LG Düsseldorf, Urteil vom 06.03.2013 - 34 O 32/12
Fundstelle
openJur 2014, 18607
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,-- €.

Streitwert Klage: 75.000,-- €

Streitwert Widerklage: 10.000,-- €

Tatbestand

Die Parteien streiten mit Klage und Widerklage um wechselseitige wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche.

Der Kläger war von Februar 2011 bis Juni 2011 für einen Händler von Einrichtungsgegenständen im Bezirk des Landgerichts Kassel freiberuflich im Bereich des Webdevelopings tätig; er erstellte Webseiten und wirkte an der Optimierung des bestehenden Webshops mit. Aufgrund dieser Tätigkeit überwies der Besteller dem Kläger vom 02.02.2011 bis zum 20.06.2011 13.256,10 €. Seit Juni 2011 bewirbt der Kläger sich für größere und interessantere Projekte zum webdevelopment und zur Abhaltung von Web-Seminaren auf seiner Internetseite A. Seit Juni 2011 und im Jahre 2012 hatte der Kläger nur einen Auftrag als Webdeveloper, im Rahmen dessen er eine unbezahlte Rechnung in Höhe von 40,-- € stellte.

Die Beklagte ist eine Tochtergesellschaft der B, die nach eigenen Angaben europaweit derzeit etwa 20.000 Kunden und über 600 Mitarbeiter hat und Internetsystemverträge insbesondere an kleine und mittelständische Unternehmen vertreibt. Die Beklagte hat ihren Sitz in Düsseldorf. Die unternehmenseigenen Server der B befinden sich in Bulgarien, wo sie von dem Unternehmen C mit Sitz in Bulgarien gepflegt werden. Die Beklagte ist an der C mit Sitz in Bulgarien zu 90 % beteiligt. Unter derselben Anschrift wie die C ist auch die D ansässig, deren Geschäftsführer E ist, der auch Geschäftsführer der C ist.

Die von der Beklagten für ihre Server genutzten Räume, die sie als "Rechenzentrum" bezeichnet, werden von der D auf deren Webseite F als "technisches Zentrum" bezeichnet. Die Beklagte gibt deren Größe mit etwa 90 qm an, die D mit 60 qm. Die Räume verfügen über einen doppelten Boden, Kühlsysteme, Feuerlöschsysteme und eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV). Diese USV gewährleistet den Betreib bis zum Stromausfall, wenn die örtlichen Dieselgeneratoren in Funktion treten

Der Kläger behauptet, dass die Beklagte kein Rechenzentrum habe, sondern das Rechenzentrum einer dritten Firma in Bulgarien nutze. Durch die Behauptung eines eigenen Rechenzentrums täusche sie eine Unternehmensgröße und damit eine Kauf- und Investitionssicherheit vor, die sie gar nicht habe.

Der Standort in Bulgarien führe dazu, dass der Verbindungsaufbau zwischen dem Webbrowser (Empfänger der Seite bei den üblicherweise in Deutschland lokalisierten Kunden deutscher Kleinunternehmen und mittelständischen Unternehmen) und dem Webserver nahezu unzumutbar lang dauere. Durch die Entfernung zwischen Düsseldorf und Bulgarien komme es zu einer Verzögerung von 0,078 Sekunden. Wenn mit dem Vorteil einer kurzen Reaktionszeit geworben werde, nehme ein deutscher Kunde an, dass das Rechenzentrum in Deutschland stehe.

Die Kunden würden auch über die Sicherheit ihrer Daten getäuscht, weil in Bulgarien die Bestimmungen zum Urheberrecht fragwürdig seien.

Bei Störungen an der Software müssten die Server in Bulgarien ausgebaut, an die B in Deutschland zur Reparatur geschickt und wieder zurückgeschickt werden. Deshalb sei es schon einmal zu einem Server-Ausfall von einer Woche gekommen.

Die von der Beklagten als Rechenzentrum bezeichneten Räume seien nicht ihr Rechenzentrum, sondern das der F Standort der DNS-Server sei die F, die G und H.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er Mitbewerber der Beklagten auf dem Markt des Webdesigns und des Webdevelopments sei. Mit seiner homepage A biete er gleichartige Dienstleistungen wie die Beklagte an. Dazu behauptet er, dass er "Ende 2012 für den Aufftraggeber I ein spezielles Content-Mangement-System erstellt sowie das Layout der mit diesem erstellten Webseiten nach dessen Vorgaben gestaltet habe"; einen Auftrag oder eine Rechnung legt er nicht vor.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung eines für den Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu unterlassen,

a) zu verbreiten:

Das Hosting der aller Websides der B-Vertragspartner läuft über die unternehmenseigenen Server. Besonders bei Unternehmensseiten spielen eigene Server eine große Rolle. Die Server garantieren die Verfügbarkeit der Systeme, Reaktionszeiten und hohe Flexibilität.

Ein jede Nacht durchgeführtes Backup garantiert die Verfügbarkeit der Systeme. Darüber hinaus ist das Rechenzentrum der J für den Ernstfall mit Feuerlöschsystemen und Notstromaggregaten ausgerüstet.

b) zu bewerben:

die Existenz und Nutzung eines eigenen Rechenzentrums für die Erbringung der Dienstleistung "hosting", wie bereits durch den Satz "Darüber hinaus ist das Rechenzentrum der J für den Ernstfall mit Feuerlöschsystemen und Notstromaggregaten ausgerüstet." In der Eigenwerbung der Beklagten geschehen,

wie es auf den von der Beklagten betriebenen Webseiten unter der Adresse K geschehen ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Parteien schon keine Mitbewerber seien, weil der Kläger als Webdeveloper ohne Umsatz sei. Zudem handele er rechtsmissbräuchlich, weil er sachfremde Ziele verfolge, wie er in seinem blog veranschauliche, in dem er darauf verweise, dass er sich sehr über die Beklagte geärgert habe.

Bei dem Hinweis auf Feuerlöscher in den Rechenzentren handele es sich nicht um eine irreführende Selbstverständlichkeit, weil damit das Rechenzentrum lediglich beschrieben würde. Jedenfalls habe die Aussage keine wettbewerbliche Relevanz. Der Vertragspartner eines Internet-Systemvertrages mache den Vertragsschluss nicht von der streitgegenständlichen Aussage über Feuerlöscher abhängig.

Widerklagend hat die Beklagte zunächst beantragt,

dem Kläger unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- € oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - Ordnungshaft auch für den Fall, dass das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann - wegen jeder Zuwiderhandlung,

zu untersagen,

an die Beklagte über ihre E-Mail-Adresse L elektronische Nachrichten (E-Mails) als Werbenachrichten zu versenden, in denen er für Seminare über Sicherheitsfragen beim "Webdesign" wirbt,

wie geschehen mit E-Mail vom 06.10.2012, 20:58:03 Uhr (Anlage B 4),

es sei denn die Beklagte hat zuvor dem Versand ausdrücklich zugestimmt oder es hat zuvor eine Geschäftsbeziehung bestanden.

Nachdem der Kläger nach Erhalt der Widerklage am 05.11.2012 die beantragte Unterlassungserklärung abgegeben hatte, hat die Beklagte die Widerklage für erledigt erklärt. Der Kläger hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Die Parteien beantragen nunmehr wechselseitig,

der anderen Partei die Kosten der Widerklage aufzuerlegen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass er ohne Abmahnung durch die Beklagte nach Erhalt der Widerklage die Unterlassungserklärung sofort abgegeben habe, so dass er entsprechend § 93 ZPO keine Kosten zu tragen habe

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zur Akte gereichten Schriftsätze und die Verhandlungsprotokolle verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet; der Kläger ist nicht Mitbewerber der Beklagten im geschäftlichen Bereich.

I.

Der Kläger kann von der Beklagten nicht Unterlassung in dem beantragten Umfang gemäß §§ 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, 3 Abs. 1 UWG verlangen.

Der Kläger ist zur Geltendmachung der Ansprüche schon nicht aktivlegitimiert; er ist nicht Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1, 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG.

Mitbewerber im Sinne der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist jeder Marktteilnehmer, der als Unternehmer mit anderen Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht.

Damit muss der Mitbewerber als Anbieter von Waren oder Dienstleistungen am Markt teilnehmen. Seine Handlung muss objektiv geeignet sein, den Absatz des eigenen Unternehmens zu fördern. Denn nur dann kann sie Auswirkungen auf die Mitbewerber haben. Die bloße Absicht als Wunschvorstellung eines eigenen Absatzes am Markt reicht nicht aus. Eine Förderung der eigenen Absatztätigkeit kann sowohl durch einen erstmaligen Absatz von Dienstleistungen als auch durch die bloße Erhaltung der Absatzmengen erfolgen. Ob es tatsächlich zu einer Förderung des Absatzes kommt, ist unerheblich (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 2 Rdn. 37). Mitbewerber müssen wie potentielle Verletzer durch geschäftliche Handlungen am Markt teilnehmen. Für eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist es erforderlich, dass der Unternehmer ein wirtschaftliches Interesse an einer Beeinflussung der Verbraucherentscheidung hat (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 2 Rdn. 51).

Vorliegend ist ein wirtschaftliches Interesse des Klägers an der Förderung des Absatzes seines Unternehmens weder zum Zeitpunkt seines Antrages vom 26.04.2012 noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 16.01.2013 erkennbar. Der Kläger hat als geschäftliche Tätigkeit lediglich seine Website A aufrechterhalten, über die er - so sein eigener Vortrag - schon seit Juni 2011 kein Geschäft mehr akquiriert hatte. Seinen letzten Kunden in seinem beruflichen Feld als Webdevelopper hatte der Kläger im Jahre 2011. Das bloße Bereithalten einer Website, über die seit mehr als einem Jahr kein Geschäft mehr erfolgt ist, bei gleichzeitig fehlenden, von der Website unabhängigen Geschäftskontakten reicht für eine Mitbewerberstellung im Sinne von §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG nicht aus. Denn die bloße Absicht als Wunschvorstellung reicht für ein wirtschaftliches Interesse nicht aus.

Deshalb stehen der Kläger und die Beklagte, die einen Umsatz von mehreren Millionen Euro jährlich erwirtschaftet - nach den Angaben des Klägers 17 Mio Euro im Jahre 2009 - nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zueinander. Die Parteien haben nicht den gleichen Kundenkreis, in dem sie sich gegenseitig behindern können, weil der Kläger seit Juni 2011 aktiv keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen sucht. Seine letzten Rechnungen stellte der Kläger im Juni 2011.

Soweit der Kläger in dem auf den gerichtlichen Hinweis des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2013 nachgelassenen Schriftsatz behauptet, "Ende 2012 habe er für den Auftraggeber I ein spezielles Content-Management-System erstellt sowie das Layout der mit diesem erstellten Webseiten nach dessen Vorgaben gestaltet", ist dieser Vortrag im Hinblick auf die versuchte Geschäftstätigkeit eines Mitbewerbers unsubstantiiert. Der Kläger legt - trotz des ausdrücklichen Hinweises des Gerichts auf die Problematik der "geschäftlichen Handlung" hinsichtlich der behaupteten Tätigkeit weder einen Auftrag noch eine Rechnung vor; der Kläger mag die vorgelegten Websites für I z.B. als Freundschaftsdienst hergestellt haben; der Versuch einer geschäftlichen Tätigkeit ist nicht substantiiert.

Entgegen der von dem Kläger vertretenen Auffassung spricht für eine Mitbewerberstellung des Klägers auch nicht, dass mehrere Gerichte im Sommer 2012 eine Mitbewerberstellung der Parteien im Hinblick auf das Angebot der Gestaltung von Unternehmenshomepages bejaht haben. Denn entscheidend ist, ob bei Klageeinreichung und insbesondere im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit zumindest der Versuch einer geschäftlichen Tätigkeit des Klägers bestand, so dass er Mitbewerber der Beklagten war; dies ist, wie dargelegt, nicht der Fall.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a ZPO.

Die Widerklage war bis zur Unterlassungserklärung des Klägers vom 05.11.2012 begründet, weil der Kläger unzulässig in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Beklagten eingriff. Nach billigem Ermessen waren trotz der sofortigen Unterlassungserklärung des Klägers nicht der Beklagten nach dem Rechtsgedanken des § 93 ZPO die Kosten der Widerklage aufzuerlegen.

Zwar soll nach § 12 Abs. 1 Satz 1 UWG einer Klage eine Abmahnung vorausgehen, so dass der Verletzer ohne Klage die Möglichkeit zur Abgabe einer Unterlassungserklärung erhält. Die Abmahnung ist dem Gläubiger nur dann nicht zuzumuten, wenn sie offensichtlich nutzlos ist, es sich nämlich um einen unnachgiebigen Schuldner handelt, aus dessen Verhalten deutlich wird, dass er sich in keinem Fall unterwerfen wird. Aus dem Umstand, dass der Schuldner es in früheren Fällen nach anderen Wettbewerbsverstößen immer hat zur Klage kommen lassen, macht eine Abmahnung nicht entbehrlich (Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl. 2013, § 12 Rdn. 1.50).

Da der Verletzer nach § 12 Abs. 1 Satz UWG auch bei einer berechtigten Abmahnung deren Kosten zu tragen hätte, erscheint es nach § 91a ZPO billig, dem Kläger die Kosten der Widerklage aufzuerlegen.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

Dr. Stöve