VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 13.06.2014 - 7 L 1262/14.F
Fundstelle
openJur 2014, 18773
  • Rkr:

Für die Beurteilung, ob eine Einlage unbedingt rückzahlbar ist, kommt es objektiv auf die Vertragsbestimmungen und auf die - nach objektiven Maßstäben zu beurteilende - Vereinbarung eines qualifizierten Nachrangs der Einlage im Vertrag an.

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin und ihrer am 8. Mai erhobenen Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. März 2014 und deren Widerspruchsbescheid vom 5. Mai 2014 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 80.000,-- € festgesetzt.

Gründe

Das Begehren, über das aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten der Vorsitzende als Berichterstatter allein entscheiden kann (§ 87 a Abs. 1, 2 VwGO), ist als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin und ihrer nachfolgenden Klage gegen die im Bescheid der Antragsgegnerin vom 19. März 2014 unter Nr. I bis V ausgesprochenen Verfügungen im Hinblick auf § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO insgesamt zulässig. Den Rechtsbehelfen der Antragstellerin kommt keine aufschiebende Wirkung zu (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 49 KWG); zudem hat die Antragstellerin vor Antragstellung in Bezug auf die Festsetzung einer Gebühr von 10.000,-- € (Verfügung Nr. V des Bescheids vom 19. März 2014) bei der Antragsgegnerin um eine Aussetzung der Vollziehung nachgesucht, was die Antragsgegnerin durch Bescheid vom 11. April 2014 abgelehnt hat.

Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Das Aufschubinteresse der Antragstellerin überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Verfügungen, da die in der Hauptsache angefochtenen Verfügungen der Antragsgegnerin sich als rechtswidrig erweisen. Auf dieser Grundlage fällt die in diesem Verfahren anzustellende Interessenabwägung zu Lasten der Antragsgegnerin aus.

Während der Bescheid vom 19. März 2014 in formeller Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken begegnet, erweisen sich die durch ihn getroffenen Verfügungen, die die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid aufrecht erhalten hat, in der Sache als rechtswidrig.

Dies gilt zunächst für die unter Nr. I des Bescheids getroffene Hauptverfügung, die Abwicklungsanordnung auf der Grundlage von § 37 Abs. 1 KWG, die die Antragsgegnerin maßgeblich auf ihre Einschätzung gestützt hat, die Antragstellerin betreibe ohne die gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erforderliche Erlaubnis das Einlagengeschäft. Diese Verfügung ist rechtswidrig, weil zur Überzeugung des Berichterstatters nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Antragstellerin das Einlagengeschäft betreibt; dies hat zur Folge, dass sie keiner Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 KWG bedarf.

Kein Zweifel besteht allerdings daran, dass die Antragstellerin Gelder des Publikums als Anlagen bzw. andere rückzahlbare Gelder des Publikums i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG entgegennimmt. Der Gegenstand ihrer Geschäftstätigkeit ist die Entgegennahme von sogenannten Nachrangdarlehen mit der Bezeichnung XY jeweils in Höhe eines Mindestzeichnungsbetrags von 3.000,- € oder mehr. Die Laufzeit dieser Darlehen kann 3 – 12 volle Kalenderjahre betragen; die Darlehen sind mit Zinsen zurückzuzahlen, wobei die Zinshöhe je nach Auszahlungsvariante zwischen 8,4 % p.a. bis zu 9,4 % p.a. schwankt.

Es fehlt jedoch an dem weiteren, für die Qualifikation als Einlagengeschäft erforderlichen Merkmal der unbedingten Rückzahlbarkeit der Darlehen. Mit dem Erfordernis der unbedingten Rückzahlbarkeit bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass derjenige, der beim Publikum Geld einwirbt, welches ohne sonstige Bedingungen auf Abruf oder zu einem späteren Zeitpunkt in vollem Umfang zurückzuzahlen ist, sich im Ergebnis wie eine Bank behandeln lassen muss (so Reschke in Beck/Samm/Kokemoor, KWG, § 1 Rn. 126). Unter derartigen Umständen ist nämlich ohne weiteres davon auszugehen, dass der Anleger mit der Einzahlung seiner Gelder lediglich eine Vermögenseinlage leistet, in keiner Weise jedoch zugleich eine Finanzierungsverantwortung für die Gesellschaft übernehmen will, der er die Gelder zur Verfügung stellt. Unter diesen Umständen stellt sich die Einlage nicht als eine gleichsam gesellschaftliche Einlage dar, die nicht des Gläubigerschutzes nach Maßgabe des KWG bedarf. Finanzierungsverantwortung wie ein Gesellschafter übernimmt ein Anleger, der sich mit seiner Kapitaleinlage in einer Weise an dem unternehmerischen Risiko des Betreibers beteiligen will, dass er weder auf die Zahlung von Zinsen noch auf Rückzahlung der Einlage besteht, solange die Geltendmachung dieser Ansprüche für den Geldnehmer in die Zahlungsunfähigkeit oder Insolvenz führen kann. Unter diesen Voraussetzungen steht der Anleger der Rechtsstellung eines Gesellschafters näher und bedarf nicht des durch § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG vermittelten Schutzes (Reschke a.a.O.).

Auf der Grundlage der von der Antragstellerin verwendeten Vertragsbestimmungen wie auch der sonstigen, im Rahmen eines Vertragsabschlusses verwendeten Unterlagen (Verkaufsprospekt, Werbeunterlagen), die die Antragstellerin in Kopie vorgelegt hat, kann zur Überzeugung des Berichterstatters nicht davon ausgegangen werden, dass die Anleger in Folge der Einzahlung ihrer Gelder bei der Antragstellerin einen unbedingten Rückzahlungsanspruch in voller Höhe ihrer Einlagen geltend machen können.

Insofern kommt es nicht entscheidend darauf an, dass bereits die Ausführungen der Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Einschätzung, es handele sich um unbedingt rückzahlbare Gelder, nicht hinreichend präzise erkennen lassen, auf welchen rechtsdogmatisch erheblichen Umstand die Antragsgegnerin ihre Einschätzung letztlich stützt. Die Ausführungen sind zudem in sich nicht widerspruchsfrei.

Im Bescheid vom 19. März 2014 nimmt die Antragsgegnerin insoweit noch maßgebend Bezug auf die Vorkorrespondenz mit der Antragstellerin, insbesondere ihr Schreiben vom 22. Januar 2014, und legt dar, dass die Angebots-, Vertrags- und Werbeunterlagen der Antragstellerin nicht in einer Weise eindeutig, klar und widerspruchsfrei seien, um einem durchschnittlichen Verbraucher mit geringer Kenntnis und Erfahrung in Geldangelegenheiten und keiner klaren Vorstellung von einer „eigenkapitalnahen“ Beteiligung deutlich vor Augen zu führen, dass er – auch und gerade in der Krise – Finanzierungsverantwortung für das Unternehmen übernehmen soll, in das er investiert. Aufgrund der Unterlagen der Antragstellerin trete für das angesprochene Publikum nicht deutlich zu Tage, was die Verwendung eines qualifizierten Nachrangs in einem Darlehensvertrag bewirke. Die werblichen Hinweise der Antragstellerin auf eine günstige und rentable Geldanlage verstellten vielmehr den Blick der hier maßgeblichen Verkehrskreise auf die Übernahme eines unternehmerischen Risikos bei der Zeichnung von Darlehen mit qualifizierter Nachrangabrede. Diese Ausführungen lassen jedenfalls eindeutig erkennen, dass die Antragsgegnerin von der Wirksamkeit der in § 8 des zugrundeliegenden Darlehensvertrags zum Ausdruck kommenden und mit jedem einzelnen Darlehensgeber vereinbarten Nachrangabrede ausgeht, ohne dass die Antragsgegnerin dies in dem Bescheid ausdrücklich so darlegt. Die Annahme, es liege gleichwohl ein Einlagengeschäft vor, wird primär aus der Intransparenz des Geschäftsgebarens der Antragstellerin hergeleitet, die sich wiederum aus ihrem werblichen Auftreten ergebe.

Demgegenüber begründet die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid (Seite 15 ff.) ihre im Ergebnis aufrecht erhaltene Einschätzung, die Antragstellerin betreibe das Einlagengeschäft, ausdrücklich mit der Erwägung, der in den Vertragsbedingungen vorgesehene qualifizierte Nachrang der Darlehen – den die Antragsgegnerin mit dieser Formulierung offenkundig zumindest als solchen qualifiziert – entfalte keine „Bedingungswirkung“. Dies begründet die Antragsgegnerin im Folgenden mit der Erwägung, dass die Verwendung einer qualifizierten Rangrücktrittsklausel in einem Darlehensvertrag eine Wesensänderung der Geldhingabe vom bankgeschäftstypischen Darlehen hin zur unternehmerischen Beteiligung mit einer kapitalähnlichen Haftungsfunktion bewirke. Diese Wesensänderung müsse für die angesprochenen Verkehrskreise, insbesondere Anleger ohne Erfahrung in Fragen der Unternehmensfinanzierung oder des Insolvenzrechts, hinreichend deutlich zu Tage treten. Ohne diesen Gedankengang zu Ende zu führen, konzentriert sich der Widerspruchsbescheid im Folgenden jedoch auf die Erörterung der Frage, ob die Nachrangvereinbarung in § 8 der Vertragsbedingungen als zivilrechtlich unwirksame Klausel anzusehen sei, der auch bankaufsichtsrechtlich nicht die Qualität einer tatbestandsausschließenden Bedingung i.S.d. gesetzlichen Begriffs des Einlagengeschäfts zukommen könne, und schließt mit der Einschätzung, dass es an einer wirksamen Vereinbarung eines qualifizierten Rangrücktritts aus diesem Grund fehle. Wegen der weiteren Einzelheiten kann insoweit auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid (Seite 16 – 18) Bezug genommen werden. Letztlich hält die Antragsgegnerin – insoweit wie im Ausgangsbescheid – der Antragstellerin vor, ihre Vertragsgestaltung sei insgesamt intransparent, weil die wirtschaftliche Benachteiligung, die durch die Vereinbarung der Rangrücktrittsklausel (§ 8 der Vertragsbedingungen) bewirkt werde, den Darlehensgebern nicht hinreichend vor Augen geführt würde, sodass diese den Eindruck gewönnen, es handele sich um einen unbedingten Rückzahlungsanspruch. Das hat die Antragsgegnerin in gleicher Weise auch in diesem Verfahren geltend gemacht.

Diese Rechtsausführungen vermögen nicht zu überzeugen.

Ausgangspunkt der rechtlichen Bewertung ist § 8 der Vertragsbedingungen, die die Antragstellerin hier ebenfalls mit der Antragsschrift vorgelegt hat. Danach treten die Forderungen aus den „Nachrangdarlehen“ gegenüber allen anderen Ansprüchen von Gläubigern gegen die Darlehensnehmerin im Rang zurück. Die Bedienung der Ansprüche aus dem Nachrangdarlehen, insbesondere die Zahlung der Zinsen und die Rückzahlung des valutierten Darlehensbetrags, wird ausdrücklich unter den Vorbehalt gestellt, dass bei der Darlehensnehmerin ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht herbeigeführt wird. Zahlungen, die aufgrund des „Zahlungsvorbehaltes“ nicht geleistet werden können, sind zwar grundsätzlich nachzuholen, dies jedoch jeweils nur unter der gleichen Voraussetzung, nämlich unter dem Vorbehalt, dass ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht herbeigeführt wird. Dies ist in § 8 Abs. 1 der Vertragsbedingungen ausdrücklich festgelegt.

Diese Vertragsbestimmung begründet sowohl einen Rangrücktritt des Rückzahlungsanspruchs aus der Darlehenshingabe im Fall der Insolvenz oder Liquidation der Antragstellerin als auch ein Leistungsverweigerungsrecht der Antragstellerin in Bezug auf Zins- und Rückzahlung bei andernfalls drohender Insolvenz. Damit stehen der Rückzahlungsanspruch und der Zinszahlungsanspruch aus der Darlehenshingabe jeweils unter einer Bedingung, deren Vereinbarung die Qualifikation als Einlagengeschäft ausschließt. Für das Vorliegen eines unbedingten Rückzahlungsanspruchs des Anlegers ist nämlich allein maßgebend, ob er nach den konkreten vertraglichen Vereinbarungen mit seiner Einlage am Verlust des Unternehmens beteiligt ist und zumindest befürchten muss, mit seiner – subordinierten – Rückzahlungsforderung im Falle der Liquidation des Unternehmens auszufallen. Ist dies der Fall, entspricht seine Anlage wirtschaftlich und rechtlich einer „echten“ Unternehmensbeteiligung, bei der der Anleger das Unternehmen mit haftendem (Eigen-) Kapital ausstattet und mit seiner Vermögenseinlage am Gewinn und am Verlust des Unternehmens teilnimmt. Unter diesen Voraussetzungen bedarf der Anleger eines Schutzes vor nicht ausreichend abgesicherten Geldanlagen nicht, weil die Anlage von vornherein mit dem Risiko eines teilweisen oder völligen Verlusts des investierten Betrags belastet und der Betreffende dieses Risiko in Kenntnis der Verlustgefahr bewusst eingegangen ist (HessVGH, Beschluss v. 29.10.2007 – 6 TG 1468/07 – juris, Rn. 11 unter Bezugnahme auf BGH, Urteil v. 15. März 1984 – III ZR 15/83, BGHZ 90, 310, 313; im Ergebnis ebenso HessVGH, Beschluss v. 01.11.2013 – 6 B 1876/13 – juris, Rn. 24). Die Antragsgegnerin sieht dies ausweislich ihrer oben wiedergegebenen Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden im Ansatz ebenso. Jedenfalls können ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden nur so verstanden werden, dass sie – zu Recht – nicht zu der Einschätzung gelangt ist, die in § 8 vereinbarte Nachrangabrede sei grundsätzlich nicht als qualifizierte Nachrangabrede zu verstehen.

Aufgrund dieser Vertragsgestaltung kann nicht angenommen werden, dass die Darlehensgeber mit der Hingabe der Darlehensmittel an die Antragstellerin einen unbedingten Rückzahlungsanspruch erwerben. Vielmehr erscheint der vertragliche Anspruch auf Rückzahlung dieser Gelder aufgrund der dargelegten qualifizierten Nachrangvereinbarung in § 8 der Vertragsbedingungen rechtlich als nachrangig. Dies genügt, um die Qualifikation der Darlehenshingabe an die Antragstellerin als Einlagengeschäft auszuschließen.

Zu Recht weist die Antragsgegnerin im Widerspruchsbescheid allerdings darauf hin, dass der Ausschluss des Tatbestands des Einlagengeschäfts durch eine qualifizierte Nachrangklausel voraussetzt, dass diese Klausel zivilrechtlich wirksam in die Vertragsbedingungen einbezogen und bei der Platzierung gegenüber dem einzelnen Anleger nicht heruntergespielt wird (so auch Reschke, a. a. O., § 1 KWG, Rn. 133). Es bestehen hier indes keine Anhaltspunkte für die Annahme, es fehle an einer wirksamen Einbeziehung in den Darlehensvertrag. Die qualifizierte Nachrangabrede ist Bestandteil des Vertrags, der mit jedem Darlehensgeber geschlossen wird. Dies ist für jeden Darlehensgeber auch klar erkennbar. Um eine überraschende Klausel i. S. d. § 305c Abs. 1 BGB kann es sich dabei schon deswegen nicht handeln, weil Vertragsgegenstand jeweils ausschließlich ein im Vertrag ausdrücklich so bezeichnetes „Nachrangdarlehen“ ist, sodass jeder Darlehensgeber sich von vornherein des Umstands bewusst sein muss, jedenfalls kein „normales“ Darlehen zu gewähren, sondern eben nur ein nachrangiges. Worin die Wirkung des „Nachrangs“ im Einzelnen zu sehen ist, wird in den Vertragsunterlagen, aber auch in dem Verkaufsprospekt der Antragstellerin hinreichend erläutert. Im Übrigen hat jeder Darlehensgeber die Gelegenheit zur Nachfrage. Auch im Übrigen sind keinerlei Umstände ersichtlich, die auf den ersten Blick die Einschätzung begründen könnten, die Klausel in § 8 sei womöglich gesetzes- oder sittenwidrig und folglich unwirksam, sodass es an einer wirksamen Einbeziehung der Nachrangabrede in die Vereinbarungen über die Darlehensgewährung fehle.

Es kann offen bleiben, ob eine weitergehende Prüfung nach Maßgabe der Bestimmungen des BGB im bankaufsichtlichen Verfahren wie auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorzunehmen ist, wie die Antragsgegnerin meint. Hieran hegt der Berichterstatter Zweifel. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung dürfte sich vielmehr regelmäßig auf offenkundige und schwerwiegende Mängel beschränken, die ohne weiteres festzustellen sind und aufgrund derer die entsprechende Vertragsklausel ohne tiefergehende rechtliche Prüfung – die grundsätzlich den ordentlichen Gerichten vorbehalten sein dürfte – als offensichtlich unwirksam qualifiziert werden kann. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn Anhaltspunkte für die Annahme gegeben sind, die Klausel diene letztlich nur der Umgehung der Qualifikation des Geschäfts als Einlagengeschäft und mit ihr habe im Hinblick auf alle weiteren Vertragsumstände im Hinblick auf den erkennbaren Vertragsgegenstand nicht einmal im Ansatz gerechnet werden müssen, da in einem solchen Fall jedenfalls keine hinreichenden Vorkehrungen zur Vermeidung von Fehlvorstellungen bei den Vertragspartnern getroffen sind. Solche Mängel sind hier nicht ersichtlich. Aber auch sonst spricht die gesamte Vertragsgestaltung durch die Antragstellerin, wie dargelegt, gegen die Annahme, § 8 der Vertragsbestimmungen sei als überraschende oder den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligende Bestimmung anzusehen.

Schließlich überzeugt auch die Einschätzung der Antragsgegnerin nicht, die Vertragsgestaltung durch die Antragstellerin sei insgesamt intransparent und die Darlehensgeber könnten den Eindruck eines unbedingten Rückzahlungsanspruchs gewinnen, weil die Antragstellerin die wirtschaftliche Benachteiligung der Ansprüche der Darlehensgeber nicht hinreichend vor Augen führe. Diese Erwägungen sind nicht geeignet, die aus den objektiven Vertragsbedingungen sich ergebende rechtliche Einschätzung in Frage zu stellen, dass die Antragstellerin nicht das Einlagengeschäft betreibt.

Zunächst ist insoweit zu beachten, dass es für die Qualifikation eines Geschäftsmodells als Einlagengeschäft maßgebend auf die dargelegten objektiven Kriterien ankommt und damit auf die Frage, ob sich die von der Antragstellerin konkret ausgeübte Geschäftstätigkeit nach diesen objektiven Gesichtspunkten als Betreiben des Einlagengeschäfts darstellt. Das ist, wie ausgeführt, hier nicht der Fall.

Unter diesen Umständen kann die nach objektiven Maßstäben gewonnene Einschätzung nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass es möglich erscheint, dass Anleger gleichwohl subjektiv der Vorstellung erliegen könnten, sich stellten der Antragstellerin Gelder zur Verfügung, die sie jederzeit, in vollem Umfang und unabhängig von sonstigen Voraussetzungen zurückverlangen könnten. Für die Qualifikation als Einlagengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG sind derartige subjektive Vorstellungen nicht maßgebend. Anderes könnte, wie oben dargelegt, nur ausnahmsweise erwogen werden, wenn die Antragstellerin selbst durch irreführende oder verschleiernde Formulierungen in den Vertragsbestimmungen und im Verkaufsprospekt in ihr zuzurechnender Weise gerade darauf abzielte, solche fehlerhaften Vorstellungen bei den Anlegern hervorzurufen oder bei diesen den Eindruck zu erwecken, sie könnten sich entgegen den objektiven Vereinbarungen doch auf einen unbedingten Rückzahlungsanspruch berufen (vgl. Kammer, Beschluss vom 25.03.2014 – 7 L 4473/13.F, Umdruck Seite 7 – juris). Auch nach Auffassung des HessVGH (Beschluss v. 29.10.2007 – 6 TG 1468/07, juris, Rn. 11), dem der Berichterstatter insoweit folgt, kann unter den hier gegebenen Umständen, die nach objektiven Maßstäben die Annahme eines Einlagengeschäfts ausschließen, eine Ausnahme von dieser Einschätzung nur dann angezeigt sein, wenn die Anleger nach den Werbeaussagen des Unternehmens davon ausgehen mussten, dass ihre Einlage ähnlich wie bei einer Bankeinlage unabhängig vom Geschäftserfolg mit der garantierten „unbedingten“ Sicherheit der Rückzahlung verbunden ist.

Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Aufgrund des Vertragsinhalts wie auch der begleitenden Werbe- und Prospektaussagen der Antragstellerin ist vielmehr für jeden Darlehensgeber deutlich erkennbar, dass er an die Antragstellerin nicht nur ein nachrangiges Darlehen begibt, sondern mit diesem Darlehen an einem möglichen Verlust des Unternehmens mit dem Risiko einer gegebenenfalls vollständigen Einbuße der Einlage teilnimmt. Dies ergibt sich insbesondere aus der umfangreichen Darstellung der Risiken, die der Darlehensnehmer mit seiner Darlehenshingabe eingeht, auf S. 10 ff. des Verkaufsprospekts, in dem ausdrücklich auch auf die Risiken aus der Rangstellung der Darlehensansprüche hingewiesen wird. Auch in der Beschreibung der Kapitalanlage im Prospekt teilt die Antragstellerin die aus der Rangstellung der Ansprüche sich ergebenden Konsequenzen nachvollziehbar mit. Des weiteren wird der potenzielle Darlehensgeber auf S. 18 des Verkaufsprospekts ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Zinszahlungsanspruch unter dem Vorbehalt stehe, dass bei der Emittentin durch die Zahlung der Zinsen ein Insolvenzeröffnungsgrund nicht herbeigeführt wird. Auf die gleiche Rechtsfolge weist die Antragstellerin auf S. 5 ihres Verkaufsprospekts in Bezug auf den Rückzahlungsanspruch hin. Schließlich enthält § 14 des Vertrags den ausdrücklichen Hinweis, dass sich das „Nachrangdarlehen“ wie jede unternehmerische Tätigkeit als Wagnis darstelle und insbesondere bei einer anhaltenden negativen Entwicklung der Darlehensnehmerin ein Verlust des eingesetzten Kapitals nicht ausgeschlossen werden könne. Auch wenn zuzugeben ist, dass der Einlage nur an dieser Stelle die Qualifikation als „unternehmerische Tätigkeit“ zuteil wird, verdeutlicht die Antragstellerin jedoch jedem Darlehensgeber auf diese Weise noch hinreichend klar die Risiken, die mit der Darlehenshingabe verbunden sind, und insbesondere die Folgen der Nachrangigkeit des Darlehens. Ebenso verdeutlicht sie dem Darlehensgeber, wenn auch nicht an hervorgehobener Stelle, dass er am wirtschaftlichen Risiko der Darlehensnehmerin beteiligt ist und im schlimmsten Fall damit zu rechnen haben muss, seine Darlehensgelder insgesamt zu verlieren. Infolgedessen sind die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Bejahung des Einlagengeschäfts nach Maßgabe der dargelegten Ausführungen des HessVGH wie auch der Kammer hier nicht erfüllt.

Betreibt die Antragstellerin mithin nicht das Einlagengeschäft, bedarf sie für die Ausführung ihrer Geschäftstätigkeit auch nicht der Erlaubnis nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG. Mithin fehlt es an einer Tatbestandsvoraussetzung für den Erlass der Verfügung Nr. 1 des Bescheids vom 19. März 2014 wie auch der übrigen Verfügungen, die sämtlich zur Voraussetzung haben, dass die Antragstellerin unerlaubt das Einlagengeschäft betreibt und die Antragsgegnerin hier rechtmäßig dessen Abwicklung angeordnet hat.

Eine weitere Interessenabwägung erübrigt sich, da bereits aufgrund der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügungen das Interesse der Antragstellerin am Aufschub der Vollziehung überwiegt.

Auch in Bezug auf die Zwangsgeldandrohungen hat das Begehren Erfolg, da es im Hinblick auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und der Klage an einer maßgebenden Vollstreckungsvoraussetzung fehlt.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1, 3 GKG. Nach der Rechtsprechung der Kammer und des HessVGH ist die wirtschaftliche Bedeutung des gegen eine Abwicklungsverfügung gerichteten Begehrens in der Hauptsache in Höhe von 10 % des an die Anleger zurückzuzahlenden Betrags anzusetzen. Da die Antragstellerin nach Erkenntnissen der Antragsgegnerin einen Betrag von 539.500,- € vereinnahmt hat, betrüge der Streitwert insoweit 53.950,- €. Dieser Betrag ist geringer als der Betrag, der für die drei Zwangsgeldandrohungen in Höhe von jeweils 50.000,- € sowie die Festsetzung der Gebühr in Höhe von 10.000,- € anzusetzen ist, sodass letzterer maßgeblich ist (Nr. 1.7.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit). Folglich ist für die Hauptsache ein Streitwert von 160.000,- € anzusetzen, der im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung im Eilverfahren zu halbieren ist.

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