LG Freiburg, Urteil vom 07.03.2013 - 3 KLs 160 Js 4771/10 AK 12/11
Fundstelle
openJur 2014, 20042
  • Rkr:
Tenor

1. Der Angeklagte A. ist schuldig des sexuellen Missbrauchs von Kindern in drei Fällen und des Besitzes jugendpornographischer Schriften.

Er wird deswegen zu einer

Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr

verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

2. Im Übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.

3. Der Angeklagte B. wird freigesprochen.

4. Die Einziehung eines sichergestellten Diapositivs (Band V, AB. 103, Bild unten) wird angeordnet.

5. Der Angeklagte A. hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen, soweit er verurteilt wurde; soweit er freigesprochen wurde, fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last.

Hinsichtlich des Angeklagten B. trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

6. Der Maßstab für die in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft wird auf 1:1 festgesetzt.

Angewendete Vorschriften:

§§ 176 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 10. März 1987, 184 c Abs. 4 Satz 1, 7 Abs. 2 Nr. 1, 53 StGB, Art. 197.4 Ziffer 3bis des Schweizerischen StGB

Gründe

I.

Persönliche Verhältnisse und Werdegang beider Angeklagten:

II.

1. C. lernte etwa Anfang der 90er-Jahre im Rahmen eines Astrologiekurses bei der Volkshochschule in … den Angeklagten A. kennen, der Leiter des Kurses war. Im weiteren Verlauf entwickelte sich zum Einen eine gewisse Freundschaft zwischen beiden, zum Anderen absolvierte C. auch eine Therapie beim Angeklagten. Ab einem nicht mehr genau bestimmbaren Zeitpunkt im Jahre 1994 überließ C. dem Angeklagten ihre beiden Söhne D. (geboren … 1986) und E. (geboren … 1988) wiederholt zur Aufsicht – mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen der damaligen Berufstätigkeit von C. nachmittags. An diesen Tagen besuchte der Angeklagte A. mit den beiden Brüdern, deren Alter ihm bekannt war, das … Bad, unternahm mit ihnen unterschiedliche Aktivitäten oder hielt sich mit ihnen in seiner damaligen Wohnung und Praxis in der ... in Y. auf. Weit überwiegend waren dabei der Angeklagte A. und D. und E. nackt in der Wohnung, was der inneren Überzeugung des Angeklagten entsprach, der insbesondere die von ihm als verklemmt empfundene Sexualmoral der Gesellschaft und deren für ihn pervertierten Begriff von Scham anprangerte. Bei den Besuchen kam es auch häufig vor, dass der Angeklagte mit beiden Brüdern – jeweils unbekleidet - auf einem großen Bett der Wohnung lag, um die beiden Kinderfilme im Fernseher ansehen zu lassen.

An mindestens drei, im Einzelnen nicht mehr genau bestimmbaren Tagen in dem Zeitraum zwischen Anfang 1994 und Ende 1996 kam es beim Betrachten von Kinderfilmen auf dem bereits beschriebenen Bett in der Wohnung in F. zu Übergriffen des Angeklagten A., der - die Nacktheit der Kinder und deren Ablenkung durch den Fernseher ausnutzend - das Glied von E. über einen nicht nur kurzen Zeitraum massierte, um damit sich selbst sexuell zu stimulieren.

2.

Der Angeklagte A. bewahrte bei einer am 28. Mai 2010 erfolgten Durchsuchung der von ihm genutzten, seinem Lebenspartner F. gehörenden Ferienwohnung in CH-Z., … in einem in einer Schublade verstauten Mäppchen neben anderen Diapositiven auch ein Diapositiv als Erinnerungsstück auf, auf dem ein nicht bekannter Jugendlicher im Alter zwischen 14 und noch nicht 16 Jahren nackt allein in einem Raum abgebildet ist, der – rücklings auf einem Bett liegend - seinen entblößten Anus der Kamera (in aufreizender Pose) entgegen hält, wobei er mit seinen Händen die nach oben gestreckten Beine grätschenartig seitlich abspreizt und der dadurch gut sichtbare After betont wird. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Abbildung dieses Diapositives in den Hauptakten Band V, Aktenseite 103, unteres Bild verwiesen. Dieses Diapositiv hatte der Angeklagte bereits in seiner Y.er Wohnung in der in diesem Mäppchen verwahrt und bei seinem im Jahre 2006 erfolgenden Umzug in die Schweiz mitgenommen und seitdem dort in einer Schublade deponiert.

III.1.

Die Feststellungen der Kammer zu den persönlichen Verhältnissen und zum Werdegang der Angeklagten beruhen …

2.

Der Angeklagte A. hat die Vorwürfe von sich gewiesen und zusammengefasst erklärt, sexueller Missbrauch von Kindern sei ein Verbrechen, das er verabscheue. Nun werde er eines solchen Verbrechens bezichtigt, es würden ihm Handlungen vorgeworfen, die er selbst als ungeheuerlich empfinde. Er habe faktisch keine Chance, sich gegen diese Vorwürfe wirksam zu wehren, weil nur er und die Zeugen selbst wüssten, was tatsächlich passiert sei und was gelogen bzw. (nachträglich) hinzuphantasiert sei. Es sei ihm ein Bedürfnis zu betonen, dass er an sexuellen Interaktionen mit Kindern kein Interesse habe. Seine Liebe zu Kindern sei nicht sexuell motiviert. Er empfinde die Vorstellung, zum Beispiel einem Kind auf seinen Körper zu ejakulieren, als einfach nur widerlich.

Hinsichtlich des angeklagten Vorwurfs des Besitzes zweier bestimmter Diapositive, die – wie der Zeuge KHK G. berichtete - in einer Geldbörse des Angeklagten A. am 28. Mai 2010 in der von ihm benutzten Schweizer Ferienwohnung in Z. aufgefunden wurden, hat der Angeklagte A. den Umstand des Vorhandenseins dieser Bilder in der Schweizer Ferienwohnung in Z. in einem „Mäppchen“ eingeräumt. Seit seinem Umzug 2006 in die Schweiz hätte das „Mäppchen“ mit den Diapositiven unbenutzt in einer „Kruschtelschublade“ in seiner Schweizer Wohnung in Z. gelegen. Er habe sein „sämtliches Hab und Gut“ mit nach Z. genommen. Darunter sei auch das besagte „Mäppchen“ gewesen. An das Mäppchen selbst erinnere er sich in diesem Zusammenhang zwar nicht konkret. Da er aber alles mitgenommen habe, müsse es dabei gewesen sein. Der Inhalt des Mäppchens seien „Erinnerungsfotos“ gewesen. Die beiden fraglichen Diapositive seien um 1980 aufgenommen worden. Auf ihnen sei das Pflegekind seiner damaligen Lebensgefährtin, H., abgebildet. Die Aufnahmen seien auf dessen Wunsch hin aufgenommen worden. Nachdem H. erwachsen gewesen sei, sei er damit einverstanden gewesen, dass A. die Bilder weiter aufhebe.

3. Die Kammer hält die Angaben des Zeugen E., mit denen dieser den Angeklagten im Sinne der obigen Feststellungen belastet hat, für glaubhaft.

a) Angaben von E.:

Zusammengefasst schilderte dieser in der Hauptverhandlung, dass A. auf ihn und seinen Bruder einige Zeit aufgepasst und viel mit ihnen unternommen habe. Dies habe auch überwiegend Spaß gemacht. Oft seien sie - der Angeklagte A., sein Bruder und er - in der Wohnung in der … nackt herumgelaufen. Ebenso häufig hätten sie nackt auf einem großen Bett gelegen und ferngesehen - in der Regel Kindersendungen, wie zum Beispiel „Die Gummibärenbande“. Dabei sei auch A. nackt gewesen. Bei diesen Gelegenheiten habe A. dann seinen – E´s - Penis angefasst und massiert. Wörtlich erklärte der Zeuge: „Er hat mich angefasst und rumgespielt an meinem Glied. Ich würde es massieren nennen“. Dies sei schon länger gewesen, A. habe ihn nicht nur kurz angefasst, vielmehr „schon richtig angefasst, auch Bewegungen dabei gemacht“. Dies sei häufiger gewesen, nicht nur einmal. Auf die Frage, ob er sagen könne, wie oft es mindestens gewesen sei, wiederholte er „mindestens“ und schob nach kurzer Bedenkzeit nach: „Ich kann keine Zahl nennen, das wäre nicht fair! Aber es war häufig, auf jeden Fall mehr als zweimal!“. Er wisse, „dass wir ferngeguckt“ haben und der Angeklagte dies dann für seine Übergriffe ausgenutzt habe. Dies sei auf einem großen Bett vor einem Fernseher gewesen. Allerdings sei ihm nicht mehr erinnerlich, ob der Angeklagte auch seinen Bruder angefasst habe.

b) Entstehungsgeschichte der Aussage:

Der Zeuge E. hat sich – wie der Zeuge KHK G. berichtet hat - nicht selbst bei der Polizei gemeldet und auch zunächst nicht beabsichtigt, eine Anzeige gegen den Angeklagten A. zu erstatten. Vielmehr war seine Tante, I., zufällig eine Freundin von J. der früheren Partnerin des Mitangeklagten B., deren gemeinsamer Sohn K. sich auch häufig bei A. aufgehalten hatte, jedoch nie zusammen mit den Gebrüdern D. und E. Von I. wusste J., dass auch die Söhne ihres Bruders – mithin D. und E. – durch A. über einen längeren Zeitraum betreut worden waren und einer dieser Söhne – E. – ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr dort habe hingehen wollen. Nachdem sie diese Information erhalten hatte, wendete sich J. an den ermittelnden Polizeibeamten KHK G. Diesem nannte sie die Neffen von I. als mögliche weitere Geschädigte des Angeklagten A. Hierauf wurde E. vom Zeugen KHK L. telefonisch geladen und am 26. Oktober 2010 vernommen. Zuvor hatte E. gegenüber seiner Familie gar nichts von den Übergriffen erwähnt. Einer Freundin und seinem besten Freund hatte er nach eigenen Angaben lediglich pauschal erklärt, dass es zu einem Missbrauch gekommen ist, ohne konkretere Angaben zu machen. Mit seinem Bruder D., der selbst eine Vernehmung durch die Polizei ablehnte, sprach er nach seiner Erinnerung erstmals nach der polizeilichen Aussage vom 26. Oktober 2010 über die Übergriffe, indem er diesem von seiner polizeilichen Aussage berichtete. Der Zeuge D. meinte zwar, er habe bereits nach der polizeilichen Vorladung seines Bruders mit E. über den Missbrauch durch den Angeklagten A. gesprochen, jedoch nur pauschal. Er, D., habe nicht daran rühren wollen, solange sein Bruder nicht darüber gesprochen habe. E. habe gesagt, dass er aussagen wolle, nicht aber, dass A. bestraft werden solle.

K., den Sohn von J., kannte E. ebenso wenig wie sein Bruder. Mit diesem hatten die Brüder zu keinem Zeitpunkt Kontakt. Diese Entstehungsgeschichte spricht aus Sicht der Kammer dagegen, dass vor seiner polizeilichen Aussage – deren Inhalt er in der Hauptverhandlung dann konstant aufrechterhalten hat – Einfluss auf sein Aussageverhalten genommen wurde. Anhaltspunkte für eine suggestive Beeinflussung des Zeugen E. oder gar eine etwaige Absprache des Aussageverhaltens bestanden mithin für die Kammer nicht.

c) Aussageverhalten:

Wie bereits erwähnt, ist der Zeuge E. nicht aus eigenem Antrieb zur Polizei gegangen, bei der er bereits ohne jeden Belastungseifer ausgesagt hat. Dieses Verhalten setzte sich auch im Rahmen der Hauptverhandlung fort, in der er ruhig, gelassen und authentisch Angaben machte. Dabei zeigte er ein differenzierendes Aussageverhalten und betonte auch, dass die Aktivitäten, die A. mit seinem Bruder und ihm unternommen habe, durchaus auch „Spaß“ gemacht hätten. Dass der Angeklagte ihn auch am Penis angefasst und dort manipuliert habe, habe er damals „als nicht schlimm“ empfunden, wie er im Übrigen auch bereits im Rahmen seiner polizeilichen Aussage betonte. Heute bewerte er dies allerdings anders. E. hat auch ganz klar danach differenziert, was er erinnert und was er nicht erinnert. Schon bei der Polizei hat er mit der Antwort „ich glaube ja“ auf die Frage, ob der Angeklagte auch den Penis seines Bruders massiert habe, darauf hingedeutet, dass er sich insoweit nicht sicher sei. In der Hauptverhandlung hat er dann ausdrücklich erklärt, ihm sei nicht mehr erinnerlich, ob der Angeklagte auch D. angefasst habe. Er könne sich auch nicht an einen Oralsex zu seinem Nachteil erinnern. Aggravierungen in der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung waren zudem durchgängig nicht festzustellen. Schon im Rahmen seiner über den Vernehmungsbeamten, den Zeugen KHK L., in die Hauptverhandlung eingeführten polizeilichen Aussage hatte der Zeuge E. im Übrigen betont, dass es allein wiederholt zu massierenden Manipulationen durch den Angeklagten A. an seinem (des Zeugen) Glied durch das Ausnutzen der Situation beim gemeinsamen nackten Fernsehen in der Wohnung des Angeklagten gekommen sei, an Oralverkehr zu seinem Nachteil oder eine Erektion bei sich oder dem Angeklagten konnte er sich indes bereits bei der Polizei nicht erinnern.

d) Vorhandensein eines Motives zur Falschbelastung?

Ein solches war bei dem Zeugen E. für die Kammer nicht zu erkennen. Warum der Zeuge den Angeklagten A. zu Unrecht des sexuellen Missbrauchs zu seinem Nachteil bezichtigen sollte, war für die Kammer in keiner Form ersichtlich.

e) Inhaltsanalyse der Aussage

Die Kammer hat nicht übersehen, dass die Aussage von E. recht knapp und nicht sehr detailreich ist. Er war sich jedoch in der Hauptverhandlung – wie bereits bei der Polizei – sicher, dass er immer wieder in der Wohnung von A. zusammen mit diesem und seinem Bruder Kindersendungen auf einem großen Bett angesehen habe, wobei alle nackt gewesen seien. Dort sei es dann mehrfach – nach seiner Erinnerung häufiger, „auf jeden Fall mehr als zweimal“ – dazu gekommen, dass der Angeklagte sein – des Zeugen – Glied angefasst und dieses nicht nur kurz massiert habe. Der Angeklagte A. habe den Penis richtig angefasst und auch Bewegungen dabei gemacht. In der Hauptverhandlung fiel ihm auf Nachfrage des Vorsitzenden spontan ein, man habe u. a. die Sendung „Die Gummibärenbande“ angesehen. Zudem konnte er sich (wie im Übrigen auch der Zeuge J. E.) an ein … Spiel in der Wohnung erinnern, und dass man dort auch eine „Salamipizza“ gegessen habe. Er bezifferte die Anzahl der Besuche bei A. „im zweistelligen“ Bereich. Auch zeitlich erinnerte er sich daran, dass der Angeklagte A. etwa 1 – 2 Jahre auf sie aufgepasst habe. Er sei damals ca. 6 Jahre alt oder höchstens 7 gewesen. Er habe dort in der Wohnung des Angeklagten ein Fußballspiel des SC F. mit einem besonderen Ergebnis („3:1 oder 5:1“) gesehen. Dies deckt sich mit außergewöhnlichen Siegen aus den ersten Spieljahren des SC F. gegen … in der Bundesliga - …Beim ersten Spiel war E. gerade sechs Jahre, beim zweiten etwa sieben Jahre und neun Monate alt. Die Zeugin C. hat den Betreuungszeitraum im Rahmen ihrer polizeilichen Angaben gegenüber dem Zeugen KHK L. bereits auf ungefähr ein Jahr mit Unterbrechungen und ca. ab 1995 angegeben, was sie in der Hauptverhandlung wiederum angab. Der Angeklagte A., der im Übrigen nicht nur bestätigt hat, dass er in seiner Wohnung über „reizende Kinderfilme“ verfügte, sondern sich mit D. und E. in seiner Wohnung – wenn auch erst in einer zweiten Phase – nackt aufgehalten habe, hat sich ferner dahingehend eingelassen, bei den von ihm übernommenen Betreuungen der Gebrüder D. und E. sei E. erst fünf gewesen und, nachdem er von Seiten der Mutter eine Entfremdung gespürt und diese um ein „Aussetzen“ der Betreuung in einem Gespräch Anfang 1995 gebeten habe, sei diese danach letztlich endgültig beendet worden. Bei einer Gesamtschau dieser zeitlichen Einschätzungen ist die Kammer letztlich von einem Tatzeitraum für die drei sicher festgestellten Taten von Anfang 1994 bis Ende 1996 ausgegangen.

Dass der Zeuge sich ca. 15 Jahre nach den Vorfällen und zudem vor dem Hintergrund seines zum Tatzeitpunkt noch sehr jungen Alters nicht mehr an eine Vielzahl von Details erinnert, ist aus Sicht der Kammer vor dem Hintergrund des langen Zeitablaufs und des damit zwanglos nachvollziehbaren Erinnerungsverlustes ohne weiteres erklärbar. Im Übrigen belegen einzelne originelle Details („Gummibärenbande“, besonderes Fußballspiel des SC F., das er dort gesehen hat, das Vorhandensein eines … Spiels, das Essen von Salamipizza), dass E. konkrete Erinnerungen an die damalige Betreuungszeit durch den Angeklagten A. hat.

Die von der Verteidigung gerügte „Detailarmut“ führt im Übrigen nicht dazu, dass die Angaben von E. nicht aufgrund der gebotenen Gesamtwürdigung dennoch, wie hier durch die Kammer, als sicher glaubhaft angesehen werden können (vgl. auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04. August 2010 – 2 StR 194/10 -, zitiert nach juris, Rdnr. 5). Vielmehr hat der Bundesgerichtshof (vgl. Entscheidung vom 10. November 2010 – 2 StR 403/10 – und ferner BGH NStZ 2009, 106 f.) lediglich deutlich gemacht, dass eine Detailarmut insbesondere Auswirkung auf die Aussagekraft des Konstanzkriteriums für die Bewertung der Glaubhaftigkeit einer Aussage haben kann. Das heißt auf den vorliegenden Fall bezogen, dass die bei dem Zeugen E. unbestreitbar vorliegende hohe Konstanz seiner Angaben in der Hauptverhandlung im Verhältnis zu den Angaben vor der Polizei nicht überbewertet werden darf, was vorliegend durch die Kammer auch nicht erfolgt ist.

f) Außerhalb der Aussage liegende Umstände:

Die Angaben des Zeugen E. werden überdies durch den sehr aussagekräftigen, auf einem in der Ferienwohnung in CH-Z. beschlagnahmten Computer wiederhergestellten Emailverkehr des Angeklagten A. mit der mit ihm befreundeten M. aus dem Jahre 2004 gestützt, in der er – entgegen seiner bestreitenden Einlassung in der Hauptverhandlung - offen zu pädophilen Neigungen steht und mit seiner Gesprächspartnerin auch Erfahrungen und Erlebnisse im Bereich der Sexualität mit Kindern schildert (vgl. zum Inhalt dieses Emailverkehrs unten VIII. 2.b.).

Zu den vom Zeugen geschilderten Taten passt auch insbesondere ein beim Angeklagten im Rahmen der Durchsuchung in der Schweiz sichergestelltes Diapositiv, auf dem der Angeklagte seine Hand jedenfalls auf die Innenseite des Oberschenkels in die Nähe des Genitals des deutlich unter 14 Jahre alten Pflegekindes H. seiner damaligen Freundin hatte, wobei beide nackt waren. Wegen der Einzelheiten dieses Bildes verweist die Kammer gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Abbildung in den Hauptakten Band V/Aktenseite 17.

Die einschlägige rechtskräftige Verurteilung des Angeklagten durch Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 31.07.2003 (vgl. oben I.1.b.(4)) belegt überdies, dass die vom Zeugen E. geschilderten Übergriffe dem Angeklagten nicht persönlichkeitsfremd sind.

Im Übrigen hat auch der Zeuge D.– aus Sicht der Kammer glaubhaft und auch durch die Sachverständigengutachten von N. und O. gestützt – den Angeklagten weiterer - und zwar anderer (was gegen ein Absprechen) und schwererer - Übergriffe belastet, ohne dass auch bei diesen Zeugen auch nur im Ansatz ein Falschbelastungsmotiv ersichtlich wäre (vgl. zum Inhalt dieser Aussage und den Ausführungen der beiden Sachverständigen unten VII. 1.).

Dafür, dass die beiden Zeugen, denen das gerichtliche Verfahren alles andere als angenehm war und die von sich aus überhaupt keine Anstalten gemacht haben, Strafanzeige gegen den Angeklagten zu erstatten, im Sinne eines Komplotts oder im Sinne dann ja beidseitig erforderlicher „Pseudoerinnerungen“ nunmehr den Angeklagten A. zu Unrecht Sexualstraftaten zu ihrem Nachteil vorwerfen könnten, fehlt es an Anhaltspunkten. Dagegen spricht auch, dass keiner der beiden Zeugen sich sicher daran erinnern kann, ob es auch Übergriffe zum Nachteil des jeweiligen Bruders gegeben hat, was der Kammer im Hinblick auf die naheliegende Fokussierung der Kinder auf das Fernsehen und etwaige verdeckende Körperhaltungen oder vorhandene Decken auch nachvollziehbar erschien. Im Übrigen hat der Zeuge D. in der Hauptverhandlung angegeben, er habe sich nicht angeschaut, was A. auf dem Bett mit seinem Bruder gemacht habe – und bei E. sei es umgekehrt wohl ebenso gewesen.

Im Ergebnis war die Kammer daher davon überzeugt, dass der Angeklagte A. den Zeugen E. in den 3 angeklagten Fällen in der oben II. 1. festgestellten Weise sexuell missbraucht hat.

4.

Die Einholung eines Glaubwürdigkeitsgutachtens bezüglich E. war nicht geboten. Das Gericht darf sich die Aussagebeurteilung in aller Regel auch bei Angaben zu Taten in der frühen Kindheit des inzwischen erwachsenen Zeugen zutrauen (vgl. hierzu etwa BGH NStZ-RR 2005, 146 ff., zitiert nach Juris, Rdnr. 5; bei dieser Entscheidung beginnt der Tatzeitraum im Alter von knapp 5 Jahren). Dies gilt nicht nur für eine Jugendschutzkammer, sondern auch für eine allgemeine Strafkammer (vgl. BGH im Beschluss vom 19.04.2007 – 4 StR 23/07 -, zitiert nach Juris, Rdnr. 7). Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, insbesondere etwaigen psychischen Auffälligkeiten des jeweiligen Zeugen, gilt etwas anderes.

Deshalb hat die Kammer auch nach der Aussage des Zeugen D. in der Hauptverhandlung, in der seine psychischen Probleme bekannt wurden, auf Antrag der Verteidigung ein Glaubwürdigkeitsgutachten eingeholt. Bei dem Zeugen E. handelt es sich dagegen um einen psychisch völlig unauffälligen, nach dem Eindruck der Kammer intellektuell – kognitiv eher überdurchschnittlich veranlagten jungen Mann. Hier bestand keine Veranlassung zum Abweichen von dem Grundsatz, dass die Beweiswürdigung ureigenste Aufgabe des Gerichts ist.

5.

Die Kammer hält es auch für erwiesen, dass der Angeklagte A. das oben II.2. bezeichnete Diapositiv, das nach Überzeugung des Gerichts einen noch nicht sechszehnjährigen Jugendlichen zeigt, mit dem erforderlichen Besitzwillen verwahrt hat.

a) Die Kammer hat dem Angeklagten nicht abgenommen, dass er sich der Existenz der in der von ihm bewohnten Ferienwohnung in der Schweiz (in einer Geldbörse bzw. einem „Mäppchen“) aufbewahrten Diapositive nicht mehr konkret bewusst gewesen sei. Nach der eigenen Einlassung des Angeklagten handelte es sich bei dem Inhalt des „Mäppchens“ um „Erinnerungsfotos“. Der Angeklagte nahm, wie er angab, sein „sämtliches Hab und Gut“ mit nach A., darunter auch das „besagte Mäppchen“, das seit 2006 – wie er offenbar wusste - in einer „Kruschtelschublade“ lag. Damit hatte der Angeklagte demgemäß nicht nur einen auf Dauer angelegten tatsächlichen Zugang zu dem Mäppchen und den darin befindlichen Erinnerungsbildern, sondern auch einen Besitzwillen, der darauf gerichtet war, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf diese Diapositive zu erhalten (vgl. zum Besitzbegriff OLG Hamburg, StraFo 2009, 165 f., zitiert nach Juris, Rdnr. 12).

b) Die Kammer ist ferner zu dem Ergebnis gelangt, dass die beiden in der Anklage genannten, dort als kinderpornografische Schriften eingeordneten Diapositive nicht – wovon die Anklage und dieser folgend auch die Einlassung des Angeklagten A. ausgehen – dieselbe Person darstellen. Nur das erste, bereits oben 3. f. beschriebene Diapositiv, auf das wegen der Einzelheiten erneut gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Hauptakten Band V, Aktenseite 17 verwiesen wird, stellt – der Einlassung des Angeklagten A. folgend – den Pflegesohn seiner damaligen Freundin, H., dar. Das zweite angeklagte Diapositiv, das oben II.2. bereits beschrieben wurde (auch insoweit wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO wegen der Einzelheiten erneut auf die Hauptakten Band V, AS 103, unteres Bild verwiesen) und das sich auch ausweislich der Formulierung der Anklage ausdrücklich auf die Handlung des Entgegenstreckens des entblößten Anus in die Kamera bezieht, bildet dagegen – wovon auch der Zeuge KHK G. zu Recht ausgegangen ist - nicht ein Kind, sondern einen offenbar schon Jugendlichen ab. Dabei handelt es sich, wie insbesondere die bereits auf dem Bild V/103 unten ersichtliche Schambehaarung deutlich macht, nicht um das auf der Abbildung V/17 der Hauptakte abgebildete, aufgrund der sehr kindlich weichen Gesichtszüge damals deutlich unter 14 Jahre alte Kind H., sondern – wie ein Vergleich des Gesichts auf dem Bild V/103 unten und des Bildes V/105 mit der jeweils etwas nach unten gebogenen Nase, den jeweils dunkelbraunen, halb über die Ohren gewachsenen Haaren, jeweils dunkleren Augen sowie recht langen Beinen mit leicht nach innen geschwungenen Unterschenkel belegen, nach Überzeugung der Kammer um denselben männlichen Jugendlichen, der im Rahmen der im „Mäppchen“ sichergestellten Diapositive auf dem weiteren Bild V/105 nackt mit über dem Penis bereits bestehender Schambehaarung stehend zu sehen ist, den rechten Fuß abgewinkelt auf einen Hocker gestützt. Wegen der Einzelheiten dieses weiteren Diapositivs wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Abbildung Hauptakte Band V, Aktenseite 105 verwiesen. Angesichts der bereits vorhandenen, aber noch nicht sonderlich ausgeprägten Schambehaarung, der noch kindlich schmalen Schultern und den immer noch kindlich weichen Gesichtszügen dieses unbekannten Jugendlichen ist die Kammer zudem davon überzeugt, dass dieser zum Zeitpunkt beider Aufnahmen (Hauptakte V/Aktenseite 103 unten sowie Aktenseite 105) jedenfalls noch nicht 16 Jahre alt war.

IV.

Der Angeklagte hat sich somit des sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 3 Fällen sowie des Besitzes jugendpornografischer Schriften schuldig gemacht gemäß den §§ 176 Abs. 1 in der vom 01.04.1987 bis zum 31.03.1998 geltenden Fassung sowie § 184 c Abs. 4, 7 Abs. 2 StGB Artikel 197. IV. Ziffer 3 bis des Schweizerischen Strafgesetzbuches.

1. Die Verurteilung scheitert nicht daran, dass sämtliche abgeurteilten Taten nicht im Auslieferungshaftbefehl aufgeführt waren. Da der Angeklagte auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität verzichtet hat, konnten nach seiner Überstellung auch diese Taten strafrechtlich verfolgt werden.

Es ist zudem keine Verjährung eingetreten. Hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil des E. ruhte die Verjährung nach § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres am 5. Juli 2006, so dass die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB zehnjährige Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Beim bis zum 28.05.2010 andauernden Besitz einer jugendpornographischen Schrift beträgt die Verjährungsfrist im Hinblick auf die einjährige Strafandrohung in § 184c Abs. 4 StGB nur drei Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB). Diese war zum Zeitpunkt des am 07.03.2013 ergangenen Urteils noch nicht abgelaufen. Im Übrigen ruhte die Verjährung gemäß § 78b Abs. 5 Nr. 1 StGB zeitweise bis zur Auslieferung am 11.11.2010. Zudem wurde die Verjährung vorliegend jedenfalls durch die Anklageerhebung im Juli 2011 gemäß § 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB unterbrochen.

2. Die materiellen Voraussetzungen für eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen des Besitzes einer jugendgefährdenden Schrift gemäß § 184c Abs. 4 Satz 1 StGB liegen nach Auffassung der Kammer ferner vor:

a. Auch Fotos/Lichtbilder sind gemäß § 11 Abs. 3 StGB Schriften im Sinne der §§ 184 ff. und damit taugliche Tatobjekte des § 184b StGB. Pornographie wird definiert als vergröbernde Darstellung sexuellen Verhaltens im weiteren Sinne unter weitgehender Ausklammerung emotional-individualisierter Bezüge, die den Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher Begierde oder Betätigung macht (vgl. Fischer, StGB, 60. Auflage 2012, § 184 Rn. 7 m.w.N.). Dabei liegt der wesentliche Charakter der Pornographie darin, dass die Gesamttendenz des Werks (des Bildes bzw. der Darstellung, zum Beispiel auf einem Bild) ausschließlich oder überwiegend auf die Erregung eines sexuellen Reizes zielt (Hörnle in Münchner Kommentar zum StGB, 2. Auflage 2012, § 184 Rn. 17 m.w.N.). Erforderlich ist eine aufdringlich vergröbernde, verzerrende Darstellung, die ohne Sinnzusammenhang mit anderen Lebensäußerungen bleibt oder gedankliche Inhalte zum bloßen Vorwand für die Darstellung sexuellen Verhaltens nimmt (Fischer, ebenda).

So genannte „Posing-Darstellungen“ sind vom Begriff der sexuellen Handlung jedenfalls insoweit erfasst, als sich aus der Darstellung selbst eine aktive Handlung des Kindes oder des Jugendlichen ergibt, also das aktive Einnehmen bestimmter unnatürlicher Körperhaltungen oder Positionen, was selbstverständlich auch auf unbewegten Bildern möglich ist (Fischer, a.a.O., § 184b Rn. 4; Hörnle, a.a.O., § 184b Rn. 17).

b. Bei dem in der Hauptakte Band V/ Aktenseite 103 unten abgebildeten Diapositiv eines noch nicht sechzehnjährigen Jugendlichen handelt es sich nach Auffassung der Kammer um ein typisches „Posing“–Foto, bei der der Anus des Jugendlichen durch die – ersichtlich auf Geheiß – nach außen gespreizten Beine geöffnet und betont wird und bei dem der Blick des Betrachters – was durch die einzunehmende Stellung auch gewollt ist – unwillkürlich auf den zentralbetonten Anus fällt. Es handelt sich mithin um eine pornografische Darstellung.

c. Ob der unbekannte Jugendliche zu dem fraglichen Bild seine Einwilligung gegeben hat, ist unerheblich. Denn abgesehen davon, dass sich dieses Diapositiv im „Mäppchen“ des Angeklagten mit anderen Photos von H., deren Anfertigungszeitpunkt der Angeklagte auch angeben konnte (um 1980 herum), befand, ist die Kammer aufgrund der Art des Bildes davon überzeugt, dass dieses vom Angeklagten A. selbst oder jedenfalls von einem anderen Erwachsenen erstellt wurde. Denn die Kammer geht nicht davon aus, dass der Jugendliche andernfalls die unnatürliche, den Anus betonende Position eingenommen hätte, die offenbar auf eine Anweisung einer in der Anfertigung eines solchen typischen Posing-Bildes (das der Kammer der Art der „Stellung“ nach mit der auf diese Weise möglichen besonderen Betonung des Analbereichs bereits aus früheren Verfahren mit dem Vorwurf des Besitzes kinder- bzw. jugendpornografischer Schriften hinlänglich bekannt ist) bereits versiertere Person zurückgeht. Eine Strafbarkeit scheidet vorliegend somit auch gem. § 184 c Abs. 4 Satz 2 StGB nicht aus.

3. Zwar handelt es sich bei der in der Schweiz erfolgten Verwahrung der jugendpornografischen Schrift um eine Auslandstat. Diese wird jedoch nach Auffassung der Kammer von der deutschen Strafbarkeit erfasst, so dass das Verfahren insoweit auch nicht aus diesem Grunde einzustellen war (vgl. hierzu etwa OLG Celle im Beschluss vom 05.06.2007 – 1 Ws 191/07 u.a. – zitiert nach Juris, Rdnr. 11; Löwe-Rosenberg, Kommentar zur StPO, 26. Auflage, 2007, § 206a Rdnr. 49 f.).

Vorliegend wurden die Diapositive vom Angeklagten A. in der von ihm als Wohnsitz genutzten Ferienwohnung in der Schweiz aufgefunden, der Tatort befindet sich mithin im Ausland. Grundsätzlich gilt das deutsche Strafrecht nur für Taten im Inland (§ 3 StGB). Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB gilt das deutsche Strafrecht aber auch bei Auslandstaten, wenn der Täter – wie hier A.– Deutscher ist und die Tat am Tatort mit Strafe bedroht ist.

Der Besitz des fraglichen Posingfotos ist auch nach dem Schweizer Recht strafbar. Gemäß Artikel 197 Ziffer 3bis des Schweizer Strafgesetzbuchs wird bestraft, wer pornografische Gegenstände (worunter auch Bildaufnahmen fallen) besitzt, die sexuelle Handlungen mit Kindern zum Gegenstand haben.

Das vorliegende Bild stellt eine sexuelle Handlung eines Kindes im Sinne des Artikels 197 Ziffer 3bis des schweizerischen Gesetzbuches dar. Nach deutschem Recht wäre allerdings nur Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist. Nach dem Schweizer Recht fallen unter den Begriff des Kindes aber auch jedenfalls Personen unter 16 Jahren (vgl. hierzu Artikel 187 Abs. 1 Schweizerisches Gesetzbuch: „Wer mit einem Kind unter 16 Jahren …)“. Der vorliegend abgebildete Jugendliche ist somit Kind im Sinne des Artikel 197 Ziffer 3bis StGB der Schweiz, was sich auch daraus ergibt, dass das Verbot der harten Pornografie des Artikel 197 Ziffer 3 StGB insbesondere auch die ungestörte Entwicklung Jugendlicher bezweckt (vgl. hierzu die Entscheidungen BGE 133 IV. 31 Ziffer 6.1.2; BGE 128 IV 425 Erwägung 3; BGE Artikel 138 IV. 64, Rdnr. 31 f.).

Auch ist eine „sexuelle Handlung mit Kindern“ abgebildet. Der Begriff der Pornografie setzt nach der Auslegung des schweizerischen Bundesgerichts voraus, dass (1.) die Darstellung objektiv darauf ausgelegt ist, den Konsumenten sexuell aufzureizen und (2.) die Sexualität so stark aus ihren menschlichen und emotionalen Zügen herausgetrennt wird, dass die jeweilige Person als ein bloßes Sexualobjekt erscheint, über das nach Belieben verfügt werden kann (vgl. BGE 133 IV. 31 vom 07.12.2006).

Der Jugendliche in der Abbildung in Bd. V, AB. 103 unten soll den Betrachter ersichtlich sexuell aufreizen, die entsprechende Darstellung degradiert ihn dabei auf ein bloßes Sexualobjekt. Dem steht die Entscheidung des Schweizerischen Bundesgerichts BGE 133 IV. 31 nicht entgegen. Sie betraf die abweichende Fallkonstellation eines Schnappschusses eines drei Jahre alten Mädchens mit gespreizten Beinen und damit deutlich sichtbarer Vagina durch einen Familienvater am Strand, mithin in einer natürlichen Situation. Vorliegend handelt es sich dagegen um ein typisches „Posingbild“, in dem der Jugendliche eine unnatürliche Haltung einnimmt, das sexuell aufreizend wirken und die fotografierte Person durch die eingenommene Stellung mit der dadurch erfolgten Betonung des Analbereiches für den Betrachter zum bloßen Sexualobjekt machen will.

Demnach ist der Besitz des vorliegenden Diapositives auch am Tatort in der Schweiz mit Strafe bedroht. Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB gilt somit das deutsche Strafrecht hinsichtlich dieses Bildes.

4. Schließlich ist auch kein Straftageverbrauch eingetreten. Dadurch, dass sich das Mäppchen mit den Diapositiven nach der unwiderlegbaren Einlassung des Angeklagten A. bereits zum Zeitpunkt der Durchsuchung Ende 2001 in seiner Wohnung befand, ist die vorliegende Tat nicht bereits abgeurteilt. Zwar wurde er wegen einer im Rahmen dieser Durchsuchung aufgefundenen Videokassette bereits wegen des Besitzes von kinderpornografischen Schriften durch Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 31. Juli 2003 – rechtskräftig seit dem 19. August 2003 – zu einer Geldstrafe verurteilt (vgl. oben I.1.b.(4)). Diese Verurteilung wegen eines Dauerdelikts bewirkte aber eine Zäsur, so dass das Aufrechterhalten des Dauerzustandes nach dem Urteil als selbständige Tat zu qualifizieren ist (vgl. hierzu Stree/Sternberg–Lieben in Schönke/Schröder, Kommentar zum StGB, 28. Auflage 2012, Vorbemerkung §§ 52 ff. Rdnr. 87). Denn der gerichtlichen Kognitionspflicht kann jedenfalls kein strafbares Verhalten unterfallen, welches dem Urteil zeitig nachfolgt (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 23. Oktober 2008 – 1 StR 526/08 -, zitiert nach Juris; OLG Hamm NStZ 2011, 102 f.).

V.

1. Hinsichtlich des sexuellen Missbrauchs von E. ergab sich grundsätzlich ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, wobei aber zu prüfen war, ob nicht minder schwere Fälle gem. § 176 Abs. 1 StGB in der Fassung vom 10.03.1987 vorlagen mit der Folge eines dann eröffneten Strafrahmens von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahre.

Dabei hat die Kammer im Rahmen einer Gesamtwürdigung alle Umstände berücksichtigt, die für die Wertung der begangenen Taten und des Täters einschließlich der subjektiven Momente in Betracht kommen (vgl. hierzu Fischer StGB, 60. Auflage 2012, § 46 Rdnr. 85) und dabei ein deutliches Überwiegen mildernder Faktoren angenommen.

Für den Angeklagten A. sprach, dass er bei allen Taten im Zeitraum von 1994 – 1996 (jedenfalls nicht ausschließbar) nicht vorbestraft war, die Taten sehr lange – nämlich weit über 15 Jahre – zurückliegen und keine erheblichen psychischen Schäden bei E. ersichtlich sind. Überdies war zu seinen Gunsten die lange Verfahrensdauer zu berücksichtigen. Seit dem Jahr 2005 hat der Angeklagte zudem – soweit ersichtlich – keine Straftaten mehr begangen.

Weder besonders für noch gegen den Angeklagten hat die Kammer das konkrete Gepräge der vorliegend in Rede stehenden Taten bewertet. Einerseits handelt es sich immerhin nicht nur um kurzfristige Manipulationen am nackten Glied des Geschädigten, andererseits sind aber auch deutlich intensivere Tatbegehungsformen denkbar.

Gegen die Annahme eines minder schweren Falls und damit zu Lasten des Angeklagten sprach, dass E. bei den Taten noch sehr jung war und überdies ein eklatanter Vertrauensbruch jedenfalls gegenüber C. als Mutter des von ihr in die Obhut des Angeklagten gegebenen Opfers vorlag.

Insgesamt war die Kammer nach Abwägung aller Umstände – insbesondere der lange zurückliegenden Tatzeiten und der fehlenden psychischen Schäden des Opfers - jedoch der Auffassung, dass die mildernden Faktoren deutlich überwiegen, so dass jeweils minder schwere Fälle angenommen wurden.

Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne hat die Kammer die bereits genannten Strafmilderungs- und Strafschärfungsgesichtspunkte erneut umfassend gewürdigt. Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien der Kammer in den drei Fällen jeweils eine Freiheitsstrafe von 7 Monaten als tat- und schuldangemessen.

Hinsichtlich des Besitzes jugendpornografischer Schriften besteht gem. § 184 c Abs. 4 Satz 1 StGB ein Strafrahmen von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

Hierbei war bei der konkreten Strafzumessung zu Gunsten des Angeklagten davon auszugehen, dass er jedenfalls hinsichtlich des objektiven Besitzes ein Geständnis abgelegt hat, dem die Kammer aber andererseits angesichts der Sicherstellung des Diapositivs bei der Durchsuchung am 28. Mai 2010 kein hohes Gewicht beigemessen hat. Es handelte sich zudem um den strafbaren Besitz lediglich eines einzigen Bildes. Auch hier war die lange Verfahrensdauer strafmildernd zu berücksichtigen. Dies gilt auch für den Umstand, dass der Angeklagte seit 2005 nicht mehr straffällig geworden ist.

Gegen den Angeklagten sprachen andererseits seine – unabhängig von der voraussichtlich im Revisionsverfahren eintretenden Tilgungsreife berücksichtigungsfähigen (vgl. BGH NStZ-RR 2011, 286 f.) - Vorstrafen, insbesondere die einschlägige Vorstrafe aus dem Jahr 2003.

Unter Abwägung sämtlicher für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände erschien der Kammer die Verhängung einer Geldstrafe als ausreichend, die mit 60 Tagessätzen als tat- und schuldangemessen angesehen wurde. Die Höhe des Tagessatzes war angesichts der prekären finanziellen Situation des Angeklagten auf 10,00 EUR festzusetzen.

Aus den erwähnten Einzelstrafen war gem. § 53, 54 StGB eine Gesamtstrafe zu bilden. Dabei war ein Härteausgleich vorzunehmen, weil alle Strafbefehle, die jeweils bei bereits vollständiger Vollstreckung des vorhergehenden Strafbefehls gesamtstrafenfähig mit den vorliegenden Strafen gewesen wären, bereits vollstreckt sind. Unter zusammenfassender Würdigung der Person des Angeklagten A. und der von ihm begangenen Straftaten, insbesondere der lange zurückliegenden Tatzeiten der Missbrauchsfälle und des gebotenen Härteausgleiches wegen der nicht mehr möglichen nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 StGB, erschien der Kammer bei Abwägung aller für und gegen ihn sprechenden Umstände ein recht straffer Zusammenzug geboten, wobei unter Erhöhung der Einsatzstrafe von 7 Monaten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr als tat- und schuldangemessen erschien.

Die Vollstreckung dieser Gesamtfreiheitsstrafe konnte gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Angesichts des Umstandes, das der Angeklagte nach der einschlägigen Verurteilung im Jahr 2003 nur noch zwei geringere Geldstrafen wegen nicht einschlägiger Delikte erhielt, nunmehr erstmals eine Freiheitsstrafe gegen ihn verhängt werden musste und er sich in der vorliegenden Sache erstmals in Auslieferungs- und Untersuchungshaft befand, die ihn nachhaltig beeindruckt zu haben scheint, kann ihm nach Auffassung der Kammer ohne weiteres eine günstige Sozialprognose gestellt werden, zumal er sich im fortgeschrittenen Alter befindet. Die Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe war daher gem. § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen. Angesichts der im Wesentlichen lange zurückliegenden Taten gebot ferner auch die Verteidigung der Rechtsordnung gem. § 56 Abs. 3 StGB keine Vollziehung der Strafe.

2. Die erlittene, etwa vier Monate dauernde Auslieferungs- und Untersuchungshaft ist kraft Gesetzes auf die verhängte Freiheitsstrafe anzurechnen. Ferner hat die Kammer gem. § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB den Anrechnungsmaßstab für die vom Angeklagten A. in der Schweiz erlittene Auslieferungshaft mit 1:1 festgesetzt.

3. Ein Vollstreckungsabschlag im Hinblick auf Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK hat die Kammer nicht vorgenommen. Es liegt aus hiesiger Sicht keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung vor. Das Verfahren wurde nach der Anklageerhebung im Juli 2011 insbesondere durch die Ende September 2011 erfolgte polizeiliche Vernehmung der Zeugin M. in Österreich weiter gefördert. Im Januar 2012 wurde dem Angeklagten B. ferner mit Rechtsanwalt … ein anderer Pflichtverteidiger bestellt, der danach auch zunächst Akteneinsicht nehmen und sich in das umfangreiche Verfahren einarbeiten musste. Am 06. August 2012 erging dann der Teileröffnungsbeschluss der Kammer und ab dem 27. September 2012 wurde in der Hauptverhandlung verhandelt. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeklagte A. im April 2010 von dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren erfuhr und die sehr komplexe und schwierige Sache knapp drei Jahre später erstinstanzlich abgeschlossen wurde, vermag die Kammer keinen Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu erkennen.

4. Gem. § 184c Abs. 5 in Verbindung mit § 184b Abs. 6 Satz 2 StGB war das Diapositiv mit jugendpornografischem Inhalt einzuziehen.

VI.

Ohne dass insoweit teilfreizusprechen war, schied hinsichtlich des unter C. der Anklage tateinheitlich angeklagten Besitzes dreier weiterer kinderpornografischer Schriften am 28.05.2010 in der Wohnung des Angeklagten A. in A. dagegen eine Verurteilung aus.

1. Die beiden angeklagten Abbildungen des am 05.11.1992 geborenen P. die nach Angaben des Angeklagten A. im Zeitraum September/Oktober 2001 mit einer Digitalkamera erstellt wurden, wurden – wie der Zeuge KHK G. berichtete – als Bilddateien auf einer externen Festplatte gefunden, die im Rahmen der Durchsuchung der Wohnung des Angeklagten in CH-Z. am 28.05.2010 sichergestellt werden konnte.

Auf einem, in einer Wohnung aufgenommenen Bild hat der damals offenbar noch achtjährige, vor einem Tisch stehende und von vorne abgelichtete P. seine Jogginghose soweit heruntergeschoben, dass sein – aus einiger Entfernung aufgenommenes und daher nicht etwa in Großaufnahme sichtbares – Glied über dem Bund der Jogginghose herausschaut. Er isst dabei ein Eis am Stil, grinst und neben ihm sitzt am Tisch ein älterer Junge, der – mit sichtbarem Vergnügen - ebenfalls ein Eis am Stil verzehrt und dabei mit der anderen Hand provokativ mit der „Stinkefinger“-Geste in Richtung auf die fotografierende Person zeigt.

Auf dem zweiten, offenbar zeitnah in derselben Wohnung aufgenommenen Bild hat der ansonsten bekleidete, hier allein abgelichtete P. seine Jogginghose soweit heruntergezogen, dass sein entblößtes Gesäß zu sehen ist, dass er – fotografiert von hinten - in Richtung auf die Kamera hält. Wegen der Einzelheiten der beiden Aufnahmen wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die beiden Bilder in den Hauptakten Band VII/Aktenseite 73 (oben die Aufnahme von vorne, unten die Aufnahme von hinten) verwiesen.

Die Kammer ist der Auffassung, dass evident keines dieser beiden Bilder pornografischen Charakter hat. Eine vergröbernde Betonung des Sexuellen unter weitgehender Ausklammerung der persönlichen Bezüge ist keinem der beiden Aufnahmen von P zu entnehmen, auch wenn hier offenbar jeweils kein eigenes Kind fotografiert wurde. Auch wenn P. auf dem ersten Photo seine Hose vorne soweit heruntergezogen hat, dass sein Glied zu sehen ist, wird dieses nicht etwa in Großaufnahme reißerisch betont. Vielmehr sind zwei Eis essende Kinder zu sehen, von denen einer provokativ den sogenannten „Stinkefinger“ zeigt und der andere - eben P. - seine Hose vorne heruntergezogen hat. Das Photo ist daher nach Dafürhalten des Gerichts keineswegs als pornografisch einzuordnen.

Das zweite Photo, dass – schon im Hinblick auf die identische Bekleidung von P. - offenbar im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem ersten Bild steht, zeigt zwar den Jungen, wie er seinen entblößten Po in die Kamera hält. Auch hier überwiegt nach Auffassung der Kammer aber der eher rein provokative Charakter der Aufnahme, während der Anus nicht in Großaufnahme zu sehen ist bzw. besonders betont wird, wie auch der Vergleich mit der obigen jugendpornografischen Aufnahme deutlich macht. Auch das zweite Bild ist daher nach Auffassung der Kammer nicht als kinderpornografische Darstellung einzuordnen.

Hinzu kommt noch folgendes: Bei den beiden fraglichen Bilddateien handelt es sich, wie der Zeuge KHK G. erklärt hat, um „wiederhergestellte“, d.h. also eigentlich von der Festplatte gelöschte Bilder. Dementsprechend hat sich der Angeklagte A. auch dahingehend eingelassen, dass er die Bilder - er sagt zeitnah - gelöscht habe. Er sei damals nach dem Löschen der Bilder vom PC davon ausgegangen, dass die Bilder dauerhaft vom PC entfernt worden seien. Diese Einlassung erscheint jedenfalls nicht als widerlegbar. Damit ist dem Angeklagten A. auch nicht der Tatbestandsvorsatz im Sinne eines Besitzwillens bezüglich dieser Bilder nachweisbar (vgl. Fischer a.a.O. § 184b Rdnr. 25a; OLG Hamburg StraFo 2009, 165 f., zitiert nach juris, Rdnr. 14).

2. Hinsichtlich des weiteren von der Staatsanwaltschaft als kinderpornografische Schrift eingeordneten Diapositives in der Hauptakte Band V/Aktenseite 17, das ebenfalls in dem „Mäppchen“ des Angeklagten A. in der „Kruschtelschublade“ in der Schweizer Wohnung verwahrt wurde, hält die Kammer eine Strafbarkeit ebenfalls nicht für gegeben. Dieses Diapositiv bildet - der Einlassung des Angeklagten A. folgend - das Pflegekind seiner damaligen Freundin, H., ab. Dieser sitzt nackt auf einem Bett oder einer Matratze. Aus seiner Sicht links neben ihm sitzt der ebenfalls nackte Angeklagte A. Auf der Abbildung in der Hauptakte Band V/Aktenseite 17, auf die wegen der Einzelheiten erneut gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO verwiesen wird, befindet sich zwar die Hand des Angeklagten zwischen den Beinen des nackten Jungen im Bereich des Geschlechtsteil B. Weder ist jedoch das Glied des Kindes zu sehen (das möglicherweise durch die Hand des Angeklagten A. verdeckt wird) noch ist sicher feststellbar, dass der Angeklagte das Geschlechtsteil des Jungen tatsächlich berührt. Möglicherweise - sicher ist dies nicht zu erkennen - ruht die Hand des Angeklagten A. allein auf dem Oberschenkel des Kindes. Auch wenn der sexuelle Bezug der Situation auf der Hand liegt, vermag die Kammer daher eine vergröbernd-reißerische Darstellung sexuellen Verhaltens nicht zu erkennen. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich mithin ebenfalls nicht um eine kinderpornografische Schrift.

VII.

Soweit dem Angeklagten A. in der Anklage der Staatsanwaltschaft Freiburg vom 20.07.2011 unter B. ferner vorgeworfen wurde, in mindestens einem Fall im Zeitraum von 1994 bis 1996 in seiner Wohnung in der … in Y. auch am entblößten Glied des D. manipuliert zu haben, war der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.

1. Der Zeuge D. hat in der Hauptverhandlung - er war im Ermittlungsverfahren nicht vernommen worden - erklärt, dass es durch den Angeklagten A. in der Wohnung in der … (häufig seien er und sein Bruder sowie der Angeklagte nackt zu dritt auf dem Bett gelegen und im Fernsehen sei ein Kinderprogramm gelaufen) in Y., in der Ferienwohnung in der Schweiz und auf einer Zugfahrt zur Schweizer Ferienwohnung zu folgenden sexuellen Handlungen gekommen ist, wobei er zur Grundschule gegangen und zunächst in und dann in … (der Umzug erfolgte im Februar 1996) gewohnt habe:

Der Angeklagte habe seinen Penis an ihm gerieben und - „mindestens zweimal“, davon einmal in der Schweiz - auf seine Beine ejakuliert; ferner habe der Angeklagte mehrfach den Oralverkehr am Glied des Zeugen vorgenommen, „mindestens fünfmal“; „überwiegend“ sei es in der Wohnung des Angeklagten zum Missbrauch gekommen. Er habe allerdings keine Erinnerung daran, dass der Angeklagte sein Glied auch angefasst habe. Er erinnere sich auch daran, dass es einmal im Zug auf dem Weg in die Schweiz zur Ferienwohnung - A. habe dort ihn und seinen Bruder mitgenommen - zum Oralverkehr zu seinem Nachteil gekommen sei.

Nachdem der Zeuge D. in seiner Vernehmung im Hauptverhandlungstermin vom 08.10.2012 auch davon berichtet hatte, dass er sich nach einer psychischen Krise im Herbst 2007 in eine psychosomatische Klinik begeben und dort bei ihm eine „dissoziative Störung“ diagnostiziert worden sei (dort habe er auch in einem therapeutischen Gespräch erstmals den erfolgten Missbrauch erwähnt; seinen Eltern habe er dies in einem gemeinsamen Gespräch erstmals Ende des Jahres 2007 erzählt, dies aber nur allgemein und nicht konkretisiert), er ferner seit 2007 mehrfach zeitweise mit einem Antidepressivum behandelt wurde und sich auch zeitweise in psychiatrischer Behandlung befunden habe, holte die Kammer auf Antrag des Verteidigers des Angeklagten A. ein aussagepsychologisches Gutachten durch die Sachverständige N. ein, wobei durch die Kammer im Hinblick auf die Frage der Aussagetüchtigkeit des Zeugen ferner der ebenfalls für das … tätige Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie O. zur Erstattung eines Gutachtens beauftragt wurde. Nach im November 2012 von den Sachverständigen mit dem Zeugen durchgeführten Explorationsgesprächen kam O. zu dem Ergebnis, dass bei D. eine gegenwärtig remittierende depressive Störung vorliege, die für sich genommen keine generelle Beeinträchtigung von Wahrnehmung, Speicherung und Wiedergabe von Erlebnisinhalten begründe, weshalb es aus medizinischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung der Aussagetüchtigkeit gebe. Das depressive Erleben des Zeugen könne je nach Ausprägungsgrad quantitative Aspekte eines Erlebnisses betreffen, wobei dadurch keine qualitativen Veränderungen in der Registrierung und Verarbeitung eines Ereignisses zu erwarten seien, die Darstellungen aber weniger detailreich und präziser sein könnten. Die Sachverständige N., bei der der Zeuge die in der Hauptverhandlung gemachten und ihr über eine schriftliche Zusammenfassung durch den Berichterstatter bekannten Angaben im Wesentlichen bestätigt hat, kam zu dem Ergebnis, dass nach aussagepsychologischer Bewertung die aufgestellten Alternativen zur Wahrheitsannahme - insbesondere die Suggestions- bzw. Phantasiehypothese - wenig wahrscheinlich seien. Insbesondere die von dem Zeugen immer wieder thematisierten Erinnerungsunsicherheiten stünden nicht nur der Hypothese einer gezielten Falschbelastung entgegen, sie verdeutlichten auch, dass trotz wiederholter Beschäftigung mit dem Thema kein Prozess in Gang gekommen sei, dass zunächst vage Erinnerungen zunehmend konkreter und elaborierter geworden wären. Die Kammer hat sich den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der beiden Sachverständigen nach eigener Überprüfung in vollem Umfang angeschlossen, zumal der Zeuge bereits in der Hauptverhandlung nach dem Eindruck der Kammer einen in jeder Hinsicht aussagetüchtigen Eindruck hinterließ und bei ruhigem und ohne jeden Belastungseifer erfolgen Aussageverhalten sehr darum bemüht war, sicher Erinnertes von nur vagen Erinnerungen zu trennen und dies dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten deutlich zu machen.

2. Trotz der den Angeklagten A. in hohem Maße belastenden Angaben des Zeugen D. schied aber eine Verurteilung durch die Kammer aus. Denn die vom Zeugen D. geschilderten Übergriffe sind nicht von dem Anklagevorwurf erfasst, der seiner Umgrenzungsfunktion vorliegend in erster Linie über das angeklagte Tatgepräge gerecht wird. Da die nunmehr durch den Zeugen geschilderten Übergriffe ein anderes Gepräge haben - es geht dabei gerade nicht um eine manuelle Manipulation am Glied des Zeugen - sind diese geschilderten Übergriffe (abgesehen davon, dass für die Kammer auch gar nicht zu entscheiden wäre, welcher der nunmehr geschilderten zahlreichen Vorfälle nun derjenige sein soll, den die Anklage betrifft) nicht von der Anklage erfasst, so dass der Angeklagte im Hinblick auf den angeklagten, durch die abweichenden Angaben des Zeugen D. zum Tatgepräge gerade nicht erwiesenen Vorwurf freizusprechen war, ohne dass selbstverständlich hinsichtlich der nicht angeklagten, aber von ihm nunmehr geschilderten Vorfälle ein Strafklageverbrauch eingetreten wäre.

VIII.

Hinsichtlich der angeklagten Tatvorwürfe zum Nachteil des am geborenen Sohnes K. des Angeklagten B. hat die Kammer beide Angeklagten freigesprochen.

1. Nach der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 20.07.2011 in Verbindung mit dem Teileröffnungsbeschluss der Kammer vom 06.08.2012 war in der Hauptverhandlung noch über folgende Vorwürfe zu befinden:

Ausgehend von einem Tatzeitraum von 1995 bis 1997,

- sei der Angeklagte A. an einem nicht bestimmbaren Tattag an den im Flur seiner damaligen Wohnung … in Y. spielenden K. herangetreten und habe diesen gekitzelt. Von diesem Kitzeln sei der Angeklagte zu einer Berührung des Gliedes des Jungen übergegangen. Während er die Hand am entblößten Glied des Jungen gehalten habe, habe er ihn gefragt, ob ihm das gefiele (Anklagepunkt A.I.);

- An einem weiteren nicht näher bestimmbaren Tattag hätten der Angeklagte A. und K. im Arbeitszimmer in der Wohnung in der… eine Videoaufzeichnung betrachtet, …. Währenddessen habe sich der Geschädigte auf den Schoß des Angeklagten A. gesetzt, der sodann mit seiner Hand in die Hose des Geschädigten gefasst und ihn unter der Kleidung am Penis geknetet habe (Anklagepunkt A. II.);

- An einem weiteren, nicht näher bestimmbaren Tattag hätte sich der K. mit seinem Vater, dem Angeklagten B., beim Angeklagten A. in dessen Wohnung in der ... aufgehalten. Während eines Computerspiels habe der Angeklagte A. zunächst das entblößte Glied des Jungen geknetet, bis es bei diesem zu einer Erektion gekommen sei. Anschließend habe er sich selbst entkleidet und den ebenfalls entkleideten Jungen wiederum bis zur Erektion massiert. Unterstützt und angeregt durch seinen Vater, den Angeklagten B., habe sich die Erregung des Jungen gesteigert, so dass er zunächst den Oralverkehr des Angeklagten A. an sich zugelassen habe, in dessen Folge K. auch in den Mund des Angeklagten uriniert habe. Anschließend habe er selbst den Oralverkehr am Angeklagten A. vollzogen, ohne dass es bei diesem zu einem Samenerguss gekommen sei (Anklagepunkt A. III);

- Schließlich hätte der Angeklagte A. an einem weiteren nicht näher bestimmbaren Tattag im oben genannten Zeitraum – möglicherweise Ende April 1996 – an seinem damaligen Zweitwohnsitz in der Ferienwohnung in CH-Z. mit K. zunächst fangen gespielt, bis sie schließlich auf dem Bett im Gästezimmer gelandet seien, wo der Angeklagte A. den K. zunächst gekitzelt und dann am entblößten Glied berührt habe.

Der Angeklagte A. habe sich somit des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen zum Nachteil des K. schuldig gemacht und der Angeklagte B. habe im Fall des bezüglich seiner Person zugelassenen Anklagepunktes A. III. ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt, strafbar ebenfalls als sexueller Missbrauch von Kindern.

2. Von diesen Vorwürfen waren beide Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Die Kammer ist davon überzeugt, dass K. überhaupt Opfer eines sexuellen Missbrauchs durch den Angeklagten A. geworden ist und der Angeklagte B. bei einem derartigen Missbrauch seines Sohnes durch den Angeklagten A. auch anwesend war, ohne einzuschreiten. Die Kammer konnte sich allerdings – insbesondere aufgrund gravierender Konstanzbrüche und anderer Qualitätsmängel in der Aussage des Zeugen K.– nicht zweifelsfrei davon überzeugen, dass der Angeklagte A.– und in dem noch zur Hauptverhandlung zugelassenen einen Fall auch sein Vater, der Angeklagte B. – die vom Zeugen K. geschilderten und der Anklage zugrunde liegenden Taten begangen hat.

a. Der Angeklagte A. hat die ihm vorgeworfenen Taten ebenso pauschal bestritten wie der Angeklagte B. die ihm durch den Anklagepunkt A.III. vorgeworfene Tatbeteiligung. Allerdings hat der Angeklagte A. in einer an den Angeklagten B. gerichteten Mail, die von der Lebensgefährtin des Angeklagten B., Q., aufgrund eines Missverständnisses an die Polizei weitergeleitet wurde, während des laufenden Ermittlungsverfahrens eingeräumt, dass er bei K. mit seiner Hand in der Hose gewesen sein könne. Diese Mail vom 30.04.2010 schrieb der Angeklagte, nachdem er Kenntnis von dem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren erhalten hatte. Insbesondere teilte er in dieser Nachricht folgendes mit:

„Ich sei ihm, als er am PC spielte, in die Hose gefahren und hätte i(h)m an seinem Pimmel herum gespielt. Da kann er nicht sicher sagen, ob du, im gleichen Zimmer sitzend, das mitbekommen hast. – Dass ich ihm in die Hose gefahren bin, stimmt vermutlich. Aber dass ich ihm einfach so am Pimmel herum gespielt habe, stimmt sicher nicht. Eine solche Dreistigkeit entspräche nicht meiner Art, allemal bei einem so schüchternen Kind, wie K. das war“.

b. Dass es überhaupt – im Sinne eines „ob“ – zu Beteiligungen an einem sexuellen Missbrauch des K. im Kindesalter durch die Angeklagten gekommen ist, folgt nach Überzeugung der Kammer aus dem im Rahmen der Durchsuchung in der Schweizer Wohnung sichergestellten, nach Angaben des Zeugen KHK G. auf einem dort aufgefundenen PC wiederhergestellten Emailverkehr aus dem Jahre 2004 zwischen dem Angeklagten A. und der Zeugin M., die mit beiden Angeklagten befreundet war und mit dem Angeklagten B. jedenfalls zeitweise ein Verhältnis hatte.

Die entsprechenden Passagen von A. an M. in einer E-Mail vom 19. Juli 2004 (bei der einzelne Buchstaben in der wiederhergestellten Fassung fehlen, ohne dass darunter die Verständlichkeit leidet) lauten wie folgt, wobei es sich bei „R.“ um den Spitznamen des Angeklagten B. handelt:

„Ich habe ihn zweimal massiert. Das Einzige, was ich in etwas unangenehmer Erinnerung habe, ist die Tatsache, dass R. ihn beinahe ein wenig dr ngte(…) R. meint es mit K. einerseits sicher gut (er wei ja auch, wie wohlig Kindern unter meinen nden wird), aber es war auch so ein St ck Forderung darin, gef lligst „unverklemmt“ zu sein (…). Ich habe sehr darauf geachtet, dass J. die Massage SELBST will (es macht mir sonst ja keinen Spa (…). Und er wollte es. Aber es war ihm wichtig, seine Unterhose an zu behalten (ich finde das ganz putzig, kannte es von H., der im Alter von 8 Jahren auch sehr genoss, wenn ich ihn massierte, aber immer zun chst seine Unterhose anbehalten wollte :-). (…) So massierte ich ihn selbstverst ndlich mit seiner Hose. Aber das dauerte nur wenige Minuten, da wollte er die Hose selbst loswerden, weil ich wegen der Hose halt um seinen Po herum massieren musste … - Und obwohl ihm die Massage gut gefiel (er hatte auch eine Erektion), blieb halt immer auch eine Art Zwiespalt (mir schien zuweilen, er h tte es sich von seinem Vater gew nscht – bin aber nicht sicher). (…) Beim einem weiteren Treffen war er regelrecht st rmisch, so das B. seinen Sohn nicht wieder erkannte. Es war in meiner K che, die du ja kennst. Man kann es nicht anders ausdr cken, als dass dieser Knirps (er war wohl 7 oder 8 Jahre alt) mich regelrecht „vernaschen“ wollte. Er machte mir meinen rtel auf und zog mir die Hose herunter. Das klingt im Falle von K. unglaublich, aber es war so. Wir legten uns dann in seinem kindlichen Anfall von Begierde buchst blich auf den K chenfu boden – und sein Vater, der das alles mit anschaute, traute einfach seinen Augen nicht“.

Aus dieser Emailkommunikation ergibt sich aufgrund dieser Angaben des Angeklagten A. aus Sicht der Kammer deutlich, dass es jedenfalls in zwei Fällen – einer auch vom Vater befürworteten Massage, bei der K. offenbar eine Erektion hatte und letztlich ohne Unterhose jedenfalls im Gesäßbereich vom Angeklagten A. massiert wurde sowie einem weiteren Vorfall in der Küche der Wohnung in der …, bei dem es offenbar zu sexuellen Handlungen auf dem Küchenboden mit dem Angeklagten A. kam und der zugleich anwesende Vater „seinen Augen nicht traute“ – zu sexuellen Missbrauchshandlungen zum Nachteil von K. gekommen ist und zwar jeweils in Gegenwart seines Vaters.

Es besteht aus Sicht der Kammer auch kein Anlass, den Inhalt dieser Mitteilung anzuzweifeln. Diese E-Mail, die insbesondere Äußerungen des Angeklagten A. und eingefügte Kommentaren von M. enthält, belegt einen sehr offenen Gedankenaustausch zwischen beiden, bei dem beide ersichtlich nicht mit der späteren Sicherstellung dieses Beweismittels rechneten. Dies ergibt sich zwanglos auch daraus, dass in dem zwischen dem 10.02.2004 und 22.07.2004 erfolgten E-Mail-Verkehr mehrfach zwischen dem Angeklagten A. und M. jeweilige sexuelle Erfahrungen ausgetauscht werden. Warum der Angeklagte A. im Rahmen dieser Mails hätte übertreiben oder sich oder den Angeklagten B. zu Unrecht hätte belasten sollen, ist für die Kammer nicht ersichtlich.

c. Für eine Verurteilung reicht es allerdings nicht aus, dass die Kammer – wie hier - sicher ist, dass K. in Gegenwart seines Vaters durch den Angeklagten A. sexuell missbraucht wurde. Vielmehr ist erforderlich, dass gerade die angeklagten Taten konkret festgestellt werden können. Zwar hat der Zeuge in der Hauptverhandlung einen durchaus in sich ruhenden und authentischen Eindruck auf die Kammer hinterlassen. Insbesondere aufgrund gravierender Mängel der Aussagequalität der Angaben des K. zu den von ihm geschilderten Übergriffen konnte sich die Kammer jedoch nicht zweifelsfrei davon überzeugen, dass die von ihm geschilderten Vorgänge erlebnisbezogen waren oder ob nicht Erinnerungsfehler oder die von der aussagepsychologischen Sachverständigen S. betonten suggestiven Einflüsse oder gar die Phantasiehypothese zum Tragen gekommen sind.

(1) K. hat gleich zu Beginn seiner Vernehmung durch die Kammer erwähnt, dass er mit seinem Vater den Angeklagten A. mehrfach besucht habe - dabei sei es zu den Übergriffen gekommen. Es sei zwar schon länger her, er sei sich aber „sehr, sehr sicher, dass es passiert ist“. Dabei nannte er „vier konkrete Fälle, die (ihm) jetzt einfallen“, dabei „dreimal zuhause, einmal im Eingangsbereich“, einmal sei es am Computer zu einem Übergriff gekommen. Der dritte Übergriff sei im Behandlungszimmer erfolgt, „das war der schlimmste Vorfall!“. Bei diesem sei sein Vater anwesend gewesen, da habe A. „meinen Penis in den Mund genommen“ und ihn motiviert, auch dessen Penis in den Mund zu nehmen, was er auch gemacht habe. Da sei es zu Sprüchen gekommen wie, er könne „stolz darauf sein“ und sei mutig, dass er dies mache. Ein letzter Übergriff habe in einem Haus in der Schweiz stattgefunden, als A. mit ihm Fangen gespielt habe. Da seien sie dann auf einem Bett gesessen, A. habe ihn angefasst und weiter „Ich hab das blockiert. Das war dann ok für ihn“. An sein Alter bei den Übergriffen könne er sich schlecht erinnern. Er meinte letztlich, es müsse die Zeit zwischen der Einschulung und der dritten Klasse gewesen sein.

Zu den einzelnen Vorfällen erklärte er dann:

- Im Flur habe er gespielt, als A. von hinten an ihn herangekommen sei, zunächst normalen Körperkontakt gesucht und dann mit seiner Hand in seine Hose gefasst habe.

- Im Computerzimmer habe er gespielt („irgendwas mit Männchen, vielleicht, mit denen man durch die Welt läuft“). Dieser Vorfall sei ihm „ziemlich präsent“; er sei auf dem Schoß von A. gesessen, daneben habe sein Vater gesessen. A. sei dann von hinten mit seiner Hand gekommen. Er habe den Knopf an seiner Hose geöffnet und angefangen, an „meinem Glied zu masturbieren, hoch und runter“. Dies habe ihn erregt. Es sei vielleicht fünf Minuten gegangen.

- Beim dritten Vorfall in dem Behandlungszimmer seien er und A. auf dem Boden gelegen. A. habe dann begonnen ihn auszuziehen und sich auch. Dann habe A. seinen Penis in den Mund genommen. Dabei sei geredet worden; sein Vater sei auch dabei gewesen. Entsprechend animiert habe auch er den Penis von A. in den Mund genommen, der dann erregt gewesen sei. Beendet worden sei das Ganze wohl, weil A. nicht mehr gewollt habe. Er meine sich daran zu erinnern, dass der Vorfall im Computerzimmer kurz davor gewesen und man dann in das Behandlungszimmer gegangen sei.

- Beim Anschauen der Videodokumentation … sei wohl auch etwas passiert; er komme aber nicht mehr darauf. Er meine, „dass da noch was war, aber ein konkreter sexueller Übergriff eher nicht“.

- Der letzte Vorfall sei in der Schweiz in der Ferienwohnung von A. gewesen. Sie hätten Fangen gespielt und A. habe ihm auf dem Bett im Dachgeschoss der Wohnung in die Hose und an sein Glied gefasst. Er habe dem Angeklagten dann deutlich gemacht, dass er dies nicht mehr wolle. Dieser habe dann aufgehört.

(2) Soweit der Zeuge K. in der Hauptverhandlung einen sexuellen Übergriff im Zusammenhang mit der von ihm geschilderten Betrachtung einer Videoaufzeichnung in der Wohnung des Angeklagten A. verneint hat („eher nicht“), war der Angeklagte schon aus diesem Grunde vom Anklagevorwurf A. II freizusprechen. Zwar hatte der Zeuge im Rahmen seiner Exploration bei S noch geschildert, während des Ansehens dieser Videoaufzeichnung habe ihm der Angeklagte A. in die Hose gefasst und an seinem Glied manipuliert. Angesichts dessen, das er in der Hauptverhandlung von der Schilderung eines konkreten sexuellen Übergriff in dieser Situation abrückte, konnte sich die Kammer hiervon jedoch nicht sicher überzeugen.…

Das vorliegende sogenannte „Saunabild“ – es zeigt den Angeklagten A. nackt mit dem ebenfalls nackten Kind K. auf dem Arm in der Sauna in der Schweizer Ferienwohnung (wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf das Foto Hauptakte Band I, AS 47 links unten verwiesen) – soll nach den Angaben des Zeugen K. in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem letzten Übergriff in der Schweiz entstanden sein und wurde bereits, wie sich aufgrund des Aufdrucks auf der Rückseite des Bildes ergibt, im Mai 1996 entwickelt. Ausgehend von den Angaben des Zeugen K. bei der Gutachterin, die den Anklagevorwürfen zugrunde gelegt wurden, und dem von ihm konstant als letzten Missbrauch eingeordneten Übergriff in der Schweiz scheidet aber ein Missbrauch im Zusammenhang mit einer Videodokumentation, die frühestens aus der zweiten Jahreshälfte 1998 stammen kann, folgerichtig aus.

(3) Die Angaben von K. waren – sowohl bei der polizeilichen Befragung, im Rahmen der gutachterlichen Exploration und auch in der Hauptverhandlung - insgesamt wenig inhalts- und detailreich, sie bestanden im Wesentlichen aus kurzen und einfach strukturierten Schilderungen. Zwar kann dies – ebenso wie beim Zeugen E. – zwanglos mit dem langen Zeitablauf seit den fraglichen Übergriffen und daraus resultierenden Erinnerungslücken erklärt werden. Allerdings weist die Aussage des Zeugen K. überdies auch im Bereich der geschilderten Tatkerngeschehen gravierende Konstanzmängel auf, die aus Sicht der Kammer nicht allein durch den Zeitablauf erklärbar sind. Auffallend war bei der Vernehmung des Zeugen durch die Kammer auch, dass er ohne großen Vorspann sogleich auf die von ihm als „sehr, sehr sicher“ erinnerten Vorfälle zu sprechen kam, diese dann aber im Vergleich zu seinen polizeilichen bzw. in der gutachterlichen Exploration erfolgten Angaben mit gravierenden und aus Sicht der Kammer nicht mehr durch bloße Erinnerungsfehler erklärbaren Inkonstanzen geschildert wurden.

So hat der Zeuge hinsichtlich des schwersten Tatvorwurfs A. III. – nur insoweit ist die Anklage auch gegen den Angeklagten B. zugelassen worden – bei der polizeilichen Vernehmung völlig unerwähnt gelassen, dass er – wie er dann gegenüber der Sachverständigen angab – dem Angeklagten in den Mund uriniert habe, um ihn von weiteren Oralverkehr abzuhalten. In der Hauptverhandlung hat er dieses besondere Detail dann wieder zunächst überhaupt nicht und erst auf ausdrücklichen Vorhalt durch die Kammer berichtet, obwohl es doch einen zentralen Aspekt im Rahmen des Kerngeschehens sowie ein ausgesprochen markantes, ungewöhnliches Detail darstellt und – im Einklang mit den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen S. – bei einem Erlebnisbezug eine durchgängige Erinnerung und Schilderung zu erwarten gewesen wäre. Konkret antwortete er auf die Frage des Vorsitzenden, ob es bei dem geschilderten Oralverkehr etwas besonderes gegeben habe, zunächst: „So, wie Sie fragen, muss da etwas gewesen sein!“, sagte erst auf den konkreten Vorhalt, ob er A. in den Mund gepinkelt habe mit „Ja, ganz sicher, ja!“ und auf ergänzende Nachfrage nach einer ausführlicheren Schilderung dieses Vorgangs „Sie haben das eh schon erwähnt. Ich hab halt dann gepinkelt“. Auch zur Reaktion des Angeklagten A. auf das Urinieren in dessen Mund konnte der Zeuge nichts Konkretes sagen.

Der Zeuge hat ferner das den Anklagevorwürfen A. Ziffer I. im Flur in der ... und Ziffer IV. in der Schweiz zugrunde liegende Geschehen zwar konstant auch in der Hauptverhandlung geschildert. Auffällig ist aber, dass er die Reihenfolge der Vorfälle bei der Polizei und bei der Gutachterin unterschiedlich angab. Bei der Polizei – die am 23.09.2009 erfolgte polizeiliche Vernehmung wurde durch den Zeugen KHK G. in die Hauptverhandlung eingeführt - hat er angegeben, der erste Vorfall sei derjenige im Arbeitszimmer mit dem Computerspiel (Anklagepunkt A. III.) gewesen, was er deshalb erinnere, weil es „etwas Neues“ für ihn gewesen sei. Im Rahmen der am 06.08.2010 durchgeführten Exploration bei der Sachverständigen S. gab er dann an, der Vorfall im Flur sei der erste gewesen, weil „es neu für mich war“. In der Hauptverhandlung wollte er sich dann – bis auf das sicher als letzten Vorfall erinnerte Geschehen in der Schweiz - hinsichtlich einer Reihenfolge gar nicht mehr festlegen.

Unstimmig ist auch, dass der Zeuge in der Hauptverhandlung erstmals – im Sinne einer Aggravation - zunächst einen eigenen Samenerguss bei dem Vorfall im Computerzimmer (Vorwurf A.III) angab. Auf die Nachfrage, wohin er sich ergossen habe, erklärte der Zeuge: „Vermutlich hat er es geschluckt, er hat es nicht ausgespuckt“, was deshalb überraschend war, weil es ja im Computerzimmer nach seinen Angaben nicht zu einem Oralverkehr gekommen sei. Erst im Hinblick auf die später erfolgende Nachfrage zu diesem Umstand – ihm wurde vorgehalten, dass er zu diesem Zeitpunkt sicher noch nicht in einem geschlechtsreifen Alter gewesen sei – relativierte er seine Aussage dahingehend, er habe keine Ejakulation gehabt, aber einen Höhepunkt

Schließlich hat der Zeuge bereits bei der Polizei betont, dass es bei dem Angeklagten A. in keinem der von ihm geschilderten Vorfälle zu einem Samenerguss gekommen sei. Hierbei ist K. auch im Rahmen seiner Aussage in der Hauptverhandlung geblieben. Dagegen hat der Zeuge dann gegenüber seiner Mutter J. – wie diese im Rahmen ihrer späteren Vernehmung durch die Kammer bekundete – nach seiner Vernehmung berichtet, der Angeklagte A. habe bei ihm „abgespritzt“.

(4) Hinsichtlich der Aussageentstehung, die in der polizeilichen Vernehmung des nunmehr zur Durchführung der Strafanzeige entschlossenen Zeugen K. am 23.09.2009 mündete, bleibt zunächst festzuhalten, dass der Zeuge K. erstmals bereits im Alter von etwa siebeneinhalb Jahren von seiner Mutter J. mit der Frage nach einem etwaigen Missbrauch konfrontiert wurde. Die Zeugin J., deren Angaben die Kammer aufgrund ihres ruhigen und dabei klaren, trotz des enorm spannungsgeladenen Verhältnisses zu ihrem früheren Lebensgefährten B. ohne jeden Belastungseifer erfolgten Aussageverhaltens als glaubhaft erachtete, hat bekundet, sie habe aus Unterhaltungen zwischen dem Angeklagten A. und ihrem damaligen Freund, dem Angeklagten B., gewusst, dass diese pädophile Neigungen hätten. Beim Angeklagten A. sei der Eindruck entstanden, dass er diese Neigung auch auslebe, während dies bei dem Angeklagten B. nach ihrer Einschätzung nicht der Fall gewesen sei. Beide hätten sich dabei auf „die Alten Griechen“ bezogen, bei denen „dies normal“ gewesen sei. Nach ihrer Erinnerung sei es dabei allerdings um Jungs im Alter von etwa zwölf Jahren und nicht um jüngere gegangen. Schon früh habe sie den Angeklagten B. als übergriffig und sehr dominant erlebt. Etwa mit der Schwangerschaft hätten - nach einem recht normalen ersten Jahr der Freundschaft - die Schwierigkeiten begonnen, die Trennung sei dann im Dezember 1989 erfolgt, als der gemeinsame Sohn K. etwas mehr als ein Jahr alt gewesen sei. In der Folge habe es immer wieder massive Auseinandersetzungen zwischen ihr und dem Angeklagten B. gegeben, in denen es hauptsächlich um das Umgangsrecht und nicht geleisteten Unterhalt gegangen sei. Nach einem Wochenende an Ostern 1996, das K. mit seinem Vater bei A. in der Schweizer Ferienwohnung verbracht habe, habe K. in der Folgezeit nach einem Besuch beim Angeklagten B. Fotos mitgebracht, die offenbar an diesem Wochenende gemacht worden seien und die er von seinem Vater erhalten habe. Als sie darunter das bereits erwähnte „Saunabild“ gesehen habe, habe sie ihren Sohn aus Besorgnis gefragt, ob da mehr gewesen sei, was er verneint habe. Konkrete Äußerungen über einen etwaigen Missbrauch habe ihr Sohn nie gemacht - er habe überhaupt wenig über die Erlebnisse und Unternehmungen mit seinem Vater erzählt. Erst jetzt, als sie ihn nach seiner Vernehmung durch die Kammer gefragt habe, was denn passiert sei, habe er erklärt: „A. hat abgespritzt!“.

Das „Saunabild“ war dann auch Anlass für weiteren Streit im Rahmen des Umgangsrechts und führte dazu, dass im Rahmen des väterlichen Umgangs mit K. Kontakte zu A. untersagt wurden.

Auch im Rahmen der bei dem Zeugen T., Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie, absolvierten Therapie wurden dieses Bild und die Frage eines etwaigen Missbrauchs, wenn auch nicht vertiefend, thematisiert. T. - Anhaltspunkte dafür, an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben zu zweifeln, ergaben sich für die Kammer in keiner Form - hat in seiner Zeugenvernehmung den Grund und Beginn sowie den Verlauf der bei ihm absolvierten Therapie von K. geschildert. Dabei hat er betont, er könne nur schildern, was er sich notiert und zur Vorbereitung der Verhandlung nochmals durchgesehen habe. Demnach sei die Kinderpsychiatrische/psychotherapeutische Behandlung - auf Anregung der Mutter des Jungen - im Dezember 1999 begonnen worden. Bis zum Jahre 2004 sei dies eine „ganz normale kinderpsychologische Behandlung“ gewesen, in der die erhebliche emotionale Belastung des Jungen in einer äußerst heftigen Auseinandersetzung zwischen den Eltern im Mittelpunkt gestanden habe und K. eine Symptomatik, ähnlich einer Aufmerksamkeitsdefizitstörung, aufgewiesen habe. Auf das von ihm, dem Zeugen, in der ersten Zeit der Behandlung nach Ansprechen des „Saunabildes“ (J. hatte T. hiervon und von ihrem unguten Gefühl im Zusammenhang mit dem Bild berichtet) erfolgte Vorfühlen nach einem etwaigen Missbrauchserlebnis habe K. kein Missbrauchsgeschehen geschildert. Das Thema des sexuellen Missbrauchs sei durch K. erstmals im November 2003 explizit angesprochen worden, wobei K. bereits in den Monaten zuvor immer wieder über ein ihm peinliches „Geheimnis“ berichtet hatte. Am 13.11.2003 habe K. ihm, T., erklärt, der „A.“ habe ihm in den Hosenschlitz gefasst und einmal auch etwas „ganz Ekliges gemacht“, was er nicht habe sagen können. Im Weiteren habe er dies nicht näher ausgeführt, er selbst habe vor dem Hintergrund seines Therapieverständnisses aber auch nicht „investigativ“ nachgefragt. Bis 2004 sei dieses Thema dann wieder verschwunden. Am 12.07.2004 habe ihm K. gesagt, während eines Urlaubs bei seinem Vater sei es in dessen Anwesenheit und mit dessen Billigung dazu gekommen, dass „A.“ die Hand in seine (Ks) Hose getan und er (K.) so getan hätte, als finde er es lustig. Zudem sei eine wechselseitige orale Berührung unter großer Scham und sehr stockend berichtet worden. Er habe eine E-Mail an A. und einen Brief an seinen Vater und dessen Freundin geschrieben und wolle unter anderem erfahren, warum er dies getan habe. Im September 2004 habe K. enttäuscht über ein Treffen mit „A.“ berichtet. Wörtlich habe er sich die Äußerungen K.s mit „Er gibt nur zu, dass er mich nackt massiert hat“ notiert.

Zu der Aussprache zwischen K. und dem Angeklagten A. war es, wie einer Mail vom 22.07.2004 von M. an A. aus dem auf einem PC des Angeklagten A. in der Schweiz sichergestellten Emailverkehr zu entnehmen ist, am Tag davor, mithin dem 21.07.2004, gekommen. Zuvor hatte der Angeklagte A. der mit ihm befreundeten M. bereits in einer Mail vom 22.07.2012 von dem Treffen mit K. an der D. berichtet. Hierbei führte der Angeklagte A. insbesondere aus (in der wiederhergestellten Mail fehlen erneut einzelne Buchstaben):

„Ich wei jetzt, warum er „Das“ nie pr zisierte und warum er unbedingt mit mir reden wollte: Er wei einfach nicht, was passiert ist, kann sich nur schemenhaft daran erinnern, dass ich meine Hand in seiner Hose gehabt haben soll, aber er hat halt von dem Vorwurf gegen mich geh rt oder gelesen, und dann „muss es ja auch bei ihm was gegeben haben“. Obwohl er sich an nichts erinnern kann, ist er sich umso sicherer, „DASS“ aber „was“ war (auf Druck meinte er dann, er habe vor einem Computer gesessen – offenbar auf meinem Scho – und ich h tte meine Hand in seiner Hose gehabt un ihn onaniert …). Sein Vater sei dabei gewesen und er habe sich nicht gewehrt, weil er geglaubt habe, dass B. so was gut finden w rde.“

Zwar handelt es sich bei diesen Angaben um die Wiedergabe eines Gesprächsausschnitts durch den Angeklagten A. selbst. Andererseits erfolgten hier eine Mitteilung an die mit ihm befreundete und offenbar in einem offenen Vertrauensverhältnis stehende M., so dass die Kammer davon ausgeht, dass der Angeklagte A. auch hier – wie im Übrigen im gesamten mit ihr erfolgten Mailverkehr – wahrheitsgemäße Angaben machte. Daraus folgt dann zwar einerseits, dass K. den Angeklagten A. mit einem sexuellen Übergriff konfrontierte, den er im Rahmen seiner erfolgten Vernehmungen bis in die Hauptverhandlung aufrechterhielt und der der ersten Phase des Anklagepunktes A. III. entspricht. Andererseits fällt – auch wenn dies natürlich auch taktische Gründe gehabt haben kann oder aus Scham erfolgt sein könnte - aber auch auf, dass er den Angeklagten A. offenbar gerade nicht mit dem von ihm geschilderten erheblichsten Übergriff, dem gegenseitigen Oralverkehr, konfrontierte, zumal – so die von ihm in der Hauptverhandlung geäußerte Erinnerung – ein enger zeitlich-räumlicher Zusammenhang zwischen den beiden Vorfällen bestand.

Der Zeuge K. hatte ferner in der ersten Jahreshälfte 2004 zur Zeugin M., die er zuvor während eines gemeinsamen Urlaubs mit seinem Vater im Jahre 2003 kennengelernt hatte, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut. Dass K. demnächst ein Konfrontationsgespräch mit dem Angeklagten A. durchführen wollte, geht auch aus einer Mail von M. vom 17.07.2004 an den Angeklagten A. hervor. Nach ihren Angaben in der polizeilichen Vernehmung in Klagenfurt vom 27.09.2011 habe K. ihr gegenüber keinen konkreten Übergriff durch den Angeklagten A. geschildert. Dieser habe gegenüber ihr allein einen Missbrauchsverdacht geschildert. Auf sie habe er jedoch den Eindruck gemacht, dass er nicht genau wisse, was passiert sei. Die verlesene Aussage hat die Kammer mit großer Vorsicht bewertet, da die Zeugin jedenfalls lange Zeit gut mit beiden Angeklagten befreundet war, mit dem Angeklagten B. jedenfalls noch im September 2011, wie sie selbst erklärte, eine sexuelle Beziehung hatte und schließlich auch, weil sich die Kammer keinen eigenen Eindruck von der Zeugin verschaffen konnte. Immerhin wird ihre Aussage aber insoweit bestätigt, dass sie selbst in den letzten sichergestellten Mails vom 17.07.2004 und 19.07.2004 an den Angeklagten A. vor dessen Treffen an der … mit K. nicht angeben konnte, welche Missbrauchsvorwürfe letzterer konkret erhebt.

Die Sachverständige S., Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Kindes- und Jugendalter sowie Diplom-Psychologin, tätig in der kindes- und jugendpsychiatrischen Abteilung …, hat im Rahmen ihres in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachtens (vgl. hierzu ferner unten (6)) die Art der Aussageentstehung beim Zeugen K. als problematisch eingeschätzt. Einen besonderen „Markierungspunkt“ bilde das so genannte „Saunafoto“, das zu der besorgten Frage J.s an ihren Sohn geführt habe, ob da mehr gewesen sei, worauf K., der damals sieben Jahre alt war, mit „Nein!“ geantwortet haben soll. Eine etwaige Fremdsuggestion stehe auch wegen der Vielzahl der hochstreitigen familienrechtlichen Verfahren im Raum. Gerade nach dem Auftauchen des „Saunafotos“ sei in vielen Umgangs- und Unterhaltsverfahren der erbittert miteinander streitenden Eltern das Thema des sexuellen Missbrauchs aufgekommen (die Sachverständige sprach in diesem Zusammenhang von einem „sexuellen Rauschen“). Auch auf die entsprechende Nachfrage von T. zu Beginn seiner mit K. geführten Therapiegespräche (mithin etwa 1999/2000) im Zusammenhang mit dem „Saunabild“ habe dieser - wie bereits gegenüber seiner Mutter – einen Missbrauch verneint. Erst drei Jahre später, am 13. November 2003 habe K. gegenüber Dr. T. einen erfolgten sexuellen Missbrauch erwähnt, ohne jedoch sehr konkret zu werden.

Zur „Geburtsstunde“ der Aussage von K. lasse sich keine eindeutige Einschätzung abgeben. So habe er ihr, der Gutachterin, gegenüber berichtet, anlässlich einer Bootsfahrt in Frankreich darüber nachgedacht zu haben, was in seinem noch jungen Leben schief gelaufen sei. Da sei es ihm klar und wieder bewusst geworden. Berücksichtige man dabei die lange Zeit der möglichen Einflussnahme auf den Jungen, in der die spezifischen, einen etwaigen sexuellen Missbrauch betreffenden Inhalte (und auch die Ansichten von J., die von pädophilen Neigungen sowohl des Angeklagten A. als auch des Angeklagten B. ausgehe) K. sicher nicht verborgen geblieben seien, so sei es nicht fernliegend, dass auch autosuggestive Einflüsse bei der Entstehung der Aussage zum Tragen gekommen seien. Schließlich habe der Zeuge erklärt, sich insbesondere deshalb nicht früher offenbart zu haben, um seine Mutter zu schonen. Dies stelle eine Erklärung aus Erwachsenensicht dar, nicht jedoch eine solche, die der Zeuge als Kind angestellt haben könnte. Mithin deute vieles darauf hin, dass diese Erklärung gleichsam nachgeschoben worden sei.

Die Sachverständige Dr. S. kam insgesamt zu dem Ergebnis, dass fremd- und autosuggestive Einflüsse auf die Aussage des Zeugen K. nicht auszuschließen sind. Dieser Einschätzung, die die aussagepsychologische Gutachterin schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, hat sich die Kammer nach eigener Prüfung in vollem Umfang angeschlossen. Zwar geht die Kammer – wie oben b. dargelegt – aufgrund der Angaben des Angeklagten A. im Rahmen der Emailkommunikation mit M. davon aus, dass es zu einem sexuellen Missbrauch von K. durch den Angeklagten A. gekommen ist und der anwesende Angeklagte B. sich durch sein Nichteinschreiten in Garantenstellung als Vater hieran beteiligt hat. Dies ändert indes nichts daran, dass – soweit es um den konkreten Inhalt der (den Anklagevorwürfen zugrunde liegenden) Angaben des Zeugen K. geht – fremd- und autosuggestive Einflüsse mit der Gefahr nicht erlebnisbezogener Aussagen im Einklang mit der Sachverständigen auch nach Auffassung der Kammer nicht ausgeschlossen werden können.

(5) Zumindest gegenüber seinem Vater hat der Zeuge überdies ein nicht von der Hand zu weisendes Motiv für eine Falschbelastung. Er wuchs in einem sehr belasteten familiären Klima auf, da sich seine Eltern nicht nur in der Frage des Umgangs des Vaters mit seinem Kind und des Unterhalts weit überwiegend nicht einig waren. In diesem Zusammenhang wurden zahlreiche familienrechtliche Verfahren geführt, in denen beide Seiten erbittert gegeneinander kämpften. Diese – gelinde gesagt – Spannungen zwischen seinen Eltern ist dem Zeugen nicht verborgen geblieben. Im Gegenteil befand er sich nahezu die gesamte Zeit in einem nicht aufzulösenden Loyalitätskonflikt. Nach dem Bruch mit seinem Vater im 16. Lebensjahr hatte er bis heute keinen Kontakt mehr zu diesem; zudem empfand er – jedenfalls zeitweilig - Hassgefühle ihm gegenüber, was er selbst in der Hauptverhandlung bestätigt hat. Vor diesem Hintergrund liegt es zumindest nicht fern, dass sich hieraus Beweggründe für nicht erlebnisbezogene Anschuldigungen ergeben, in die der Angeklagte A. einbezogen werden könnten.

(6) Die aussagepsychologische Sachverständige S., die den Zeugen K. bereits am 06.08.2010 ausführlich exploriert hatte, hat an allen für ihr Gutachten wesentlichen Tagen der Hauptverhandlung teilgenommen. Überdies standen ihr die Verfahrensakten und auch vormundschaftsgerichtliche Akten zur Verfügung, aus der die sehr konfrontativ geführten gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen dem Angeklagten B. und J. im Zusammenhang mit der Umgangs- und der Unterhaltsfrage hinsichtlich K. deutlich wurden.

Die Aussagetüchtigkeit des Zeugen K. wurde von der Sachverständigen nachvollziehbar und plausibel als ohne weiteres gegeben beurteilt. Dies deckt sich auch mit dem eigenen Eindruck der Kammer. Bei K. handelt es sich um einen normal entwickelten und intelligenten jungen Menschen, bei dem es keine Anhaltspunkte für eine Einschränkung seiner allgemeinen Aussagetüchtigkeit gibt.

Neben der Auseinandersetzung mit der Aussageentstehung (vgl. hierzu oben (5)) hat die Sachverständige zur Frage der Aussagequalität ausgeführt, die Detaillierung der Angaben von K. zum unmittelbar forensisch relevanten Sachverhalt sei „grenzwertig gering“. Das heiße, bei dem vorliegenden geringen Aussageumfang mit wenigen Details zu dem unmittelbaren Sachverhalt könne auf der Untersuchungsebene der aussageimmanenten Qualität keine Festlegung dahingehend erfolgen, ob der Zeuge den Sachverhalt auch außerhalb der Anlehnung an reale Erlebnisse hätte vorbringen können. Überdies habe K. besondere Details (wie das Pinkeln in den Mund) nicht von Anfang an konstant berichtet. Gerade bei diesem Aspekt sei das Alter sehr wichtig. Das Pinkeln in den Mund eines Erwachsenen im noch sehr jungen Alter sei eine derart massive Reaktion, dass bei einem solchen Vorfall und zudem einer entsprechenden Reflektion - wie sie von K. in der Hauptverhandlung als Versuch, hierdurch eine Beendigung des Oralverkehrs zu erreichen, auch erfolgte - eine ausgesprochen hohe Konstanz zu erwarten gewesen wäre. Dagegen habe der Zeuge ein solches Geschehen bei seiner Aussage in der Hauptverhandlung zunächst gar nicht, und dann auf entsprechenden Vorhalt des Vorsitzenden „eher halblebig“ bestätigt. Gerade auch ein Blick auf die polizeiliche Vernehmung, die sehr bemüht durchgeführt worden sei und bei der K. ohne Drängen seine Aussage habe entwickeln können, lasse es als zumindest erstaunlich erscheinen, dass K. dieses außergewöhnliche Detail dort überhaupt nicht erwähnt habe. Im Rahmen der Konstanzprüfung seien bei der Aussage des Zeugen K. auch zahlreiche Abweichungen im Rahmen der Vernehmungen (insbesondere die zunächst erfolgte Erwähnung eines eigenen Samenergusses in der Hauptverhandlung, dann eines solchen von A. gegenüber seiner Mutter), teilweise sogar echte Widersprüche und Auslassungen zu konstatieren. Die Qualität der Aussage habe sich in der Hauptverhandlung als deutlich schlechter als bei der Exploration erwiesen, was allein mit dem Zeitablauf und dem weniger belastenden Rahmen nicht erklärt werden könne.

Im Ergebnis hat die Sachverständige Dr. S. weder die Auto- und/oder Fremdsuggestionshypothese noch die – von der Sachverständigen allerdings als deutlich unwahrscheinlicher eingeschätzte – Phantasiehypothese ausschließen können. Den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen hat sich die Kammer nach eigener Prüfung angeschlossen.

Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung der Beweislage konnte sich die Kammer im Ergebnis trotz des durch den Mailverkehr grundsätzlich erwiesenen sexuellen Missbrauchs des Zeugen K. durch A. in Gegenwart seines nicht einschreitenden Vaters insbesondere aufgrund der problematischen Aussageentstehung und der dargestellten erheblichen Mängel der Aussagequalität nicht zweifelsfrei davon überzeugen, dass die angeklagten, auf die Angaben des Zeugen K. gestützten sexuellen Übergriffe erlebnisbezogen waren.

In dubio pro reo war der Angeklagte A. somit insoweit und der Angeklagte B. hinsichtlich des ihn allein noch betreffenden Anklagevorwurfs A.III. - und damit insgesamt - freizusprechen.

IX.

Zu den Hilfsbeweisanträgen:

1. Die von der Staatsanwaltschaft und der Vertreterin des Nebenklägers gestellten Hilfsbeweisanträge, mit der für den Fall eines insoweit beabsichtigten Freispruchs jeweils die Einholung eines weiteren aussagepsychologischen Glaubwürdigkeitsgutachtens hinsichtlich K. durch einen anderen Sachverständigen beantragt wurde, hat die Kammer gemäß § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO wegen eigener Sachkunde abgelehnt.

Die Kammer verfügt – nicht nur aufgrund der im vorliegenden Verfahren erstatteten zwei Sachverständigengutachten, sondern auch aufgrund langjähriger Tätigkeit der Berufsrichter in einer Großen Strafkammer, die den Schöffen ihr Wissen insoweit vermittelt haben – über die eigene Sachkunde zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen K. Im Übrigen war das von der erfahrenen Sachverständigen Dr. S. erstattete Gutachten nachvollziehbar, stimmig und frei von methodischen Mängeln, insbesondere ist die Sachverständige zu Recht von der sogenannten „Nullhypothese“ ausgegangen. Auch kann die Kammer nicht erkennen, dass die Sachverständige ihrem Gutachten falsche oder unzureichende Anknüpfungstatsachen zugrunde gelegt hätte.

2. Die ferner gestellten Hilfsbeweisanträge der Staatsanwaltschaft auf erneute Vernehmung der Zeugen J. und T. waren abzulehnen. Bei diesen Anträgen auf wiederholte Vernehmung handelt es sich um Sonderfälle des Aufklärungsantrages, die allein an der Aufklärungspflicht zu messen sind (vgl. Becker in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. A., § 244 Rdnr. 175). Sowohl der Zeuge T. als auch J. haben in der Hauptverhandlung bereits erschöpfend Angaben gemacht, ihre wiederholte Vernehmung versprach keinen weiteren für die Entscheidung bedeutsamen Erkenntnisgewinn. Die Aufklärungspflicht gemäß § 244 Abs. 2 StPO gebot daher ihre erneute Vernehmung nicht.

X.

Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Angeklagten A. auf den §§ 465, 467 und hinsichtlich des Angeklagten B. auf § 467 StPO. Da die Angeklagten nicht wegen der den Nebenkläger K. betreffenden Anklagevorwürfe verurteilt wurden, waren seine notwendigen Auslagen nicht von diesen zu tragen.