OLG Hamm, Beschluss vom 07.08.2014 - 10 UF 115/14
Fundstelle
openJur 2014, 20146
  • Rkr:

Ein gerichtlich gebilligter Vergleich (§ 156 Abs. 2 FamFG) ist mit der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG anfechtbar.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Höxter vom 15.05.2014 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,- € festgesetzt.

Gründe

I.

Die am xx.xx.2007 geborene N ist das Kind des Antragstellers (Vater) und der Antragsgegnerin (Mutter). Das Kind lebt bei der Mutter. Der Umgang mit dem Vater ist in dem Verfahren 6 F 362/12 AG Höxter dahingehend geregelt worden, dass das Kind ihn 1 x wöchentlich in der Zeit von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr besucht. Ende 2013 kam es bei der Durchführung des Umgangs zu Problemen, die letztendlich dazu führten, dass das Kind den Vater seit Februar 2014 nur noch 1 x wöchentlich für die Dauer von 2 Stunden besuchte.

Daraufhin leitete der Vater ein Vermittlungsverfahren nach § 165 FamFG ein. Für das Kind wurde ein Verfahrensbeistand bestellt. Im Anhörungstermin vor dem Familiengericht schlossen die Beteiligten (Kindeseltern, Jugendamt) am 13.05.2014 einen Vergleich, nach dem Umgangskontakte zwischen Kind und Vater alle zwei Wochen samstags in der Zeit von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr stattfinden sollten. Auch der im Anhörungstermin nicht anwesende Verfahrensbeistand hatte sich - nach einem vorherigen Gespräch mit dem Kind - in der Stellungnahme vom 12.05.2014 für diese Regelung ausgesprochen.

Durch Beschluss vom 15.05.2014 hat das Familiengericht den Vergleich nach § 156 Abs. 2 FamFG gebilligt. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Vaters, mit der er beantragt, den Beschluss "rückgängig zu machen".

II.

Die nach §§ 58 ff. ZPO zulässige Beschwerde des Vaters ist unbegründet.

1.

Allerdings ist streitig, ob ein Beschluss, mit dem die einvernehmliche Regelung zum Umgang des Kindes nach § 156 Abs. 2 FamFG gerichtlich gebilligt wird, überhaupt anfechtbar ist (bejahend Hammer FamRZ 2011, 1268; Cirullies ZKJ 2011, 448; verneinend OLG Nürnberg FamRZ 2011, 1533; MünchKomm-Schumann, FamFG, § 156 Rn. 27). Nach Auffassung des Senats ist die Anfechtbarkeit zu bejahen.

Nach § 58 Abs. 1 FamFG findet die Beschwerde gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte statt. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, die gerichtliche Billigung nach § 156 Abs. 2 FamFG sei keine Endentscheidung. Es genüge daher, ins Protokoll aufzunehmen, dass der Vergleich auf Vorschlag bzw. mit Billigung des Gerichtes geschlossen worden sei und dass anschließend ein Hinweis auf die Vollstreckbarkeit des Vergleichs nach § 89 Abs. 2 FamFG protokolliert werde; dementsprechend sei der gerichtlich gebilligte Vergleich nicht anfechtbar. Die wohl überwiegende Auffassung geht hingegen davon aus, dass die gerichtliche Billigung durch Endentscheidung in Form eines Beschlusses erfolgen muss, die auch den Hinweis auf die Vollstreckbarkeit nach § 89 Abs. 2 FamFG enthält. Der gerichtlich gebilligte Vergleich wäre damit konsequenterweise gemäß § 58 FamFG durch Beschwerde zum OLG anfechtbar (vgl. zum Meinungsstand: Schlünder FamRZ 2012, 9, 12; Hammer FamRZ 2011, 1268, 1271; Cirullies ZKJ 2011, 448, 450).

Der letztgenannten Auffassung ist zuzustimmen. Eine Endentscheidung i. S. der §§ 38, 58 FamFG liegt vor, wenn mit ihr der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird. Dies aber ist bei der gerichtlichen Billigung eines Vergleiches nach § 156 Abs. 2 FamFG der Fall. Denn erst durch die gerichtliche Billigung wird der Vergleich gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG zu einem vollstreckungsfähigen Titel. Nur durch sie wird das Umgangsverfahren als Amtsverfahren, über dessen Regelungsgegenstand die Eltern weder materiell noch verfahrensrechtlich verfügen können, erledigt (zutr. Hammer, a.a.O.). Demzufolge hat der Beschluss nach § 156 Abs. 2 FamFG nicht lediglich deklaratorische, sondern vielmehr konstitutive Wirkung. Die gerichtliche Billigungsentscheidung hat auch deshalb nicht lediglich deklaratorische Wirkung, weil ihr eine materielle Kindeswohlprüfung zugrunde liegt; denn nach § 156 Abs. 2 S. 2 billigt das Gericht die Umgangsregelung (nur dann), wenn sie dem Kindeswohl nicht widerspricht (sog. negative Kindeswohlprüfung). Durch die Billigung wird ferner durch das Gericht festgestellt, dass das erforderliche Verfahren eingehalten wurde, insbesondere die erforderlichen Anhörungen erfolgt sind. Dafür, dass die gerichtliche Billigung eine rechtsmittelfähige Endentscheidung ist, spricht schließlich auch, dass in ihr zur Regelung des Umgangs, wie er vorliegend geschlossen wurde, eine Belehrung gemäß § 89 Abs. 2 FamFG aufzunehmen ist, deren Unterlassen mit der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG anfechtbar ist (so BVerfG FamRZ 2011, 957). Es ist nicht einzusehen, warum die dieser Belehrung zugrunde liegende (Haupt-)Entscheidung nicht ebenfalls anfechtbar sein soll.

2.

Ein gerichtlich gebilligter Vergleich nach § 156 Abs. 2 FamFG kann deshalb mit der Begründung angefochten werden, dass der Vergleich dem Kindeswohl widerspricht, ein Verfahrensbeteiligter nicht oder nicht wirksam zugestimmt hat oder der Vergleich nicht hinreichend bestimmt ist. Daran gemessen bleibt die Beschwerde des Vaters ohne Erfolg.

a.

Das Umgangsrecht eines Elternteils steht ebenso wie die elterliche Sorge des anderen Elternteils unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG. Beide Rechtspositionen erwachsen aus dem natürlichen Elternrecht und der damit verbundenen Elternverantwortung und müssen von den Eltern im Verhältnis zueinander respektiert werden. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, muss demgemäß grundsätzlich den persönlichen Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil ermöglichen. Können sich Eltern über die Ausübung des Umgangsrechts nicht einigen, haben die Richter eine Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes und dessen Individualität als Grundrechtsträger berücksichtigt. Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen (BVerfG FamRZ 2007, 1078). Damit ist für jedes Kind in der jeweiligen Situation der Umgang zu regeln, so dass kein "Standardumgang" angeordnet werden darf. Über die Häufigkeit der Besuchskontakte entscheiden zunächst wiederum die Eltern. Können sie sich nicht einigen, ist sicherzustellen, dass regelmäßige und nicht zu seltene Kontakte persönliche Bindungen erhalten und fördern, wobei Abstufungen nach dem Alter des Kindes und seinem Zeitempfinden nötig sind. Maßgebliche Kriterien zur Bestimmung des richtigen Maßes an Umgang sind das Alter und die Belastbarkeit des Kindes, die Qualität der Bindungen des Kindes zu dem Umgangsberechtigten, das Verhältnis der Eltern zueinander, die sonstigen Bindungen des Kindes und der Eltern sowie die Entfernung der Wohnorte von umgangsberechtigtem und betreuendem Elternteil.

Dass mit der hier getroffenen Regelung eines Umgangs "alle zwei Wochen samstags in der Zeit von 9:00 Uhr bis 17:00 Uhr" und der Aufrechterhaltung der Tätigkeit der im Verfahren 6 F 362/12 bestellten Umgangspflegerin dem Wohl des Kindes nicht Rechnung getragen worden ist, ist nicht erkennbar. Immerhin haben alle Beteiligten des Vermittlungsverfahrens - auch der anwaltliche vertretene Vater - sich im Anhörungstermin auf diese Umgangsregelung verständigt, sie in einen Vergleich umgesetzt und diesen, nachdem er laut diktiert und vorgespielt wurde, genehmigt. Wie sich dem Bericht des Verfahrensbeistandes vom 12.05.2014 entnehmen lässt, entspricht die Regelung auch dem ausdrücklichen Willen des Kindes. Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass diese einfach gehaltene Regelung die "Auffassungsgabe" des Vaters überstiegen haben könnte, wie er in seiner Beschwerdebegründung geltend macht, sind nicht erkennbar; demzufolge bestehen keine Zweifel daran, dass der Vater dem Vergleich wirksam zugestimmt hat. Das gerichtliche Vermittlungsverfahren war schließlich auch in seiner Ausgestaltung geeignet und angemessen, um der Durchsetzung der materiellen Grundrechtspositionen der Beteiligten wirkungsvoll zu dienen. Die Kindeseltern und das Jugendamt sind im Termin angehört worden, die Stellungnahme des Verfahrensbeistandes wurde berücksichtigt; dass nicht auch das Kind persönlich angehört wurde, ist unschädlich, weil in § 165 Abs. 2 FamFG die Beteiligung und die Anhörung des Kindes nicht ausdrücklich vorgesehen ist.

3.

Der Senat sieht von der Durchführung eines Anhörungstermins ab, da das Familiengericht einen solchen bereits durchgeführt hat und Umstände, die dafür sprechen, dass eine erneute Vornahme zusätzliche Erkenntnisse bringen würde, nicht vorliegen (§ 68 Abs. 3 FamFG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG und die über die Festsetzung des Verfahrenswertes auf § 45 Abs. 1 Nr. 2 FamGKG.