LG Köln, Urteil vom 04.01.2013 - 22 O 244/10
Fundstelle
openJur 2014, 15525
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.051,83 € nebst 4 % Zinsen seit dem 21.01.1999 Zug um Zug gegen Rückübertragung der Aktien der Beklagten mit den folgenden Seriennummern zu zahlen: 300 Stück mit der Seriennummer ...#1, 40 Stück mit der Seriennummer ...#2, 20 Stück mit der Seriennummer ...#3.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte, die vor ihrer Umfirmierung im Mai 2010 unter dem Namen L, S, R auftrat, auf Rückzahlung einer getätigten Einlage in Anspruch.

Der Kläger beteiligte sich am 21.11.1999 nach einem Gespräch mit Herrn E, dessen Funktion zwischen den Parteien streitig ist, mit einem Betrag von insgesamt 28.350 DM an der Beklagten.

Am 21.11.1999 erhielt der Kläger eine Einzahlungsquittung. Am 03.04.2000 wurde dem Kläger gegen Rückgabe der Einzahlungsquittung eine Beteiligungsübersicht ausgehändigt, auf der festgehalten wurde, dass er 360 Anteilsscheine der Beklagten besitzt.

Der Kläger erhielt auf die Beklagte lautende Aktien ausgehändigt.

Der Kläger behauptet, bei Herrn E habe es sich um einen Mitarbeiter der Beklagten gehandelt, der im Namen der Beklagten aufgetreten sei und anlässlich des Anlagegespräches zugesichert habe, dass er, der Kläger über das Geld jederzeit verfügen könnte. Darüber hinaus habe er erklärt, dass die Geldanlage völlig risikolos sei. Das investierte Kapital könne jederzeit zurückverlangt werden. Nach einer entsprechenden Aufforderung würde er, der Kläger, das Geld spätestens innerhalb von drei Monaten zurückerhalten.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 11.05.2010 erklärte der Kläger die Kündigung gegenüber der Beklagten und verlangte Geld zurück. Als die Beklagte darauf nicht reagierte, erhob er mit bei Gericht am 22.06.2010 eingegangenem Schriftsatz die vorliegende Klage.

Der Kläger hat ursprünglich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 14.403,09 € verlangt. In der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2012 hat er die Klage mit Zustimmung des Beklagtenvertreters in Höhe von 687 DM (= 351,26 €) zurückgenommen.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 14.051,83 € nebst 4 % Zinsen seit dem 21.01.1999 Zug um Zug gegen Rückübertragung der Aktien der Beklagten mit den folgenden Seriennummern zu zahlen: 300 Stück mit der Seriennummer ...#1, 40 Stück mit der Seriennummer ...#2, 20 Stück mit der Seriennummer ...#3.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, bei dem Zeugen E habe es sich um einen selbständigen Vermittler, nicht aber um einen ihrer Mitarbeiter gehandelt. Sie bestreitet, dass Herr E die von dem Kläger vorgetragenen Zusicherungen gemacht habe.

Die Beklagte erhebt ausdrücklich die Einrede der Verjährung. Spätestens im Jahre 2000 habe die Klägerseite feststellen müssen, dass die Beklagte keine Renditen in der angeblich zugesicherten Höhe erwirtschaftet und ausgezahlt habe. Äußerst hilfsweise macht sie ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich der im Besitz des Klägers befindlichen Aktien geltend.

Soweit der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 14.135,00 € beantragt hat, handelt es sich offensichtlich um einen Berechnungsfehler, da der zurückgenommene Betrag (687 DM) einem Eurobetrag von 351,26 € entspricht.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.12.2012 (Bl. 187 d.A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig und begründet.

1. Für die Entscheidung über die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche aus unerlaubter Handlung sind die deutschen Gerichte gemäß § 32 ZPO international zuständig. Das Anlagegespräch hat nach dem Sachvortrag des Klägers in Bergneustadt stattgefunden mit der Folge, dass die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Köln gegeben ist (vgl. BGH, VI ZR 57/09 v. 23.03.2010).

2. Hinsichtlich der geltend gemachten Hauptforderung ist die Klage gemäß §§ 823 Abs. 2, 831 BGB in Verbindung mit § 263 StGB begründet. Die Beklagte ist dem Kläger zum Schadensersatz in Höhe des angelegten Betrags verpflichtet.

Das den §§ 57 Abs. 1, 71 AktienG inhaltlich entsprechende Verbot der Einlagenrückgewähr nach Art. 405, 329 des Türkischen Handelsgesetzbuches steht dem Schadensersatzanspruch nicht entgegen. Im Fall einer vorsätzlichen deliktischen Handlung hindert dieses Verbot die uneingeschränkte Schadensersatzpflicht der beklagten Aktiengesellschaft nicht (BGH NJW 2005, 2450, 2452 m.w.N.).

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Zeuge E den Kläger über wesentliche Umstände der Anlage getäuscht und ihn so zum Erwerb der Aktien veranlasst hat.

Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen T steht fest, dass der Zeuge E bei dem Anlagegespräch zugesichert hat, dass der Anlagebetrag jederzeit zurückverlangt werden könne. Der Zeuge T hat den Inhalt des Anlagegespräches nachvollziehbar geschildert. Der Umstand, dass der Zeuge T selbst Gelder bei der Beklagten angelegt hat, steht der Glaubhaftigkeit seiner Aussage nicht entgegen. Irgendwelche Belastungstendenzen waren der Aussage des Zeugen nicht zu entnehmen.

In der Zusage der jederzeitigen Rückzahlbarkeit der Anlage liegt eine arglistige Täuschung. Die Zusage war schon deshalb falsch, weil nach dem türkischen Aktienrecht eine Rückerstattung von Einlagen an Gesellschafter nicht zulässig ist und daher ein solcher Rückerstattungsanspruch auch nicht bestand. Über die fehlende Handelbarkeit der an die Kläger veräußerten Aktien hätte der Zeuge E aufklären müssen. Es ist dabei unerheblich, dass die Beklagte gegebenenfalls in einer Vielzahl von Fällen tatsächlich Aktien zurückgenommen und diese gegen Auszahlung des Anlagebetrages an andere Interessenten weiterveräußert hat. Denn dieses dem jeweiligen Anleger entgegenkommende Verhalten der Beklagten ist nicht mit einem gesicherten vertraglichen Rückerstattungsanspruch vergleichbar. Darauf kam es dem Kläger aber an, weil er einen Rechtsanspruch darauf haben wollte, das Geld von der Beklagten zurückfordern zu können. Selbst wenn dem Zeugen E das Verbot der Einlagenrückgewähr nach türkischem Recht nicht bekannt gewesen sein sollte, durfte er derartige Zusicherungen nicht "ins Blaue hinein" abgeben.

Die Beklagte haftet für das Verhalten des Zeugen E auch gemäß § 831 BGB. Nach den glaubhaften Bekundungen des Zeugen T ist der Zeuge E ausdrücklich für die Beklagte aufgetreten und hat sich als deren Mitarbeiter, unter anderem durch Vorlage einer Visitenkarte, ausgewiesen. Darüber hinaus verfügte er über die für das Anlagegeschäft erforderlichen Unterlagen, insbesondere die Aktien der Beklagten, die er an den Kläger ausgehändigt hat. Damit aber ist der Zeuge E mit Wissen und Wollen der Beklagten in deren Geschäftsbereich tätig geworden. Dass der Zeuge E als Selbständiger keinen Weisungen seitens der Beklagten unterworfener Vermittler tätig geworden sei, hat die Beklagte bereits nicht schlüssig dargelegt.

Dem Kläger ist auch ein Schaden in Höhe der getätigten Anlage entstanden. Der Schaden liegt in der völlig anderen Risikostruktur der tatsächlich getätigten Anlage gegenüber der von dem Zeugen E versprochenen Anlage (vgl. dazu BGH NJW 2006, 1679, Rdnr. 19). Denn tatsächlich erworben hat der Kläger eine hochspekulative Anlage eines nicht börsennotierten Unternehmens unter voller Beteiligung am unternehmerischen Risiko. Die Verurteilung hat, wie von dem Kläger auch beantragt, nur unter Berücksichtigung des Anspruches der Beklagten auf Rückgabe der Aktienurkunden zu erfolgen. Es war deshalb dementsprechend eine Zugum-Zug-Verurteilung auszusprechen.

Dem Schadensersatzanspruch des Klägers steht schließlich nicht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Ob dem Kläger vor Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 BGB a.F. jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände vorgeworfen werden kann, ist bei einem sogenannten Direktanlagefall, wie er hier gegeben ist, jedenfalls fraglich; dies kann im Ergebnis aber dahinstehen. Denn selbst wenn der Anspruch verjährt wäre, kann dieser immer noch gemäß § 852 BGB n.F. mit Erfolg geltend gemacht werden. Die Beklagte hat das eingezahlte Kapital erhalten und damit etwas aus einer unerlaubten Handlung erlangt. Eine Entreicherung der Beklagten im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB ist von der Beklagten bereits nicht schlüssig vorgetragen worden. Dafür, dass der Betrag wertmäßig im Vermögen der Beklagten nicht mehr vorhanden ist, fehlt ein genügender Sachvortrag der Beklagten.

Die zehn-Jahres-Frist des § 852 BGB n.F. hat gem. Art. 229 § 6 Abs. 4 S. 1 EGBGB erst mit dem 01.01.2002 zu laufen begonnen, so dass die klägerische Forderung bei Klageerhebung im Jahr 2010 noch nicht verjährt war.

2. Die Zinsentscheidung folgt aus den §§ 286 ff. BGB.

II. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

Streitwert: bis 16.000 €