OLG Köln, Beschluss vom 23.07.2014 - 18 W 44/14
Fundstelle
openJur 2014, 19339
  • Rkr:
Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Köln vom 20.06.2014, Az. 4 O 113/14, abgeändert.

Gegen die Antragsgegner und Arrestschuldner wird wegen der Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung folgender Beschluss erlassen:

Arrestbefehl und Arrestpfändungsbeschluss:

I.

Wegen einer Schadenersatzforderung der Antragsteller zu 1. und 2. in Höhe von € 20.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit sowie einer Kostenpauschale von € 8.000,00 wird der dingliche Arrest in das gesamte Vermögen der Antragsgegner angeordnet.

II.

Die Antragsgegner haben die Kosten des Arrestverfahrens einschließlich derjenigen des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III.

Die Vollziehung des Arrestes wird durch Hinterlegung beim Amtsgericht Köln durch die Antragsgegner in Höhe von € 28.000,00 gehemmt.

IV.

In Vollziehung des Arrestes werden gepfändet die angeblichen Forderungen der Antragsgegner zu 1. und zu 2. auf Auszahlung des Guthabens

a) auf Zahlung des gegenwärtigen Überschusses und aller künftiger Überschüsse (Guthaben), die den Schuldnern bei Saldoziehung aus der in laufender Rechnung (Kontokorrent) bestehenden Geschäftsverbindung jeweils Gebühren und Ansprüche aus dem jeweiligen Girovertrag auf fortlaufende Auszahlung des sich zwischen den Rechnungsabschlüssen ergebenen Tagesguthabens unter Einschluss des Rechts, über dieses Guthaben durch Überweisungsaufträge zu verfügen sowie auf Gutschrift der eingehenden Beträge;

b) aus zu Ihren Gunsten bestehenden Kreditverträgen, Kreditzusagen und offenen Kreditlinien, insbesondere auf Auszahlung von Kreditmitteln;

c) aus Ihren bei der Drittschuldnerin geführten Sparkonten, auf Auszahlung des Guthabens und der bis zum Tage der Auszahlung aufgelaufenen Zinsen sowie auf fristgerechte bzw. vorzeitige Kündigung des Sparguthabens;

d) auf Zahlung und Leistungen jeglicher Art aus dem zu dem Wertpapierkonto gehörenden Geldkonto, auf dem die Zinsgutschriften für die festverzinslichen Wertpapiere und die Dividenden und sonstigen Vergütungen anderer Wertpapiere gutgebracht sind;

e) auf Rückübertragung aller gegebenen Sicherheiten.

In Vollziehung des Arrestes werden weiter gepfändet die angeblichen Ansprüche der Antragsgegner als Inhaber eines Stahlkammerfaches auf Zutritt zu dem Fach und auf Mitwirkung der Drittschuldnerin bei dessen Öffnung oder Öffnung durch die Drittschuldnerin allein. Angeordnet wird, dass für die Pfändung des Inhaltes ein vom Gläubiger zu beauftragender Gerichtsvollzieher den Zutritt zum Stahlfach zu nehmen hat.

1. bei der S-Bank N eG, C Platz 1, N,

2. bei der T Bank - T oHG, Istraße 46, I2,

3. bei der B Aktienbank AG, I3straße 21, B,

jeweils bis zum Höchstbetrag von € 28.000,00 nebst Zinsen.

Die Antragsgegner zu 1. und zu 2. haben sich jeder Verfügung über die Forderungen zu enthalten. Der jeweilige Drittschuldner darf an die Antragsgegner nicht mehr leisten.

V.

In Vollziehung des Arrestes werden die angeblichen Ansprüche der Antragsgegner gegen

das Land Hessen, vertreten durch die Hinterlegungsstelle beim Amtsgericht Frankfurt, Gerichtsstraße 2, 60313 Frankfurt (vgl. § 5 (1) 2. der Anordnung über die Vertretung des Landes Hessen im Geschäftsbereich des Ministeriums der Justiz (vom 30.06.2006 StAnz. S.2097)

(Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Frankfurt 7310 Js 230995/12)

auf Herausgabe des bei den Antragsgegnern beschlagnahmten, sichergestellten und abgeschöpften Bargeldes (Geschäftsnummer 2 HL 624/13 F GH - Nummer 120163 und 2 HL 421/13 FGH - Nummer 118296) gepfändet.

VI.

Die genannten Drittschuldner zu IV. und V. haben binnen zwei Wochen, von der Zustellung des Pfändungsbeschlusses an gerechnet, zu erklären:

1. ob und inwieweit sie die Forderung als begründet anerkennen und zur Leistung der Zahlung bereit seien;

2. ob und welche Ansprüche andere Personen an die Forderungen machen;

3. ob und wegen welcher anderen Ansprüche die Forderung bereits für andere Gläubiger gepfändet sei.

Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Nach dem durch eidesstattliche Versicherung und Vorlage von Urkunden glaubhaft gemachten Vortrag der Beschwerdeführer haben diese sich mit Beitrittserklärung vom 27.8.2007 als Treugeber über die B2 Treuhand GmbH mit insgesamt 20.000 € zuzüglich insgesamt 1.000 € Agio an der N2 Nr. 2 GmbH & Co. KG beteiligt. Sie erstreben wegen eines behaupteten Anspruchs auf Leistung von Schadensersatz in Höhe des Anlagebetrags zuzüglich Kostenpauschale den Erlass eines Arrestbefehls gegen die Antragsgegner.

Letztere befinden sich unter dem Vorwurf gewerbs- und bandenmäßigen Betruges seit dem vergangenen Jahr in Untersuchungshaft. Ausweislich eines bei den Akten befindlichen Beschlusses des Amtsgerichts Frankfurt/Main vom 21.1.2013 7310 Js 230995/12?931 Gs und einer ebenfalls vorliegenden Bekanntgabe vom 10.9.2013 der StA Frankfurt/Main im Bundesanzeiger sind auf der Grundlage der §§ 111b ff. StPO Vermögenswerte der Antragsgegner in erheblichem Umfang beschlagnahmt worden. Auf den näheren Inhalt dieser Anlagen wird Bezug genommen.

II.

Das Landgericht Köln hat mit Beschluss vom 20.6.2014 - 17 O 113/14 - den Antrag zurückgewiesen, da es an einem Arrestgrund fehle. Der Beschluss ist der Bevollmächtigten der Beschwerdeführer am 27.6.2014 zugestellt worden. Mit einem am 2.7.2014 beim Landgericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums haben die Beschwerdeführer form- und fristgerecht das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt. Sie wiederholen und vertiefen ihren Sachvortrag und verweisen zur Unterstützung ihres Rechtsstandpunkts auf - im Einzelnen divergierende - Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur.

III.

Die sofortige Beschwerde hat Erfolg. Der angestrebte Arrest ist antragsgemäß zu erlassen. Das Gesuch genügt den Voraussetzungen der §§ 916 Abs. 1, 917 Abs. 1 ZPO. Es ist zu besorgen, daß die Vollstreckung eines den Anspruch der Beschwerdeführer auf Leistung von Schadensersatz titulierenden Urteils ohne die Verhängung des Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert würde.

1. Ein Anspruch der Beschwerdeführer ergibt sich zunächst aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, weil nach den bereits erwähnten Unterlagen davon auszugehen ist, daß die Antragsgegner Anlagegelder für die T - Gruppe und die mit dieser verbundenen N-Gruppe, bei der die Beschwerdeführer Gelder angelegt haben, von Anbeginn an mit dem Ziel eingeworben worden sind, sie zu veruntreuen. Soweit die Antragsgegner erst nach der Einzahlung durch die Beschwerdeführer tätig geworden sein sollten, ergibt sich der Anspruch auch aus § 826 BGB, weil die Anlagegelder ohne die geringste Rücksicht auf die Belange der Anleger für einen luxuriösen Lebensstil verschwendet wurden. Nach § 840 Abs. 1 BGB haften die Antragsgegner als Gesamtschuldner.

2. Der von §§ 916 f. vorausgesetzte Arrestgrund liegt abweichend von der Beurteilung durch das Landgericht ebenfalls vor.

a) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen zur Sicherung von Schadensersatzansprüchen, die aus Straftaten erwachsen sind, ein Arrestgrund anzunehmen ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet. Überwiegend wird davon ausgegangen, daß die bloße Begehung einer Straftat durch den Schuldner für sich nicht ausreicht, sondern zusätzliche Gesichtspunkte hinzutreten müssen (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 1592; OLG Köln NJW-RR 2000, 69; OLG Rostock NJW-RR 2012, 222; OLG Frankfurt/Main StRR 2011, 309). Die Literatur nimmt zum Teil jedenfalls ein hohes Gewicht der Straftat für die Feststellung des Arrestgrundes an, wobei dem Anlagebetrug erheblicher Indizwert beigemessen wird (vgl. Zöller/Vollkommer § 917 Rn. 6; Baumbach/Lauterbach/ Hartmann § 917 Rn. 11; zurückhaltend Prütting/Gehrlein/Fischer § 917 Rn. 3).

b) Einer Entscheidung der Grundsatzfrage bedarf es nicht. Denn zumindest durch den festgestellten aufwendigen Lebensstil, der eine rückhaltlose Verschwendung von Gütern mit sich brachte, haben die Antragsgegner deutlich erkennen lassen, daß sie nicht gewillt sind, den Belangen der Kapitalanleger auch nur ansatzweise Rechnung zu tragen. Anhaltspunkte dafür, daß die inzwischen länger andauernde Untersuchungshaft heilsamen Einfluss auf sie ausüben wird, sollten sie wieder in die Lage versetzt werden, auf ihre Vermögenswerte zuzugreifen, bestehen nicht.

c) Auch die von der StA Frankfurt/Main erwirkte Beschlagnahme steht dem Arrest nicht entgegen.

Die Frage wird ebenfalls uneinheitlich beantwortet. Der 4. Zivilsenat des OLG Frankfurt/Main (Beschluss vom 13.3.2014 ? 4 W 12/14 ?, zitiert nach juris) ordnet die Beschlagnahme im Wege der Rückgewinnungshilfe nach §§ 111b ff. StPO dem Problembereich des Gläubigerwettlaufs zu, verneint mit Blick hierauf den Arrestgrund und öffnet den Weg zu dessen Bejahung alleine für nicht beschlagnahmte Vermögenswerte. Demgegenüber hat der 19. Zivilsenat des selben Oberlandesgerichts (Beschluss vom 9.11.2009 - 19 W 71/09 ?, zitiert nach juris) die gegenteilige Auffassung vertreten und ausdrücklich hervorgehoben, daß eine Beschlagnahme im Wege der Rückgewinnungshilfe dem Arrest gerade nicht entgegensteht. Das OLG Bamberg (NStZ 2010, 348) sieht in der Beschlagnahme keine hinreichende anderweitige Sicherheit, die dem Arrest bereits als solche entgegenstehen könnte. Umgekehrt hebt das OLG Hamm (OLGR 2004, 55) hervor, daß die Beschlagnahme keinen Arrestgrund darstellt, daß mithin für seinen Erlass besondere Gründe sprechen müssen.

Der Bundesgerichtshof hat sich, in Anbetracht der §§ 542 Abs. 2, 574 Abs. 1 S. 2 ZPO, als Zivilgericht mit der Materie nicht befasst. Strafverfahrensrechtliche Entscheidungen (vgl. BGH NJW 2000, 2027; auch OLG Köln NJW 2003, 2546) können sich auf die hier vorliegende Rechtsfrage nicht tragend auswirken.

Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, daß die auf Antrag der StA Frankfurt/Main getroffenen Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe die, wie dargelegt, aus falltypischen Gründen zu bejahenden Voraussetzungen eines Arrestgrundes in keiner Richtung beeinflusst. Das ist bereits deshalb der Fall, weil aus der Sicht und mit den Erkenntnismöglichkeiten eines Zivilgerichts nicht verlässlich geklärt werden kann, ob die Beschlagnahme bis zum Erlass eines rechtskräftigen Titels aufrecht erhalten bleibt.

Der Gesichtspunkt des Gläubigerwettlaufs, der für sich naturgemäß keinen Arrestgrund darstellt (vgl. BGH NJW 1996, 321), ist vorliegend nicht einschlägig. Er hat seine Berechtigung, wo eine allgemeine Verschlechterung der Vermögenslage Zweifel an der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen gegen den Schuldner mit sich bringt. Das hat vorliegend weder mit Blick auf die Vermögenslage der Antragsgegner noch mit Blick auf die Maßnahmen der Rückgewinnungshilfe eine entscheidungsrelevante Bedeutung. Mag auch unklar sein, ob die Antragsgegner noch Vermögenswerte besitzen, die nicht beschlagnahmt sind, so haben die gesicherten Werte doch auf erste Sicht einen so großen Umfang, daß bei der Sicherung der in Rede stehenden Ansprüche auf Leistung von Schadensersatz die individuellen Gegebenheiten bei den einzelnen Gläubigern im Vordergrund stehen. Wollte man dies anders sehen, würde sich die Rückgewinnungshilfe, die immerhin auch darauf zugeschnitten ist, daß Gläubiger über Arreste ihren Ersatzansprüchen vor den Belangen der Staatskasse Vorrang verleihen können, in ihr Gegenteil verkehren. Denn freies Vermögen von Beschuldigten, das dem Zugriff der Verfolgungsbehörden entzogen bleibt, wird zugunsten der Gläubiger nur selten dem Zugriff offen stehen.

3. Der Senat gewinnt seine Überzeugung vom Vorliegen eines Arrestanspruchs und eines Arrestgrundes in tatsächlicher Hinsicht aus den Unterlagen, die das Vorgehen der StA Frankfurt/Main und des Amtsgerichts Frankfurt/Main belegen. Nicht zuletzt die Tatsache, daß sämtliche Antragsgegner sich bereits erhebliche Zeit in Untersuchungshaft befinden, reicht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens hierfür aus. Weiteres war von Seiten der Beschwerdeführer nicht zu verlangen, weil ihrer Bevollmächtigten die Ermittlungsakten noch nicht zur Einsichtnahme offenstehen.

4. Die weiter angeordneten Maßnahmen haben ihre Grundlage in §§ 928 ff. ZPO.

IV.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Der Streitwert wird in Anbetracht der nach allem nicht schlechten Aussichten auf werthaltige Absicherung des Anspruchs auf die Hälfte der Hauptforderung festgesetzt.