LG Darmstadt, Beschluss vom 04.02.2014 - 5 T 296/13
Fundstelle
openJur 2014, 18762
  • Rkr:

Bewohnt ein sonst in einem Wohnheim lebender, erwachsener Betreuter mit dauerhaften, mehrfachen Behinderungen regelmäßig an den Wochenenden eine ihm und seiner Mutter zu gleichen Teilen gehörende 3-Zimmer-Wohnung, und erfordert die Art seiner Behinderung, dass er sich regelmäßig alleine in einem Raum aufhalten kann, so stellt im Hinblick auf die Betreuervergütung sein Miteigentumsanteil an der Wohnung zwar kein Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII dar, einer Berücksichtigung dieses Vermögensanteils steht aber jedenfalls eine unzumutbare Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII entgegen.

Tenor

1. Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 09.01.2013 (Zahlung in Höhe von 1.940,72 Euro an die Staatskasse) aufgehoben.

2. Die Beschwerde gegen den weiteren Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 09.01.2013 (keine Rückerstattung der Betreuervergütung über 2.530,- Euro) wird als unbegründet zurückgewiesen.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Bei dem 27jährigen Betroffenen besteht ein Zustand nach frühkindlicher Hirnschädigung. Er ist dauerhaft mehrfach behindert.

Für den Betroffenen wurden erstmals 2004 seine Eltern als Betreuer bestellt. Nach dem Verzeichnis des Vermögens des Betroffenen von 2004 (Bl. 28 ff. d.A.) war dieser mittellos. Die Vergütungs-Pauschalen für die Betreuer in Höhe von 323,- Euro/Jahr/Betreuer wurden in den Jahren 2004 bis 2008 wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse gezahlt.

Ab Mai 2007 wohnte der Betroffene unter der Woche im Wohnhaus des […] in A und verbrachte die Wochenenden (ab freitags) und Urlaube bei seinen Eltern. Als erster Wohnsitz des Betroffenen war weiter die Wohnung der Eltern in B angemeldet.

In ihrem Bericht vom April 2008 (Bl. 87 f. d.A.) teilten die Eltern des Betroffenen mit, dass sich dieser von Montag bis Freitag Mittag weiter in A und von Freitag bis Sonntag bei ihnen in B aufhält.

Am 28.12.2008 verstarb der Vater des Betroffenen und Ehemann der Beteiligten zu 1.; er wurde von diesen ausweislich des Erbscheins vom 18.02.2009 (Bl. 138 d.A.) zu je ½ beerbt.

Im Rahmen des Erbfalls sollte ein Grundstück verkauft werden, weshalb das Amtsgericht zur Vertretung des Betroffenen im Rahmen des Grundstücksverkaufs Frau Rechtsanwältin C zur Ergänzungsbetreuerin bestellte (Bl. 160 d.A.).

Mit Schreiben vom 20.03.2009 (Bl. 128 d.A.) und 04.05.2009 (Bl. 151 d.A.) beantragte die weitere Beteiligte zu 1. die pauschale Betreuervergütung für sich sowie für ihren verstorbenen Ehemann bis zu dessen Tod am 28.12.2008. Der weiteren Beteiligten wurden hierauf im Mai 2009 für den Zeitraum 25.04.2008 bis 24.04.2009 insgesamt 592,17 Euro (323,- Euro + 269,17 Euro) – wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse - ausgezahlt (Bl. 157 ff. d.A.).

In dem ersten Verzeichnis über das Vermögen des Betroffenen nach dem Erbfall gab die weitere Beteiligte zu 1. dessen Höhe mit „unbekannt“ (Bl. 156 f. d.A.), in dem nächsten Verzeichnis vom 24.07.2009 (Bl. 211 f. d.A.) mit „keines vorhanden“ an.

In dem sodann eingereichten Vermögensverzeichnis für den Betroffenen vom 22.10.2009 (Bl. 278 ff. d.A.) wurde ein ¼-Miteigentumsanteil an einem Ackergrundstück aufgeführt, ferner ein ½-Miteigentumsanteil an einer Eigentumswohnung in B (75 m²), deren Kaufpreis im Jahre 2002 170.000,- Euro betragen hatte. Die weitere Beteiligte zu 1. gab in diesem Vermögensverzeichnis weiter an, dass diese Wohnung von ihr und dem Betroffenen (Mutter und Sohn) genutzt wird.

Der Betroffene befand sich in den Jahren 2009 bis 2010 weiterhin teilweise in dem Wohnheim in A und am Wochenende in der Wohnung bei seiner Mutter, wo er auch seinen ersten Wohnsitz hatte.

Für die Tätigkeit der Ergänzungsbetreuerin C im Rahmen des Grundstücksverkaufs im Zeitraum 07.05.2009 bis 10.02.2010 wurden dieser gemäß Beschluss vom 26.03.2010 (Bl. 302 d.A.) – wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse - insgesamt 702,55 Euro gezahlt.

Zur Vertretung des Betroffenen in der Erbschaftsangelegenheit bestellte das Amtsgericht mit Beschluss vom 27.04.2010 (Bl. 317 d.A.) Frau Rechtsanwältin D zur Berufsbetreuerin des Betroffenen für diesen Aufgabenkreis.

Mit Schreiben vom 07.05.2010 (Bl. 328 d.A.) beantragte die weitere Beteiligte zu 1. die pauschale Betreuervergütung, welche ihr für den Zeitraum vom 25.04.2009 bis zum 24.04.2010 – wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse - in Höhe von 323,- Euro ausgezahlt wurde (Bl. 329 f. d.A.).

In ihrem Bericht über den Betroffenen vom 27.07.2010 (Bl. 332 f. d.A.) gab die weitere Beteiligte zu 1. zum Gesamtvermögen des Betroffenen nur das Girokonto mit 42,25 (Euro) und das TG-Konto mit 434,81 (Euro) an. Die Frage nach Sparbuch oder sonstigen Geldanlagen wurde mit „./.“ beantwortet.

Die weitere Beteiligte zu 1. beantragte außerdem die jährliche pauschale Betreuervergütung (Bl. 333, 341 d.A.), die ihr für den Zeitraum vom 25.04.2010 bis zum 24.04.2011 – wegen Mittellosigkeit des Betroffenen aus der Staatskasse - in Höhe von 323,- Euro ausgezahlt wurde (Bl. 342 f. d.A.).

Der Betroffene wohnt seit Oktober 2010 in der […]-Diakonie. Er hielt sich seitdem Montags bis Freitags dort und im Übrigen (ab Freitags) sowie im Urlaub – wie zuvor – bei seiner Mutter in der 3-Zimmer-Wohnung in B auf, in der er ein eigenes Zimmer hat.

In ihrem Bericht über den Betroffenen vom 20.11.2011 (Bl. 353 ff. d.A.) schrieb die weitere Beteiligte zu 1. zu den Positionen Wertpapiere/Depot/Grundstücke/Sonstiges Vermögen „unverändert zur Meldung 27.07.2010“.

Im Mai 2012 beantragte die Ergänzungsbetreuerin D, ihre Vergütung - gegen das Vermögen des Betroffenen - auf 2.530,- Euro inkl. MwSt. festzusetzen (Bl. 8 d. Vergütungsbandes). Die weitere Beteiligte zu 1. überwies ihr das Geld (Bl. 14 d. Vergütungsbandes).

Das Amtsgericht Darmstadt setzte daraufhin mit Beschluss vom 01.08.2012 (Bl. 16 f. d. Vergütungsbandes) für die Ergänzungsbetreuerin eine Vergütung in Höhe von 2.530,- Euro gegen das Vermögen des Betroffenen fest. Der Beschluss wurde der weiteren Beteiligten zu 1. zugestellt; Beschwerde wurde nicht eingelegt.

In der Übersicht über das Vermögen des Betroffenen zum Stichtag 27.07.2012 (Bl. 472 ff. d.A.) fügte die weitere Beteiligte zu 1. bei den Positionen Taschengeldkonto und Girokonten entsprechende Beträge ein und schrieb im Übrigen lediglich „keine Veränderungen seit dem Jahre 2009“.

Im November 2012 reichte die Ergänzungsbetreuerin D ein detailliertes Nachlassverzeichnis (Bl. 494 d.A.) bei Gericht ein.

Mit Schreiben vom 15.11.2012 (Bl. 501 d.A.) beantragte die weitere Beteiligte zu 1., ihr die für die Ergänzungsbetreuerin D verauslagten 2.530,- Euro aus der Staatskasse zu erstatten. Zugleich beantragte sie die Zahlung der pauschalen Betreuervergütung für den Zeitraum vom 25.04.2011 bis 24.04.2012.

Mit Beschluss vom 09.01.2013 (Bl. 516 d.A.) hat das Amtsgericht bestimmt, dass der Betroffene wegen des gesetzlichen Forderungsübergangs einen einmaligen Betrag in Höhe von 1.940,72 Euro an die Staatskasse zu leisten hat, da er u.a. im Hinblick auf den hälftigen Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung nicht mittellos sei. Der Betrag setzt sich zusammen aus den aus der Staatskasse verauslagten Betreuervergütungen für die Zeit ab April 2008 (323,- Euro, 269,17 Euro, 702,55 Euro, 323,- Euro, 323,- Euro). Der Betrag wurde der Beteiligten zu 1. mit Kostenrechnung vom 09.01.2013 (Vorblatt I) in Rechnung gestellt.

Mit weiterem Beschluss vom 09.01.2013 (Bl. 518 f d.A.) hat das Amtsgericht den Antrag der weiteren Beteiligten zu 1. auf Erstattung des von dieser an die Ergänzungsbetreuerin gezahlten Betrages in Höhe von 2.530,- Euro zurückgewiesen, da der Betroffene nicht mittellos sei.

Die weitere Beteiligte zu 1. hat sich mit Schreiben vom 16.01.2013 (Bl. 525 d.A.) u.a. gegen die Kostenrechnung Vorblatt I gewandt und dies insbesondere mit Schriftsätzen vom 17.05.2013 (Bl. 577 ff. d.A.) und 12.07.2013 (Bl. 625 f. d.A.) weiter begründet.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 08.02.2013 (Bl. 526 ff. d.A.) hat die weitere Beteiligte zu 1. für den Betroffenen Beschwerde gegen den Beschluss vom 09.01.2013, mit dem der Antrag auf Erstattung der 2.530,- Euro zurückgewiesen worden ist, eingelegt und diese mit Schriftsätzen vom 17.05.2013 (Bl. 587 ff. d.A.) und 12.07.2013 (Bl. 625 f. d.A.) weiter begründet.

In ihrem Bericht vom 15.10.2013 (Bl. 649 ff. d.A.) teilte die weitere Beteiligte zu 1. mit, dass Besuche des Betroffenen „regelmäßig alle 1-2 Wochen!“ stattfinden und sie ihn zuletzt am letzten Samstag gesehen hat.

Die damals für Erbschaftsangelegenheiten bestellte Ergänzungsbetreuerin D teilte der Betreuungsbehörde im November 2013 mit, nicht sagen zu können, ob die Erbschaftsangelegenheiten nach dem verstorbenen Vater des Betroffenen abgeschlossen sind, da die Zusammenarbeit mit der weiteren Beteiligten zu 1. überhaupt nicht (mehr) funktioniert, ihr immer noch verschiedene Unterlagen nicht zur Verfügung gestellt wurden und sie nicht wisse, ob der Nachlass Bar- und Sparvermögen, ein Kfz oder sonstige Wertgegenstände umfasse und ob der Betroffene inzwischen als Miteigentümer an dem Grundvermögen im Grundbuch steht.

Die weitere Beteiligte zu 1. ist der Auffassung, dass der hälftige Miteigentumsanteil des Betroffenen an der Eigentumswohnung als sog. Schonvermögen zu behandeln sei, da dieser zumindest teilweise auch selbst in der Wohnung wohnt.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde vom 16.01.2013 mit Beschluss vom 06.06.2013 (Bl. 616 d.A.) und der Beschwerde vom 08.02.2013 mit weiterem Beschluss vom 06.06.2013 (Bl. 617 d.A.) nicht abgeholfen.

Die Bezirksrevisorin hat unter dem 21.11.2012 (Bl. 504 ff. d.A.), 04.01.2013 (Bl. 514 f. d.A.), 02.06.2013 (Bl. 612 f. d.A.) und 18.07.2013 (Bl. 627 d.A.) Stellung genommen.

II.

A. (Az. 5 T 296/13)

1. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 09.01.2013 (Zahlung in Höhe von 1.940,72 Euro an die Staatskasse) ist zulässig.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls stehen einer Verwertbarkeit des an sich vorhandenen Vermögens des Betroffenen erhebliche Bedenken gegenüber; jedenfalls aber steht einer Verwertung des Vermögens des Betroffenen eine damit verbundene unzumutbare Härte entgegen.

a) Verfügt ein Betreuter über ein das sog. Schonvermögen übersteigende Vermögen (ist er also nicht mittellos), ist die pauschale Vergütung eines Betreuers jedes Jahr stets aus dem Vermögen des Betreuten zu zahlen; der Anspruch des Betreuers auf Zahlung seiner Vergütung richtet sich also gegen das Vermögen des Betreuten (§§ 1908i, 1835a, 1836c, 1836d BGB i.V.m. § 90 SGB XII).

Wenn ein Betroffener nicht mittellos ist, jedoch das Amtsgericht zunächst – z.B. wie hier irrtümlich - von einer Mittellosigkeit des Betroffenen ausgeht, verauslagt die Staatskasse (zunächst) nach §§ 1908i, 1835a Abs. 3 BGB die Betreuervergütung. Wenn der Betroffene tatsächlich jedoch nicht mittellos ist, tritt kraft Gesetzes - automatisch - nach §§ 1908i Abs. 1 S. 1, 1836e Abs. 1 S. 1 BGB ein Übergang des Anspruchs des Betreuers gegenüber dem Betreuten hinsichtlich der von der Staatskasse verauslagten Beträge an diese ein. Die Staatskasse kann dann, da sie insoweit in Vorlage getreten ist, den auf sie übergegangenen Anspruch des Betreuers gegen den Betreuten auf Zahlung der Vergütung dem Betreuten gegenüber geltend machen.

Der Grundsatz, dass die Aufwandspauschale und Vergütung des Betreuers aus dem Einkommen und Vermögen des Betreuten zu zahlen sind, gilt nur dann nicht, wenn der Betreute mittellos i.S.d. §§ 1908i, 1836c, 1836d BGB i.V.m. § 90 SGB XII ist, d.h. kein das sog. Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 SGB XII übersteigendes, nicht nach § 90 Abs. 3 SGB XII geschütztes Vermögen hat.

b) Vorliegend verfügt der Betreute zwar über ein nicht zum Schonvermögen nach § 90 Abs. 2 SGB XII gehörendes Vermögen, allerdings dürfte dieses nicht in angemessener Zeit verwertbar sein, und der Verwertung steht insbesondere eine damit einhergehende unzumutbare Härte entgegen.

(1) Hierzu ist zunächst festzustellen, dass das Vermögen des Betreuten kein Schonvermögen im Sinne des § 90 Abs. 2 SGB XII darstellt.

Der Betreute ist im Jahre 2008 (Mit-)Erbe nach seinem Vater geworden. Er hat hierbei insbesondere den streitgegenständlichen Miteigentumsanteil an der 3-Zimmer-Eigentumswohnung […] in B sowie u.a. einen Miteigentumsanteil an einem Ackergrundstück erhalten (direkt oder als ideeller Anteil im Rahmen der Erbengemeinschaft). Sein Gesamtvermögen übersteigt den Betrag seines Schonvermögens.

Der etwaige hälftige Miteigentumsanteil des Betroffenen an der o.g. Eigentumswohnung ist auch – entgegen der Ansicht der weiteren Beteiligten – nicht als besonderes Schonvermögen (angemessenes Hausgrundstück) nach §§ 1908i, 1836c Nr. 2 i.V.m. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII anzusehen.

Nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII stellt ein angemessenes Hausgrundstück, das von der hilfebedürftigen Person selbst oder einer anderen der in § 19 Abs. 1 – 3 SGB XII genannten Personen allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll, nicht einzusetzendes Vermögen dar. Einem angemessenem Hausgrundstück in diesem Sinne ist eine entsprechende Eigentumswohnung gleichgestellt.

Hierzu ist vorliegend zunächst festzustellen, dass nach Aktenlage die weitere Beteiligte zu 1. als Mutter des Betroffenen in ihrer Person die Voraussetzungen der § 19 Abs. 1 – 3 SGB XII nicht erfüllt, so dass es vorliegend nur darauf ankommt, ob der Betroffene selbst ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII „bewohnt“ – wobei dies dann allein oder zusammen mit Angehörigen stattfinden kann.

Soweit in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII „ganz oder teilweise bewohnt“ ausgeführt wird, bezieht sich dies auf die räumlichen, nicht auf die zeitlichen Verhältnisse (d.h. darauf, ob das angemessene Hausgrundstück nur teilweise (z.B. ein Stockwerk) oder ganz bewohnt wird, nicht hingegen, ob das angemessene Hausgrundstück z.B. das ganze Jahr oder nur ein paar Monate im Jahr bewohnt wird. Dies ergibt sich aus einer Auslegung dieser Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sowie dem vom Gesetzgeber Gewollten.

Die Vorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII dient nicht dazu, das Vermögen und den Wert der Wohnung als besondere Vermögensanlage zu schützen, sondern dazu, sicherzustellen, dass einem hilfesuchenden Bedürftigen (und seinen Angehörigen) vor Gewährung von Hilfe nicht „das Dach über dem Kopf“ bzw. die Wohnstatt und der räumliche Lebensmittelpunkt entzogen wird (siehe etwa Mecke in: jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII, Rn. 73).

Diesem Schutzzweck entsprechend ist es in der Literatur und Rechtsprechung auch einhellig anerkannt, dass eine gar nicht, nur im Urlaub oder nicht überwiegend bewohnte Wohnung (also Zweitwohnung, Ferienwohnung etc.) nicht von dieser Vorschrift erfasst wird, insbesondere solange eine andere Wohnung den räumlichen Lebensmittelpunkt bildet (so etwa Mecke in: jurisPK-SGB XII, § 90 SGB XII, Rn. 73 a.E.). Ein Hausgrundstück/eine Wohnung unterfällt danach nicht mehr dieser Norm, wenn der Betreffende nicht nur vorübergehend abwesend, etwa dauerhaft in einem Pflege- oder Altenheim untergebracht ist (so BVerwG, Urteil v. 05.12.1991, Az. 5 C 60/88, juris bzw. NJW 1992, 1402 f. zur Vorgängervorschrift § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) oder das Gebäude nur gelegentlich aufsucht (so das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 04.12.2012, Az. L 8 SO 25/09, juris).

Auch dann, wenn der Betroffene selbst seinen überwiegenden Aufenthalt in einem Wohn-/Pflegeheim oder einer vergleichbaren Einrichtung hat, und nur an 1 – 2 Wochenenden im Monat sowie in Urlauben in die fragliche Wohnung zurückkehrt, liegt kein Bewohnen dieser Wohnung im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII vor (so der BayVGH, Urteil v. 30.09.2004, Az. 12 B 99.3048, juris Rn. 2, 13).

Auch im vorliegenden Sachverhalt, in dem der Betroffene sich seit vielen Jahren von Montag bis Freitag (mindestens Mittag) in einer Einrichtung und (nur) an den Wochenenden sowie im Urlaub bei seiner Mutter in der Eigentumswohnung aufhält, fällt nach Auffassung der Beschwerdekammer die Eigentumswohnung nicht in den Geltungsbereich des § 90 Abs. 2 SGB XII. Der Betroffene hat auch in dieser Konstellation seinen - räumlichen und zeitlichen - Lebensmittelpunkt schon seit mehreren Jahren in einer speziellen Wohneinrichtung. In dieser hält er sich von Montag bis Freitag (mindestens Mittag) und damit für den überwiegenden Teil der Woche - und des Jahres - auf. Zudem wird er in dieser Einrichtung seinen Bedürfnissen entsprechend speziell betreut. Es ist zudem nicht erkennbar, dass der Betroffene sich jemals selbständig und eigenverantwortlich in der streitgegenständlichen Wohnung aufhalten und dort seinen Lebensmittelpunkt begründen könnte.

(2) Es sprechen bereits mehrere Gesichtpunkte dafür, dass im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII das Vermögen des Betroffenen hier nicht hinreichend verwertbar ist.

Hierzu ist vorab festzustellen, dass § 1836c Nr. 2 BGB auf den gesamten § 90 SGB XII Bezug nimmt, mithin die dort enthaltenden Beschränkungen hinsichtlich der Verwertbarkeit und der Zumutbarkeit der Verwertung auch hinsichtlich des Vermögens eines Betreuten zu beachten sind.

Verwertbar im Sinne dieser Vorschriften ist Vermögen dann, wenn es – etwa durch Vermietung, Verpachtung oder Beleihung – tatsächlich finanziell nutzbar gemacht werden kann, sich der finanzielle Nutzen in angemessener Zeit realisieren lässt und der Vermögensgegenstand hierbei nicht weit unter Wert veräußert würde (so auch Wagenitz in Müko BGB, § 1836c Rn. 13; Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1836c Rn. 7; Mecke in jurisPK-SGB XII, Stand 07.05.2013, § 90 SGB XII Rn. 35 ff.).

Von einer Verwertbarkeit des Vermögens des Betroffenen in diesem Sinne dürfte vorliegend allerdings nicht auszugehen sein:

(a) Sofern der Betreute sich hinsichtlich der Eigentumswohnung sowie teilweise hinsichtlich des Ackergrundstücks mit der weiteren Beteiligten noch in ungeteilter Erbengemeinschaft befindet, betrifft die Frage der wirtschaftlichen Verwertbarkeit seinen Anteil am Erbe.

Eine Verwertbarkeit käme in dieser Konstellation nur dann in Betracht, wenn eine Verwertung des gesamten Erbteils durch Verkauf oder Verpfändung im streitigen Zeitraum am Markt tatsächlich möglich wäre (siehe BSG, Urteil vom 27.01.2009, Az. B 14 AS 42/07 R, juris Rn. 26 ff.).

Da die weitere Beteiligte zu 1. sich einer Auseinandersetzung bislang widersetzt hat, müsste der Betroffene – ggf. vertreten durch einen Ergänzungsbetreuer – sein noch in der Erbengemeinschaft gebundenes Vermögen zunächst mittels einer gerichtlichen Geltendmachung seines Erbauseinandersetzunganspruchs und sodann z.B. durch eine Teilungsversteigerung überhaupt erst in liquides Vermögen umwandeln. Diese Gerichtsverfahren würden einige Jahre dauern und ganz erhebliche Kosten (auch für die Ergänzungsbetreuung) verursachen. Diese sowie der zu erwartende Widerstand der weiteren Beteiligten zu 1. hätten zur Folge, dass eine Veräußerung letztlich nur deutlich unter Wert und nicht in angemessener Zeit erfolgen würde (siehe hierzu auch BSG, Urteil vom 27.01.2009, Az. B 14 AS 42/07 R, juris Rn. 35 ff.).

Dass der Erbanteil des Betroffenen in Anbetracht dieser Schwierigkeiten und zu erwartenden Kosten dennoch in einem nennenswerten Umfang beleihbar ist oder es z.B. erfolgversprechend wäre, die Zahlung einer Nutzungsentschädigung durch beide Bewohner der Wohnung an die Erbengemeinschaft durchzusetzen, ist, zumal die weitere Beteiligte zu 1. bislang alleine die Kosten der Wohnung trägt, nicht zu erwarten.

(b) Sofern die Erbengemeinschaft bereits auseinandergesetzt sein sollte, wäre der Betreute ggf. bereits Miteigentümer der Eigentumswohnung. In diesem Fall könnte er selbst direkt – ggf. vertreten durch einen Ergänzungsbetreuer - seinen Anteil an der Eigentumswohnung belasten oder verkaufen.

Dass dies allerdings in Anbetracht der Tatsache, dass die weitere Beteiligte zu 1. in dieser Wohnung wohnt, selbst Miteigentümerin ist und einer Veräußerung gegenüber sehr negativ eingestellt ist, in angemessener Zeit zu einer Realisierung des Vermögens nicht weit unter Wert führen würde, ist nicht zu erkennen (ähnlich auch Mecke in jurisPK-SGB XII, Stand 07.05.2013, § 90 SGB XII Rn. 73 m.w.N.; Mecke in jurisPK-SGB XII, Stand 07.05.2013, § 90 SGB XII Rn. 104). Eine etwaige Belastung des Miteigentumsanteils durch Darlehensaufnahme wäre möglicherweise in gewissem Umfang möglich, würde allerdings absehbar in die Zwangsversteigerung führen, da der Betreute aus seinem Einkommen nicht einmal die Zinsen für das Darlehen zahlen könnte.

(c) Was den ¼-Miteigentumsanteil des Betreuten am Ackergrundstück betrifft, so ist dieser nach Aktenlage bislang nicht tatsächlich verwertbar, da er nicht veräußerbar und im Übrigen kaum werthaltig ist.

(3) Einer abschließenden Erörterung der Frage der Unverwertbarkeit des Vermögens im Sinne des § 90 Abs. 1 SGB XII bedarf es hier aber nicht, da der Verwertung des Vermögens des Betroffenen jedenfalls eine damit verbundene unzumutbare Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII entgegen steht.

Eine solche unzumutbare Härte wird nur in Ausnahmefällen angenommen, etwa bei Schmerzensgeldzahlungen oder der Zahlung von Rentenrückständen (siehe MüKo/Wagenitz, ZPO, 6. Aufl., § 1836c Rn. 16 m.w.N.). Dass die Verwertung des Vermögens zu einem schnelleren Vermögensverbrauch führt, rechtfertigt die Annahme einer Härte nicht (siehe MüKo/Wagenitz, a.a.O., § 1836c Rn. 16).

Auch unter dem Aspekt der Alterssicherung ist die Verwertung des hälftigen Anteils an der Eigentumswohnung nicht als Härte anzusehen, denn der Betroffene wird in jedem Fall sein ganzes Leben lang auf Sozialleistungen des Staates angewiesen sein.

Vorliegend ergibt sich die unzumutbare Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII daraus, dass der Betroffene bei der Durchsetzung einer Verwertung seines – im Übrigen nicht sehr hohen - Vermögens in jedem Fall allein wegen der zu erwartenden Kosten (nicht nur für die Gerichtsverfahren, sondern auch für die jahrelange Ergänzungsbetreuung) erhebliche finanzielle Einbußen erleiden würde und hierbei insbesondere über Jahre gegen seine Betreuerin und Mutter – ggf. in mehreren Gerichtsverfahren - vorgehen müsste, die nach Aktenlage seine wichtigste soziale Bezugsperson ist und bei der er sich, auch wenn er in der Eigentumswohnung keinen Lebensmittelpunkt hat, so doch regelmäßig – auch längere Zeit – aufhält.

In diesem Zusammenhang ist besonders zu berücksichtigen, dass der Betreute als Mensch mit schwerer Behinderung und einem Krankheitsbild, das ihn in sozialer Hinsicht – etwa wegen plötzlicher Aggressivitätsausbrüche – deutlich beeinträchtigt und isoliert, auch wegen seiner Behinderung in ganz besonderer Weise schutzbedürftig ist (siehe dazu Palandt/Götz, BGB, 73. Aufl., § 1836c Rn. 12; Mecke in jurisPK-SGB XII, Stand 07.05.2013, § 90 SGB XII Rn. 95, 95.1). Vor diesem Hintergrund ist der durch die 3-Zimmer-Eigentumswohnung langfristig sichergestellte Kontakt zu seiner wichtigsten sozialen Bezugsperson in besonderem Maße schützenswert.

Das Krankheitsbild des Betreuten erfordert zudem immer wieder z.B. „Time-Out-Maßnahmen“, d.h. die kurzzeitige deutliche Reduktion von Reizen und Isolierung durch alleinigen Aufenthalt des Betreuten in einem eigenen Raum, so dass es auch vor diesem Hintergrund bedenklich erscheint, den Betreuten darauf zu verweisen, seine Mutter könne eine kleinere Wohnung kaufen oder anmieten (in der der Betreute dann womöglich kein eigenes Zimmer mehr zur Verfügung hätte).

c) Einem Rückgriffsanspruch der Staatskasse stünde allerdings nicht - teilweise - ein Leistungsverweigerungsrecht entgegen, da die Einrede der Verjährung nicht erhoben worden ist. Soweit die weitere Beteiligte zu 1. in ihrem Schreiben vom 26.09.2013 (Bl. 644 d.A.) die Frage der Verjährung erwähnt hat, bezog sie dies allein auf ein Verfahren betreffend die frühere Schenkung.

3. Diese Entscheidung bedeutet nicht, dass das Vermögen des Betreuten auf Dauer nicht zur Deckung der Betreuervergütung herangezogen werden kann. Vielmehr kann die rechtliche Lage zukünftig anders zu beurteilen sein, etwa wenn der Betreute die Wohnung nicht mehr in deutlichem Umfang selbst nutzt oder der soziale Kontakt zur weiteren Beteiligten zu 1. entfallen sollte.

B. (Az. 5 T 32/14)

1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den weiteren Beschluss des Amtsgerichts Darmstadt vom 09.01.2013 (keine Rückerstattung der Betreuervergütung über 2.530,- Euro aus der Staatskasse) ist zulässig, aber unbegründet.

2. Das Amtsgericht Darmstadt hat den Erstattungsantrag zu Recht zurückgewiesen, da es bereits mit Beschluss vom 01.08.2012 (Bl. 16 f. d. Vergütungsbandes) rechtskräftig entschieden hat, dass die Vergütung der Ergänzungsbetreuerin in Höhe von 2.530,- Euro aus dem Vermögen des Betroffenen zu zahlen ist. Gegen diesen Beschluss, der allein im Verhältnis zwischen der Ergänzungsbetreuerin und dem Betroffenen ergangen ist, ist keine Beschwerde eingelegt worden.

Nachdem diese Entscheidung über die Betreuervergütung, welche der materiellen Rechtskraft fähig ist, rechtskräftig geworden ist, kommt eine rückwirkende Änderung der Entscheidung mit der Begründung, die Verhältnisse seien doch andere gewesen, nicht in Betracht (so auch Keidel/Engelhardt, FamFG, 17. Aufl., § 168 Rn. 22; OLG Hamm, Beschl. v. 02.12.2008, Az. 15 W 364/07, juris).

Soweit die weitere Beteiligte zu 1. die Zahlung an die Ergänzungsbetreuerin „unter Vorbehalt“ geleistet haben mag, ist dies schon deshalb unbeachtlich, da der Vorbehalt als solcher nicht konkretisiert worden ist und insbesondere der Beschluss vom 01.08.2012 danach ergangen und rechtskräftig geworden ist.

C. Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 131 Abs. 5 KostO a.F..

Die Kammer hat die Rechtsbeschwerde hinsichtlich der Beschwerde Az. 5 T 296/13 zu der Frage, ob der hälftige Miteigentumsanteil des Betroffenen an der Eigentumswohnung im vorliegenden Sachverhalt zum Schonvermögen im Sinne des § 90 Abs. 2 SGB XII bzw. zum zumutbar verwertbaren Vermögen nach § 90 Abs. 1, 3 SGB XII gehört, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und zur Fortbildung des Rechts zugelassen.