BGH, Urteil vom 09.07.2009 - III ZR 104/08
Fundstelle
openJur 2011, 2835
  • Rkr:
Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 14. März 2008 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten als Rechtsnachfolger der ursprünglich verklagten T. und M. GbR (im Folgenden: GbR) die Zahlung einer der Höhe nach am 7. November 2001 gesondert vereinbarten Provision von 177.929,57 € für ihre Maklertätigkeit.

Die GbR schloss im Dezember 2001 mit der Verkäuferin einen von der Klägerin vermittelten Kaufvertrag über eine Gewerbeimmobilie, die an das Staatliche Umweltamt vermietet war, zu einem Kaufpreis von 11,6 Mio. DM. Nach dem Vertrag waren Besitz- und Gefahrübergang nach Kaufpreiszahlung zum 1. März 2002 vorgesehen. Dazu kam es indes nicht, weil die GbR der Verkäuferin anlastete, sie habe sie nicht über Beanstandungen des Staatlichen Amts für Arbeitsschutz hinsichtlich der Beleuchtungsstärke an den überprüften Arbeitsplätzen der Mieterin und über das Eindringen von Wasser in die Tiefgarage informiert. Sie lehnte deshalb mit Schreiben vom 8. März 2002 die Annahme des Grundbesitzes und die Zahlung des Kaufpreises ab und verlangte gemäß § 463 BGB (in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung) Ersatz ihres Nichterfüllungsschadens. Ihre gegen die Verkäuferin gerichtete Klage, mit der sie zuletzt entgangenen Gewinn von 1.476.568,15 € sowie die Freistellung von Säumniszuschlägen des Finanzamts und der Provisionsforderung der Klägerin begehrte, hatte keinen Erfolg, weil das Berufungsgericht Gewährleistungsansprüche vor Gefahrübergang verneinte und weil die Verkäuferin es nicht endgültig abgelehnt habe, die - behebbaren - Mängel zu beseitigen. Der GbR sei die Kaufpreiszahlung zuzumuten gewesen, weil ein arglistiges Verschweigen von Mängeln nicht festzustellen sei. Die Nichtzulassungsbeschwerde der GbR gegen diese Entscheidung wurde zurückgewiesen.

Im anhängigen Rechtsstreit begründet die GbR den Wegfall der Provisionspflicht damit, dass der Kaufvertrag wegen seiner Anfechtbarkeit von Anfang an an einer Unvollkommenheit gelitten habe und daran auch gescheitert sei. Dass sie gegen die Verkäuferin einen auf das positive Interesse gerichteten Schadensersatzanspruch geltend gemacht habe, führe zu keiner anderen Beurteilung.

Das Landgericht hat die auf Provisionszahlung gerichtete Klage abgewiesen, weil die Verkäuferin die GbR bei Abschluss des Vertrags arglistig getäuscht habe. Das Berufungsgericht hat demgegenüber der Klage bis auf eine Zinszuvielforderung entsprochen, weil der Kaufvertrag weder angefochten noch rückabgewickelt worden sei, sondern weil die GbR anstelle der Vertragserfüllung Schadensersatz - gerichtet auf das positive Interesse - begehrt habe, den sie bei einer Wandelung oder Anfechtung des Vertrags nicht hätte verlangen können. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Gründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Das Berufungsgericht geht davon aus, dass zwischen der Klägerin und der GbR ein provisionspflichtiger Maklervertrag zustande gekommen und der im Dezember 2001 geschlossene Kaufvertrag zwischen der GbR und der Verkäuferin auf die Tätigkeit der Klägerin zurückzuführen ist. Dass sich hieraus (zunächst) eine Provisionspflicht der GbR ergab, wird auch von der Revision nicht in Abrede gestellt.

2. Der Umstand, dass der Kaufvertrag tatsächlich nicht durchgeführt wurde - nach Ablehnung der Annahme des Kaufgegenstands durch die GbR trat die Verkäuferin nach Fristsetzung und Ablehnungsandrohung vom Vertrag zu- rück -, berührt den Provisionsanspruch der Klägerin nicht.

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist für das Entstehen des Provisionsanspruchs nach § 652 Abs. 1 BGB lediglich das Zustandekommen des Hauptvertrags infolge des Nachweises oder der Vermittlung erforderlich, nicht aber - wie nach § 87a Abs. 1 Satz 1 HGB beim Handelsvertreter - die Ausführung des Geschäfts. Dem entspricht es, dass Umstände, die lediglich die Leistungspflicht aus dem wirksam zustande gekommenen Vertrag beseitigen - wie einverständliche Aufhebung des Vertrags, nachträgliche Unmöglichkeit, Kündigung oder Rücktritt -, die Provisionspflicht unberührt lassen (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1992 - IV ZR 218/91 - NJW-RR 1993, 248, 249; Senatsurteile vom 20. Februar 1997 - III ZR 81/96 - NJW 1997, 1583; vom 14. Dezember 2000 - III ZR 3/00 - NJW 2001, 966, 967; vom 14. Juli 2005 - III ZR 45/05 - NJW-RR 2005, 1506; Senatsbeschluss vom 30. November 2000 - III ZR 79/00 - NJW-RR 2001, 562). Insoweit wird lediglich für ein im Hauptvertrag ausbedungenes zeitlich befristetes und an keine Voraussetzung gebundenes Rücktrittsrecht eine Ausnahme gemacht, weil in einem solchen Fall eine echte vertragliche Bindung - ähnlich wie bei einem Vertragsschluss unter einer aufschiebenden Bedingung - erst in dem Zeitpunkt begründet wird, in dem der Rücktrittsberechtigte sein Rücktrittsrecht nicht mehr ausüben kann (vgl. Senatsurteil vom 20. Februar 1997 aaO). Zu den die Provisionspflicht nicht berührenden Umständen gehört regelmäßig auch das bis zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geltende Recht der Wandelung des Kaufvertrags nach § 462 BGB a.F. (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2000 aaO). Für das Verlangen nach dem "großen Schadensersatz" im Sinne des § 463 BGB a.F., das dem Käufer gegenüber der Wandelung noch weitergehende Rechte gegen den Verkäufer verschafft, nämlich die mit dem Abschluss des Kaufvertrags verbundenen wirtschaftlichen Erwartungen in der Gestalt des positiven Interesses schadensersatzrechtlich abdeckt, kann nichts anderes gelten.

b) Demgegenüber schließen Umstände, die einen wirksamen Abschluss des Kaufvertrags verhindern oder ihn als von Anfang an als unwirksam erscheinen lassen, die Entstehung eines Provisionsanspruchs aus (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1992 aaO; Senatsurteil vom 20. Februar 1997 aaO). Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Hauptvertrag formnichtig, gesetz- oder sittenwidrig oder wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung mit Wirkung ex tunc angefochten ist (vgl. Senatsurteile vom 14. Dezember 2000 aaO; vom 14. Juli 2005 aaO).

Eine Anfechtung des Kaufvertrags ist indes nicht vorgenommen worden. Die GbR hat nämlich mit Rücksicht auf die aus ihrer Sicht günstigeren Rechtsfolgen anstelle der alternativ möglichen Anfechtung wegen arglistiger Täuschung den großen Schadensersatz nach § 463 BGB a.F. verlangt.

c) Ungeachtet der im Ansatz klaren Unterscheidung zwischen Umständen, die der Wirksamkeit des Hauptvertrags entgegenstehen oder - infolge einer Anfechtungserklärung - rückwirkend seine Nichtigkeit herbeiführen, und solchen Umständen, die nur die Leistungspflicht aus einem wirksamen Vertrag verändern oder beseitigen, hat der Senat für eine bestimmte Fallkonstellation auch der Rückgängigmachung des Kaufvertrags durch Wandelung die Wirkung beigemessen, dass der Provisionsanspruch des Maklers entfällt. Er hat nämlich in einem Fall, in dem der Verkäufer einen Mangel arglistig verschwiegen und der Käufer mit Erfolg gegen diesen Wandelungsklage erhoben hatte, befunden, es sei hier zu beachten, dass wegen desselben Mangels ein Anfechtungsrecht neben den kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften bestehe und der Vollzug der Wandelung daher zugleich das aus derselben Fehlerquelle stammende, alternative Recht des Käufers, den Kaufvertrag ex tunc zu beseitigen, realisiere (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2000 aaO; zu einer ähnlichen Fallkonstellation, bei der vor dem Hintergrund behaupteten arglistigen Verhaltens während der Anhängigkeit des Rechtsstreits im Berufungsverfahren eine notarielle Vergleichsvereinbarung über einen "Wandelungsvertrag mit Auflassung" geschlossen wurde, vgl. Senatsurteil vom 22. September 2005 - III ZR 295/04 - NJW 2005, 3778, 3779). Der Käufer habe bei einem solchen Sachverhalt die freie Wahl zwischen dem Verlangen nach einer Gewährleistung und der Anfechtung des Kaufvertrags. Wofür er sich entscheide, sei aus der Sicht des Maklers rein zufällig. Deswegen dürfe hiervon nicht das Bestehen seines Provisionsanspruchs abhängig gemacht werden. Für die Maklervergütung sei vielmehr allein maßgebend, dass der Hauptvertrag wegen des Makels der Anfechtbarkeit von Anfang an an einer Unvollkommenheit leide und daran wirtschaftlich auch scheitere. Voraussetzung für diese Gleichbehandlung von Gewährleistung und Vertragsanfechtung sei, dass der Käufer seine Gewährleistungsrechte innerhalb der einjährigen Anfechtungsfrist des § 124 Abs. 1 BGB geltend gemacht habe (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2000 aaO).

d) Wie das Berufungsgericht zutreffend entschieden hat, kann sich der Beklagte auf diese Rechtsprechung nicht beziehen.

aa) Dabei kann offen bleiben, ob es hier nicht bereits an der erfolgreichen Durchsetzung eines kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts durch die GbR fehlt, das die Grundlage dafür bieten könnte, ein ihr möglicherweise alternativ zustehendes Anfechtungsrecht zu realisieren. Zwar mag man hiergegen einwenden, der Vorprozess zwischen den Vertragsparteien des Kaufvertrags entfalte für die in diesem Verfahren zu treffende Entscheidung keinerlei Bindungswirkung. Da es aber für die Frage der Provisionspflicht darauf ankommt, ob der Hauptvertrag wegen einer bestimmten, durch Arglist verursachten Unvollkommenheit nicht zur Durchführung gelangt, könnte es schon von Bedeutung sein, welches Ergebnis der Prozess zwischen den Parteien des Hauptvertrags hat. Danach wurden hier Gewährleistungsansprüche der GbR gerade verneint; die Nichtdurchführung des Kaufvertrags beruhte, von der tatsächlichen Weigerung der GbR abgesehen, den Kaufgegenstand zu übernehmen und den Kaufpreis zu zahlen, auf dem Rücktritt der Verkäuferin, der den Provisionsanspruch der Klägerin unberührt ließ.

bb) Entscheidend ist, dass hier eine Fallkonstellation vorliegt, in der der GbR nicht im Sinne einer rechtlichen Beliebigkeit die freie Wahl zustand, wie sie gegen die Verkäuferin vorging. Hätte sie allein die Wandelung des Kaufvertrags begehrt, hätte sich für sie wie für die Verkäuferin dieselbe Rechtsfolge ergeben, wenn ihr Vorwurf zutraf, die Verkäuferin hätte ihr arglistig oder - etwa im Sinne eines Anspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen, der bis zum Gefahrübergang hätte geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1982 - V ZR 143/81 - WM 1982, 960, 961) - wenigstens fahrlässig einen ihr bekannten Mangel der Kaufsache verschwiegen: Im praktischen Ergebnis wäre die Abstandnahme vom Vertrag wegen eines von Anfang an bestehenden Mangels die Folge sowohl einer Wandelung als auch einer Anfechtung oder eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen gewesen.

Demgegenüber verfolgte die GbR gegen die Verkäuferin ein Ziel, das sie von vornherein nicht erreichen konnte, wenn sie die Anfechtung erklärt oder einen Schadensersatzanspruch in der Richtung geltend gemacht hätte, so gestellt werden zu wollen, als sei der Kaufvertrag nicht geschlossen worden. Zwar stand ihr auch insoweit die freie Wahl zu, welches Ziel sie verfolgte. Da sie aber Wert darauf legte, für den entgangenen Gewinn entschädigt zu werden, der sich aus einer Durchführung des Kaufvertrags ergab, durfte sie dem Kaufvertrag nicht gleichzeitig durch Anfechtung jede Wirksamkeit nehmen. Wegen dieser unterschiedlichen Rechtsfolgen ist es daher auch nicht möglich, die Anfechtung gegenüber dem Schadensersatzanspruch aus § 463 BGB a.F. als "alternative" Möglichkeit anzusehen, sich vom Kaufvertrag zu lösen. Während die Käuferin bei einer Anfechtung keinen Nutzen aus dem Kaufvertrag ziehen kann und darum auch dem Makler gegenüber nicht provisionspflichtig ist, kommen ihr bei einer Realisierung ihrer Ansprüche aus § 463 BGB a.F. die wirtschaftlichen Vorteile aus dem Kaufvertrag, wenn auch in abgewandelter Form, zugute.

Da die GbR nicht innerhalb der Frist des § 124 Abs. 1 BGB Abstand von der Verfolgung ihres positiven Interesses genommen hat, um den Kaufvertrag anzufechten, kann sie dessen Unwirksamkeit jetzt nicht mehr herbeiführen. Dass der Kaufvertrag während der Jahresfrist des § 124 Abs. 1 BGB anfechtbar gewesen sein mag, berührt den Provisionsanspruch der Klägerin mangels Ausübung dieses Rechts nicht (vgl. Staudinger/Reuter, BGB, Neubearb. 2003, §§ 652, 653 Rn. 95; MünchKommBGB/Roth, 5. Aufl. 2009, § 652 Rn. 164). Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass sich die GbR darum bemüht hätte, im Wege eines Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen von der Verkäuferin so gestellt werden zu wollen, als hätte sie den Kaufvertrag nicht geschlossen.

Schlick Dörr Wöstmann Seiters Schilling Vorinstanzen:

LG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.01.2007 - 6 O 262/05 -

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 14.03.2008 - I-7 U 40/07 -