OLG Hamm, Beschluss vom 16.01.2014 - 3 UF 244/13
Fundstelle
openJur 2014, 19436
  • Rkr:
Tenor

Der Senat weist die Beteiligten darauf hin, dass er beabsichtigt, gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen und die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Antragsgegner erhält Gelegenheit zur Stellungnahme, ggf. Rücknahme seiner Beschwerde, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

A.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde bereits im ersten Rechtszug vorgenommen. Von einer erneuten Vornahme sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten. Die Beschwerde hat bereits nach dem schriftlichen Vorbringen des Antragsgegners keine Aussicht auf Erfolg, ohne dass es auf eine noch ausstehende Beschwerdeerwiderung des Antragstellers ankäme.

B.

Die zulässige Beschwerde erscheint nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand als unbegründet.

I.

Das Amtsgericht hat den Antragsgegner durch den angefochtenen Beschluss zu Recht zur Zahlung von Nachscheidungs-Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB in Höhe von insgesamt 2.604,00 EUR an den Antragsteller aus übergegangenem Recht gemäß § 33 Abs. 1 und 2 SGB II für den abgeschlossenen Unterhaltszeitraum vom 01.08.2012 bis zum 30.06.2013 verpflichtet. Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die ebenso tiefgehenden wie überzeugenden Ausführungen des Familiengerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 31.10.2013.

II.

Die Gründe des angefochtenen Beschlusses werden durch das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners zur Überzeugung des Senats nicht widerlegt. Vielmehr erscheint der titulierte Betreuungsunterhalt aus § 1570 BGB als angemessen.

1. Zum einen vermag der Antragsgegner seine Beschwerde nicht mit Erfolg damit zu begründen, dass ein etwaiger auf den Antragsteller übergegangener Betreuungsunterhaltsanspruch gemäß § 1579 Nr. 2 (oder Nr. 7) BGB in jedem Falle verwirkt sei. Der - bestrittene - Tatsachenvortrag des Antragsgegners zu dem Zusammenleben seiner geschiedenen Ehefrau mit ihrem jetzigen Lebensgefährten seit dem 01.08.2012, zu deren Versorgungleistungen für diesen und zu einem Verlöbnis Ende 2012 begründet entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht die Schlussfolgerung, dass ein Unterhaltsanspruch bereits ab dem 01.08.2012 vollständig verwirkt sei.

a) Eine verfestigte Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1579 Nr. 2 BGB kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig bei einer Dauer von zwei bis drei Jahren angenommen werden. Diese Zeitspanne kann aber deutlich kürzer sein, wenn aus der neuen Lebensgemeinschaft ein Kind hervorgegangen ist und/oder hinreichende Indizien für eine langfristige Planung einer gemeinsamen Zukunft bestehen, insbesondere wenn die Beteiligten durch einen gemeinsamen Hauskauf oder -bau ihre Zusammengehörigkeit zu erkennen gegeben haben. Ein gemeinsamer Haushalt indiziert in der Regel die Annahme einer verfestigten Gemeinschaft, die sich aufgrund starker Verflechtung der Lebensbereiche auch für Außenstehende als eine gleichsam an die Stelle einer Ehe getretene Lebensgemeinschaft im Sinne einer ehegleichen ökonomischen Solidarität darstellt. Die Annahme einer auf Dauer verfestigten Lebensgemeinschaft kann insoweit unter Umständen schon nach einem Jahr in Betracht kommen (vgl. zum Vorstehenden Palandt-Brudermüller, BGB, 72. Auflage, § 1579 Rn. 12 a, 12 b mit verschiedenen BGH-Fundstellen).

aa) An diesem Maßstab gemessen geht der Senat auf der Grundlage des wechselseitigen Tatsachenvortrags der Beteiligten und des vom Amtsgericht zutreffend gewürdigten Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme vom 11.10.2013 dem Grunde nach von einem nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau - wegen erbrachter übersteigender Sozialleistungen übergegangen auf den Antragsteller - jedenfalls noch für den titulierten Zeitraum vom 01.08.2012 bis Ende Juni 2013 aus. Selbst wenn die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners kurz nach dem Kennenlernen ihres jetzigen Lebensgefährten bereits im August 2012 mit diesem zusammenzogen sein sollte, in der Folgezeit für diesen Versorgungsleistungen erbracht haben sollte und sich Ende 2012 die Absicht herausgebildet haben sollte, nach der zeitlich noch nicht vorhersehbaren Ehescheidung des seinerseits in Trennung lebenden neuen Partners zu heiraten, könnte eine Verfestigung dieser etwaigen sozio-ökonomischen Lebensgemeinschaft nach der obigen Rechtsprechung frühestens nach dem Ablauf eines Jahres angenommen werden. Der abgeschlossene Unterhaltszeitraum, um den es vorliegend ausschließlich geht, endet indes mit dem 30.06.2013 bereits vor dem Ablauf des ersten Jahres der Beziehung der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners mit ihrem neuen Lebensgefährten.

bb) Im Übrigen hat der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung im Wesentlichen seinen bisherigen Tatsachenvortrag zu dem von ihm behaupteten Verwirkungstatbestand wiederholt, ohne sich inhaltlich mit der gut nachvollziehbar begründeten Beweiswürdigung des Familiengerichts auseinanderzusetzen. Stattdessen hat er sich zunächst darauf beschränkt vorzutragen, dass es bei den erstinstanzlichen Behauptungen verbleibe, und hat hierfür erstmals die weiteren Zeugen T und M benannt. Zudem hat der Antragsgegner nunmehr im Beschwerdeverfahren behauptet, dass die Zeugin T - seine frühere Ehefrau - ihn - den Antragsgegner - wegen des Zeugen M verlassen habe, nämlich durch "Fremdgehen" eine ehewidrige Beziehung aufgenommen habe, die bis heute andauere. Dieser Vortrag, der offensichtlich auf einen weiteren möglichen Verwirkungsgrund nach § 1579 Nr. 7 BGB hinauslaufen soll, steht indes in unauflösbarem Widerspruch zu der erstinstanzlichen Behauptung des Antragsgegners, dass sich während eines Kuraufenthalts der erstinstanzlich vernommenen Zeugin S - der Ehefrau des Zeugen M - im Juli 2012 ein intimes Verhältnis zwischen Herrn M und Frau T entwickelt habe. Angesichts der Trennung des Antragsgegners von Frau T bereits am 02.04.2008 und der Ehescheidung am 13.05.2010 sind der nunmehrige Vortrag, Frau T habe den Antragsgegner wegen des Zeugen M verlassen, und die erstinstanzlich behauptete Aufnahme eines intimen Verhältnisses erst im Juli 2012 zeitlich nicht miteinander in Einklang zu bringen. Dieser widersprüchliche Vortrag des Antragsgegners ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit der amtsgerichtlichen Würdigung der bisherigen Beweisaufnahme veranlasst den Senat insoweit nicht zur erneuten Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der erstmals in zweiter Instanz benannten weiteren Zeugen T und M. Im Übrigen dürfte es auf grober Nachlässigkeit im Sinne des § 115 FamFG beruhen, dass der für die tatsächlichen Voraussetzungen der rechtsvernichtenden Tatbestände des § 1579 BGB darlegungs- und beweisbelastete Antragsgegner (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1579 Rn. 42) sich nicht bereits in erster Instanz auf die - seinerzeit vom Antragsteller gegenbeweislich benannten - Zeugen T und M berufen hat, sodass die jetzigen Beweisantritte ohnehin verspätete Verteidigungsmittel darstellen.

cc) Des Weiteren kann entgegen der Beschwerdebegründung auch nicht angenommen werden, die unterhaltsbedürftige geschiedene Ehefrau des Antragsgegners habe für den neuen Partner einkommenswerte Versorgungsleistungen im Sinne der Ziffer 6.1 der Leitlinien des Oberlandesgerichts Hamm zum Unterhaltsrecht (Stand: 01.01.2013, im Folgenden: HLL) erbracht. Dies setzt nämlich die Leistungsfähigkeit des Partners voraus. Der Antragsteller hat indes bereits erstinstanzlich - unbestritten - vorgetragen, dass der Zeuge M wegen der Unterhaltszahlungen an seine getrennt lebende Ehefrau S und der weiteren durch die Trennung begründeten eigenen finanziellen Belastungen gar nicht in der Lage gewesen sei, die Zeugin T für deren etwaige Haushaltsführungsleistungen finanziell zu unterstützen.

b) Im Übrigen würde selbst im Falle der Annahme des Vorliegens eines Verwirkungstatbestandes nach § 1579 Nr. 2 oder Nr. 7 BGB nicht automatisch und zwingend eine vollständige Verwirkung jeglichen Unterhaltsanspruchs eintreten, sondern es müsste eine Gesamtabwägung getroffen werden, ob der Unterhaltsanspruch wegen grober Unbilligkeit insgesamt zu versagen, herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen ist. Dabei muss das Gericht die grobe Unbilligkeit positiv feststellen können, wobei zunächst die Prüfung der Voraussetzungen des jeweiligen Härtetatbestands (ohne Billigkeitserwägung) erfolgen muss, bevor unter Beachtung sämtlicher maßgeblicher Kriterien die umfassende Gesamtwürdigung zusätzlich zur Prüfung des Einzeltatbestands notwendig ist. Kriterien von wesentlicher Bedeutung sind insoweit unter anderem auch die Höhe des Bedarfs des Unterhaltsberechtigten und die ohne den Unterhalt gegebene Einkommenslücke (vgl. zum Vorstehenden Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1579 Rn. 36 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen). Zudem kommt nach dem Wortlaut des § 1579 BGB eine vollständige oder teilweise Verwirkung des Unterhaltsanspruchs des geschiedenen Ehegatten nur dann in Betracht, wenn die Inanspruchnahme des Verpflichteten auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten Kindes grob unbillig wäre.

2. Insoweit vermag der Senat zum einen entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht festzustellen, dass die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners auch ohne den Nachscheidungsunterhalt unter Berücksichtigung des ihr fiktiv zuzurechnenden Einkommens in der Lage gewesen wäre, ihren angemessenen Lebensbedarf selbst zu decken; des Weiteren stehen die Belange der bei der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners lebenden ehelichen Tochter T2, geb. am ...2006, der vollen oder teilweisen Verwirkung des titulierten Nachscheidungsunterhalts in dem begrenzten Unterhaltszeitraum entgegen.

a) Der Antragsgegner kann weder dem Grunde noch der Höhe nach mit seinem Beschwerdevorbringen zum Umfang der seiner geschiedenen Ehefrau teilweise fiktiv zuzurechnenden Erwerbseinkünfte durchdringen.

aa) Zu Recht und zutreffend begründet ist das Amtsgericht in dem angefochtenen Beschluss von einer Erwerbsobliegenheit der geschiedenen Ehefrau im Umfang von 30 Stunden pro Woche, d. h. einer ¾-schichtigen, aber noch nicht vollschichtigen Erwerbstätigkeit ausgegangen. Insoweit gilt im Ausgangspunkt folgender Maßstab:

(1) Es ist eine Billigkeitsprüfung aller Umstände des Einzelfalles geboten, denn der Bundesgerichtshof hat gegenüber zahlreichen neuen "Altersphasenmodellen" verschiedener Oberlandesgerichte klargestellt, dass eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus nur unter Anknüpfung an das Alter des Kindes ausscheidet (BGH, FamRZ 2009, S. 770; FamRZ 2009, S. 1124; FamRZ 2009, S. 1391). Das Alter des Kindes ist nur eines von mehreren zu berücksichtigenden Kriterien und bietet nur einen groben Anhaltspunkt neben kindesbezogenen Belangen wie den Kinderfremdbetreuungsmöglichkeiten, aber auch der Fremdbetreuungsfähigkeit vor dem Hintergrund des physischen und psychischen Gesundheitszustandes des Kindes, elternbezogenen Gründen der erfolgten Rollenverteilung der Eltern in der Ehe sowie der Dauer ihrer Ehe und dem Umfang der Belastungen durch die neben der Erwerbstätigkeit verbleibende Kindesbetreuung (vgl. zu allen genannten Punkten Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1570 Rn. 13 ff.). Insoweit hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 18.04.2012, XII ZR 65/10, BeckRS 2012, 10742), dass an die Darlegung kindbezogener Gründe durch den Unterhaltsberechtigten keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind. Dabei sind insbesondere auch Bedürfnisse des Kindes, die etwa sportliche, musische oder andere Beschäftigungen betreffen, zu beachten. Sofern diese vom Kind nicht selbständig wahrgenommen werden können, sind vom Unterhaltsberechtigten etwa zu erbringende Fahr- und Betreuungsleistungen in Rechnung zu stellen. Ferner ist bei dem Umfang einer möglichen anderweitigen Kinderbetreuung zu berücksichtigen, wie eine ausgeübte Erwerbstätigkeit mit den Zeiten der Kinderbetreuung einschließlich der Fahrzeiten vereinbar ist und in welchem Umfang dem Unterhaltsberechtigten in dem dadurch vorgegebenen zeitlichen Rahmen eine Erwerbstätigkeit zumutbar ist. Dabei können sich insbesondere bei mehreren Kindern Einschränkungen ergeben. Soweit die Betreuung des Kindes auf andere Weise sichergestellt oder in einer kindgerechten Einrichtung möglich ist, kann einer Erwerbsobliegenheit des betreuenden Elternteils schließlich - teilweise - entgegenstehen, dass die von ihm daneben zu leistende Betreuung und Erziehung des Kindes zu einer überobligationsmäßigen Belastung führen kann. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, dass am Morgen oder am späten Nachmittag und Abend regelmäßig weitere Erziehungs- und Betreuungsleistungen zu erbringen sind, die je nach dem Betreuungsbedarf des Kindes oder der Kinder in unterschiedlichem Umfang anfallen können (vgl. zu allem Vorstehenden BGH, BeckRS 2012, 10742, Rn. 20 ff.).

(2) Der Senat hat sich diesen Grundsätzen in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (vgl. 3 UF 265/11, Beschluss vom 31.08.2012) und geht davon aus, dass das Zeitfenster einer Ganztagsbetreuung in einer Kindertagesstätte oder Grundschule es dem das Kind betreuenden Elternteil regelmäßig nicht ermöglicht, einer vollschichtigen Tätigkeit mit 40 Stunden pro Woche nachzugehen. Vielmehr müssen zum einen die Fahrtwege zum Arbeitsplatz nach dem Wegbringen des Kindes und vom Arbeitsplatz zurück zur Abholung des Kindes zuverlässig und ohne Zeitnot innerhalb des Zeitraums der Betreuung bewältigt werden können. Angesichts des Wohnsitzes der geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners und des zu Beginn des Unterhaltszeitraums zunächst fünf und sodann sechs Jahre alten Kindes T2 im ländlichen Raum in dem kleinen Ort Vreden kann bei einer fiktiven Einkommenszurechnung nicht davon ausgegangen werden, dass die geschiedene Ehefrau eine angemessene Erwerbstätigkeit bei hinreichenden Bemühungen direkt vor Ort gefunden hätte, sondern es müssen nicht unerhebliche Fahrtstrecken und Fahrzeiten zugrunde gelegt werden. Zudem berücksichtigt der Senat nach der oben zitierten, dem Bundesgerichtshof folgenden Rechtsprechung bei hinreichenden, nicht zu überspannenden Darlegungen kindbezogener Gründe im Rahmen der sekundären Darlegungslast des Unterhaltsgläubigers auch, dass die wöchentliche Arbeitszeit zusammen mit dem durch die Kinderbetreuung verursachten Zeitaufwand nicht weit über den Umfang einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit hinausgehen darf. Vorliegend hat der Antragsteller zwar nur in groben Zügen die während und außerhalb der fiktiven Arbeitszeit einer Friseurin vor und auch nach der regelmäßig nicht um 16:00 Uhr endenden Beschäftigung erforderlichen Betreuungsbedürfnisse des sechsjährigen Kindes aufgezeigt. Es liegt für den Senat insoweit jedoch auf der Hand, dass auch ein problemlos zu betreuendes und physisch sowie psychisch gesundes fünf- und dann sechsjähriges Kind in einem Unterhaltszeitraum, der gerade den Wechsel von der Kindestagesstätte zur Grundschule und das erste Schuljahr umfasst hat, mit Sicherheit einen Betreuungsaufwand erfordert, der sich neben einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden auf deutlich mehr als 40 Wochenstunden summiert.

(3) Bezogen auf den Vortrag des Antragsgegners in beiden Instanzen, er hätte die Tochter T2 im Rahmen von bereits im Umgangsverfahren 12 F 27/13 Amtsgericht - Familiengericht - Ahaus angebotenen weitergehenden Umgangskontakten zu den Zeiten betreuen können, in denen seine geschiedene Ehefrau an einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit als Friseurin trotz Ganztagsbetreuung des Kindes gehindert gewesen wäre, weist der Senat darauf hin, dass er in ständiger Rechtsprechung keine Pflicht der Unterhaltsgläubigerin annimmt, anderweitige familiäre Betreuungsangebote, auch durch den geschiedenen Ehemann, zwecks Ausübung einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit anzunehmen. Zwar ist ein ernsthaftes und verlässliches Betreuungsangebot des anderen Elternteils grundsätzlich in Betracht zu ziehen; die Verlängerungsvoraussetzungen des Betreuungsunterhalts nach § 1570 S. 2 und 3 BGB dürfen aber nicht vom unterhaltspflichtigen Elternteil durch das Angebot einer Ausweitung des praktizierten Umgangsrechts unterlaufen werden, weil dadurch das hierfür vorgesehene Kindschaftsverfahren konterkariert würde (vgl. Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1570 Rn. 13 mit weiteren Nachweisen).

bb) Der Höhe nach ist das Familiengericht im Rahmen seiner Schätzung beanstandungsfrei davon ausgegangen, dass die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners im Rahmen der ihr fiktiv zuzurechnenden ¾-schichtigen Erwerbstätigkeit als Friseurin in dem verfahrensgegenständlichen Unterhaltszeitraum einen monatlichen Bruttolohn von rund 1.000,00 EUR hätte erzielen können. 30 Wochenstunden ergeben im Monatsdurchschnitt x 4,35 Wochen eine regelmäßige monatliche Arbeitszeit von 130,5 Stunden, was bei dem Ansatz von 1.000,00 EUR Monatsbruttolohn zu einem Bruttostundenlohn von rund 7,66 EUR führt.

(1) Ohne Erfolg macht der Antragsgegner mit seiner Beschwerde geltend, seine geschiedene Ehefrau hätte in dem abgeschlossenen Unterhaltszeitraum einen Bruttostundenlohn von nicht unter 8,50 EUR erzielen können. Nach seinem eigenen erstinstanzlichen Vortrag vom 23.07.2013 unter Vorlage des im Internet recherchierten Branchen-Tarifregisters NRW ging der Antragsgegner noch von einem bei 39,5 Wochenstunden erzielbaren Monatsbruttolohn einer Friseurin von 1.358,00 EUR aus. Da 39,5 Wochenstunden x 4,35 monatsdurchschnittlich rund 171,8 Arbeitsstunden ergeben, führt der vom Antragsgegner selbst angegebene Monatsbruttolohn zu einem nur geringfügig über dem amtsgerichtlichen Ansatz liegenden Bruttostundenlohn von rund 7,90 EUR. Eine der ständigen Senatspraxis entsprechende eigene Recherche auf der Internetseite www.gehaltsvergleich.com hat im Übrigen ergeben, dass auf dem tatsächlichen bundesweiten Stellenmarkt für Friseure/Friseurinnen Frauen derzeit im Durchschnitt einen monatlichen Bruttolohn von 1.151,00 EUR erzielen und die durchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten geschlechtsunabhängig bei 36 Wochenstunden Beschäftigung monatlich 1.142,00 EUR und bei 40 Wochenstunden monatlich 1.230,00 EUR betragen. Die beiden letztgenannten Durchschnittseinkommen entsprechen bei umgerechnet 156,6 (36 x 4,35) bzw. 174 (40 x 4,35) monatsdurchschnittlichen Arbeitsstunden erzielbaren Bruttostundenlöhnen von 7,29 EUR bzw. 7,07 EUR, die recht deutlich unterhalb des amtsgerichtlichen Ansatzes liegen.

(2) Auch macht der Antragsgegner mit der Beschwerde erfolglos geltend, seiner geschiedenen Ehefrau seien jedenfalls zusätzlich fiktive Trinkgelder von monatlich zumindest 200,00 bis 250,00 EUR netto zuzurechnen. Insoweit fehlt es an den hinreichend feststellbaren konkreten Umständen des Einzelfalles für die Zurechnung eines solchen zusätzlichen Einkommens (vgl. zum Erfordernis hinreichend konkreter Anknüpfungstatsachen Palandt-Brudermüller, a.a.O., § 1603 Rn. 23 ff.; BGH, NJW 2011, Seite 1874 ff.; Bundesverfassungsgericht, NJW 2012, Seite 2420 ff.). Während dem Senat hinreichende Schätzgrundlagen auf Grund der Ausbildung der geschiedenen Ehefrau und ihrer sonstigen persönlichen Verhältnisse (s. o.) für die fiktive Zurechnung des genannten Erwerbseinkommens aus abhängiger teilschichtiger Beschäftigung als Friseurin zur Verfügung stehen, vermag der Senat keine hinreichend konkreten tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Schätzung etwaiger Trinkgelder festzustellen. Eine hinsichtlich Grund und Höhe einheitliche Trinkgeldpraxis in Friseursalons besteht nämlich soweit ersichtlich nicht. Diese hängt vielmehr zum einen davon ab, welche Klientel jeweils die wesentliche Kundschaft bildet. Zudem gibt es nach den Erfahrungen des Senats in vielen Friseursalons die Praxis, dass ein etwaiges Trinkgeld nicht an die tätig gewordene Angestellte selbst, sondern an der Kasse gezahlt wird. Ob in einem solchen Falle der Trinkgeldbetrag tatsächlich später an die jeweilige Friseurin weitergeleitet wird, vermag der Senat nicht zu beurteilen.

(3) Das demnach angemessene monatliche Bruttoeinkommen von 1.000,00 EUR führt im Unterhaltszeitraum in der Steuerklasse II bei 0,5 Kinderfreibeträgen zu folgendem fiktiven Nettoeinkommen:

Brutto-Netto-Rechnung:

Monatstabelle

Steuerjahr 2013

Bruttolohn: . . . . . . . . . . . 1.000,00 Euro

LSt-Klasse 2

Kinderfreibeträge 0,5

Lohnsteuer: . . . . . . . . . . . . 0,00 Euro

Rentenversicherung (18,9 % / 2) . . . . . . . -94,50 Euro

Arbeitslosenversicherung (3,0 % / 2) . . . . . -15,00 Euro

Krankenversicherung: (14,6 % /2 + 0,9 %) . . . . -82,00 Euro

Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,025 %) . . . . -10,25 Euro

------------------

Nettolohn: . . . . . . . . . . . . 798,25 Euro

Abzüglich der bei der fiktiven Zurechnung eines Erwerbseinkommens regelmäßig ebenso fiktiv zu berücksichtigenden pauschalen berufsbedingten Aufwendungen von 5 % (vgl. BVerfG, a.a.O.) verbleibt ein bereinigtes Nettoeinkommen von 758,34 EUR, das nur geringfügig von dem amtsgerichtlichen Ansatz von 750,00 EUR abweicht und jedenfalls im Hinblick auf die vom Amtsgericht später vorgenommene Herabsetzung der errechneten Unterhaltsbeträge auf den angemessenen Bedarf kein Bedürfnis für eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung begründet.

b) Zudem stehen auf der Grundlage der vorstehenden Berechnungen auch die berechtigten kindbezogenen Belange im Sinne des § 1579 BGB einer vollständigen oder teilweisen Verwirkung des titulierten Unterhalts entgegen. Wäre der antragstellende Sozialleistungsträger nicht berechtigt, den von ihm verauslagten Unterhalt für die geschiedene Ehefrau des Antragsgegners zumindest in dem vom Amtsgericht zuerkannten Umfang von dem Antragsgegner zurückzuverlangen, würde dies im Umkehrschluss bedeuten, dass der Antragsgegner seine geschiedene Ehefrau und das eheliche Kind von vornherein mit Erfolg auf den entsprechenden Bezug von Sozialleistungen verweisen durfte. Tatsächlich wären die angemessenen wirtschaftlichen Belange der geschiedenen Ehefrau und des ehelichen Kindes aber auch mit einem fiktiven bereinigten Einkommen von 758,34 EUR, dem Kindergeld von 184,00 EUR und dem anderweitig titulierten monatlichen Kindesunterhalt von 291,00 EUR, also monatlich insgesamt 1.233,34 EUR Familieneinkommen für das Wohnen und sämtliche weiteren Lebenshaltungskosten in einem zweiköpfigen Haushalt, ohne ergänzende Sozialleistungen nicht hinreichend zu befriedigen gewesen. Vielmehr hätte das Familieneinkommen auch unter Berücksichtigung des fiktiven bereinigten Einkommens einschließlich des titulierten maßvollen Nachscheidungsunterhalts zwischen monatlich 127,00 EUR und 280,00 EUR mit dann 1.360,34 EUR bzw. 1.513,34 EUR noch immer an der unteren Grenze des ohne ergänzende Sozialleistungen Bedarfsdeckenden gelegen.

3. Auf die erstinstanzlich angesprochene und vom Amtsgericht erörterte Frage der zeitlichen Begrenzung/Befristung bzw. Herabsetzung des titulierten nachehelichen Unterhaltsanspruchs nach § 1578 b Abs. 1 und 2 BGB kommt es nach alldem nicht mehr entscheidungserheblich an. Zum einen fehlt es an einem entsprechenden substantiierten Beschwerdeangriff des Antragsgegners. Zudem ist der titulierten Unterhalt ohnehin auf einen abgeschlossenen Zeitraum bis zum 30.06.2013 beschränkt, und der auch darüber hinaus aus den obigen Gründen dem Grunde nach zukünftig denkbare zumindest teilweise Betreuungsunterhaltsanspruch wäre aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung ohnehin keiner Befristung zugänglich.

C.

Die Beschwerde des Antragsgegners wird nach alldem aller Voraussicht nach mit der Kostenfolge der §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO nach einem Beschwerdeverfahrenswert von 2.604,00 EUR zurückzuweisen sein. Der Senat regt an, dass der Antragsgegner zum Zwecke der zumindest teilweisen Kostenersparnis bezüglich der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens die Rücknahme seines Rechtsmittels innerhalb der oben gesetzten Stellungnahmefrist zur Vermeidung eines entsprechenden Hauptsachebeschlusses des Senats ernsthaft in Betracht ziehen sollte.