OLG Naumburg, Urteil vom 03.05.2012 - 9 U 192/11
Fundstelle
openJur 2014, 28144
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 12.08.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte in Ziff. 1 verurteilt wird, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei Einlösung von Rezepten den Erhalt eines Bonus von 1,50 Euro pro verschreibungspflichtigem Medikament anzukündigen und/oder diesen Bonus ankündigungsgemäß zu verrechnen oder dem Kundenkonto gutzuschreiben.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher Interessen, der u. a. die Aufgabe verfolgt, einen funktionierenden Wettbewerb zu erhalten, Wettbewerbsverstöße zu verfolgen und den lauteren Geschäftsverkehr zu fördern.

Die Beklagte betreibt eine Internetapotheke.

Auf ihrer Internetseite www. ... de wirbt sie mit folgender Formulierung:

"Jetzt lohnt es sich für Sie besonders, Ihre Rezepte bei C. einzulösen. Ab sofort erhalten Sie 1,50 Euro als Kundenbonus für jedes verschreibungspflichtige Medikament auf Ihrem Rezept.

Bei Kassenrezepten wird dieser Betrag direkt mit Ihrer Zuzahlung oder mit dem Kaufpreis von bestellten rezeptfreien Produkten (außer Bücher) verrechnet oder Ihrem Kundenkonto für Bestellungen rezeptfreier Produkte (außer Bücher) gutgeschrieben. Eine Barauszahlung erfolgt nicht.

Bei Privatrezepten wird der Kundenbonus in Höhe von 1,50 Euro Ihrem Kundenkonto für Bestellungen gutgeschrieben und bei der Bestellung nicht verordneter Produkte (außer Bücher) verrechnet. Eine Barauszahlung erfolgt nicht."

Unter dem 30.11.2010 wies die Klägerin auf den ihrer Meinung nach vorliegenden Wettbewerbsverstoß hin und forderte die Beklagte gleichzeitig auf, eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben. Die Beklagte wies die Abmahnung zurück.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, sie habe gegenüber der Beklagten einen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Ziffer 1, 11 UWG i. V. m. § 78 AMG und der AMPreisV, sowie gemäß §§ 3, 4 Ziffer 11 UWG i. V. m. § 7 HWG zu.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr bei Einlösung von Rezepten den Erhalt eines Bonus von Euro 1,50 pro rezeptpflichtigem Medikament anzukündigen und/oder diesen Bonus ankündigungsgemäß zu verrechnen oder dem Kundenkonto gutzuschreiben;

2. der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in durch das Gericht festzusetzender Höhe, ersatzweise für den Fall, dass dies nicht beigetrieben kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht überschreiten darf;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von Euro 208,65 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Arzneimittelverordnung sei nicht von der Ermächtigungsgrundlage im Arzneimittelgesetz gedeckt.

Überdies sei der Bonus von 1,50 Euro ungeeignet, die Grenze einer geringwertigen Kleinigkeit gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 1 letzter Halbs. HWG zu überschreiten.

Mit Urteil vom 12.08.2011 hat das Landgericht der Klage antragsgemäß stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, die Werbung der Beklagten verstoße gegen die Regelungen der § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3 AMG i. V. m. der zu § 78 Abs. 1 AMG ergangenen Arzneimittelpreisverordnung. Hier komme es noch nicht darauf an, ob es sich um ein Erst- und Zweitgeschäft handele, dass es sich dabei um eine künstliche Aufspaltung handele.

Diese Norm stellten auch Verhaltensregelungen i. S. des § 4 Nr. 11 UWG dar. Damit stelle deren Verletzung einen Wettbewerbsverstoß dar.

Auch § 7 HWG sei verletzt, da es sich nicht mehr um eine geringwertige Kleinigkeit handele. Dieser Wert liege vielmehr bei 1,00 Euro pro Medikament.

Gegen das ihr am 22.08.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 16.09.2011 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach dem die Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.11.2011 verlängert worden ist, mit an diesem Tage eingegangenen Schriftsatz begründet.

Die Beklagte rügt das erstinstanzliche Urteil.

Insbesondere rügt sie, dass sich das Gericht nicht mit der Verfassungsgemäßheit der Arzneimittelpreisverordnung auseinandergesetzt hat. Überdies sei der Begriff "rezeptpflichtiges Medikament" unrichtig, so dass allein deshalb der Tenor zu ändern sei. Weiterhin setzt sich die Berufungsbegründung mit der Frage der geringwertigen Kleinigkeit auseinander. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die Berufungsbegründung verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Wegen des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die Berufungsbegründung und auf die Berufungserwiderung verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet worden.

In der Sache bleibt sie jedoch ohne Erfolg.

Zutreffend hat das Landgericht die Beklagte zur Unterlassung verurteilt.

In Berufungsverfahren sind Entscheidungen des ersten Rechtszuges gemäß § 513 Abs. 1 ZPO nur darauf überprüfbar, ob die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO beruht oder ob die der Verhandlung und Entscheidung des Berufungsrechtsstreits nach § 529  ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere

Entscheidung rechtfertigen. Dabei ist grundsätzlich von den durch das Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen auszugehen. Das Berufungsgericht hat nur zu überprüfen, ob konkrete Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen bestehen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Irgendwelche Zweifel an den Tatsachenfeststellungen bestehen nicht.

Mit ihrer Berufung greift die Beklagte auch lediglich die rechtlichen Wertungen des Landgerichts an.

Zu Recht hat dies jedoch den Unterlassungsanspruch  der Klägerin aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 78 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 3 Satz 1 AMG, § 1 Abs. 1 und 4, § 3 AMPreisV als gegeben angesehen.

Das von der Klägerin beanstandete Verhalten der Beklagten verstößt gegen die vorstehend genannten Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung.

Die Regelungen der Arzneimittelpreisverordnung begegnen keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken.

Grundlage der Arzneimittelpreisverordnung stellt § 78 AMG dar. Darin wird die Verwaltung  ermächtigt, im Verordnungswege Preisspannen festzusetzen und einen einheitlichen Abgabepreis zu gewährleisten.

Ausschließlich im Rahmen dieser Ermächtigungsgrundlage bewegt sich § 3 der Arzneimittelpreisverordnung. Hierdurch wird ein verbindlicher Apothekenabgabepreis festgelegt. Diese Regelungen sollen insbesondere gewährleisten, dass die im öffentlichen Interesse gebotene flächendeckende gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sichergestellt ist (BGH I ZR 12508 m. w. N.).

Der Senat vermag der Argumentation der Beklagten nicht zu folgen, dass die Arzneimittelpreisverordnung nicht von der Ermächtigungsnorm des Arzneimittelgesetzes gedeckt ist. Die Arzneimittelpreisverordnung bewegt sich vielmehr vollständig im Rahmen des Arzneimittelgesetzes, in dem dort feste Abgabepreise für Apotheken benannt werden.

Insoweit entsteht durch die Arzneimittelpreisverordnung ein fester Betrag, zu dem Fertigmedikamente von Apotheken abzugeben sind.

Ausnahmen hiervon sieht die Arzneimittelpreisverordnung nicht vor.

Insoweit ist die Verordnung auch nicht zu unbestimmt. Es bedarf keiner Regelung hinsichtlich einer Sanktion bzw. des Verbotes von Rabatten, Gutschriften oder Ähnlichem. Jegliche Form, mit der die Arzneimittelpreisverordnung unterlaufen wird, verstößt gegen diese Verordnung.

Dabei kann es auch nicht darauf ankommen, ob eine zunächst erfolgte Zahlung - in welcher Form auch immer - wieder zurückgezahlt wird. Jeglicher Rabatt verstößt gegen die Arzneimittelpreisverordnung, da hierdurch der einheitliche Abgabepreis unterlaufen wird. Insbesondere  die Anrechnung auf eine Zuzahlung - wie vorliegend - stellt einen Preisvorteil dar, der nicht von der Verordnung gedeckt ist.

Dem steht auch nicht entgegen, dass § 7 HWG seinerseits die Möglichkeit eröffnet, für Arzneimittel zu werben. In diesem Falle hat der Gesetzgeber, was ihm unbenommen bleibt, die ArzneimittelpreisVO insoweit eingeschränkt, als er Werbemaßnahmen im gewissen Umfang erlaubt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Ziffer 1, letzter Halbs. ist eine solche Werbung jedoch nur zulässig, wenn es sich um geringwertige Kleinigkeiten handelt.

Zweck des § 7 HWG ist, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbeabgaben unsachlich beeinflusst werden.

Bei dem "Rezeptbonus" von 1,50 Euro für jedes verschreibungspflichtige Medikament handelt es sich nicht mehr um eine geringwertige Kleinigkeit.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist bei diesem Wert nicht auf den Wert des Medikamentes abzustellen. Vielmehr ist hier abzustellen auf einer eventuellen Zuzahlung. Das Verhältnis der vom Verbraucher regelmäßig selbst zu übernehmenden Kosten zu dem Bonus gibt den Maßstab vor, ob es sich um eine geringwertige Kleinigkeit handelt.

Der größte Teil derjenigen, die ein Rezept einlösen, zahlt nämlich nicht den Verkaufspreis. Demgemäß wird er den Bonus auch nicht auf dem ihm oftmals nicht einmal bekannten tatsächlichen Verkaufspreis werten, sondern auf den Betrag, den er selbst aufbringen muss. Dies kann aber maximal ein Betrag von 10,00 Euro sein. Werden hiervon 1,50 Euro als Kundenbonus auf die Zuzahlung verrechnen, handelt es sich bereits um einen Rabatt von 15 %. Ein Rabatt in solcher Höhe ist aber durchaus geeignet, das Marktverhalten des Verbrauchers unsachlich zu beeinflussen.

Überdies ist zu berücksichtigen, dass ein nicht unbeträchtlicher Teil der Medikamente abgegeben wird an Personen, die gerade nicht selbst zuzahlen. So sind Kinder und Jugendliche vollständig von der Zuzahlung befreit. Gleichwohl erhalten sie bei der Beklagten einen Bonus von 1,50 Euro pro Medikament.

Ähnliche Ausnahmen gibt es bei den Belastungsbeschränkungen, die z. B. bei Harz-IV-Empfängern schnell erreicht sind. Dies gilt umso mehr, wenn es sich um chronisch kranke Harz-IV-Empfänger oder Rentner handelt, die lediglich die Grundsicherung erhalten.

Gerade in solchen Fällen ist der Anreiz des Bonus von 1,50 Euro pro Medikament sehr hoch.

Insoweit sind die von der Beklagten angebrachten Beispiele über Getränke an Autobahnraststätten unbehelflich.

Dem können auch nicht die Nachteile einer Medikamentenbestellung im Internet entgegengehalten werden. Die Versandkostenpauschale wird in den wenigsten Fällen zum Tragen kommen. Die Beklagte selbst trägt vor, dass Medikamente im Schnitt über 100,00 Euro kosten (anders ergäbe sich nicht die Rechnung eines Rabattes von lediglich 1,5 %).

Damit handelt es sich bei 1,50 Euro nicht um eine geringwertige Kleinigkeit, so dass das beanstandete Verhalten die Verbraucher in unzulässigerweise beeinflusst und andererseits dadurch die Mitbewerber spürbar beeinträchtigt.

Damit ist die Klage begründet.

Der erstinstanzliche Ausspruch zu Ziffer 1 bedarf jedoch der Korrektur, da dieser mit einer nicht ganz einwandfreien Terminologie arbeitet.

Die Beklagte hat ausweislich Anlage 1 niemals 1,50 Euro als Kundenbonus für jedes rezeptpflichtige Medikament angekündigt, sondern lediglich für verschreibungspflichtige Medikamente. Insoweit kann auch nur dieses Unterlassen begehrt werden.

Es handelt sich auch nicht um einen anderweitigen Klagegegenstand, da die Klägerin die   Werbung unterbunden haben wollte, so dass der nunmehrige Ausspruch in der Hauptsache des Tenors zu Ziffer 1 vom Klagebegehren gedeckt ist.

Die Abmahnkosten hat die Beklagte lediglich dem Grunde, nicht der Höhe nach bestritten.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat lässt die Revision zu, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Aus mehreren Verfahren vor dem Senat ist es zwischenzeitlich bekannt, dass der vom Bundesgerichtshof bisher freigehaltene Betrag zwischen 1,00 Euro und 5,00 Euro als Bonus heftig umstritten ist.

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