ArbG Essen, Urteil vom 07.08.2013 - 6 Ca 1164/13
Fundstelle
openJur 2014, 15670
  • Rkr:

---

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten werden der Klägerin auferlegt.

3. Streitwert: 4.000,00 €.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Auslegung des nicht gekündigten Manteltarifvertrages für das N. vom 1. Dezember 2011 (im Folgenden MTV2011).

Die Klägerin ist die tarifschließende und tarifzuständige Gewerkschaft, der Beklagte ist der tarifschließende Arbeitgeberverband.

Der MTV2011 enthält unter anderem die folgende Regelung:

"§ 4

Höhe der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

1.Mehrarbeit [...]

2.Nachtarbeit (s. § 3 Ziffer 2)20%

3. Arbeit an Sonn- und Feiertagen (s. § 3 Ziffer 3)

a)Arbeit an Sonntagen70%

b)Arbeit am 1. Mai, am Neujahrstag, an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen sowie in der dem 1. Weihnachtsfeiertag und dem Neujahrstag vorangehenden Nachtschicht 150%

c)Arbeit an den übrigen gesetzlichen Feiertagen 100%

d)Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höchste zu zahlen.

Beispiel 1:

Am Neujahrstag werden 7,4 Stunden gearbeitet, die gleichzeitig auch Mehrarbeit sind. Es entsteht ein Anspruch nach § 4 Ziff. 3 b) auf insgesamt 150 % Zuschlag, da der höchste Zuschlag gemäß Ziffer 4 d) Anwendung findet.

Beispiel 2: [...]"

Wegen der Einzelheiten wird auf den MTV2011 zu Bl. 30-50, insbesondere Bl. 36 d.A. Bezug genommen.

Der vorhergehende MTV aus dem Jahr 2003 (im Folgenden MTV2003) war in gleicher Weise formuliert. Der davor geltende Tarifvertrag aus 1987 (MTV1987) war wie dessen Vorgänger aus dem Jahr 1979 (MTV1979) wie folgt gefasst:

"§ 4

Höhe der Zuschläge für Mehr-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit

1.Mehrarbeit [...]

2.Nachtarbeit [...]

3. Arbeit an Sonn- und Feiertagen

a)Arbeit an Sonntagen70%

b)Arbeit am 1. Mai, am Neujahrstag, an den Oster-, Pfingst- und Weihnachtsfeiertagen sowie in der dem 1. Weihnachtsfeiertag und dem Neujahrstag vorangehenden Nachtschicht 150%

c)Arbeit an gesetzlichen Feiertagen mit Ausnahme der unter b)genannten 100%

4.Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge ist nur der jeweils höchste zu zahlen.

Beispiel 1:

Am Neujahrstag werden 7,4 Stunden gearbeitet, die gleichzeitig auch Mehrarbeit sind. Es entsteht ein Anspruch nach § 4 Ziff. 3 b) auf insgesamt 150 % Zuschlag, da der höchste Zuschlag gemäß Ziffer 4 d) Anwendung findet.

Beispiel 2: [...]"

Wegen der Einzelheiten wird auf die Auszüge aus dem MTV1987 zu Bl. 19-21 und aus dem MTV1979 zu Bl. 26 Bezug genommen.

Die Gewerkschaft ist der Auffassung, im MTV2011 regele § 4 Ziff. 3 d) nur das Zusammentreffen von Zuschlägen wegen Sonn- und Feiertagsarbeit mit anderen Zuschlägen, Soweit lediglich Nacht- und Mehrarbeit an einem Tag zusammenfielen, der kein Sonn- oder Feiertag ist, müssten sich die Zuschläge nach dem MTV2011 kumulieren. Der MTV2011 sei dahingehend auszulegen. Eine Auslegung sei nötig, da der Wortsinn "mehrere Zuschläge" in Ziff. 3 d) sowohl diejenigen in Ziff. 3 als auch diejenigen in Ziff. 1 und 2 meinen könne. Aus dem Gesamtzusmamenhang sei indes zu folgern, dass schon wegen der drucktechnischen Einrückung der Kollisionsregelung diese ebenso wie durch die Gliederungsnummer nur für die Ziff. 3 gelten könne. Ansonsten würde die besondere Erschwernis etwa der Sonntagsarbeit gegenüber dem Zusammentreffen von Mehr- und Nachtarbeit nicht mehr berücksichtigt werden. Die Tarifgeschichte zeige, dass vom MTV1987 auf den MTV2003 sich die Änderung ereignet habe, die im MTV2011 weiterhin enthalten ist.

Die Hinweise im "Beispiel 1" seien nicht zu verwerten, da dort auf eine "Ziffer 4 d)" Bezug genommen wird, die aber im MTV2011 in § 4 nicht existiert. Es handele sich insofern auch nicht um einen bloßen Formatierungsfehler, da nicht keine Anpassung im Beispiel 1 erfolgt sei, sondern durchaus der vermeintlich für die Regelung zutreffende Buchstabe "d)", wenn auch mit der falschen, nämlich alten, Ziff. "4" angegeben worden war.

Die Abrechnungspraxis sei von einer Addition der Zuschläge von Mehr- und Nachtarbeit ausgegangen. Erst kürzlich habe etwa das Unternehmen H. die Abrechnungspraxis umgestellt, was Auslöser für das vorliegende Verfahren gewesen sei, nachdem der Beklagte einen Hinweis an seine Mitglieder zur Auslegung des MTV2011 im Sinne der von der Gewerkschaft im hiesigen Verfahren verfolgten Rechtsauffassung ablehnte. Dass schon immer nicht im Sinne der von der Gewerkschaft vertretenen Rechtsauffassung abgerechnet wurde, hindere die dahingehende Auslegung des MTV2011 nicht.

Die Gewerkschaft beantragt,

festzustellen, dass Arbeitsleistungen, die sowohl Mehrarbeit nach § 3

Ziffer 1 des Manteltarifvertrages für das Metallbauerhandwerk, G. vom 1. Dezember 2011 als auch Nachtarbeit nach § 3 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages für das N., nicht aber Arbeit an Sonn- und Feiertagen bzw. am 24. Dezember und 31. Dezember ab 22.00 Uhr ist, sowohl mit Zuschlägen nach § 4 Ziffer 1 des Manteltarifvertrages für das N. vom 1. Dezember 2011 als auch mit Zuschlägen nach § 4 Ziffer 2 des vorgenannten Tarifvertrages abzugelten ist und nicht mit dem sich aus § 4 Ziffer 1 oder 2 jeweils ergebenden höheren Zuschlag.

Der Arbeitgeberverband beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Arbeitgeberverband ist der Auffassung, der Antrag sei bereits mangels hinreichender Bestimmtheit des Antrages unzulässig. Im Übrigen fehle es an einem Rechtsschutzbedürfnis, da kein konkreter Anlass für das Verfahren nach § 9 TVG bestehe. Ferner sei der Beklagte auch nicht passiv legitimiert, da die den Tarifvertrag anwendenden Firmen nicht seine Mitglieder seien, sondern in den entsprechenden Innungen organisiert wären, die wiederum Mitglieder des Beklagten seien. So sei etwa die Firma H. Mitglied der Metallinnung B..

Soweit dies überhaupt noch zu überprüfen wäre, sei der Antrag jedenfalls unbegründet. Eine Änderung der Abrechnungspraxis habe nicht stattgefunden, der MTV2011 sei immer so angewandt worden, wie auch die Vorgängertarifverträge. Es habe sich bei der Formatierung lediglich ein Redaktionsversehen ergeben, was dazu geführt habe, die streitgegenständliche Kollisionsregelung von Ziffer 4 nach Ziffer 3 d) umzuformatieren. Daher sei auch die alte Fassung vor 1997 neben der jeweils aktuellen ausgelegt worden. Dies werde dadurch gestützt, dass bei der Neufassung nicht über eine Änderung des Bezuges in der alten Regelung Ziffer 4. verhandelt worden ist, was sich auch daraus ergibt, dass in dem von der Klägerin seinerzeit gefertigten Verhandlungsentwurf die zu ändernden Punkte gegenüber dem alten MTV grau hinterlegt waren, nicht aber die faktisch von Ziffer 4. auf Ziffer 3 d) geänderte alte Ziffer 4.

Im Übrigen impliziere auch der Wortlaut der jetzigen Ziffer 3 d), wonach auf "mehrere Zuschläge" abgestellt wird, dass damit nicht allein auf Ziffer 3 Bezug genommen werden könne.

Die am 30.04.2013 beim Arbeitsgericht Essen eingegangene Klage ist dem Beklagten am am 05.05.29013 zugestellt worden. Wegen des weiteren Vorbringens, sowie wegen der Einzelheiten, wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

A. Die Zulässigkeit ist aus Sicht der Kammer gegeben.

I. Der Antrag ist nicht zu unbestimmt. Die klagende Gewerkschaft begehrt hier die Auslegung eines Tarifvertrages nach § 9 TVG

1. Aus der in § 9 TVG vorausgesetzten Möglichkeit von Tarifvertragsparteien, einen Prozess zur Feststellung eines abstrakten Rechtsverhältnisses zu führen, und der Bindungswirkung der darauf ergehenden gerichtlichen Entscheidung, ergeben sich bestimmte Anforderungen an die Zulässigkeit eines in einem solchen Rechtsstreit gestellten Antrages (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).

a. Hiernach sind rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte für Arbeitssachen, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus dem Tarifvertrag oder über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Tarifvertrages ergangen sind, in Rechtsstreitigkeiten zwischen tarifgebundenen Parteien sowie zwischen diesen und Dritten für die Gerichte und Schiedsgerichte bindend (ebenda). Diese Möglichkeit setzt voraus, dass Tarifvertragsparteien einen Rechtsstreit über die Feststellung eines klärungsfähigen und klärungsbedürftigen abstrakten Rechtsverhältnisses führen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10; BAG vom 04.07.2007 - 4 AZR 491/06). Diese besondere und insofern von der Zulässigkeitsvoraussetzung eines konkreten Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO abweichende Möglichkeit begründet keine eigenständige Klageart neben den in der Zivilprozessordnung vorgesehen Klagen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Sie spezifiziert lediglich die Zulässigkeitsvoraussetzungen in einem zwischen den Tarifvertragsparteien über Bestand oder Inhalt des von ihnen geschlossenen Tarifvertrages geführten Prozess (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).

b. § 9 TVG hat vorrangig den Zweck, die normative Wirkung des Tarifvertrages mit einer möglichst einheitlichen Auslegung von Tarifbestimmungen zu unterstützen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10; BAG vom 04.07.2007 - 4 AZR 491/06). Für den Fall, dass es in einer Verbandsklage um die Auslegung einer Tarifnorm geht, sind im Antrag der fragliche Tarifvertrag, die betreffende Tarifnorm sowie umstrittene Tarifbegriffe zu benennen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Sodann ist der von der klagenden Tarifvertragspartei als zutreffend angesehene Auslegungsschritt zu formulieren (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Die zwischen den Parteien zu entscheidende Rechtsfrage hat die Verbindung eines abstrakten Tarifbegriffs mit einem ausgelegten Tarifbegriff zum Gegenstand (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Auch letzterer muss jedoch abstrakt sein und darf sich nicht auf ein konkretes Rechtsverhältnis beziehen (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10; BAG vom 15.2..2010, 4 AZR 197/09). Das Gericht darf keine Subsumtion eines konkreten Sachverhaltes unter die auslegungsbedürftige Tarifnorm vornehmen müssen, um den Rechtsstreit zu entscheiden (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).

Da die erweiterte Bindungswirkung nur den Urteilstenor, nicht aber dessen Gründe umfasst, ist die von der klagenden Tarifvertragspartei gewählte Formulierung von maßgebender Bedeutung für die Bestimmung des Streitgegenstandes und die Reichweite der streitigen und zu klärenden Rechtsfrage (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10). Eine Auslegung des Antrages darf nicht dazu führen, dass über eine andere als die von der klagenden Partei gestellte Rechtsfrage mit erweiterter Bindungswirkung entschieden wird (BAG vom 18.04.2012, 4 AZR 371/10).

2. Diese Anforderungen erfüllt der Antrag. Die Gewerkschaft nimmt ausdrücklich Bezug auf den auszulegenden Tarifvertrag und formuliert mit ihrem Antrag hinreichend deutlich diejenige Auslegung, die sie als die zutreffende ansieht. Aus dem Antrag ist hinreichend deutlich erkennbar, dass die Gewerkschaft eine Auslegung des MTV2011 dahingehend gerichtlich festschreiben lassen möchte, dass eine Kumulation der Zuschläge für Mehr- und Nachtarbeit stattfindet, sofern diese nicht mit Zuschlägen für Sonn- oder Feiertagsarbeit zusammenfallen, und eben nicht über die Anwendung der Kollisionsregelung in Ziff. 3 d) nur der jeweils höchste Zuschlag wirksam wird.

II. Die Parteien sind für den Rechtsstreit nach § 9 TVG auch parteifähig, da es sich um die Tarifvertragsparteien des streitgegenständlichen Tarifvertrages handelt.

III. Es fehlt der Klägerin nicht an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag nach § 9 TVG. Unabhängig davon, ob tatsächlich ein Auslegungsstreit dadurch ausgelöst wurde, dass ein konkretes Unternehmen seine Abrechnungspraxis hin zu einer mit der Auslegung der Gewerkschaft nicht mehr konformen Anwendung des MTV2011 geändert hat, besteht jedenfalls Streit über dessen Auslegung. Die Gewerkschaft hat vom Beklagten die Information seiner Mitglieder im Sinne der Auslegung der Gewerkschaft erbeten. Eben das hat der Beklagte unter Verweis auf eine andere Auslegung abgelehnt, so dass jedenfalls hierdurch ein im Wege des Verfahrens nach § 9 TVG überprüfbarer Auslegungsstreit besteht.

B. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Tarifvertrag ist nicht im Sinne des Antrages auszulegen.

I. Der Beklagte ist zunächst passiv legitimiert. Parteien des Verfahrens nach § 9 TVG sind die Tarifvertragsparteien, also auch der Beklagte. Unabhängig davon, ob er selbst Mitgliedsunternehmen in einem bestimmten Sinne berät, oder ob dies die ihm wiederum angeschlossenen Metallinnungen tun, kann die Festschreibung einer bestimmten Auslegung nur gegenüber ihm als Tarifvertragspartei erfolgen (vgl. oben A. I.)

II. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08; BAG vom 19.2..2007, 4 AZR 670/06; BAG vom 07.07.2004, 4 AZR 433/03; BAG vom 08.09.1999, 4 AZR 661/98). Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08). Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat; abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08). Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen, bis hin zur Frage der Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08). Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 22.04.2010, 6 AZR 962/08).

III. Danach ist davon auszugehen, dass die Kollisionsregelung in Ziff. 3 d) des § 4 MTV2011 auch für die Zuschläge nach Ziff. 1. und 2. gelten sollte, so dass entgegen dem Auslegungsbegehren der Klägerin gerade ausschließlich der jeweils höhere Zuschlag zur Anwendung kommt.

1. Der Wortlaut ist zunächst nicht eindeutig. In der Regelung ist die Rede von "mehreren Zuschlägen" was vom Wortsinn sowohl auf Ziffer 3. allein, wie auch auf den gesamten § 4 bezogen sein könnte. Auch Ziffer 3. regelt ihrerseits nämlich "mehrere Zuschläge" da nicht nur zwischen Sonntagszuschlägen einerseits und Feiertragszuschlägen andererseits unterschieden wird, sondern sogar innerhalb des Feiertagszuschlages noch einmal zwischen verschiedenen Zuschlagsarten und -höhen.

2. Die Systematik hingegen suggeriert zwar ein Ergebnis im Sinne des Antrages dadurch, dass durch die Art der drucktechnischen Gestaltung als Unterpunkt der Ziffer 3. und auch deren systematische Eingliederung der Kollisionsregelung in Ziffer 3. als Unterpunkt d) ein Bezug allein zu den Sonn- und Feiertagszuschlägen erzeugt wird. Allerdings wird dies wiederum durch die anderen getroffenen Regelungen wieder durchbrochen. Insbesondere ergibt sich aus dem angeführten "Beispiel 1", dass die Tarifvertragsparteien zur Verdeutlichung des Regelungsgehaltes des § 4 MTV2011 einpflegten, dass bei einem Zusammentreffen von Mehrarbeit und Feiertagsarbeit gerade die Regelung nach Ziffer 3d) Anwendung finden sollte. Die Kollisionsregelung soll also erkennbar nicht lediglich innerhalb der Ziffer 3. wirken sondern insoweit eindeutig auch darüber hinaus, nämlich mindestens wenn Nacht- oder Mehrarbeitszuschläge mit Sonn- oder Feiertagszuschlägen zusammentreffen.

Aus der Systematik lassen sich indes keine Anhaltspunkte gewinnen, warum vor diesem Hintergrund die Regelung zwar entgegen ihrer optischen Eingliederung nicht auf Ziffer 3. beschränkt sein soll, gleichsam aber für den Konfliktfall des Zusammentreffens lediglich der Nacht- mit den Mehrarbeitszuschlägen keine Anwendung finden soll, so dass aus Sicht der Kammer damit gerade von einer dem Klageantrag entgegen gesetzten Auslegung von § 4 MTV2011 auszugehen ist.

3. Ein solches Ergebnis erschiene zudem als nicht mit Sinn und Zweck der Regelung vereinbar. Soweit evident die zusätzlichen Mühen, die durch die bezuschlagten Formen der Arbeitsleistung entstehen, belohnt werden sollen, erscheint es widersinnig, die zusätzlichen Mühen beim Zusammentreffen von Nacht- mit Mehrarbeit doppelt zu berücksichtigen, beim Zusammentreffen zusätzlich mit Sonntagsarbeit, dies aber wieder zu revidieren. So würde bei derartiger Auslegung etwa Mehrarbeit ab der 45. Stunde zur Nachtzeit zu einem Zuschlag von 50%+20%, mithin 70% führen, während durch die zusätzliche Belastung der Sonntagsarbeit wegen der dann unstreitig fehlenden Kumulierung weiterhin nur 70% anfallen würden.

4. Überdies wäre eine solche Auslegung auch nicht mit der Tarifgeschichte zu vereinbaren. Bis zum MTV2003 war die Kollisionsregelung als Ziffer 4. gleichberechtigt neben die unterschiedlichen Zuschlagsarten gestellt, so dass dies auf alle Zuschläge anzuwenden war. Die Änderung im Jahr 2003 war nicht Teil der Verhandlungen, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Tarifvertragsparteien diese Änderung bewusst erreichen wollten, um etwa das Zuschlagsystem neu zu gestalten. Dabei wäre zwar denkbar darauf zu verweisen, dass - nachdem die Umstrukturierung in der Folgezeit als Redaktionsversehen betrachtet wurde - die dann wiederum ungeänderte Übernahme vom MTV2003 in den MTV2011 als Ausdruck eines Gestaltungswillens der Tarifvertragsparteien zu verstehen. Dies erscheint der Kammer aber als eher fernliegend, würde doch eine zu jenem Zeitpunkt noch übereinstimmende, abweichende Auslegung durch die Tarifvertragsparteien keinen Handlungsbedarf auslösen.

C. Die Kosten waren der Klägerin nach §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO aufzuerlegen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, 3 ff. ZPO. Die Berufung war nach § 64 Abs. 3 Ziffern 1, 2 Buchst. b) ArbGG zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat und eine Rechtsstreitigkeit über die Auslegung eines über den Bezirk des hiesigen Arbeitsgerichtes hinaus geltenden Tarifvertrages betrifft.

RECHTSMITTELBELEHRUNG

Gegen dieses Urteil kann von der klagenden Partei Berufung eingelegt werden. Für die beklagte Partei ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich oder in elektronischer Form beim

Landesarbeitsgericht Düsseldorf

Ludwig-Erhard-Allee 21

40227 Düsseldorf

Fax: 0211-7770 2199

eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch ein qualifiziert signiertes elektronisches Dokument gewahrt, das nach Maßgabe der Verordnung des Justizministeriums über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Arbeitsgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO ArbG) vom 2. Mai 2013 in der jeweils geltenden Fassung in die elektronische Poststelle zu übermitteln ist. Nähere Hinweise zum elektronischen Rechtsverkehr finden Sie auf der Internetseite www.egvp.de.

Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach dessen Verkündung.

Die Berufungsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als Bevollmächtigte sind nur zugelassen:

1.Rechtsanwälte,

2.Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,

3.juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Eine Partei, die als Bevollmächtigte zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.

* Eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.

- Pletsch -

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte