LG Darmstadt, Beschluss vom 27.02.2014 - 5 T 82/14
Fundstelle
openJur 2014, 18763
  • Rkr:

1. Bei der Addition zwecks Erreichens der Wertgrenze nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO sind - auch bei einem Vollstreckungsbescheid als Vollstreckungstitel - neben der Hauptforderung weder im Titel bereits bezifferte Zinsen noch die fortlaufenden Zinsen zu berücksichtigen, auch wenn sie mit tituliert wurden.

2. Bei der Addition zwecks Erreichens der Wertgrenze nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO sind - auch bei einem Vollstreckungsbescheid als Vollstreckungstitel - neben der Hauptforderung weder vorgerichtliche Mahnkosten, vorgerichtliche Kosten für Auskünfte noch vorgerichtliche Inkassokosten zu berücksichtigen, auch wenn sie mit tituliert wurden.

3. Bei der Addition zwecks Erreichens der Wertgrenze nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO sind Kosten der Zwangsvollstreckung nie zu berücksichtigen, gleichgültig, ob sie nach § 788 Abs. 2 ZPO ebenfalls tituliert wurden oder nach § 788 Abs. 1 ZPO ohne gesonderte Titulierung beizutreiben sind.

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 03.02.2014 wird

als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Gläubigerin zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Gläubigerin vollstreckt aus einem dem Schuldner am 12.03.2013 zugestellten Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 07.03.2013 (Bl. 27 f. d.A.), mit dem folgende Forderungen tituliert wurden: Hauptforderung in Höhe von 357,60 Euro, Verfahrenskosten (Gerichtskosten und Auslagen) in Höhe von insgesamt 44,01 Euro, Nebenforderungen (Mahnkosten, Auskünfte, Inkassokosten) in Höhe von insgesamt 79,90 Euro, Zinsen vom 16.02.2011 bis 15.02.2013 in Höhe von 36,94 Euro sowie Zinsen ab dem 16.02.2013 aus 357,60 Euro.

Die Gläubigerin beauftragte den Gerichtsvollzieher am 08.10.2013 (Bl. 3 f. d.A.) u.a. mit der Einholung von Auskünften Dritter gemäß § 802l ZPO. Der Gerichtsvollzieher teilte mit Schreiben vom 22.11.2013 (Bl. 5 d.A.) mit, dass Drittauskünfte nicht eingeholt werden können, da die Hauptforderung nicht 500,- Euro beträgt. Auch auf den Einwand, dass die zu vollstreckenden Forderungen 500,- Euro betragen (Bl. 6 d.A.), lehnte der Gerichtsvollzieher diesen Auftrag ab (Bl. 7 d.A.).

Für die Maßnahmen der Zwangsvollstreckung (Zustellungen etc.) waren weitere Kosten angefallen.

Mit Schreiben vom 17.01.2013 (Bl. 1 ff. d.A.) legte die Gläubigerin beim Amtsgericht Erinnerung ein und beantragte, den Gerichtsvollzieher anzuweisen, die Auskünfte Dritter gemäß § 802l ZPO einzuholen.

Der Gerichtsvollzieher nahm am 27.01.2014 Stellung (Bl. 11 d.A.).

Mit Beschluss vom 03.02.2014 (Bl. 14 ff. d.A.) hat das Amtsgericht Offenbach die Erinnerung der Gläubigerin zurückgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den genannten Beschluss Bezug genommen.

Gegen diesen ihr am 06.02.2014 zugestellten Beschluss hat die Gläubigerin mit Schriftsatz vom 10.02.2014 (Bl. 19 ff. d.A.), am gleichen Tag bei Gericht eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass bei der Wertgrenze des § 802l ZPO sämtliche aus dem Vollstreckungsbescheid zu vollstreckende Forderungen (einschließlich der bereits festgestellten Nebenforderungen und Zinsen) zu berücksichtigen sind.

II.

A. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin hinsichtlich der Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 567 ff., 793 ZPO).

B. Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss vom 03.02.2014 ist jedoch nicht begründet; ihre Erinnerung nach § 766 Abs. 2 ZPO hat keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die Erinnerung der Gläubigerin zu Recht zurückgewiesen, da die nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO zu berücksichtigenden Forderungen hinsichtlich des Erreichens der Wertgrenze vorliegend nur 401,61 Euro (357,60 Euro Hauptforderung zzgl. 44,01 Euro Gerichtskosten und Auslagen) betragen.

1. Nach der in § 802l Abs. 1 S. 2 (und ähnlich in § 755 Abs. 4 ZPO) eingeführten „Bagatellgrenze“ für bestimmte Zwangsvollstreckungsaufträge darf die jeweils geregelte Zwangsvollstreckungsmaßnahme nur durchgeführt werden, wenn

„die zu vollstreckenden Ansprüche mindestens 500 Euro betragen; Kosten der Zwangsvollstreckung und Nebenforderungen sind bei der Berechnung nur zu berücksichtigen, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsauftrags sind“.

Was genau unter den „zu vollstreckenden Ansprüchen“ zu verstehen ist (sowie das genaue Verhältnis zwischen Halbsatz 1 und Halbsatz 2), wird nicht näher definiert. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass es insoweit nicht etwa „die zu vollstreckende(n) Hauptforderung(en)“ heißt, so dass der Begriff der „zu vollstreckenden Ansprüche“ jedenfalls mehr als nur die Hauptforderung umfassen wird.

Was zudem genau unter den Nebenforderungen im Sinne der zitierten beiden Vorschriften zu verstehen ist, wird in diesen ebenfalls nicht näher ausgeführt.

2. Die Vorschrift ist deshalb hinsichtlich ihrer genauen Bedeutung entsprechend den gängigen Auslegungsregeln - ausgehend vom ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift unter besonderer Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Vorschrift sowie der damit verbundenen Absicht des Gesetzgebers - auszulegen. Im Rahmen der systematischen Auslegung – Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung – ist hierbei etwa auch auf § 4 ZPO mit den hierzu anerkannten Definitionen und im Übrigen auf die Vorschriften und die Systematik des Zwangsvollstreckungsrechts (insbesondere auch § 788 ZPO) zurückzugreifen:

a) Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Vorschrift fallen zunächst alle Forderungen, die zu vollstrecken sind, unter Halbsatz 1 und wären danach bei der Addition zur Erreichung der Wertgrenze grundsätzlich zu berücksichtigen.

(1) Zu vollstrecken sind diejenigen Forderungen, die der Gläubiger gerade vollstreckt bzw. hinsichtlich derer er einen Vollstreckungsauftrag erteilt hat. Der Gesetzeswortlaut stellt auf die „zu vollstreckenden“ Forderungen, nicht hingegen auf die „vollstreckbaren“ Forderungen ab, weshalb insoweit – ebenso wie bei §§ 708 ff. ZPO – zu differenzieren ist.

Die aus einem (oder mehreren) Titel(n) „zu vollstreckenden Ansprüche“ beinhalten in der Praxis im Regelfall die Hauptforderung(en), Nebenforderungen wie vorgerichtliche Rechtsanwalts-/Inkassokosten sowie Zinsen (betragsmäßig ausgerechnete und/oder ab einem bestimmten Zeitpunkt fortlaufende) sowie die Gerichtskosten und außergerichtlichen Auslagen (Rechtsanwaltskosten). Hinzu kommen im Rahmen der Zwangsvollstreckung die Zwangsvollstreckungskosten (§ 788 Abs. 1 und 2 ZPO).

Mangels anderer Regelung bzw. Differenzierung des Gesetzeswortlauts stellen zunächst alle titulierten Nebenforderungen (z.B. gleichgültig ob betragsmäßig bezifferte oder fortlaufende Zinsen) zu vollstreckende Forderungen im Sinne des Halbsatzes 1 dar, wenn der Gläubiger sie (mit)vollstreckt.

Mangels anderer Regelung bzw. Differenzierung des Gesetzeswortlauts stellen ebenso alle Kosten der Zwangsvollstreckung – gleichgültig, ob sie nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO ohne gesonderte Titulierung mit beizutreiben sind oder ob sie nach § 788 Abs. 2 ZPO festgesetzt und damit tituliert wurden - zu vollstreckende Forderungen im Sinne des Halbsatzes 1 der vorgenannten beiden Vorschriften dar, wenn der Gläubiger sie (mit)vollstreckt.

(2) Von der Summe aller zu vollstreckenden Forderungen nach Halbsatz 1 sind allerdings nach Halbsatz 2 die Nebenforderungen und Kosten der Zwangsvollstreckung herauszunehmen, wenn es eine (mit) zu vollstreckende (wiederum nicht: vollstreckbare) Hauptforderung gibt.

Der Gesetzeswortlaut differenziert insoweit auch nicht hinsichtlich der Frage der Titulierung oder der Art und Weise der Titulierung von Nebenforderungen und Kosten der Zwangsvollstreckung, weshalb nach dem bloßen Gesetzeswortlaut (ausnahmslos) alle Nebenforderungen (gleichgültig ob z.B. ausgerechnete oder laufende Zinsen, s.o.) sowie alle Kosten der Zwangsvollstreckung (gleichgültig ob nach § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO beizutreiben oder nach § 788 Abs. 2 ZPO festgesetzt) für die Wertgrenze nicht zu berücksichtigen sind.

(3) Was das Verhältnis des ersten zum zweiten Halbsatz betrifft, ob also der zweite Halbsatz eine Ausnahme zum ersten Halbsatz darstellt oder aber der erste Halbsatz für sich steht und stets vorgeht, so ist zu beachten, dass die Regelung der Wertgrenze durch den Gesetzgeber nicht in zwei voneinander getrennten Hauptsätzen, sondern in einem Satz und in Form zweier durch ein Semikolon getrennter (Haupt-)Sätze erfolgt. Die Verwendung eines Semikolons erfolgt im sprachlichen Gebrauch, wenn eigentlich zwei normale Hauptsätze verwendet werden können, eine Verbindung der Sätze jedoch wegen eines starken inhaltlichen Zusammenhangs der beiden Sätze erfolgen soll, etwa weil der zweite Satz die Bedeutung oder inhaltliche Reichweite des ersten Satzes einschränken soll. Die Verwendung eines Satzpunktes würde in solchen Fällen eine zu starke – inhaltlich so nicht gegebene und nicht beabsichtigte – sprachliche Trennung der Aussagen bewirken.

Eine solche auch sprachliche Betonung des inneren Regelungszusammenhang von Aussagen, insbesondere im Sinne eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses, ist in der Gesetzgebungspraxis häufig und wurde vom Gesetzgeber auch in zahlreichen anderen Vorschriften vorgenommen, etwa in § 4 ZPO.

Während also die Formulierung der Wertgrenze in zwei Hauptsätzen eher mehrdeutig dahingehend gewesen wäre, wie der Regelungsgehalt der einzelnen Sätze zueinander steht und ggf. welcher vorrangig ist, deutet die Formulierung der Wertgrenze in zwei nur durch ein Semikolon getrennten Halbsätzen darauf hin, dass insbesondere der erste Halbsatz nicht absolut für sich steht, sondern durch den zweiten Halbsatz in seiner Reichweite inhaltlich beschränkt und eingegrenzt wird.

b) Ein anderer Regelungsinhalt der beiden genannten Vorschriften ergibt sich auch nicht im Wege der historischen Auslegung, insbesondere aus der Gesetzesbegründung.

(1) Ursprünglich sah der Gesetzentwurf des Deutschen Bundesrates (BT-Drucksache 16/10069, S. 8) – in Anlehnung an pauschalen Wertgrenzen in anderen Vorschriften, nämlich § 68 Abs. 1 S. 1 SGB X (i.d.F. bis 31.12.2012) und § 39 Abs. 3 Nr. 1 StVG, folgende pauschale Wertgrenze für § 802l ZPO vor:

„Das Auskunftsersuchen ist nur zur Vollstreckung von Ansprüchen zulässig, deren Gesamtforderung auf mindestens 600 Euro lautet.“

Hierbei wurde aus den beiden genannten Vorschriften des SGB X und des StVG die höhere Wertgrenze, nämlich 600 Euro statt 500 Euro, gewählt.

Diese Gesetzesformulierung war hinsichtlich der erfassten Ansprüche sehr weit gefasst (die Gesetzesbegründung verhält sich nicht näher zu den zu addierenden Forderungen, siehe BT-Drucksache 16/10069, S. 33) und hätte dahingehend ausgelegt werden müssen, dass sämtliche zu vollstreckenden Forderungen hinsichtlich der Wertgrenze zu addieren gewesen wären.

Dies hätte etwa auch dazu geführt, dass ein wegen geringer Forderungshöhe zunächst erfolglos vollstreckender Gläubiger jedenfalls nach einigen Jahren durch die auflaufenden Zinsen die Wertgrenze hätte erreichen können.

(2) Auf den Vorschlag des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages (BT-Drucksache 16/13432, S. 7, 13, 43, 45) hin wurde dann allerdings die Formulierung der Wertgrenze sowohl in § 755 ZPO-E als auch in § 802l ZPO-E ausdrücklich dahingehend geändert, dass einerseits „die zu vollstreckenden Ansprüche“ nur noch „mindestens 500 Euro betragen“ müssen, andererseits Kosten der Zwangsvollstreckung und Nebenforderungen „bei der Berechnung nur zu berücksichtigen“ sind, wenn sie „allein Gegenstand des Vollstreckungsauftrags“ sind. Dieser Vorschlag des Rechtsausschusses, der dann vom Gesetzgeber aufgegriffen und umgesetzt wurde, wurde hinsichtlich § 802l ZPO-E u.a. wie folgt begründet (BT-Drucksache 16/13432, S. 45):

„Die Bedeutung des Halbsatzes „deren Gesamtforderung auf mindestens 600 Euro lautet“ in Satz 2 des Bundesrats-Entwurfs wird dort nicht näher erklärt. (…) Durch die gegenüber dem Bundesrats-Entwurf geänderte Formulierung des Satzes 2 wird klargestellt, dass es bei der Wertgrenze auf den Betrag der titulierten Forderung ankommt; Kosten der Vollstreckung können daher zum Erreichen der Schwelle von 500 Euro nicht beitragen. Durch bloßes Zuwarten und Auflaufenlassen von Zinsen als Nebenforderung kann die Wertgrenze ebenfalls nicht erreicht werden. Dies dient einer für alle Beteiligten klaren Abgrenzung. Mehrere titulierte Ansprüche eines Gläubigers, die zusammen vollstreckt werden, können allerdings zum Überschreiten der Wertgrenze von 500 Euro beitragen. Im Gegenzug, dass die Wertgrenze nur auf die titulierten Forderungen bezogen wird, wird die Grenze nicht wie im Entwurf auf 600 Euro sondern (…) auf 500 Euro festgelegt (…).“

Die Gesetzesbegründung führt hinsichtlich der Kosten der Vollstreckung aus, dass diese – vom genannten Sonderfall in Halbsatz 2 abgesehen – bei der Addition nicht zu berücksichtigen sind (und zwar ohne Differenzierung danach, ob sie tituliert wurden oder nicht).

Außerdem enthält die Gesetzesbegründung hinsichtlich der Zinsen die ausdrückliche Aussage, dass durch ein „Auflaufenlassen von Zinsen“ die Wertgrenze nicht erreicht werden kann (wie sich diese Aussage allerdings zu Halbsatz 2 der Vorschrift verhält, dazu äußert sich die Gesetzesbegründung nicht).

Insbesondere aber führt der Gesetzgeber deutlich aus, dass ihm an einer „für alle Beteiligten klaren Abgrenzung“ gelegen war.

Auch wenn die Formulierungen in der Gesetzesbegründung „dass es bei der Wertgrenze auf den Betrag der titulierten Forderung ankommt“ bzw. dass „Mehrere titulierte Ansprüche eines Gläubigers, die zusammen vollstreckt werden“ zu addieren sind, für sich genommen mehrdeutig bzw. missverständlich sein könnten, ist die Gesamtaussage der Gesetzesbegründung doch eindeutig: Gewollt ist eine klare Abgrenzung, und es wird hinsichtlich der „Nebenforderungen“ oder „Kosten der Zwangsvollstreckung“ weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung danach differenziert, wo und mit welcher genauen Formulierung (Bezifferung oder nicht) diese ggf. tituliert wurden.

Allerdings ist nicht nur nach dem Gesetzeswortlaut, sondern auch nach der Gesetzesbegründung etwa hinsichtlich der Zinsen nicht danach zu differenzieren, ob diese im zugrundeliegenden Titel - ganz oder teilweise - bereits ausgerechnet und beziffert wurden oder aber fortlaufend hinzukommen.

Es ist nämlich bei Nebenforderungen immer so, dass diese nur dann „zu vollstreckende Forderungen“ darstellen, wenn sie tituliert wurden, und in diesen Titeln werden Nebenforderungen – bis auf die Ausnahme der fortlaufenden Zinsen – praktisch immer auch betragsmäßig ausgewiesen. Als Anwendungsbereich der „Nebenforderungen“ nach Halbsatz 2 verblieben also ggf. überhaupt nur die im Titel nicht betragsmäßig bezifferten Zinsen. Der Gesetzgeber hätte jedoch, wenn unter den Begriff der „Nebenforderungen“ in Halbsatz 2 (nur) die im Titel nicht ausgerechneten/bezifferten Zinsen fallen sollten, dies auch genau so formulieren können und hätte dies dann auch höchstwahrscheinlich so getan. Stattdessen hat er jedoch den wesentlich umfangreicheren Begriff der „Nebenforderungen“ verwendet.

c) Auch eine Auslegung nach der Systematik des Gesetzes kommt zu keinem anderen Ergebnis. Hierbei sind andere Regelungen des fraglichen Gesetzes sowie die Einheit der Rechtsordnung in besonderem Maße zu berücksichtigen.

Zudem ist es, wenn neue Vorschriften eines Gesetzes Begriffe verwenden, die zuvor in diesem Gesetz bereits Verwendung gefunden haben und für die die Rechtsprechung und Literatur bereits übliche Definitionen gefunden hat, üblich, davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Begriffe auch in diesem hergebrachten Sinne verstanden wissen wollte.

(1) Der Begriff der Nebenforderungen wird in der ZPO nicht direkt definiert. Allerdings enthält § 4 ZPO zu deren Inhalt Regelungen. Danach zählen zu den Nebenforderungen insbesondere Verzugszinsen, und sie sind bei der Streitwertberechnung nicht zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob sie beziffert/ausgerechnet sind oder nicht (so Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 4 Rn. 11), sowie vorgerichtliche Kosten (Mahnkosten, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten; siehe Zöller, a.a.O., § 4 Rn. 12, 13).

Diese genannten Nebenforderungen (Verzugszinsen, vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren) werden im Regelfall mit der dazugehörigen Hauptforderung zusammen tituliert. Sie stellen damit ebenfalls „zu vollstreckende Ansprüche“ im Sinne des Halbsatzes 1 dar, fallen zugleich aber unter die „Nebenforderungen“ des Halbsatzes 2.

Zu vollstrecken sind diese Nebenforderungen schließlich unabhängig davon, ob sie im Titel betragsmäßig aufgeführt wurden oder weiterlaufen (Zinsen ab dem …).

Die hergebrachte, üblicherweise verwendete Definition der Nebenforderungen besagt, dass dies von der (eingeklagten) Hauptforderung abhängige, mit ihr in demselben Rechtsstreit von derselben Partei gegen denselben Gegner verfolgte, wenn auch getrennt von der Hauptsache berechnete Forderungen sind (so Zöller, a.a.O., § 4 Rn. 8). Dies trifft auf Verzugszinsen jeder Art zu, unabhängig davon, ob diese betragsmäßig tituliert oder fortlaufend tituliert wurden.

(2) Was die Kosten des dem Vollstreckungsauftrag vorangegangenen Gerichtsverfahrens betrifft (Gerichtskosten und Rechtsanwaltsgebühren, ggf. auch Kosten eines Mahnverfahrens), so werden solche Kosten von § 4 ZPO, der Regeln für die Wertberechnung zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage aufstellt, naturgemäß nicht erfasst.

Solche Kosten werden zudem regelmäßig im Rahmen eines Kostenfestsetzungsbeschlusses nach §§ 103, 104 ZPO festgesetzt und damit gesondert tituliert (oder in einem Vollstreckungsbescheid tituliert). Es handelt sich damit in jedem Fall ebenfalls um „zu vollstreckende Ansprüche“.

Diese Forderungen sind zwar einerseits von der zugrundeliegenden Hauptforderung (u.U. aber nur von eigentlichen Nebenforderungen, wenn mit der Klage z.B. nur noch rückständige Zinsen geltend gemacht werden) abhängig, werden aber üblicherweise dennoch nicht als Nebenforderung angesehen, sondern als weitere Kategorie, nämlich Kosten, zumal sie in ihrem eigenen Titel (Kostenfestsetzungsbeschluss) keine Hauptforderung / Hauptsache neben sich haben, vielmehr sogar selbst in diesem Titel quasi zur neuen Hauptforderung werden, zu denen wiederum Zinsen als Nebenforderungen hinzukommen.

Die Kosten des vorangegangenen Gerichtsverfahrens (Gerichtskosten und außergerichtliche Auslagen) fallen somit auf jeden Fall unter den Halbsatz 1 der genannten beiden Vorschriften, werden als solche allerdings in Halbsatz 2 nicht erwähnt. Sie werden auch inhaltlich nicht von diesem erfasst, denn es ist nicht üblich, die Kosten des vorangegangenen Gerichtsverfahrens in der Zwangsvollstreckung als „Nebenforderung“ zu behandeln oder zu bezeichnen.

Vielmehr stellen solche Kosten des Gerichtsverfahrens in der Zwangsvollstreckung – wie auch in den vorangegangenen Titeln – eine ganz eigene Kategorie neben Hauptforderungen und Nebenforderungen dar, wie sich u.a. auch aus der Vorschrift des § 708 Nr. 11 ZPO ergibt, welche bei der Sicherheitsleistung allein auf die „Hauptsache“ abstellt und nur dann, wenn „nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist“, andere Regelungen vorsieht.

Demgemäß fallen die Kosten eines vorangegangenen Gerichtsverfahrens nur in den Anwendungsbereich des Halbsatzes 1 und nicht in den Anwendungsbereich des Halbsatzes 2 der vorgenannten beiden Vorschriften, sind mithin also stets bei der Addition der zu vollstreckenden Forderungen zu berücksichtigen.

(3) Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind solche Kosten, die – nach der Titulierung der Haupt- und Nebenforderungen - im Rahmen der Zwangsvollstreckung anfallen.

Sie werden im Regelfall ohne gesonderte Titulierung gemäß § 788 Abs. 1 S. 1 ZPO „zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch“ beigetrieben; sie stellen aufgrund dieser gesetzlichen Regelung also grundsätzlich - auch ohne gesonderte Titulierung - „zu vollstreckende Ansprüche“ im Sinne des ersten Halbsatzes der §§ 755, 802l ZPO dar. Im Übrigen können die Kosten der Zwangsvollstreckung ggf. auch in einem vereinfachten Verfahren nach §§ 788 Abs. 2, 103, 104 ZPO in einem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzt und damit ebenfalls tituliert werden.

Auch diese Kosten fallen also sowohl in den Geltungsbereich des Halbsatzes 1 als auch des Halbsatzes 2 der oben zitierten Vorschriften (§§ 755, 802l ZPO).

Es kann im Übrigen vorliegend offenbleiben, ob Kosten der Zwangsvollstreckung nach einer gesonderten Titulierung nach § 788 ZPO ebenso quasi eine Hauptforderung (wie die Gerichtskosten) würden, da jedenfalls die Kosten der Zwangsvollstreckung – ohne Differenzierung nach Titulierung oder nicht - nach dem Halbsatz 2 der beiden genannten Vorschriften ausdrücklich bei der Addition zum Erreichen der Wertgrenze nicht (bzw. nur in dem dort genannten Sonderfall) zu berücksichtigen sind.

(4) Überträgt man die einzelnen Kategorien der zu vollstreckenden Forderungen zum besseren Verständnis in den Gesetzeswortlaut, bedeutet dies, dass die jeweilige Maßnahme des Gerichtsvollziehers nur zulässig ist, wenn die zu vollstreckenden Ansprüche (Hauptforderung, Nebenforderungen wie Verzugszinsen, Kosten des Gerichtsverfahrens, Kosten der Zwangsvollstreckung) mindestens 500 Euro betragen, wobei die Kosten der Zwangsvollstreckung (alle) und die Nebenforderungen (alle) bei der Berechnung nur zu berücksichtigen sind, wenn sie allein Gegenstand des Vollstreckungsauftrags sind.

Die Systematik dieser Halbsätze (erst Nennung aller zu vollstreckenden Ansprüche, dann die Herausnahme bestimmter Ansprüche, die nur unter Sonderbedingungen zu berücksichtigen sind) entspricht im Übrigen letztlich derjenigen des § 4 Abs. 1 ZPO, wonach es zunächst auch (ohne dass dies allerdings im Gesetzeswortlaut ausdrücklich erwähnt wird) auf sämtliche geltend gemachten Ansprüche ankommt, dann aber in einem zweiten Halbsatz ein Teil dieser Ansprüche wieder herausgenommen wird bzw. nur unter Sonderbedingungen doch zu berücksichtigen ist („; Früchte, Nutzungen, Zinsen und Kosten bleiben unberücksichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden.“).

d) Auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, nämlich eine klare Regelung zur Berechnung des Erreichens oder Nichterreichens der Wertgrenze zu bieten (s.o.), ergibt sich nicht, dass eine Differenzierung zwischen im Titel bereits bezifferten Zinsen und fortlaufenden Zinsen sowie titulierten Kosten der Zwangsvollstreckung sowie nicht titulierten Kosten der Zwangsvollstreckung praktisch und sinnvoll wäre.

Es ist weder im Sinne der Regelung noch praktisch sinnvoll, hinsichtlich der Wertgrenze z.B. zwischen folgenden – regelmäßig nur vom Antrag des späteren Gläubigers oder von Zufällen abhängigen – Tenorierungen zu unterscheiden:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent seit dem 01.01.2011 zu zahlen.

2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 400,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent sei dem 01.01.2012 sowie ausgerechnete Zinsen in Höhe von 20,- Euro zu zahlen.

e) Schlussendlich würde die Auffassung, im Urteil bereits betragsmäßig bezifferte Zinsen könnten zum Erreichen der Wertgrenze nach § 802l ZPO beitragen und deshalb Vorteile im Rahmen der Zwangsvollstreckung verschaffen, in Kürze dazu führen, dass Kleingläubiger nicht nur beim Einreichen der Klageschrift bzw. Beantragen des Mahnbescheids Zinsen soweit möglich ausrechnen und gesondert beziffern würden, sondern den Klageantrag im Verlauf des Prozesses sogar regelmäßig neu stellen und die zwischenzeitlich angefallenen Zinsen ebenfalls betragsmäßig ausweisen würden.

Dies dürfte weder im Sinne der klaren gesetzlichen Regelung, des Gesetzgebers, der Parteien von streitigen Verfahren (jede Änderung des Klageantrags wäre zuzustellen, was mit erheblichem Zusatzaufwand und zusätzlichen Kosten verbunden wäre) noch der jeweiligen Gerichte sein.

f) Auch der – wenigen - bislang zu § 802l ZPO bzw. § 755 ZPO vorliegenden Rechtsprechung und Literatur lassen sich keine durchgreifenden Argumente für eine andere Auslegung der fraglichen Vorschriften entnehmen:

(1) Höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der Berechnung der Wertgrenze des § 802l ZPO gibt es bislang, soweit ersichtlich, noch nicht.

Hingegen gibt es einzelne Entscheidungen etwa von Amtsgerichten, nach denen z.B. aus dem Gesetzeszweck folge, dass betragsmäßig titulierte Nebenforderungen nicht unter die Beschränkung des Halbsatzes 2 der genannten Vorschrift falle (so das AG Augsburg, Beschl. v. 26.08.2013, Az. 1 M 6899/13, DGVZ 2013, 215 bzw. juris Rn. 4).

(2) In der Literatur werden bislang – allerdings überwiegend ohne vertiefte Erörterung– verschiedene Ansichten zur Berechnung der Wertgrenze vertreten (auf die Feststellung, dass die genaue Berechnung der Wertgrenze unklar ist, beschränkt sich hingegen Musielak, ZPO, 10. Aufl., § 802l Rn. 8).

Es besteht zumindest Einigkeit, dass mehrere Hauptforderungen des Gläubigers - ggf. aus mehreren Vollstreckungstiteln - zu addieren sind (so Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 802l Rn. 4 a.E.; MüKo/Wagner, ZPO, 4. Aufl., § 802l Rn. 26; Vollkommer, NJW 2012, S. 3681 ff.).

Soweit hierzu eine Aussage erfolgt, wird auch durchgängig die Auffassung vertreten, dass der Gläubiger jedenfalls durch ein „Auflaufenlassen“ von Zinsen die Wertgrenze nicht erreichen kann (so etwa MüKo/Wagner, ZPO, 4. Aufl., § 802l Rn. 26; Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 802l Rn. 4 a.E.). Dies ist allerdings nur richtig, wenn neben den Zinsen die Hauptforderung geltend gemacht wird, nicht jedoch (§ 802l Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO), wenn nur die aufgelaufenen Zinsen (neben Kosten der Zwangsvollstreckung) geltend gemacht werden (was der Gesetzgeber nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 16/13432, S. 45 allerdings wohl nicht gesehen hat.).

Teilweise wird zudem – ohne Begründung oder unter Berufung auf den Wortlaut der Gesetzesbegründung („titulierte Forderung“, s.o.) - die Auffassung vertreten, dass im Vollstreckungstitel bereits betragsmäßig bezifferte Nebenforderungen, insbesondere Zinsen, bei der Frage des Erreichens der Wertgrenze grundsätzlich zu berücksichtigen, d.h. zur Hauptforderung zu addieren sind (so Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 802l Rn. 4 a.E.; Mroß, DGVZ 2012, 169, 177; anders hingegen sehr deutlich BeckOK/Fleck, ZPO, Stand 01.01.2014, § 802l Rn. 5; ebenso Harnacke/Jülich/Bungardt, DGVZ 2013, S. 1, 3 zum insoweit gleichlautenden § 755 Abs. 2 S. 2 ZPO: „Die Zinsen werden als Nebenforderung behandelt und werden nicht addiert, auch wenn sie ausgerechnet sind.“).

Vereinzelt wird auch die Auffassung vertreten, bereits titulierte Kosten der Zwangsvollstreckung seien bei der Wertgrenze zu berücksichtigen (so Mroß, DGVZ 2012, 169, 177).

Soweit ersichtlich wird nur vereinzelt – und ohne Begründung - die Auffassung vertreten, die festgesetzten (titulierten) Prozesskosten wären bei der Wertgrenze nicht zu berücksichtigen (so BeckOK/Fleck, ZPO, Stand 01.01.2014, § 802l Rn. 5; anders hingegen z.B. Mroß, DGVZ 2012, 169, 177).

3. Vorliegend beträgt die Summe der zu vollstreckenden und nach § 802l Abs. 1 S. 2 HS 2 ZPO berücksichtigungsfähigen Forderungen weniger als 500,- Euro, nämlich insgesamt 401,61 Euro (357,60 Euro Hauptforderung zzgl. 44,01 Euro Kosten des vorangegangenen Gerichtsverfahrens).

Die Nebenforderungen (Mahnkosten, Auskünfte, Inkassokosten, ausgerechnete Verzugszinsen, fortlaufende Verzugszinsen) sowie die Kosten der Zwangsvollstreckung sind hierbei nicht zu berücksichtigen.

C. Die Beschwerdeführerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Ein Beschwerdewert war nicht festzusetzen, da für die Gerichtskosten eine Festgebühr vorgesehen ist und eine Festsetzung bislang nicht beantragt wurde.

Die Rechtsbeschwerde wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Fragen zugelassen, ob nach § 802l Abs. 1 S. 2 ZPO erstens die Kosten des zur Titulierung führenden gerichtlichen Verfahrens (einschließlich der außergerichtlichen Auslagen) sowie zweitens bereits titulierte, betragsmäßig bezifferte Nebenforderungen (insbesondere Zinsen) und bereits titulierte Kosten der Zwangsvollstreckung hinsichtlich des Erreichens der Wertgrenze zu berücksichtigen sind.