglichen Drohungen bewahrt werden. Dieser Zweck kollidiert mit dem Gebot, die zu unterbindende Handlung möglichst konkret zu fassen. So werden im Gewaltschutzverfahren als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit deutlich geringere Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit des Antrags gestellt als im ZPO-Verfahren. Hierdurch wird der Antragsteller entlastet (Johannsen/Henrich, Familienrecht - Kommentar, 5. Aufl., § 210 FamFG Rz. 4).

Auch bei Geboten bzw. Verboten nach dem Gewaltschutzgesetz gilt jedoch, dass nur solche Anordnungen zulässig sind, die erforderlich sind. Des Weiteren darf keine Beschränkung darauf erfolgen, die Verletzungshandlung als solche zu untersagen, sondern es sind konkrete Schutzanordnungen zu treffen (Gietl in: Soergel, BGB - Familienrecht 1/2, 13. Aufl., § 1 GewSchG Rz. 50; Krüger in: Münchener Kommentar zum BGB, Familienrecht I, 6. Aufl., § 1 GewSchG Rz. 22). Schließlich muss auch in Gewaltschutzsachen ein Verbot i.S.d. § 1 GewSchG so konkret gefasst sein, dass es für den Fall der Vollstreckung nicht dem Vollstreckungsorgan überlassen bleibt, über die Reichweite des Verbotsausspruchs zu entscheiden (Feskorn in: Zöller, a.a.O. § 87 FamFG Rz. 7).

3.

Auf der Grundlage dieser Maßstäbe hält der Senat vorliegend das Unterlassungsgebot, die Antragstellerin "körperlich zu attackieren" noch für hinreichend bestimmt und damit für vollstreckungsfähig. Der Begriff kann objektiv inhaltlich dahin ausgefüllt werden, dass solche Handlungen untersagt sind, die den Tatbestand der Körperverletzung i.S.d. § 223 Abs. 1 StGB erfüllen. Entsprechendes gilt für die Anordnung der Unterlassung, die Antragstellerin zu beschimpfen. Der Begriff der Beschimpfung ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch inhaltlich dahingehend festgelegt, dass darunter jede gegen den Adressaten gerichtete und ihn in seiner Ehre verletzende Äußerung in Wort, Schrift, Bild oder Gebärde fällt. Angesichts dessen ist hinsichtlich der genannten Anordnungen jeweils gewährleistet, dass etwaige Verletzungshandlungen vom Vollstreckungsorgan zweifelsfrei als solche eingeordnet werden können und Auseinandersetzungen, ob ein bestimmtes Verhalten dem Verbot unterhält oder nicht, nicht zu besorgen sind.

Die der angegriffenen Androhung zugrunde liegende Anordnung des Amtsgerichts, es zu unterlassen, die Antragstellerin zu belästigen, genügt den inhaltlichen Anforderungen an die Bestimmtheit der zu untersagenden Handlung hingegen nicht. Der Begriff der Belästigung ist inhaltlich offen und nach objektiven Kriterien nicht hinreichend konkret einzugrenzen. Je nach Adressat bzw. nach jeweiliger Situation kann ein und dasselbe Verhalten in Bezug auf seine Einordnung als Belästigung unterschiedlich beurteilt werden. Dementsprechend hat die Anordnung, es zu unterlassen, jemanden zu belästigen, keinen vollstreckungsfähigen Inhalt (so auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.09.2007 - 20 WF 104/07 - zitiert nach juris, Rz. 3; Krüger, a.a.O. Rz. 22; Gietl, a.a.O., Rz. 63; Feskorn, a.a.O. Rz. 7; Stöber in: Zöller, § 890 Rz. 8).

Der Beschluss des Amtsgerichts war daher insoweit abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.