OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2013 - VI-2 U (Kart) 1/12
Fundstelle
openJur 2014, 20313
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 17. November 2011 verkündete Urteil der II. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund - 13 O 74/09 Kart - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 228.042,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9. Januar 2009 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten des Verfahrens erster Instanz tragen die Klägerin und die Beklagte zu 1) je zur Hälfte. Die Beklagte zu 1) trägt darüber hinaus die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sowie ihre eigenen außergerichtlichen Kosten. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) trägt die Klägerin.

Die Kosten des Verfahrens zweiter Instanz trägt die Beklagte zu 1).

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des nach diesem Urteil beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht die beitreibende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Gründe

A.

Die Beklagte zu 1) betrieb in den Jahren 2002 bis 2004 ein Stromversorgungsnetz in Dortmund. Die Klägerin ist eine Energieversorgerin, die das Stromverteilnetz der Beklagten zu 1) seit dem Jahr 2002 zur Versorgung ihrer Kunden mit Elektrizität nutzt. Sie verlangt von der Beklagten zu 1) (im Folgenden nur Beklagte) nach Rücknahme ihrer zunächst auch gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klage die Rückzahlung eines Teils der für die Jahre 2003 und 2004 für die Nutzung des Elektrizitätsversorgungsnetzes der Beklagten entrichteten Netznutzungsentgelte. Dem Rechtsverhältnis der Parteien lag kein Rahmenvertrag zugrunde. Die Klägerin zahlte vielmehr an die Beklagte für die Netznutzung Entgelte, denen von der Beklagten veröffentlichte Preisblätter zugrunde lagen, die nach der Verbändevereinbarung Strom II plus berechnet worden waren (Anlage K2, GA 49 bis 54) Preisblätter für die Zeit vom 01.04.2002 bis 31.05.2005). Unter Berücksichtigung der in diesen Preisblättern mit Wirkung ab dem 01.01.2003 und 01.01.2004 festgesetzten Preise zahlte die Klägerin der Beklagten im Jahr 2003 Netznutzungsentgelte in Höhe von insgesamt 147.241,14 € und im Jahr 2004 in Höhe von insgesamt 1.176.307,15 € (Anlage K 3, GA 63). Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.11.2008 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass die von ihr in den Jahren 2003 und 2004 entrichteten Netznutzungsentgelte die in den Preisblättern der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.04.2007 festgesetzten und durch die Bundesnetzagentur genehmigten Netzentgelte erheblich überstiegen, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Preisfestsetzungen in den Jahren 2003 und 2004 unbillig gewesen seien. Sie forderte die Beklagte unter Fristsetzung auf, für das Jahr 2003 einen Betrag in Höhe von 32.778,37 € und für das Jahr 2004 einen solchen in Höhe von 199.362,99 € zurückzuzahlen. Da die Beklagte der Zahlungsaufforderung nicht nachkam, hat die Klägerin am 30.12.2008 in Höhe der vorgenannten Beträge den Erlass eines Mahnbescheids beantragt, der am 06.01.2009 erlassen und der Beklagten am 08.01.2009 zugestellt worden ist. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin im Wege der Klageänderung für das Jahr 2003 einen Erstattungsbetrag in Höhe von 28.679,09 € und für das Jahr 2004 228.700,35 € geltend gemacht und später auf eine Teilforderung in Höhe eines Betrages von 25.211,84 € verzichtet. Zum Sachverhalt im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage auf der Grundlage eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs wegen unbilliger Behinderung nach §§ 33, 20 Abs. 1 GWB stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der sie ihr Klageabweisungsbegehren weiter verfolgt.

Sie rügt, das Landgericht habe zu Unrecht aus "unbilligen" Netznutzungsentgelten im Sinne des § 315 BGB auf eine unbillige Behinderung der Klägerin im kartellrechtlichen Sinne geschlossen und die Darlegungs- und Beweislast verkannt. Auch sei das angefochtene Urteil sowohl im Hinblick auf die Feststellung eines Verschuldens als auch wegen eines der Klägerin entstandenen Schadens rechtsfehlerhaft; ein Vorteilsausgleich sei unberücksichtigt gelassen worden. Die Netzentgelte seien in die Preiskalkulation der Klägerin eingeflossen und auf deren Endkunden abgewälzt worden. Die Ansprüche der Klägerin seien zudem verwirkt. Ihre erstinstanzlich erhobene Einrede der Verjährung hält die Beklagte aufrecht.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und ist insbesondere der Auffassung, dass Verwirkung nicht eingetreten sei, weil sie der Beklagten keinen berechtigten Anlass zu der Annahme gegeben habe, Rückforderungsansprüchen nicht mehr ausgesetzt zu sein. Allein deren Sachvortrag, keine Rückstellungen gebildet zu haben, reiche dafür nicht aus.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

B.

Die Berufung hat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Die Klägerin hat nach § 315 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz BGB in Verbindung mit den Bestimmungen über die ungerechtfertigte Bereicherung (§ 818 Abs. 2, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB) gegen die Beklagte Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Netznutzungsentgelte in Höhe von 28.679,09 € für das Jahr 2003 und in Höhe von 199.362,99 € für das Jahr 2004, insgesamt also von 228.042,08 €. Die darüber hinaus gehende Klage ist unbegründet. Die zuerkannten Nebenforderungen rechtfertigen sich aus §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1, 291 BGB. Das angefochtene Urteil ist hinsichtlich eines Zinstages zu korrigieren. Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche bestehen nicht.

I.

Die Voraussetzungen der § 818 Abs. 2, § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB liegen vor. Die von der Klägerin an die Beklagte in den Jahren 2003 und 2004 geleisteten Netznutzungsentgelte sind teilweise ohne Rechtsgrund gezahlt worden, weil die von der Beklagten vorgenommenen Festsetzungen ihrer Netzentgelte für die Jahre 2003 und 2004 unbillig und unverbindlich sind, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB.

Die nach § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB durch Urteil zu treffende Bestimmung führt dazu, dass das Netznutzungsentgelt ohne Umsatzsteuer für das Jahr 2003 auf 118.558,57 € und für das Jahr 2004 auf 947.633,04 € festzusetzen ist. Da die Klägerin für das Jahr 2003 insgesamt Netznutzungsentgelte in Höhe von 147.241,14 € und für das Jahr 2004 solche in Höhe von insgesamt 1.176.307,15 € gezahlt hat, hat sie für das Jahr 2003 einen Betrag in Höhe von 28.682,57 € (147.241,14 € - 118.558,57 €) und für das Jahr 2004 einen Betrag in Höhe von 228.674,11 € (1.176.307,15 € - 947.633,04 €) rechtsgrundlos geleistet. Hiervon kann die Klägerin indes nur einen Betrag in Höhe von insgesamt 228.042,08 €, nämlich für das Jahr 2003 28.679,09 € und für das Jahr 2004 199.362,99 € von der Beklagten zurückverlangen. Denn für das Jahr 2003 hat sie nur einen Betrag in Höhe von 28.679,09 € geltend gemacht; hinsichtlich ihrer für das Jahr 2004 geltend gemachten Forderung in Höhe von 228.700,35 €, die wegen eines Rechenfehlers auf 228.674,11 € zu korrigieren ist, ist in Höhe eines Betrages von 4.099,28 € Verjährung eingetreten. In Höhe eines weiteren Betrages von 25.211,84 € ist ihre Forderung durch ihren mit Schriftsatz vom 02.11.2010 erklärten Verzicht erloschen.

Im Einzelnen:

1.

§ 315 BGB findet im Streitfall Anwendung. Es schadet nicht, dass die Parteien ihrem Rechtsverhältnis keine vertragliche Absprache zugrunde gelegt haben, sondern die Klägerin das Stromversorgungsnetz der Beklagten lediglich faktisch ab dem Jahr 2002 genutzt hat. Denn die Beklagte hatte im Verhältnis zur Klägerin hinsichtlich der von ihr erhobenen Netznutzungsentgelte nach der im Zeitpunkt der strittigen Netznutzung maßgebenden Bestimmung des § 6 Abs. 1 EnWG 1998 ein gesetzliches Preisbestimmungsrecht (BGH, Urteil vom 04.03.2008, KZR 29/06, Stromnetznutzungsentgelt III, juris Tz. 18 f.). Die Beklagte hat das Bestimmungsrecht ausgeübt, und zwar durch zwei, den Anspruchszeitraum der Jahre 2003 und 2004 abdeckende Preisfestlegungen, welche die Zeiträume vom 01.04.2002 bis zum 31.03.2003 und vom 1.4.2003 bis zum 31.05.2005 betrafen (Anl. K 2, GA 49 ff.).

2.

Die für die Jahre 2003 und 2004 getroffenen Preisbestimmungen der Beklagten sind unbillig. Die Beklagte hat nicht dargelegt, im Sinn des § 315 BGB eine billige Bestimmung über die von ihr in Rechnung gestellten und kassierten Netznutzungsentgelte getroffen zu haben. Nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungs- und Beweislast oblag ihr ein schlüssiger Vortrag dazu, dass die von ihr in den Jahren 2003 und 2004 bestimmten Netznutzungsentgelte unter Berücksichtigung ihrer Kosten für den Netzbetrieb und eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns erforderlich und damit angemessen waren.

a)

Zwar trifft den Netzbetreiber (hier die Beklagte) im Rückforderungsprozess die Darlegungs- und Beweislast für die Billigkeit der erhobenen Entgelte nur, sofern der Netznutzer Zahlungen lediglich unter Vorbehalt geleistet hat (BGH, Urteil vom 18.10.2005 - KZR 36/04, Stromnetznutzungsentgelt I, BGHZ 164, 336 - juris Tz. 19; Urteil vom 07.02.2006 - KZR 8/05, Stromnetznutzungsentgelt II, ZNER 2006, 136 - juris Tz. 19; Urteil vom 04.03.2008 - KZR 29/06, Stromnetznutzungsentgelt III, ZNER 2008, 154 - juris Tz. 27; Urteil vom 20.07.2010 - EnZR 23/09, Stromnetznutzungsentgelt IV, ZNER 2010, 581 - juris Tz. 26 ff.; Urteil vom 15.05.2012 - EnZR 105/10, Stromnetznutzungsentgelt V, NSW BGB § 315 (BGH-intern) - juris Tz. 33). Im Übrigen verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen, nach denen der Bereicherungsgläubiger das Fehlen einer der Billigkeit entsprechenden Leistungsbestimmung darzulegen und zu beweisen hat (BGH, Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5 - juris Tz. 11). Obliegt der darlegungspflichtigen Partei aber der Beweis negativer Tatsachen und steht sie ohne nähere Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs, während der Gegner über ein derartiges Wissen verfügt und ihm nähere Angaben zumutbar sind, finden die Grundsätze der sekundären Darlegungs- und Beweislast Anwendung (BGH, Urteil vom 05.02.2003 - VIII ZR 111/02, BGHZ 154, 5 - juris Tz. 11 m.w.N.). Danach genügt die schlüssige Darlegung und gegebenenfalls der Beweis, dass der vom Schuldner geltend gemachte Rechtsgrund nicht besteht. Den Prozessgegner (hier die Beklagte) trifft dann eine erweiterte Behauptungslast. Im Rahmen des Zumutbaren kann von ihm insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für die positive Tatsache sprechenden Umstände verlangt werden (BGH, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat ihre Zahlungen in den Jahren 2003 und 2004 zwar unstreitig vorbehaltlos erbracht. Da es sich bei denjenigen Tatsachen, die die Leistungsbestimmungen der Beklagten unbillig, weil zu hoch, erscheinen lassen, um negative Tatsachen handelt und insbesondere allein die Beklagte über das erforderliche Wissen um die einer billigen Leistungsbestimmung zugrunde zu legenden Umstände verfügt, obliegt ihr ein substantiiertes Bestreiten, das schlüssigen Vortrag zur Angemessenheit der von ihr in den Jahren 2003 und 2004 erhobenen Netznutzungsentgelte voraussetzt.

b)

Dem hat die Beklagte nicht genügt.

Die Klägerin hat schlüssig und von der Beklagten unbestritten dargelegt, an diese im Jahr 2003 Netznutzungsentgelte in Höhe von insgesamt 147.241,14 € und im Jahr 2004 in Höhe von insgesamt 1.176.307,15 € gezahlt zu haben (Anlage K 3 GA 64). Des weiteren hat sie schlüssig und von der Beklagten unbestritten vorgetragen, die Bundesnetzagentur habe im Rahmen der Regulierung der Netzentgelte mit Wirkung ab dem 01.04.2007 Netznutzungsentgelte genehmigt, die - übertragen auf die Jahre 2003 und 2004 - zu überhöhten Entgelten von durchschnittlich 19,48 % für das Jahr 2003 und von durchschnittlich 19,44 % und für das Jahr 2004 führen (Anlage K 3 GA 64). Aufgrund der engen Vorgaben der Entgeltkontrolle nach den energiewirtschaftsrechtlichen Vorschriften und der damit verbundenen Prüftiefe durch die Regulierungsbehörden stellen die genehmigten Netzentgelte ein gewichtiges Indiz für die Billigkeit und Angemessenheit der genehmigten Entgelte dar (BGH, Urteil vom 20.07.2010 - EnZR 23/09, Stromnetznutzungsentgelt IV, ZNER 2010, 581 - juris Tz. 41 ff.; Urteil vom 15.05.2012 - EnZR 105/10, Stromnetznutzungsentgelt V, NSW BGB § 315 (BGH-intern) - juris Tz. 35).

Diesem Sachvortrag ist die Beklagte, die allein über die für die Bestimmung des zulässigen Preises erforderlichen tatsächlichen Kenntnisse verfügt (vgl. dazu BGH Urteil vom 04.03.2008 - KZR 29/06, Stromnetznutzungsentgelt III, ZNER 2008, 154 - juris Tz. 20; Urteil vom 20.07.2010 - EnZR 23/09, Stromnetznutzungsentgelt IV, ZNER 2010, 581 - juris Tz. 27; Urteil vom 15.05.2012 - EnZR 105/10, Stromnetznutzungsentgelt V, NSW BGB § 315 (BGH-intern) - juris Tz. 33), nicht in dem erforderlichen Maß entgegengetreten. Sie hat nicht dargelegt, dass die von ihr in den Jahren 2003 und 2004 einseitig festgelegten und berechneten Netznutzungsentgelte unter Berücksichtigung ihrer Kosten für den Netzbetrieb und eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns erforderlich und damit angemessen waren. Es oblag ihr, im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr nach ihrer Kalkulation durch den Netzbetrieb in dem maßgeblichen Zeitraum entstanden sind, abzudecken waren und welchen Teil ihrer Einnahmen sie zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des Eigenkapitals mit dem berechneten Preis erzielen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, - Stromnetznutzungsentgelt IV, ZNER 2010, 581 - juris Tz. 33 mwN). Den dafür erforderlichen Vortrag zur Begründung und Rechtfertigung ihrer Preisbestimmung hat die Beklagte nicht erbracht.

3.

Infolge der danach als unterblieben anzusehenden Leistungsbestimmung durch die Beklagte obliegt dem Senat, eine Ersatzleistungsbestimmung - wie bei einer nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung - zu treffen (BGH, Urteil vom 8.11.2011 - EnZR 32/10 - juris Tz. 23, 25).

a)

Der Schätzung legt der Senat die die Beklagte betreffende Entgeltgenehmigung der Bundesnetzagentur zugrunde, nach der die Preisbestimmung der Beklagten mit Wirkung ab dem 01.04.2007 genehmigt worden ist. Die angemeldeten Netzentgelte liegen - wie außer Streit steht - für das Jahr 2003 um 19,48 % und für das Jahr 2004 19,44 % höher, als die mit Wirkung ab dem 01.04.2007 genehmigten Entgelte. Die nach dem Inkrafttreten des EnWG 2005 erstmals durchgeführten Entgeltgenehmigungsverfahren und deren Ergebnis sind eine geeignete Grundlage für die im Wege der Schätzung vorzunehmende Ersatzleistungsbestimmung, die hier die Jahre 2003 und 2004 betreffen. Unter Berücksichtigung einer Zuvielforderung in Höhe von 19,48 % für das Jahr 2003 und 19,44 % für das Jahr 2004 setzt der Senat die angemessene Vergütung für das Jahr 2003 auf 118.558,57 € und für das Jahr 2004 auf 947.633,04 € fest.

Da die Klägerin ihre Rückforderungsansprüche auf dieser Grundlage konkret beziffert hat, kommt es nicht darauf an, dass den ersten Genehmigungsverfahren vor der Bundesnetzagentur eine lediglich rasterhafte Prüfung der Kostenfaktoren zugrunde gelegen hat und nur Prüfungsschwerpunkte gesetzt worden sind, was der Senat in anderen Fällen zum Anlass genommen hat, dem Kürzungssatz einen Zuschlag hinzuzufügen (vgl. Senat, Urteile vom 22.12.2010 - VI-2 ( (Kart) 34/09 und VI-2 U (Kart) 17/09 sowie auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.10.2011 - VI-3 U (Kart) 10/11). Dessen bedarf es hier nicht.

b)

Gemessen an der von der Klägerin begehrten Entgeltkürzung um 19,48 % für das Jahr 2003 und 19,44 % für das Jahr 2004 (Anlage K3 GA 64) hatte sie ursprünglich Anspruch auf Erstattung von 28.682,57 € (19,48 % aus 147.241,14 €) für das Jahr 2003 und von 228.674,11 € (19,44 % aus 1.176.307,15 €) für das Jahr 2004, insgesamt 257.356,68 €. Den in Anlage K3 ausgewiesenen Beträgen liegen sowohl für das Jahr 2003 als auch für das Jahr 2004 geringfügige Rechenfehler zugrunde, die auf die vorstehenden Beträge zu korrigieren sind.

Die der Klägerin für das Jahr 2003 zuzuerkennende Rückforderung beziffert sich gleichwohl nur auf einen Betrag in Höhe von 28.679,09 €, weil sie ihre zunächst im Mahnbescheid geltend gemachte Forderung für das Jahr 2003 in Höhe von 32.778,37 € mit Schriftsatz vom 10. August 2010 (GA 34) ausdrücklich nur in Höhe von 28.679,09 € weiterverfolgt und die Klage damit in Höhe des Differenzbetrages von 4.099,28 € zurück genommen hat (vgl. dazu Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., § 269 Rn. 12 f.).

Für das Jahr 2004 kann die Klägerin nur einen Betrag in Höhe von 199.362,99 € zurück verlangen. Soweit sie mit Schriftsatz vom 10. August 2010 die zunächst im Mahnbescheids auf 199.362,99 € bezifferte Forderung auf einen Betrag in Höhe von 228.700,35 € erhöht hat, der wegen eines in der Berechnung gemäß Anlage K3 enthaltenen Rechenfehlers auf 228.674,11 € zu korrigieren ist, stellt dies zwar eine nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageerweiterung dar. Mit Schriftsatz vom 2. November 2010 hat die Klägerin jedoch auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichtet. Hierbei hat sie die in der Anlage K3 ausgewiesenen Beträge zugrunde gelegt und einen Verzicht in Höhe des Differenzbetrages zwischen der mit Mahnbescheid geltend gemachten Gesamtforderung in Höhe von 232.141,36 € und der mit Schriftsatz vom 10. August 2010 im Wege der Klageerweiterung geltend gemachten Gesamtforderung von 257.379,44 €, die wegen mehrerer geringfügiger Rechenfehler auf einen Gesamtbetrag von 257.356,68 € zu korrigieren ist, erklärt. Der sich hieraus errechnende Betrag in Höhe von 25.215,32 € ist wegen eines Rechenfehlers in der Anlage K3 für das Jahr 2003 um einen Betrag von 3,48 € zu korrigieren, so dass sich der erklärte Verzicht auf einen Betrag von 25.211,84 € beziffert. Einen Verzicht in dieser Höhe hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Senatstermin am 12. Dezember 2012 ausdrücklich bestätigt. In Höhe eines Betrages von 4.099,28 € ist - wie unter Ziffer I. 5 ausgeführt wird - Verjährung eingetreten (228.674,11 € - 25.211,84 € - 4.099,28 € = 199.362,99 €).

4.

Die Rückzahlungsansprüche der Klägerin sind nicht gemäß § 242 BGB verwirkt. Es fehlt an dem für die Verwirkung erforderlichen Zeit- und Umstandsmomenten. Der Zeitraum von knapp drei Jahren seit dem Entstehen etwaiger Bereicherungsansprüche genügt in zeitlicher Hinsicht nicht, weil er nicht länger als die dreijährige Verjährungsfrist ist (Senat, Beschluss vom 25.04.2007, VI-2 U (Kart) 9/06 - juris Tz. 10; Palandt, BGB, 66. Aufl., § 242 BGB, Rdnr. 87, 90 m.w.N.).

Dem Umstandsmoment steht nicht entgegen, dass die Klägerin, wie zunächst mit Schriftsatz vom 03.12.2009 behauptet, die strittigen Zahlungen unter Vorbehalt geleistet hat, weil der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten in deren Schriftsatz vom 21.10.2009, wonach die Klägerin mit Schreiben vom 06.11 2002 einen Vorbehalt erklärt haben soll, ersichtlich unzutreffend war. Mit Schriftsatz vom 09.08.2010 und im Termin vor dem Senat hat die Beklagte vielmehr klargestellt, bei diesem Vortrag versehentlich einen aus einem anderen Rechtsstreit stammenden Textbaustein verwendet zu haben. Soweit die Klägerin diesen offensichtlich unzutreffenden Sachvortrag zunächst unstreitig gestellt hat, hat auch sie sich im Termin am 12. Dezember 2012 korrigiert. Hierauf kommt es im Ergebnis auch nicht an, weil die Voraussetzungen der Verwirkung selbst dann nicht vorliegen, wenn ein Vorbehalt der Klägerin nicht erklärt worden ist. Der Beklagten war nach ihrem eigenen Vortrag bereits seit dem Jahr 2000 die Diskussion um die Höhe der Netzentgelte bekannt. Auch erhielt sie nach eigenem Vorbringen Vorbehaltserklärungen anderer Stromkunden und wusste, dass sich Stromkunden seit dem Jahr 2003 im Klagewege gegen überhöhte Netzentgelte gewehrt hatten. Darüber hinaus muss auch davon ausgegangen werden, dass ihr als regional marktbeherrschende Netzbetreiberin der 15. Hauptbericht der Monopolkommission 2202/2003, veröffentlicht im Juli 2004 (http://www. monopolkommission.de/haupt_15/sum_h15_ de.pdf), in dem das Thema der missbräuchlich überhöhten Netznutzungsentgelte behandelt worden ist, zeitnah bekannt wurde. Bei einer solchen Sachlage hatte die Beklagte keinen Anlass zu der Annahme, dass Stromkunden, die keinen Vorbehalt erklärt haben - wie hier - möglicherweise überhöht gezahlte Netzentgelte zumindest bis zum Ablauf von Verjährungsfristen unangefochten lassen würden. Dies gilt auch im Hinblick auf selbst von der Beklagten entrichtete Entgelte an vorgeschaltete Netzbetreiber, die sie unabhängig von Beanstandungen eigener Netzkunden bei dieser Sachlage einer eigenen Angemessenheitsprüfung zur Wahrung eigener Rechte unterziehen musste. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht dargelegt, ihr eigenes Verhalten im Vertrauen auf das Verhalten der Klägerin, diese werde ihre Rechte nicht mehr geltend machen, eingerichtet zu haben und im Hinblick darauf z. B. außerordentliche Aufwendungen, insbesondere Investitionen in den Erhalt ihres Stromnetzes getätigt zu haben, die ihr eine Rückzahlung der Beträge unmöglich machen bzw. eine mit den Grundsätzen von Treu und Glauben unvereinbare Härte darstellen.

5.

Die Grundsätze der Vorteilsausgleichung finden auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung grundsätzlich keine Anwendung (BGH Urt. v. 04.12.2007, XI ZR 227/06 - juris Tz. 34; BGH Urt. v. 05.11.2002, XI ZR 381/01 - juris Tz. 26; BGH Urt. v. 21.12.1961, III ZR 130/60 - juris Tz. 23, 24; OLG München Urt. v. 20.05.2010, U (K) 465/09 - juris Tz. 70).

6.

Die Forderungen der Klägerin in Höhe von 28.679,09 € für das Jahr 2003 und in Höhe von 199.362,99 € für das Jahr 2004 sind auch nicht verjährt. Da sie das Stromnetz der Beklagten unstreitig erst ab dem Jahr 2002 genutzt hat, richtet sich die Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche wegen zu viel gezahlter Netznutzungsentgelte nach den Verjährungsvorschriften des BGB in seiner ab dem 01.01.2002 geltenden Fassung. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt sie mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen sowie der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Entstanden sind die bestehenden Bereicherungsansprüche der Klägerin sukzessive in den Jahren 2003 und 2004, weil sie die strittigen Zahlungen als Abschlagszahlungen während der jeweiligen Abrechnungsperiode erbrachte. Wie der Senat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits im Beschluss vom 25.04.2007, VI-2 U (Kart) 9/06, entschieden hat, kann der Verjährungsbeginn wegen Rechtsunkenntnis ausnahmsweise dann herausgeschoben sein, wenn die Rechtslage unübersichtlich oder zweifelhaft ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 25.04.2007 - VI-2 U (Kart) 9/06 - juris Tz. 2 unter Bezugnahme auf BGH NJW-RR 2005, 1148, 1149). So liegt der Fall auch hier. Der Lauf der Verjährungsfrist begann erst mit der Veröffentlichung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 18. Oktober 2005. Erst mit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 5. Juli 2005, X ZR 99/04, vom 18. Oktober 2005, KZR 36/04, und vom 7. Februar 2006, KZR 8/05 und KZR 24/04, ist nämlich auch für Stromnetznutzungsentgelte die Frage abschließend geklärt worden, dass diese der gerichtlichen Billigkeitskontrolle in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 3 BGB unterliegen. In der Literatur und Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung wurde bis dahin demgegenüber die Auffassung vertreten, nur in den Fällen der sogenannten unmittelbaren Daseinsvorsorge sei dem stromabnehmenden Endabnehmer (Endverbraucher) eine gerichtliche Billigkeitskontrolle der Strompreise nach § 315 Abs. 3 BGB überhaupt eröffnet. Nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB begann die dreijährige Verjährungsfrist damit am 01.01.2006 und endete nach § 195 BGB am 31.12.2008. Da der am 06.01.2009 erlassene Mahnbescheid der Klägerin der Beklagten am 08.01.2009 zugestellt worden ist, ist die mit Ablauf des 31.12.2008 eintretende Verjährung nach §§ 696 Abs. 3, 167 ZPO, 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB durch die Einreichung des Mahnantrags am 30.12.2008 rechtzeitig gehemmt worden.

Verjährung ist allerdings hinsichtlich eines über die für das Jahr 2004 zuerkannten 199.362,99 € hinaus gehenden Betrages von 4.099,28 € eingetreten. Für das Jahr 2004 hat die Klägerin zunächst mit Mahnbescheid vom 06.01.2009 einen Betrag in Höhe von 199.362,99 € geltend gemacht, den sie mit Schriftsatz vom 10. August 2010 auf einen Betrag in Höhe von 228.700,35 € erweitert hat. Wegen eines dabei unterlaufenen Rechenfehlers ist dieser Betrag auf 228.674,11 € zu korrigieren. Hierauf hat sie einen Verzicht in Höhe von 25.211,84 € erklärt, so dass sie für das Jahr 2004 zuletzt einen Rückforderungsanspruch in Höhe von 203.462,27 € geltend gemacht hat. Da sie ihre Klageerweiterung jedoch erst mit Schriftsatz vom 10. August 2010 eingereicht hat, ist hinsichtlich ihrer Mehrforderung gegenüber dem Mahnbescheid Verjährung eingetreten.

II.

Kartellrechtliche Schadensersatzansprüche aus § 33 Abs. 3 Satz 1 GWB bestehen nicht. Nach § 6 Abs. 1 Satz 6 GWB in den hier einschlägigen Fassungen vom 01.01.2002 bis zum 12.07.2005 bleiben Ansprüche aus §§ 19, 20 GWB von den energiewirtschaftsrechtlichen Regelungen unberührt. Schadensersatzansprüche bestehen gleichwohl nicht. Denn unabhängig davon, ob im Streitfall von einem Wettbewerbsverstoß der Beklagten ausgegangen werden muss, hat die Klägerin den von ihr behaupteten Schaden nicht schlüssig dargetan.

Soweit sie diesen im Verfahren erster Instanz zunächst konkret gemäß § 249 BGB berechnet und in Höhe der überhöht gezahlten Netznutzungsentgelte an die Beklagte beziffert hat, steht darauf gestützten Ersatzansprüchen nach ihrem eigenen Sachvortrag ein ihr in gleicher Höhe zugeflossener Vorteil entgegen. Denn in ihrer Berufungserwiderung hat sie ausgeführt, dass sie die ihr durch die überhöhten Netzentgelte entstandenen Mehrkosten an ihre Endkunden hat weitergeben können. Wegen des als unstreitig zugrunde zu legenden Sachverhalts kommt es im Streitfall auf Fragen der Darlegungs- und Beweislast im Sinne des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 28.06.2011(KZR 75/10 "ORWI") nicht an.

Soweit die Klägerin in der Berufungserwiderung darüber hinaus von einer konkreten Schadensberechnung abgerückt und zur Geltendmachung entgangenen Gewinns (§ 252 BGB) übergegangen ist, ist ihr Vorbringen gleichfalls unschlüssig. Denn entgangener Gewinn ist abstrakt zu berechnen. Für sie als in einer Lieferkette stehende Händlerin errechnet sich dieser nicht allein aus dem Differenzbetrag zwischen den an die Beklagte überhöht gezahlten, tatsächlich aber nur geschuldeten angemessenen Netzentgelten. Die Gewinnberechnung in einer Lieferkette setzt vielmehr auch die Einbeziehung des eigenen Absatzmarktes voraus. Zur schlüssigen Darlegung entgangenen Gewinns hätte es deshalb der konkreten Darlegung der den Endkunden in Rechnung gestellten Strompreise, der hierfür von der Klägerin aufgebrachten Kosten und dabei erzielten Gewinnmargen bedurft, die einer fiktiven Preiskalkulation - ausgehend von den angemessenen, niedrigeren Netznutzungsentgelten - gegenüber zu stellen gewesen wären. Ein solcher Sachvortrag ist nicht erbracht. Eines erneuten Hinweises durch den Senat bedurfte es nicht, weil die Schadensproblematik im Streitfall auch im Hinblick auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.06.2011 (KZR 75/10 "ORWI") sowohl in den vorbereitenden Schriftsätzen der Parteien im Berufungsverfahren als auch im Termin vor dem Senat am 12. Dezember 2012 erörtert worden ist.

III.

Die zuerkannten Forderungen sind nach § 286 Abs. 1 Satz 2, § 288 Abs. 1 und § 291 BGB mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 09.01.2009 zu verzinsen. Soweit das Landgericht Zinsen ab dem 08.01.2009 zuerkannt hat, ist das angefochtene Urteil in entsprechender Anwendung des § 187 Abs. 1 BGB zu korrigieren (vgl. BGH, NJW-RR 1990, 519 - juris Tz. 25;Palandt-Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 187 Rn. 1 a.E.).

C.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).

Streitwert für das Berufungsverfahren: bis zu 260.000,- €

Dicks Rubel Brackmann