LAG Niedersachsen, Urteil vom 18.06.2014 - 2 Sa 1242/13
Fundstelle
openJur 2014, 16954
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Göttingen vom 15. Oktober 2013 – 2 Ca 238/13 Ö – abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beendet worden ist.

Der beklagte Landkreis trägt die Kosten des Rechtsstreites.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund wirksamer Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2013 sein Ende gefunden hat.

Der beklagte Landkreis ist als sog. Optionskommune nach § 6 a SGB II anstelle der Agentur für Arbeit als Träger bestimmter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zugelassen.

Die am 00.00.1978 geborene Klägerin war seit dem 14. September 2009 bei dem beklagten Landkreis mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden beschäftigt. Sie erzielte zuletzt eine durchschnittliche Bruttomonatsvergütung in Höhe von 1.794,00 €. Zunächst lag dem Arbeitsverhältnis der Arbeitsvertrag vom 10. September 2009 zugrunde, der eine sachgrundlose Befristung bis zum 30. September 2010 vorsah. Mit Vertrag vom 30. September 2010 vereinbarten die Parteien eine bis zum 31. Dezember 2012 befristete Beschäftigung der Klägerin. In dem Arbeitsvertrag ist als Befristungsgrund angegeben: „Mitarbeit im Projekt JobAssist - Bürgerarbeit auf der Grundlage des SGB II“ (Bl. 9 ff. d.A.).

Bei diesem Projekt handelte es sich um ein durch das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Mitteln des europäischen Sozialfonds (im Folgenden: ESF) gefördertes Programm. Das Modellprojekt, für welches sich der beklagte Landkreis auf ein Interessenbekundungsverfahren des Bundesministeriums erfolgreich beworben hatte, setzte sich aus zwei Phasen, der Aktivierungs- und Beschäftigungsphase zusammen. Der beklagte Landkreis beauftragte die Kreisvolkshochschule, eines seiner Ämter, mit der Durchführung des Modellprojekts. Ziel der mindestens sechsmonatigen Aktivierungsphase war es, durch eine intensivierte Betreuung eine Integration von schwer vermittelbaren arbeitslosen erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu erzielen. Sofern dies nicht gelang, konnten die Teilnehmer an dem Modellprojekt in die „Bürgerarbeit“ vermittelt werden. Es handelte sich hierbei um eine Beschäftigung bei Arbeitgebern, durch welche zusätzliche und im öffentlichen Interesse liegende Arbeiten erledigt wurden. Die Förderung bestand darin, den Arbeitgebern, die Bürgerarbeitsplätze zur Verfügung stellen, Zuwendungen zur Tragung der Lohnkosten und Sozialversicherungsabgaben zukommen zu lassen. Die Bürgerarbeiter erhielten ein beschäftigungsbegleitendes Coaching. Einzelheiten ergeben sich aus den „Fragen und Antworten zur Durchführung von Modellprojekten - Bürgerarbeit“ sowie „Leitfaden zur Bürgerarbeit (Beschäftigungsphase im Modellprojekt Bürgerarbeit)“; Bl. 130 ff. d.A.

Nach den Vorgaben des Bundesministeriums konnte die Aktivierungsphase frühestens ab dem 1. Juli 2010 beginnen, die dreijährige Beschäftigungsphase muss bis spätestens 31. Dezember 2014 abgeschlossen sein.

Bei dem beklagten Landkreis begann die Aktivierungsphase am 1. Oktober 2010. Die Maßnahmen in der Aktivierungsphase wurden aus dem SGB II - Budget des beklagten Landkreises und aus ESF - Mitteln des Landes finanziert. Während der Beschäftigungsphase wurden 200 Bürgerarbeiter betreut, es erfolgte inhaltlich eine Stabilisierung auf dem jeweiligen Bürgerarbeitsplatz, das Lösen von Konflikten, der Abbau sog. Vermittlungshemmnisse sowie eine Berufswegeplanung und Vermittlung auf einen regulären Arbeitsplatz. Eventuell frei werdende Bürgerarbeitsplätze wurden von den Projektmitarbeitern neu besetzt, so dass die Bürgerarbeitsplätze bis auf wenige Ausnahmen konstant besetzt waren. Neben der Klägerin als Projektleiterin beschäftigte der beklagte Landkreis in dem Modellprojekt die Mitarbeiterinnen T. und U..

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 beantragte die Kreisvolkshochschule bei der N.Bank Mittel des ESF-Programms AdQ zur Förderung des Projektes „Bürgerarbeit/Jobcoaches“. Mit Zuwendungsbescheid vom 15. November 2012 wurde der Kreisvolkshochschule seitens der N.Bank eine entsprechende 50%ige Förderung der zuwendungsfähigen Gesamtausgaben für den Bewilligungszeitraum vom 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2014 bewilligt. In dem Zuwendungsbescheid heißt es unter Ziffer 2, dass die Zuwendung zweckgebunden ist und ausschließlich für die Durchführung des Projektes „Bürgerarbeit/Jobcoaches“ zu verwenden sei. Die mit Schreiben vom 19. Oktober 2012 vorgelegte Projektbeschreibung sowie der beigefügte vollständig geprüfte Finanzierungsplan vom 14. November 2012 wurden in dem Bescheid für verbindlich erklärt. Weiter heißt es in dem Zuwendungsbescheid unter Ziffer 2: „Darüber hinaus werden für dieses Projekt insgesamt 7.826,40 Stunden für die Tätigkeit als Jobcoach mit einem Stellenanteil von 100% für Frau S., 64% für Frau A. und 28,2% für Frau W. festgesetzt“. Wegen des weiteren Inhalts des Bescheids wird auf Bl. 72 ff. d. A. Bezug genommen.

Bereits mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 hatte das Jobcenter des beklagten Landkreises der Kreisvolkshochschule eine Absichtserklärung zur Co-Finanzierung des ESF-Projektes „Bürgerarbeit/Jobcoaches“ im Rahmen der Durchführung des Modellprojektes „Bürgerarbeit“ aus dem Titel zur Finanzierung von Eingliederungsleistungen nach dem SGB II abgegeben.

Am 20. Dezember 2012 schlossen die Parteien den hier streitgegenständlichen befristeten Arbeitsvertrag, nach welchem die Klägerin ab dem 1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 als nichtvollbeschäftigte Arbeitnehmerin mit 64,10% der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Arbeitnehmerin zur Mitarbeit im Projekt „JobAssist/Bürgerarbeit“ auf der Grundlage des SGB II weiterbeschäftigt wird (Bl. 15 ff. d.A.). Die Mitarbeiterinnen S. und W. erhielten einen bis zum 31. Dezember 2014 befristeten Arbeitsvertrag.

Mit ihrer am 4. Juni 2013 beim Arbeitsgericht Göttingen eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung zum 31. Dezember 2013 beendet worden ist. Sie hat die Ansicht vertreten, die Befristung sei unwirksam. Der beklagte Landkreis habe bei Abschluss des letzten befristeten Arbeitsvertrages keine Prognose hinsichtlich des projektbedingten erhöhten Personalbedarfs angestellt. Der beklagte Landkreis habe sich vielmehr auf eine sog. Fünfjahres-Regelung berufen und sich deshalb geweigert, mit ihr einen über den 31. Dezember 2013 hinausgehenden Arbeitsvertrag abzuschließen. Hierbei handele es sich um eine verwaltungsinterne Regelung ohne jegliche arbeitsrechtliche Bedeutung, in welcher zudem eine mittelbare Altersdiskriminierung zu Lasten Älterer liege. Da beim Abschluss des Arbeitsvertrages bereits sicher festgestanden habe, dass über den 31. Dezember 2013 hinaus bis zum 31. Dezember 2014 Bedarf für ihre Beschäftigung bestehe, sei die Befristung zum 31. Dezember 2013 völlig willkürlich. Hierdurch werde der gesetzliche Kündigungsschutz unterlaufen. Ferner verstoße der beklagte Landkreis gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil die beiden anderen Mitarbeiterinnen einen bis zum 31. Dezember 2014 befristeten Arbeitsvertrag erhalten hätten.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 zum 31. Dezember 2013 ende.

Der beklagte Landkreis hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der beklagte Landkreis hat die Auffassung vertreten, ein Befristungsgrund liege vor, weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestehe. Bei dem Projekt „JobAssist/Bürgerarbeit“ handele es sich um eine freiwillig übernommene Zusatzaufgabe und nicht um eine Daueraufgabe. Eine rechtliche Verpflichtung zur Teilnahme an dem Modellprojekt nach dem SGB II habe nicht bestanden. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei das Befristungsende auch nicht willkürlich gewählt, sondern das Ergebnis einer ordnungsgemäßen Prognose. Die Fünfjahresregelung sei lediglich eine interne Richtschnur, die auf die erhöhten Anforderungen an die Prognose und den Sachgrund aufmerksam machen solle. In jedem Fall finde eine Einzelfallprüfung statt. Der Wirksamkeit der Befristung stehe nicht entgegen, dass die Vertragslaufzeit nicht mit der voraussichtlichen Dauer des Projekts übereinstimme. Dass die beiden anderen Mitarbeiterinnen jeweils befristete Verträge bis zum 31. Dezember 2014 erhalten hätten, hänge mit der Prognose hinsichtlich des Bedarfs zusammen und stelle keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes dar.

Mit Urteil vom 15. Oktober 2013 hat das Arbeitsgericht Göttingen die Klage abgewiesen und ausgeführt, für die Befristung bestehe der sachliche Grund des nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG. Bei der Beschäftigung der Klägerin im Rahmen des Projektes JobAssist/Bürgerarbeit handele es sich um eine vorübergehende Zusatzaufgabe des beklagten Landkreises. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe mit der erforderlichen Sicherheit festgestanden, dass das Modellprojekt zum 31. Dezember 2014 ende. Die Aufgaben als Projektmitarbeiterin unterschieden sich im Rahmen der Beschäftigungsphase inhaltlich von der Daueraufgabe des beklagten Landkreises, der reinen Arbeitsvermittlung. Das Modellprojekt sei auch personell von den Daueraufgaben der Arbeitsvermittlung abgrenzbar. Die Betreuung der Bürgerarbeitsplätze sei ausschließlich durch die drei in diesem Projekt beschäftigten Mitarbeiterinnen erfolgt. Ferner spreche die jedenfalls zu 50% erfolgte Drittfinanzierung über die N.Bank dafür, dass es sich bei dem Modellprojekt um eine nur auf vorübergehende Dauer angelegte Tätigkeit handele. Der Wirksamkeit der Befristung stehe auch nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis lediglich bis zum 31. Dezember 2013 befristet worden sei. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die einjährige Vertragslaufzeit einer dem Sachgrund entsprechenden Mitarbeit der Klägerin entgegenstehe. Auch die Befristung der Arbeitsverträge mit den zwei weiteren für das Modellprojekt tätigen Mitarbeiterinnen bis zum 31. Dezember 2014 führe nicht zur Unwirksamkeit der Befristung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz sei nicht anwendbar, weil die Länge des Vertrages zum Gegenstand der individuellen Vereinbarung zwischen den Parteien gehöre und damit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit unterfalle. Auch die Berücksichtigung aller mit der Verlängerung verbundenen Umstände führe nicht zur Unwirksamkeit der Befristung.

Das Urteil des Arbeitsgerichtes ist der Klägerin am 28. Oktober 2013 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am 26. November 2013 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 16. Januar 2014 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren Antrag vom 13. Dezember 2013 durch Beschluss vom 16. Dezember 2013 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Januar 2014 verlängert worden war.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen und meint, das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen sei abzuändern. Das Projekt Bürgerarbeit betreffe eine von dem beklagten Landkreis wahrzunehmende Daueraufgabe. Projektziel sei die Eingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Ausweislich der Darstellung ihrer Tätigkeit im Rahmen des Förderantrages an die N.Bank sei sie als Job-Coach und damit als Arbeitsvermittlerin tätig gewesen (Bl. 126 ff. d.A.). Sie habe auch in der Beschäftigungsphase die Betroffenen in den ersten Arbeitsmarkt vermitteln sollen. Damit sei keine Abgrenzung von der Daueraufgabe „Arbeitsvermittlung“ möglich. Es handele sich auch nicht um ein rein drittmittelfinanziertes Projekt, sondern lediglich um ein Instrument, das die Vermittlungschancen verbessern solle und das im Rahmen des gesetzlichen Auftrages von dem beklagten Landkreis co-finanziert sei. Der beklagte Landkreis habe überhaupt keine Prognose angestellt, dass der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur zeitweise eröffnet sei. Der beklagte Landkreis habe sich bei der Dauer der Befristung nur von der sachfremden Fünfjahres-Regelung leiten lassen. Unabhängig davon sei die Befristung auch deshalb unwirksam, weil die Vertragsdauer hinter dem tatsächlich bis zum 31. Dezember 2014 bestehenden Beschäftigungsbedarf zurück bleibe. Dies verstoße gegen die EGB-UNICE-CEEP Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999 im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG. Die Rahmenvereinbarung sehe nicht vor, dass Arbeitgeber in den Mitgliedsstaaten mit den Verträgen hinter der tatsächlichen Dauer des Befristungsgrundes zurückbleiben könnten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 15. Oktober 2013 - 2 Ca 238/13 Ö - abzuändern und

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 20. Dezember 2012 zum 31. Dezember 2013 geendet hat.

Der beklagte Landkreis beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Aufgaben der Klägerin als beschäftigungsbegleitender Coach im Rahmen der Beschäftigungsphase unterschieden sich deutlich von der reinen Arbeitsvermittlung, die eine Daueraufgabe des beklagten Landkreises darstelle. Hinzu komme, dass das Coaching während der Beschäftigungsphase zu 50% aus Landesmitteln gefördert worden und die Betreuung der Bürgerarbeitsplätze ausschließlich durch die drei zusätzlichen beschäftigten Mitarbeiterinnen erfolgt sei. Im Übrigen verteidigt er die angefochtene Entscheidung als zutreffend nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 13. Februar 2014 (Bl. 160 f. d.A.).

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Juni 2014 Bezug genommen.

Gründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist begründet.

I.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete nicht aufgrund Befristung vom 20. Dezember 2012 gemäß § 14 Abs. 1 TzBfG mit Ablauf des 31. Dezember 2013.

1. Die Wirksamkeit der Befristung ergibt sich nicht bereits aus § 17 Satz 2 TzBfG i.V.m. § 7 KSchG. Die materiell-rechtliche Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG wird auch durch die Erhebung einer Klage vor dem Ablauf der vereinbarten Vertragslaufzeit gewahrt (vgl. BAG, 23. Juni 2010 - 7 AZR 1021/08 - EzA BGB 2002 § 620 Altersgrenze Nr. 8).

2. Die Befristung des Arbeitsvertrages ist nicht durch einen sachlichen Grund gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gerechtfertigt.

a. Ein sachlicher Grund liegt gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht. Der vorübergehende betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung kann auf unterschiedlichen Sachverhalten beruhen. Er kann sich zum Beispiel aus dem Umstand ergeben, dass für einen begrenzten Zeitraum in dem Betrieb oder der Dienststelle zusätzliche Arbeiten anfallen, die mit dem Stammpersonal allein nicht erledigt werden können, oder daraus, dass sich der Arbeitskräftebedarf künftig verringert, etwa wegen der Inbetriebnahme einer neuen technischen Anlage. Der vorübergehende Bedarf an der Arbeitsleistung kann auch auf einer zeitweise übernommenen Sonderaufgabe beruhen oder auf einer im Bereich der Daueraufgaben des Arbeitgebers vorübergehend angestiegenen Arbeitsmenge, für deren Erledigung das vorhandene Stammpersonal nicht ausreicht (BAG, 20. Februar 2008 - 7 AZR 950/06 - AP TzBfG § 14 Nr. 45).

Die Befristung eines Arbeitsvertrages kann dagegen nicht auf § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG gestützt werden, wenn der vom Arbeitgeber zur Begründung angeführte Bedarf an der Arbeitsleistung tatsächlich nicht nur vorübergehend, sondern objektiv dauerhaft besteht. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, sondern auch aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 und der inkooperierten EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, deren Umsetzung die befristungsrechtlichen Vorschriften des TzBfG dienen. § 5 Nr. 1 Buchstabe a der Rahmenvereinbarung steht der Anwendung einer Regelung nationalen Rechts, die den Abschluss aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge zur Deckung eines zeitweiligen Bedarf gestattet, entgegen, wenn der Bedarf nicht nur zeitweilig, sondern ständig und auf Dauer besteht (BAG, 17. März 2010 - 7 AZR 640/08 - EzA § 14 TzBfG Nr. 63 unter Hinweis auf EuGH, 23. April 1999 - C 378/07 bis C 380/07 - Angelidaki).

b. Eine Befristung wegen eines nur vorübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers in dem Betrieb kein dauerhafter Bedarf mehr besteht (BAG, 20. Februar 2008 - 7 AZR 950/06 - AP TzBfG § 14 Nr. 45). Hierüber hat der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages eine Prognose zu erstellen, der konkrete Anhaltspunkte zugrunde liegen müssen. Die Prognose ist Teil des Sachgrundes für die Befristung (BAG, 3. November 1999 - 7 AZR 846/98 - AP BAT § 2 SR 2 y Nr. 19).

c. Wird die Befristung auf einen zusätzlichen Arbeitskräftebedarf im Bereich der Daueraufgaben gestützt, hat der Arbeitgeber darzutun, aufgrund welcher Umstände bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages davon auszugehen war, das künftig nach Ablauf der mit dem befristet beschäftigt Arbeitnehmer vereinbarten Vertragslaufzeit das zu erwartende Arbeitspensum mit dem vorhandenen Stammpersonal würde erledigt werden können. Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten rechtfertigt die Befristung nicht. Sie gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, dass er nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages auf die Arbeitnehmer abwälzen kann (BAG, 9. März 2011 - 7 AZR 728/09 - EzA TzBfG § 14 Nr. 76). Es reicht demnach nicht aus, dass sich lediglich unbestimmt abzeichnet, aufgrund welcher Abläufe eine Tätigkeit des Arbeitnehmers in der Zukunft entbehrlich sein könnte (BAG, 15. Mai 2012 - 7 AZR 35/11 - AP TzBfG § 14 Nr. 97).

d. Wird die Befristung auf die nur vorübergehende Übertragung oder Wahrnehmung einer sozialstaatlichen (Dauer-)Aufgabe gestützt, vermag dies für sich gesehen die Befristung nicht zu rechtfertigen (vgl. BAG, 11. Februar 2014 - 7 AZR 362/03 - BAGE 109, 339). So liegt etwa in den Fällen, in denen sich eine (übertragene) Maßnahme nicht als zeitlich begrenztes Projekt, sondern als Teil einer Daueraufgabe des staatlichen Auftragsgebers darstellt, in der Übertragung der sozialstaatlichen Aufgabe allein kein hinreichender Sachgrund für die Befristung des Arbeitsverhältnisses des bei einem Auftragnehmer angestellten Arbeitnehmers (BAG, 11. September 2013 - 7 AZR 107/12 - EzA TzBfG § 14 Nr. 96; BAG, 4. Dezember 2013 - 7 AZR 277/12 - NZA 2014, 480).

e. Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze ist die von dem beklagten Landkreis vorgetragene Prognose, im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin sei mit hinreichender Sicherheit zu erwarten gewesen, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr bestehe, nicht begründet.

aa. Die Prognose des beklagten Landkreises stützt sich darauf, dass es sich bei dem Projekt „JobAssist-Bürgerarbeit“ um ein zeitlich befristetes Modellprojekt handelt und bei dem die dreijährige Beschäftigungsphase, die eigentliche „Bürgerarbeit“ bis zum 31. Dezember 2014 abgeschlossen sein muss. Bei dem Modellprojekt handele es sich um ein freiwillig übernommene vorübergehende Zusatzaufgabe. Das begleitende Coaching während der Beschäftigungsphase sei zu 50% aus Landesmitteln gefördert worden und die Betreuung der Bürgerarbeitsplätze sei ausschließlich durch die drei zusätzlich beschäftigten Mitarbeiterinnen, darunter auch die Klägerin, erfolgt.

bb. In seine Prognose hätte der beklagte Landkreis auch einstellen müssen, dass die Grundsicherung für Arbeitssuchende nicht „an sich“ eine Aufgabe von begrenzter Dauer ist. Als steuerfinanziertes staatliches Fürsorgesystem, das für erwerbsfähige Hilfsbedürftige vorrangig Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt bzw. in eine Beschäftigung erbringt, handelt es sich vielmehr um eine sozialstaatliche Daueraufgabe. Der beklagte Landkreis ist als zugelassene Optionskommune gemäß § 6 a SGB II dauerhaft kommunaler Träger für die Grundsicherung für Arbeitssuchende. Die Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen zur Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt ist somit bei dem beklagten Landkreis nicht zeitlich begrenzt.

cc. Die Aufgaben des beklagten Landkreises im Rahmen der Beschäftigungsphase des Konzeptes Bürgerarbeit lassen sich nicht ausreichend von den von ihm wahrzunehmenden Daueraufgaben abgrenzen. Die Tätigkeiten der Klägerin unterscheiden sich inhaltlich nicht von den Aufgaben, die der beklagte Landkreis nach §§ 1, 2, 14 ff. SGB II i.V.m. §§ 35 ff. SGB III wahrzunehmen hat. Zu den in § 1 Abs. 1 SGB III definierten Zielen der Arbeitsförderung, die dem Entstehen von Arbeitslosigkeit entgegenwirken, die Dauer der Arbeitslosigkeit abkürzen und den Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt unterstützen sollen, gehört die Verbesserung der individuellen Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitssuchenden. Insbesondere Langzeitarbeitslose bedürfen regelmäßig einer besonderen Förderung und Betreuung. Auch die Vermittlung von derartigen Arbeitslosen gehört zu den Pflichtaufgaben und damit den Daueraufgaben des beklagten Landkreises. Die Aufgaben der festangestellten Arbeitsvermittler und der im Rahmen des Modellprojekts Bürgerarbeit befristet beschäftigten sind gleich. Langzeitarbeitslose sollen durch eine gezielte Vermittlungsaktion und Förderungsaktion wieder in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Die Klägerin war im Rahmen des Modellprojekts Bürgerarbeit als Arbeitsvermittlerin eingesetzt. Entsprechend der Tätigkeitsbeschreibung sollte ihre Betreuung zur Integration der zugeteilten Bürgerarbeiter in den Regelarbeitsmarkt führen. Hierzu diente eine kontinuierliche enge Abstimmung zwischen den Projektverantwortlichen und dem Jobcenter des beklagten Landkreises. Während der Projektlaufzeit sollten zusammen die Vermittlungsbemühungen in den ersten Arbeitsmarkt intensiviert und überwacht werden. Die Bürgerarbeiter sollten motiviert werden, Bewerbungsbemühungen aus eigenem Antrieb aufzunehmen. Neben der „prozessbegleitenden“ Einzelbetreuung sollten je nach Bedarf auch weitere Gruppenmodule bzw. Workshops angeboten werden, um die soziale Kompetenz der Bürgerarbeiter zu stärken. Es sollte ein klassisches Bewerbungscoaching stattfinden. Bei allen Tätigkeiten der Klägerin stand die Vermittlung der am Modellprojekt Teilnehmenden in den ersten Arbeitsmarkt im Vordergrund. Sofern durch Vermittlung eines Teilnehmers auf einen regulären Arbeitsplatz ein Bürgerarbeitsplatz frei wurde, wurde dieser umgehend neu besetzt.

Zwar kommt die Beschäftigungsphase erst dann zum tragen, wenn die Vermittlungsbemühungen während der Aktivierungsphase erfolglos geblieben sind. Das angestrebte Ziel ist identisch, Arbeitslose sollen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Beschäftigung finden. Im Vordergrund des Modellprojekts „Bürgerarbeit“ stand nicht die zeitlich befristete subventionierte Besetzung der sog. Bürgerarbeitsplätze. Die Besetzung derartiger Plätze war nur ein Zwischenschritt, um die Teilnehmer derart zu stabilisieren, damit auch die Bürgerarbeiter Zugang in den ersten Arbeitsmarkt finden können (vgl. auch: Fragen und Antworten zur Durchführung von Modellprojekten „Bürgerarbeit“ des Bundesministeriums für Arbeit (Bl. 130 ff. d.A.). Diesem Ziel trägt das Schreiben des Jobcenters des beklagten Landkreises an die Kreisvolkshochschule vom 27. November 2012 betreffend „Bürgerarbeit/Jobcoaches“ Rechnung, wenn es dort unter Ziffer 3 heißt, dass vorrangiges Ziel des Projektes sei, einen Wechsel der Bürgerarbeiter aus der geförderten Beschäftigung in den regulären Arbeitsmarkt zu erreichen. Auch in diesem Schreiben bringt das Jobcenter des beklagten Landkreises wörtlich zum Ausdruck, dass das Thema Vermittlung „zentrale Aufgabe und zentrales Element“ in der Bürgerarbeit sei.

dd. Die Vermittlung von Arbeitslosen ist für den beklagten Landkreis keine zeitlich begrenzte Maßnahme, sondern eine Daueraufgabe. Darauf, ob der beklagte Landkreis für die Durchführung die Kreisvolkshochschule eingeschaltet hatte, kommt es nicht an. Diese Daueraufgabe des beklagten Landkreises wird nicht dadurch zu einer abgrenzbaren Zusatzaufgabe, dass sich die Methodik und Herangehensweise an die Erledigung dieser Aufgabe verändert. Eine klare und eindeutige Abgrenzung als Zusatzaufgabe oder eine von einer allgemeinen Zielsetzung zu trennende begrenzte Projektdurchführung ist nicht erkennbar. Das im Rahmen des Modellprojektes gegebenenfalls ein anderer Betreuungsschlüssel und bestimmte individuelle Ansätze praktiziert werden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Letztlich hat der beklagte Landkreis im Rahmen des Modellprojektes lediglich aufgrund von zusätzlichen finanziellen Mitteln eine intensivere und einzelfallbezogene Betreuungsmöglichkeit von Langzeitarbeitslosen gewählt. Dies steckt aber lediglich den finanziellen Rahmen der Tätigkeit der Klägerin ab, macht diese aber nicht zu einer Zusatzaufgabe. Auch hat es sich bei dem Modellprojekt nicht um ein rein drittmittelfinanziertes Projekt gehandelt. Der beklagte Landkreis hat das Modellprojektes „Bürgerarbeit“ ausweislich seines Schreibens vom 11. Oktober 2012 mitfinanziert.

Da der genannte Befristungsgrund nicht vorlag und sich der beklagte Landkreis auf andere Befristungsgründe nicht berufen hat, war dem Feststellungsantrag der Klägerin im Ergebnis stattzugeben.

II.

Auch das weitere Vorbringen des beklagten Landkreises, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 ZPO lediglich eine Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 72 Abs. 2 Ziffer ArbGG zuzulassen.