LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2012 - 20 Sa 2616/11
Fundstelle
openJur 2014, 28537
  • Rkr:

1. Eine Leistungsklage mit der verlangt wird einem Arbeitszeitkonto Stunden "gutzuschreiben", ist nur dann hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs 2 Nr 2 ZPO, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem die begehrten Zeiten als Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können und die vom Arbeitnehmer geforderte Leistungshandlung sich zumindest seinem Sachvortrag entnehmen lässt (wie BAG 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10 - juris)

2. Die Zeit die ein Straßenbahnfahrer außerhalb seiner Dienstschicht aufwendet, um auf Anweisung des Arbeitgebers hinsichtlich des Ortes, seine aufgrund einer Dienstvereinbarung zu tragende Dienstkleidung in einer Kleiderkammer abzuholen ist weder Arbeitszeit nach den Bestimmungen des TV-N Berlin , noch nach § 612 BGB als Arbeitszeit zu vergüten. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich bei der vom Arbeitgeber hinsichtlich des Ortes vorgeschriebenen Abholung um einen mitbestimmten Sachverhalt handelt.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17.11.2011 - 59 Ca 7093/11 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

III. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob die von den Arbeitnehmern für die Abholung von Dienstkleidung benötigte Zeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit zu gelten hat.

Der Kläger, mit Wohnsitz in Berlin, ist bei der Beklagten, die in Berlin ein Nahverkehrsunternehmen betreibt als Straßenbahnfahrer mit einer Zuordnung zum Betriebshof Weißensee beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis des Klägers findet der Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin - TV-N Berlin - kraft Tarifbindung Anwendung. Für den Kläger, dessen Tabellenstundenlohn einschließlich Sicherungsbetrag 13,60 EUR beträgt, wird nach den Bestimmungen des TV-N Berlin Arbeitszeitkonto geführt.

Bei der Beklagten besteht eine Dienstvereinbarung Nr. 05/2001 Trageordnung von Dienstkleidung, auf die wegen der Einzelheiten auf Bl. 45 - 53 d. A. hingewiesen wird. Dort ist u. a. geregelt

"3. Grundsätze

Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der B., die bei der Ausführung Ihres Dienstes kundenrepräsentative Aufgaben wahrnehmen und damit für den Kunden eindeutig als Mitarbeiter der B. erkennbar sein müssen, sind verpflichtet, hierbei Dienstkleidung zu tragen. Dabei wird zwischen ständigen und nicht ständigen Dienstkleidungsträgern unterschieden.

Bestandteile dieser Dienstvereinbarung sind die Anlagen:

1. Zugelassene Dienstkleidungsartikel2. Zugelassene Ausrüstungsgegenstände3. Grundausstattung4. Wertpunktekonto

Die konkrete Festlegung, welche Mitarbeiter aufgrund ihrer Funktion zu den ständigen Dienstkleidungsträgern zählen bzw. als nicht ständige Dienstkleidungsträger bei welchen Anlässen Dienstkleidung zu tragen haben, wird in bereichsspezifischen Reglungen, unter Beteiligung des zuständigen Personalrates getroffen. Die zuständige Schwerbehindertenvertretung und die Frauenvertretung sind entsprechend der für sie geltenden gesetzlichen Regelungen einzubeziehen.

4.1 Ausgabe von Dienstkleidung

Für die Erstausstattung erhält der Dienstleistungsträger eine entsprechende Aufforderung von seiner Dienststelle, nachdem er als Dienstkleidungsträger erfasst wurde. Ein Anspruch auf eine Grundausstattung besteht nur bei der Ersteinkleidung. Danach sind Dienstkleidungsartikel im gleitenden Verfahren durch den Dienstkleidungsträger im Rahmen seines Wertpunktekontos auszutauschen. Bei Wechsel des Designs oder der Tätigkeit des Dienstkleidungsträgers erhält er eine neue Grundausstattung. Darüber hinausgehende Dienstkleidungsartikel müssen innerhalb von zwei Jahren dem gültigem Corporate Design im Rahmen des Wertpunktekontos angepasst werden.

Die Ausgabestellen für die Dienstkleidung werden durch Aushang bekannt gemacht."

Aufgrund einer Anweisung des Arbeitgebers ist der Kläger verpflichtet die nach den Regelungen der Dienstvereinbarung zu tragende Dienstkleidung innerhalb Berlins an zwei Abholpunkten (Karow/Plankenburg, ...... -. Schöneberg, .......) anprobieren und von dort mitzunehmen. Aufgrund einer unstreitigen Abrede zwischen der Beklagten und der Personalvertretung wurde den Mitarbeitern bis zum Jahr 2007 für das Abholen der Dienstkleidung 120 Minuten jährlich auf dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Seit 2008 wird dies von der Beklagten nicht mehr praktiziert. Einzelheiten zu Abschluss, Inhalt, Anspruchsvoraussetzungen oder Kündigung einer solchen Abrede haben die Parteien nicht vorgetragen. Eine von der Beklagten weiter praktizierte Verfahrensweise, nämlich die Dienstkleidung per Post zu übersenden, wurde aufgrund einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin, mit der die Übersendung der Dienstkleidung per Post als mitbestimmungspflichtig beurteilt wurde eingestellt. Den Mitarbeitern ist nicht gestattet, die Dienstkleidung während der Dienstzeit in den Abholstellen abzuholen. Im Übrigen ist es ihnen überlassen, zu welchem Zeitpunkt und zu welchen Gelegenheiten sie dies erledigen, sie haben jedoch die Öffnungszeiten des sog. Modeinstituts zu beachten. Der Kläger suchte außerhalb seiner Dienstzeit am Mittwoch, den 15.12.2010 die Abholstelle in der P.straße auf um sich mit neuer Dienstkleidung zu versorgen. Die für die Fahrt von der Wohnung zur Ausgabestelle zurück aufgewandte Zeit ist zwischen den Parteien umstritten. Mit undatiertem Schreiben machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, dass ihm 130 Minuten als Arbeitszeit gemäß der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 1 TV-N Berlin anzurechnen seien. Dies ergebe sich aus der Wegezeit, die für die Hin- und Rückfahrt sowie das Anprobieren der Dienstkleidung von dem Kläger aufgewandt worden sei. Mit Schreiben vom 09.03.2011 erklärte die Beklagte, dass der am 15.12.2010 geltend gemachte Anspruch nicht akzeptiert werde (vgl. Bl. 6 d. A.).

Mit seiner am 11.05.2011 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und am 21.09.2011 erweiterten Klage macht der Kläger nunmehr gegen die Beklagte eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitkonto im Umfang von 130 Minuten, hilfsweise 120 Minuten sowie weiter hilfsweise entsprechende Vergütungszahlungen geltend. Weiter verlangt er hilfsweise die Feststellung, dass er berechtigt sei, die Dienstkleidung innerhalb der Arbeitszeit abzuholen und weiter hilfsweise, dass er nicht verpflichtet sei, während der Arbeitszeit Dienstkleidung zu tragen.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, es sei nicht ersichtlich, warum die Beklagte die frühere "Regelungsabrede" hinsichtlich der Gutschrift von 120 Minuten nicht mehr anwende bzw. warum diese keine Rechtswirkung mehr haben solle. Es gehe um den zeitlichen Aufwand, den der Kläger aufgrund der Anweisung der Arbeitgeberin habe. Er sei am 15.12. 2010 um 8.04 Uhr von seiner Wohnung losgegangen und sei um 10.15 Uhr wieder zu Hause gewesen. Er habe ½ Stunde in der Kleiderkammer verbracht. Das Abholen der Dienstkleidung sei als eine Dienstleistung zu werten, die nach den Umständen nur gegen eine Vergütung zu erwarten sei. Auch die Bestimmung des § 9 Abs. 1 TV-N jedenfalls im Zusammenhang mit der dazu ergangenen Protokollerklärung sei so auszulegen, dass die Abholung der Dienstkleidung Wegezeit im Sinne der Protokollerklärung sei. Die Dienstkleidung diene allein dem Unternehmenszweck, der Kläger erfülle mit dem Tragen der Dienstkleidung kein eigenes Bedürfnis. Die Verpflichtung während der Arbeitszeit Dienstkleidung zu tragen, greife in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 130 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

1.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 120 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 29,47 EUR brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 09.03.2011 zu zahlen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

3.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27,20 EUR brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 09.03.2011 zu zahlen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

4.

festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, die Dienstkleidung in der Kleiderkammer (P.straße) innerhalb der Arbeitszeit abzuholen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

5.

festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, während seiner Arbeitszeit Dienstkleidung zu tragen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die tarifliche Regelung betreffe nicht die von dem Kläger für das Abholen der Dienstkleidung aufgewandte Zeit. Weiter sei das Tragen der Dienstkleidung zumindest teilweise auch eigennützig. Sie bestreitet die vom Kläger tatsächlich für das Abholen der Dienstkleidung aufgewandte Zeit. Eine Dienstabsprache hinsichtlich Zeitgutschriften werde nicht mehr angewandt, da sie gekündigt sei und nicht nachwirke.

Mit Urteil vom 17.11.2011 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch des Klägers auf Berücksichtigung des Zeitaufwandes für das Abholen der Dienstkleidung als Arbeitszeit bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Der Anspruch folge nicht aus § 9 Abs. 1 TV-N Berlin bzw. aus der dazu vereinbarten Protokollerklärung. Die Tarifnorm sei so auszulegen, dass der Zeitaufwand des Klägers für das Abholen der Dienstkleidung nicht als betrieblich veranlasste Wegezeit im Sinne der Protokollerklärung zu verstehen sei. Aus der Tarifregelung, die die dienstplanmäßige tägliche Arbeitszeit behandelt, werde deutlich, dass es sich um Wegezeiten handeln müsse, die unmittelbar im Zusammenhang mit der dienstplanmäßig zu erbringenden Arbeitsleistung lägen. Wegen der tarifvertraglichen Differenzierung der Dienstschicht in Arbeitszeit, Pausen sowie Unterbrechungen bei Dienstteilungen hätten sich die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung zur Klarstellung veranlasst gesehen, die Wegezeiten, die gerade bei Unterbrechungen aufgrund Dienstteilungen anfielen, ausdrücklich als Arbeitszeit zu regeln. Deshalb seien allein solche Wegezeiten gemeint, die innerhalb einer Dienstschicht anfielen und keine anderen Zeiten, die lediglich im Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stünden. Ein Anspruch folge auch nicht aus §§ 611 Abs. 1, 612 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Werde das Tragen von Dienstkleidung von dem Arbeitnehmer verlangt, könnten zwar Umkleidezeiten und auch Holezeiten als Dienstleistung im Sinne von § 612 Abs. 1 BGB angesehen werden, diese seien jedoch regelmäßig nicht nur gegen eine Vergütung zu erwarten. Im Einzelfall seien solche Zeiten nur dann vergütungspflichtig, wenn sie ausschließlich der Befriedigung fremder Bedürfnisses dienten. Das An- und Umkleiden - und vorliegend das Abholen - mit vorgeschriebener Dienstkleidung, die etwa zu Hause angelegt und ohne besonders auffällig zu sein, auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann, sei nicht lediglich fremdnützig. Auch folge ein Anspruch nicht aus den Grundsätzen des Aufwendungsersatzes. Das vom Kläger am 16.11.2009 für die Bewältigung des Weges zum Modeinstitut und zurück zur Wohnung erbrachte Freizeitopfer stelle für sich betrachtet kein Vermögenswert dar. Auch habe der Kläger keinen Anspruch auf eine Gutschrift von 120 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto. Die Parteien seien übereinstimmend davon ausgegangen, dass die Absprache, die zwischen Beklagter und Personalrat hinsichtlich einer solchen Gutschrift getroffen worden sei, gekündigt sei. Damit entfalte sie jedenfalls keine weitere Wirkung. Ebenso bestehe kein Zahlungsanspruch, da es bereits daran fehle, dass die benötigten Zeiträume Arbeitszeit darstellten. Auch die begehrte Feststellung, dass der Kläger berechtigt sei, die Dienstkleidung während der Arbeitszeit abzuholen, sei nicht zu treffen. Der Feststellungsantrag sei zwar zulässig, jedoch unbegründet. Eine solche Berechtigung folge weder aus der Dienstvereinbarung 05/2001 noch aus allgemeinen Grundsätzen. Der weitere Hilfsantrag des Klägers, dass er nicht verpflichtet sei, während der Arbeitszeit Dienstkleidung zu tragen, sei bereits unzulässig. Dies ergebe sich daraus, dass der Kläger eine solche Verpflichtung an sich nicht in Abrede stelle, sondern diese lediglich unter dem Vorbehalt stellen wolle, dass er sich die Dienstkleidung während der Arbeitszeit abholen dürfe. Wegen der weiteren Urteilsgründe wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 72 - 80 d. A.) Bezug genommen.

Der Kläger hat gegen das ihm am 05.12.2011 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 29.12.2011 Berufung eingelegt. Seine Berufung begründete der Kläger am 04.02.2012.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Das Arbeitsgericht habe die Tarifnorm des § 9 Abs. 1 TV-N Berlin mit seiner Protokollnotiz unzutreffend ausgelegt. Vergütungspflichtige Arbeitszeit könne auch dann anfallen, wenn sie nicht innerhalb der regelmäßigen Dienstzeiten liege. So werde beispielsweise die Einzahlung der Arbeitnehmer von vereinnahmten Beträgen an der Kasse außerhalb der Dienstschicht im Betriebshof als Arbeitszeit vergütet. Weiter auch der Ausdruck der Dienstpläne am Terminaldrucker der Dienststelle. Auch dort würden die Arbeitnehmer außerhalb der Dienstschicht tätig. Diese Zeit werde dem Kurzzeitkonto gutgeschrieben. Auch Zeiten bei Gericht, falls die Mitarbeiter als Zeugen geladen würden, würden als Gutzeit dem Arbeitszeitkonto gutgeschrieben. Es könne nicht darauf ankommen, wie der Arbeitgeber die Verpflichtung zum Tragen der Dienstkleidung regele. Für den Fall, dass er dem Arbeitnehmer eine Möglichkeit einräume, die Dienstkleidung im Betrieb an- und abzulegen, müsste er diese Zeit bezahlen. Übertrage er diese Verpflichtung auf die Arbeitnehmer außerhalb der Arbeitszeit, ergebe sich dann keine Verpflichtung mehr, den Zeitaufwand zu vergüten. Dies sei unbillig. Auch sei ein Anspruch aus § 670 BGB gegeben, denn die für das Abholen der Kleidung aufgewendete Zeit stelle einen Vermögenswert dar. Jedenfalls sei aber der Hilfsantrag auf Feststellung, dass der Kläger die Dienstkleidung in seiner Arbeitszeit abholen könne begründet. Wenn, wie im vorliegenden Fall, eine Fremdbestimmtheit hinsichtlich des Tragens und Benutzens der Arbeitskleidung vorliege und der Arbeitgeber dies in der Vergangenheit mit einer Pauschale von 120 Minuten geregelt habe, dann sei die Regelungsabrede weiterhin wirksam, weil es dem Arbeitgeber nicht möglich sei, eine Regelung zu treffen, die einseitig zu Lasten des Arbeitnehmers gehe. Wenn es der Beklagten in der Vergangenheit möglich gewesen sei, eine einvernehmliche Lösung mit der Gewährung einer pauschalisierten 120 Minuten-Gutschrift zu treffen, dann stelle die Kündigung dieser "Regelungsabrede" eine einseitige nicht hinnehmbare Benachteiligung dar. Der Hilfsantrag, während der Arbeitszeit keine Dienstkleidung zu tragen, begründe sich darin, dass diese Verpflichtung dann nicht bestehe, wenn der Arbeitgeber einseitig vom Arbeitnehmer ein Freizeit und Vermögensopfer verlange und somit das verfassungsmäßige Verhältnismäßigkeitsgebot aus den verletzten Grundrechten nach Art. 2 Abs. 1 GG nicht beachtet worden sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. November 2011 - 59 Ca 7093/11 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 130 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

1.

die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger 120 Minuten auf seinem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

2.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 29,47 EUR brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 09.03.2011 zu zahlen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

3.

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 27,20 EUR brutto nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit 09.03.2011 zu zahlen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

4.

festzustellen, dass der Kläger berechtigt ist, die Dienstkleidung in der Kleiderkammer (P.straße) innerhalb der Arbeitszeit abzuholen;

hilfsweise für den Fall des Unterliegens damit,

5.

festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, während seiner Arbeitszeit Dienstkleidung zu tragen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden, dass es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Zeitaufwand für das Abholen seiner Dienstkleidung nicht um betrieblich veranlasste Wegezeiten im Sinne der Protokollerklärung zu § 9 Abs. 1 TV-N Berlin handele. Die Protokollnotiz stelle klar, dass innerhalb geplanter Dienstschichten Vorbereitungs- und Abschlusszeiten sowie betrieblich veranlasste Wegezeiten, wie dies etwa bei der Abholung eines Fahrzeuges von einem anderen Betriebshof anfallen könne, der Arbeitszeit und nicht etwa den Pausen oder sonstigen Unterbrechungen zuzuordnen seien. Betrieblich veranlasst könne eine Wegezeit nur sein, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Tätigkeit, nämlich der dienstplanmäßigen Verwendung, stehe. Auch seien die vom Kläger genannten Beispiele nicht geeignet, die Tarifvorschrift anders auszulegen. Bei dem Beispiel der notwendigen Zeugenaussage sei eine tarifliche Regelung in § 16 Abs. 2 e TV-N Berlin getroffen. Hinsichtlich der weiteren Beispiele bestünde allenfalls ein Vergütungsanspruch aus §§ 611, 612 BGB. Zutreffend habe das Arbeitsgericht auch entschieden, dass ein Anspruch aus § 611 BGB nicht folge. § 611 BGB gewähre die vereinbarte Vergütung auf Gegenleistung für die arbeitsvertragliche vereinbarte Dienstleistungspflicht. Von diesen Hauptleistungspflichten seien Vorbereitungs- und Nachbereitungshandlungen zu unterscheiden. Der Kläger könne seinen Anspruch auch nicht auf § 612 Abs. 1 BGB stützen. Das Abholen der Dienstkleidung sei keine lediglich fremdnützige Tätigkeit. Im Übrigen wäre die Erbringung einer derartigen Dienstleistung auch nicht nur gegen eine Vergütung zu erwarten. Ebenso bestehe kein Anspruch aus § 670 BGB, da ein freiwilliges Vermögensopfer im Interesse eines anderen nicht gegeben sei.

Gründe

1. Die Berufung erweist sich teilweise als zulässig. Sie ist insgesamt rechtzeitig eingelegt, jedoch nur hinsichtlich der Abweisung des Hauptantrages und der Hilfsanträge zu 1. - 4., die das Arbeitsgericht allesamt abgewiesen hat, nach den gesetzlichen Vorschriften begründet. Hinsichtlich des (Hilfs-)Feststellungsantrages zu 5. fehlt es an einer hinreichenden Begründung. Eine Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 - 4 ZPO nur dann, wenn sich aus ihr erkennen lässt, in welchen Punkten tatsächlicher oder rechtlicher Art das angefochtene Urteil nach Ansicht des Berufungsklägers unrichtig ist und auf welchen Gründen diese Ansicht im Einzelnen beruht. Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Die Berufungsbegründung muss deshalb auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen oder tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen, wenn sie diese bekämpfen will. Dabei reicht es nicht aus, die tatsächliche oder rechtliche Würdigung durch das Arbeitsgericht mit formelhaften Wendungen zu rügen und lediglich auf das erstinstanzliche Vorbringen zu verweisen (vgl. BAG, Urteil vom 18. Mai 2011 - 4 AZR 552/09 - juris). Diesen Anforderungen genügt die Berufungsbegründung des Klägers hinsichtlich des vom Arbeitsgericht als unzulässig abgewiesenen Hilfsantrages zu 5. nicht. Das Arbeitsgericht hat angenommen, dass der Antrag bereits unzulässig sei, weil es ihm an dem notwendigen Feststellungsinteresse mangele. Dazu hat der Kläger in seiner Berufung nichts vorgetragen.

2. Die Berufung ist, soweit sie sich als zulässig erweist, jedoch unbegründet.

2.1 Soweit der Kläger mit seinem Antrag zu 1. verlangt, seinem Arbeitszeitkonto 130 Minuten gutzuschreiben, bestehen bereits Bedenken, inwieweit dieser Antrag hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist, mithin die Klage insoweit zulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist er dies lediglich dann, wenn der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer ein Zeitkonto führt, auf dem zu erfassende Arbeitszeiten nicht aufgenommen wurden und noch gutgeschrieben werden können (vgl. BAG, Urteil vom 22. Februar 2012 - 4 AZR 527/10- BB 2012, 1920). Darüber hinaus muss sich die geforderte Leistungshandlung zumindest aus dem Klagevortrag entnehmen lassen. Diese Voraussetzungen sind der Klage nicht zu entnehmen. Weder ist ersichtlich unter welchen Voraussetzungen und Bedingungen ein Arbeitszeitkonto geführt wird, noch inwieweit gegebenenfalls nicht berücksichtigte Arbeitszeit aus 2010 noch gutgeschrieben werden kann. Auch ergibt sich die konkrete Leistungshandlung, die dem Arbeitgeber abverlangt werden soll weder aus dem Antrag noch aus der Begründung der Klage. Dies ergibt sich auch nicht direkt aus den Bestimmungen des TV-N Berlin, da aus § 10 TV-N Berlin lediglich eine Rahmenregelung folgt, die im einzelnen durch Dienstvereinbarung auszugestalten sind. Da die Kammer mit den Parteien diese Rechtsansicht jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert hat, stützt die Kammer ihre Sachentscheidung ausdrücklich nicht auf die fehlende Zulässigkeit des Klageantrages, denn das Klagebegehren erweist sich auch - unterstellt dessen Zulässigkeit - als unbegründet.

2.1.1 Ein Anspruch folgt, dies hat das Arbeitsgericht zutreffend entschieden, nicht aus der tariflichen Regelung des § 9 Abs. 1 TV-N Berlin im Zusammenhang mit der dazu vereinbarten Protokollnotiz. Die Auslegung des Tarifvertrages durch das Arbeitsgerichts ist nicht zu beanstanden. Die Berufungskammer schließt sich dem ausdrücklich an und verweist auf die Ausführungen des Arbeitsgerichts. Auch aus der Berufungsbegründung folgt nichts anderes. Die Tarifnorm hat folgenden Inhalt:

"§ 9 - Besondere Arbeitsbedingungen bei Einsatz als Omnibusfahrer,U-Bahnfahrer, Straßenbahnfahrer und Triebfahrzeugführer

(1) Die Dienstschicht umfasst die Arbeitszeit, die Pausen und Unterbrechungen bei Dienstteilungen. Sie kann bis zu 12 Stunden, bei Dienstteilungen bis zu 14 Stunden betragen und darf 5 Stunden nicht unterschreiten. Die dienstplanmäßige tägliche Arbeitszeit darf 8 ½ Stunden, bei maximal 20% der Dienste je Turnusart 9 Stunden in der Dienstschicht nicht übersteigen.

Protokollerklärung zu Abs. 1:

Zur Arbeitszeit zählen insbesondere Lenkzeiten, Vorbereitungs- und Abschlusszeitensowie betrieblich veranlasste Wegezeiten.

(2) Es sind folgende Pausenregelungen anzuwenden:

1. Blockpausen-Regelung

Gewährung von Pausen, deren Dauer mindestens 15 zusammenhängende Minuten umfasst und die frei von jeder dienstlichen Tätigkeit sind. Der 50 Minuten übersteigende Anteil der Gesamtdauer der Blockpausen je Dienst wird in die Arbeitszeit eingerechnet.

2. Sechstel-Regelung

Die nach dem Arbeitszeitgesetz oder nach der Fahrpersonalverordnung zu gewährende Pause kann durch Lenkzeitunterbrechungen abgegolten werden, wenn deren Gesamtdauer mindestens ein Sechstel der im Dienst- und Fahrplan vorgesehenen Lenkzeit beträgt. Im Fahrplan ausgewiesene Haltezeiten zur Anschlusssicherung gelten nicht als Lenkzeitunterbrechungen. Lenkzeitunterbrechungen unter acht Minuten werden bei der Berechnung der Gesamtdauer nicht berücksichtigt, wobei die Gesamtdauer mindestens die Dauer der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen erreichen muss. Sofern bei Omnibusfahrern Lenkzeitunterbrechungen von weniger als zehn Minuten berücksichtigt werden, sollte der entsprechende Dienst wenigstens eine Lenkzeitunterbrechung von mindestens 15 Minuten Dauer enthalten. Lenkzeitunterbrechungen werden bis zur Dauer von 10 Minuten in die Arbeitszeit eingerechnet. Die Summe der Anteile der Lenkzeitunterbrechungen, die größer als 10 Minuten sind, zusammen jedoch höchstens 50 Minuten, werden nicht in die Arbeitszeit eingerechnet. Die hiernach unbezahlt bleibenden Lenkzeitunterbrechungsanteile werden grundsätzlich vor der Abfahrt von der Endstelle gewährt. Innerhalb eines Dienstes darf nur eine der genannten Pausenregelungen zur Anwendung kommen.

(3) Wenn die Betriebsverhältnisse es zulassen, sollen möglichst ungeteilte Dienste eingerichtet werden. Andernfalls darf der Dienst nur einmal geteilt werden. Dabei muss jeder Dienstteil mindestens zwei Stunden betragen. Als Dienstteilung gilt eine Unterbrechung von mehr als 60 Minuten. Der zweite Dienstteil darf nicht nach 22.00 Uhr beginnen.

(4) Wird der Dienst geteilt, erhält der Arbeitnehmer eine Entschädigung von 2 Euro, an Sonn- und Feiertagen 10 Euro.

(5) Für die Vorbereitungs- und Abschlusszeiten wird die notwendige Zeit in die Arbeitszeit eingerechnet und im Dienstplan ausgewiesen.

(6) In jedem Kalenderjahr werden so viele unbezahlte freie Tage gewährt, wie Sonntage in dieses Jahr fallen. Im Jahresdurchschnitt müssen mindestens zehn Sonntage dienstplanmäßig freie Tage sein.

(7) Der Dienstplan muss alle planmäßigen Dienste und freien Tage enthalten. Die ihm zugrundeliegende durchschnittliche Arbeitszeit ist zu vermerken. Er ist allen beteiligten Arbeitnehmern zur Kenntnis zu geben.

(8)..."

Dabei regelt die tarifliche Bestimmung besondere Arbeitsbedingungen bei dem Einsatz als Omnibusfahrer, U-Bahnfahrer, Straßenbahnfahrer und Triebfahrzeugführer. Nach Abs. 1 der Tarifnorm umfasst eine Dienstschicht die Arbeitszeit, die Pausen und Unterbrechungen bei Dienstteilung. Für Omnibusfahrer, U-Bahnfahrer, Straßenbahnfahrer und Triebfahrzeugführer zählt gem. der Protokollnotiz zu § 9 Abs. 1 TV-N Berlin insbesondere die Lenkzeiten, Vorbereitungs- und Abschlusszeiten sowie betrieblich veranlasste Wegezeiten. Daraus folgt bereits, dass die Tarifvertragsparteien nicht einen allgemeinen Arbeitszeitbegriff für die Tarifunterworfenen in § 9 Abs. 1 TV-N Berlin in Verbindung mit der Protokollnotiz geschaffen haben. Es geht ausschließlich um die besonderen Arbeits(zeit)bedingungen für den Fall, dass der Arbeitnehmer die genannten Fahrtätigkeiten schuldet. Danach ist die Auslegung des Arbeitsgerichts nicht zu beanstanden, dass veranlasst eine Wegezeit im Sinne der tariflichen Norm nur dann ist, wenn sie im unmittelbaren Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Hauptleistungspflicht als Omnibusfahrer, U-Bahnfahrer, Straßenbahnfahrer und Triebfahrzeugführer steht. Dieses Ergebnis würde nicht dadurch erschüttert, wenn, was zwischen den Parteien umstritten ist, die Beklagte Abrechnungszeiten oder Zeiten in denen Dienstpläne am Terminaldrucker abgeholt werden oder Zeiten die die Arbeitnehmer als Zeugen in einem Gerichtsverfahren vernommen werden als Arbeitszeiten vergütet bzw. solche Zeiten zu dem Arbeitszeitkonto zählen. Dabei mag es dahinstehen, ob die Abrechnungen außerhalb der Dienstschicht zu den Abschlusszeiten des § 9 Abs. 5 TV-N Berlin gehören. Selbst unterstellt die von dem Kläger behauptete Behandlung der Zeiten als Arbeitszeit sei zutreffend, folgt daraus nicht, dass gleiches für die Zeiten der Abholung der Dienstkleidung gelten muss.

2.1.2 Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch entschieden, dass der Klageanspruch auch nicht aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag der Parteien folgt. Nach § 611 BGB ist der Arbeitgeber verpflichtet, als Gegenleistung für die vereinbarten Dienste die vertragliche oder tarifliche Vergütung zu zahlen. Es besteht vorliegend Einigkeit darüber, dass die vom Kläger vertraglich versprochenen Dienste die Tätigkeiten als "Straßenbahnfahrer" sind. Aus der Leistung dieser Dienste resultiert die Vergütungspflicht der Beklagten. Nur diese Tätigkeiten unterfallen deshalb dem Gegenseitigkeitsverhältnis des § 611 BGB. Zu ihnen gehören das Abholen und Probieren der Dienstkleidung nicht. Dies folgt daraus, dass zwischen den Tätigkeiten eines Straßenbahnfahrers selbst und den dafür notwendigen Vorbereitungshandlungen unterschieden werden kann. Die Einkleidung gehört zu solchen Vorbereitungshandlungen. Diese ist nicht Teil der "versprochenen Dienste" und stellt nicht die vergütungspflichtige Hauptleistungspflicht des Klägers nach § 611 BGB dar (vgl. BAG 11.10.2012 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45-54).

2.1.3 Ebenso zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass ein Anspruch nicht aus § 612 Abs. 1 BGB folgt. Nach dieser Bestimmung gilt eine Vergütung dann als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Dabei bedarf es der Unterscheidung, ob eine Tätigkeit überhaupt eine "Dienstleistung" darstellt. Anschließend ist ggf. zu prüfen, ob sie vergütet werden muss. § 612 Abs. 1 BGB dient dabei sowohl der Abgrenzung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Dienstleistungen sowie auch der Frage, ob eine grundsätzlich vergütungspflichtige Dienstleistung von einer für die Hauptleistung vereinbarten Vergütung bereits miterfasst ist (vgl. BAG 11.10.2012 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45-54). Dabei mag unterstellt werden, dass es sich bei der vom Arbeitgeber veranlassten Abholung der Dienstkleidung in der Kleiderkammer außerhalb der Dienstschichten um Dienst oder Arbeitsleitung im Sinne von § 612 Abs. 1 BGB handelt, obgleich das Bundesarbeitsgericht bereits davon ausgeht, dass das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung, die zu Hause angelegt und - ohne besonders auffällig zu sein - auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann, regelmäßig keine Arbeitszeit im Sinne des § 612 Abs. 1 BGB darstellt. Allerdings dürfte von einer besonderen Auffälligkeit bereits dann auszugehen sein, wenn der Arbeitnehmer im öffentlichen Raum ohne Weiteres als ein solcher der Arbeitgeberin identifizierbar ist (vgl. BAG vom 11. Januar 2009 - 1 ABR 54/08 - AP Nr. 125 zu § 87 BetrVG 1972 Arbeitszeit). Vorliegend streiten die Parteien nicht um die Frage inwieweit das Abholen der Dienstkleidung mitbestimmt im Sinne von § 85 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 6 LPersVG Berlin ist, sondern um die Frage der Vergütung der aufgewandten Zeit. Auch mag dahinstehen, ob die vorstehend geschilderten Kriterien auch für die Frage zutreffen in welcher Art und Weise und mit welchem Zeitaufwand die durch Dienstvereinbarung festgelegte Dienstkleidung zu beschaffen ist. Jedenfalls fehlt an der weiteren Voraussetzung des § 612 Abs. 1 BGB, dass, unterstellt das Abholen der Kleidung sei als Dienstleistung zu werten, diese Arbeit den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Die Vergütungserwartung nach § 612 Abs. 1 BGB ist anhand eines objektiven Maßstabs unter Berücksichtigung der Verkehrssitte, der Art, des Umfangs und der Dauer der Dienstleistung und der Stellung der Beteiligten zueinander festzustellen, ohne dass es auf deren persönliche Meinung ankäme (vgl. BAG 11.10.2012 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45-54). Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass jede Mehrarbeitszeit über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus zu vergüten ist, gibt es nicht (BAG 27.06.2012 - 5 AZR 530/11 - juris) Eine objektive Vergütungserwartung für die Zeit, die der Kläger für das Abholen der Dienstkleidung benötigt, besteht vorliegend nicht. In diesem Zusammenhang ist beachten, dass für die Nahverkehrsbetriebe Tarifverträge gelten, die gerade für die Fragen der Vergütungspflicht im Zusammenhang mit der Dienstkleidung keine Regelung treffen, welche Tätigkeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören sollen. Den Tarifvertragsparteien sind die besonderen tatsächlichen Umstände bekannt, die Omnibusfahrer, U-Bahnfahrer, Straßenbahnfahrer und Triebfahrzeugführer und auch anderen Beschäftigungsgruppen verbunden sind. So ergeben sich gerade aus § 9 des TV-N Berlin, dass bei besonderen Anforderungen bei speziellen Tätigkeiten besondere Regelungen getroffen wurden. Auch dürfte das Tragen von Dienstkleidung in Nahverkehrsbetrieben ein so verbreiteter Umstand sein, dass nicht davon ausgegangen werden kann, die Tarifvertragsparteien dies schlicht nicht beachtet hätten. Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien dennoch weder notwendige Umkleidezeiten noch andere im Zusammenhang mit der Dienstkleidung anfallende Tätigkeiten zur vergütungspflichtigen Arbeitszeit erklärt haben, muss bei einer Beurteilung des Bestehens einer objektiven Vergütungserwartung nach § 612 Abs. 1 BGB Beachtung finden. Auch ist der notwendige Zeitaufwand nicht derart hoch, dass ein Abholen der Dienstkleidung nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Zwar mag sein, dass z.B. bei unvorhergesehenem Verschleiß ein mehrmaliges Aufsuchen der Kleiderkammer notwendig ist, auch wenn dafür für Arbeitnehmer im Stadtgebiet ein oder zweimal im Jahr 130 Minuten aufzuwenden sind, folgt aus diesem Zeitaufwand allein noch nicht, dass dafür eine Vergütung zu erwarten ist. Noch weniger folgt daraus - entgegen der Ansicht des Klägers - dass dadurch Grundrechte des Klägers eingeschränkt werden. Auch dürfte zu beachten sein, dass die Arbeitnehmer den Anordnungen des Arbeitgebers nicht "hilflos" ausgeliefert sind und es zu - wie der Kläger meint - nicht mehr hinnehmbaren Einschränkungen der Grundrechtspositionen der Arbeitnehmer insbesondere deren Persönlichkeitsrechten komme. Insoweit vermögen die Mitbestimmungstatbestände des LPersVG Berlin (vgl. § 85 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5) eine interessengerechte Regelungsmöglichkeit für die Arbeitnehmer zu schaffen. Da selbst die Arbeitgeberin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung der Berliner Verwaltungsgerichtsbarkeit davon ausgeht, dass bereits das Versenden der Dienstkleidung durch die Beklagte nach den Bestimmungen des LPersVG Berlin mitbestimmt ist, erschließt sich der Kammer nicht aus welchen Gründen dies für die Anordnung des Abholens der Dienstkleidung nicht gelten soll. Allein nach dem Vortrag beider Parteien haben der Personalrat und die Arbeitgeberin insoweit bereits eine "Dienstabsprache" getroffen.

2.1.4 Weiter zutreffend hat das Arbeitsgericht entschieden, dass ein Anspruch aus § 670 BGB nicht besteht. Auch insoweit nimmt das Landesarbeitsgericht auf die Begründung des Arbeitsgerichts Bezug. Zutreffend weist auch die Beklagte darauf hin, dass die eigene Arbeitskraft und Tätigkeit die der Beauftragte aufwendet regelmäßig kein Vermögensopfer im Sinne der Vorschrift darstellt (vgl. MüKo/Seiler, BGB, 6. Aufl. § 670, RdNr. 7).

3. Ein Anspruch auf Gutschrift von 120 min, wie mit dem 1. Hilfsantrag verlangt, folgt auch nicht aus einer Vereinbarung mit dem Personalrat, die keine Dienstvereinbarung ist. Das Personalvertretungsrecht schreibt grundsätzlich nicht vor, dass Vereinbarungen zwischen Dienststelle und Personalrat nur in der Form einer Dienstvereinbarung zu treffen sind. Wenn es daher die Dienstvereinbarung nur in beschränktem Umfang, also nur dort, wo das Gesetz es ausdrücklich bestimmt, zulässt, so ist dem nicht zu entnehmen, dass darüber hinaus Vereinbarungen zwischen dem Dienststellenleiter und dem Personalrat ausgeschlossen sind. Allerdings entfalten Abreden, die keine Dienstvereinbarung sind und die allgemein als Dienstabsprachen bezeichnet werden, keine normative Wirkung auf den Inhalt der Dienstverhältnisse. Sie wirken unmittelbar lediglich im Sinne einer Selbstbindung zwischen der Dienststelle und dem Personalrat. Dienstvereinbarung und Dienstabsprache sind grundsätzlich Handlungsformen der Mitbestimmung des Personalrats. Dabei ist die Dienstvereinbarung das Rechtsinstitut für die innerbetriebliche Rechtsetzung. Neben Gesetz, Tarifvertrag und Dienstvereinbarung kann aber eine einheitliche Ordnung der für Arbeitnehmer maßgeblichen Arbeitsbedingungen auch durch arbeitsvertragliche Einheitsregelung, Gesamtzusage oder dienstliche Übung entstehen. Aus dem Vortrag des Klägers folgen aber weder konkrete Darlegungen wann, mit welchem Inhalt und unter welchen Voraussetzung sich die Beklagte Anstalt hinsichtlich einer Zeitgutschrift für das Abholen der Dienstkleidung selbst gebunden haben will. Auch ergibt sich aus dem Vortrag des Klägers nicht schlüssig, dass Ansprüche aufgrund arbeitsvertraglicher Einheitsregelung, Gesamtzusage oder dienstlicher Übung hinsichtlich einer Zeitgutschrift von 120 Minuten jährlich entstanden sein könnten.

4. Die Berufung des Klägers bleibt auch hinsichtlich der Zahlungsansprüche der Hilfsanträge zu 2. Und 3. erfolglos. Ansprüche auf Vergütung folgen weder aus § 611 BGB noch aus § 612 BGB, noch aus § 670 BGB, noch aus einer Selbstbindung des Arbeitgebers aus einer Dienstabsprache oder aufgrund arbeitsvertraglicher Einheitsregelung, Gesamtzusage oder dienstlicher Übung. Insoweit wird auf die Ausführungen zu 2. verwiesen. Dabei hat die Kammer unterstellt, dass sich aus den Regelungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeit überhaupt ein Zahlungsanspruch in der verlangten Höhe ergeben kann.

5. Die Berufung des Klägers ist auch hinsichtlich des Feststellungsantrages zu 4. ohne Erfolg. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts erweist sich der Feststellungsantrag bereits als unzulässig. Zwar hat das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt, dass sich eine Feststellungsklage auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken kann (sog. Elementenfeststellungsklage; vgl. BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - juris). Auch eine Feststellungsklage muss jedoch gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Streitgegenstand und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen sein (BAG 11. November 2009 - 7 AZR 387/08 - AP ZPO § 253 Nr. 50), so dass die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zwischen den Parteien entschieden werden kann. Dies folgt aus der Bestimmung des § 322 ZPO. Bei einer stattgebenden Entscheidung ist dafür notwendig, dass keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft besteht (BAG 23. Januar 2002 - 4 AZR 461/99 - juris). Bei einer Feststellungsklage sind grundsätzlich keine geringeren Anforderungen an die Bestimmtheit zu stellen als bei einer Leistungsklage (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 735/07 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Chemie Nr. 20). Das Feststellungsinteresse fehlt, wenn die begehrte Feststellung zu einer abschließenden Klarstellung des Streits nicht geeignet ist (BAG 27. Januar 2004 - 1 ABR 5/03 - BAGE 109, 227). Es mag unterstellt werden, dass der Kläger von der Beklagten überhaupt verlangt hat, dass er seine Dienstkleidung während der Dienst- bzw. Arbeitszeit abholen kann und die Beklagte dies nicht gestattet hat oder aber sich so verhalten hat, dass der Kläger von vornherein davon ausgehen musste, dass dies die Beklagte nicht gestatten werde. Der Feststellungsantrag des Klägers ist dennoch weder geeignet die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung zu entscheiden, noch ergäbe sich mit einer Stattgabe eine abschließende Klärung des Rechtsstreites. Der Kläger verlangt die Vergütung von Zeiten als Arbeitszeit in denen er auf die allgemeine Anweisung der Beklagten seine Dienstkleidung von einem von der Beklagten vorgegebenen Ort außerhalb seiner Dienstschichten abholt. Ganz ausschließlich geht es dem Kläger allerdings um die Frage der Vergütung und nicht um die zeitliche Lage der Abholung. Selbst wenn man den Antrag des Klägers konkretisierend insoweit auslegen wollte, dass er die Feststellung begehrt, er sei berechtigt seine Dienstkleidung innerhalb der vom Arbeitgeber festgelegten Dienstschichten abzuholen, wäre mit einer solchen stattgebenden Entscheidung nichts über die Vergütungspflicht dieser Tätigkeit gesagt. Denn eine Rechtsfolge dahingehend, dass alle Tätigkeiten, die ein Arbeitnehmer während seiner Dienstzeit bzw. Arbeitszeit ausführt in jedem Falle auch vergütungspflichtig sind, besteht nicht.

4. Der unterlege Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

5. Die Kammer hat die Revision für den Kläger zugelassen.