VG Köln, Urteil vom 08.07.2014 - 7 K 4450/11
Fundstelle
openJur 2014, 15633
  • Rkr:
Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des BfArM vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Anbau von Cannabis zum Zweck der Eigentherapie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Am 26.01.2010 stellte der Kläger bei dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte - Bundesopiumstelle - einen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zum Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten über eine Apotheke.

Beigefügt war eine ärztliche Stellungnahme des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. U. N. vom 30.11.2009. Darin war ausgeführt, der Kläger leide seit über 20 Jahren an einem chronischen multiplen Schmerzsyndrom mit Übelkeit, Erbrechen, vegetativer Begleitsymptomatik, reaktiver Depression, Schlafstörungen und Facialisparese (Gesichtslähmung). Weder die bisher durchgeführten medikamentösen Therapien noch mehrere stationäre Aufenthalte in Schmerzkliniken inklusive operativer Eingriffe hätten eine wesentliche Besserung erbracht bzw. seien mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden gewesen. Beschwerdefreiheit habe nur bezüglich der Spannungskopfschmerzen erzielt werden können. Im Hinblick auf die übrigen Beschwerden habe nur die Kombination von verdampftem Cannabis mit einem Opioid in geringer Dosis (Oxycodon) eine hinreichende Schmerzreduktion bei tolerablen Nebenwirkungen erbracht. Als Dosierung wurde eine Tagesdosis von 0,3 - 0,6 g Cannabisblüten, also monatlich eine Menge von ca. 18 g empfohlen.

Ferner wurden Schreiben der Krankenkasse des Antragstellers vom 22.06.2009 und vom 05.02.2010 eingereicht, wonach die Kosten für das Arzneimittel "Marinol" nicht übernommen werden könnten.

Auf Anforderung des BfArM legte der Antragsteller außerdem Arztberichte über stationäre Aufenthalte in der Schmerzklinik Bad Mergentheim vom 08.04.1999, des Facharztes für Schmerztherapie Dr. L. T. vom 20.06.2000, des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie vom 03.12.2004 und der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München vom 07.08.1998 vor.

Unter dem 10.03.2010 erteilte das BfArM dem Kläger eine Erlaubnis für den Erwerb von Medizinal-Cannabisblüten bis zu einer 4-Wochen-Höchstmenge von Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC) von 3240 mg über eine Apotheke.

Mit Schreiben vom 09.06.2010 beantragte der Kläger eine Erlaubnis zum Anbau und zur Einfuhr von Cannabis sowie zur Einfuhr der Samen. Zur Begründung gab er an, die bisher aus der Apotheke bezogenen Cannabisblüten seien gut wirksam, aber zu teuer, so dass er sich diese auf Dauer nicht leisten könne. Ferner reichte er eine neue Dosierungsempfehlung seines Arztes vom 10.08.2010 ein, wonach der monatliche Bedarf an Cannabisblüten je nach Sorte zwischen 18 g und 54 g liege.

Mit Verfügung vom 15.03.2011 wurde der Antragsteller aufgefordert, detaillierte Angaben zu den vorgesehenen Sicherungsmaßnahmen sowie eine vergleichende Vollkostenrechnung hinsichtlich der Kosten des Anbaus und der Kosten des Erwerbs aus der Apotheke vorzulegen.

Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 08.05.2011 reduzierte der Kläger seinen Antrag vom 09.06.2010 auf den Anbau von Cannabis und präzisierte seine Angaben zu den Sicherungsmaßnahmen für den Anbau in einem abschließbaren Raum seiner Wohnung. Ferner wurde ein Vergleich der Kosten vorgelegt. Danach sollten die Kosten für den "genehmigten Jahresbedarf von 420 g" beim Erstanbau 886,20 Euro, für die folgenden Anbauphasen höchstens 340,20 Euro betragen. Demgegenüber verlange die jetzige Bezugsapotheke 70 € für eine 5-g-Packung, woraus sich für den Jahresbedarf von 420 g ein Betrag von 5.880,00 Euro ergebe.

Der Kläger sei nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, diese Kosten aufzubringen. Außerdem sei die Versorgungssicherheit nicht gewährleistet. Der Monopollieferant, der die Ware aus Holland importiere, habe in dem kurzen Zeitraum zwischen Dezember 2009 und Februar 2011 mehrfach wochenlange Lieferausfälle gehabt. Ferner seien teilweise Mindermengen abgepackt gewesen.

Am 11.08.2011 hat der Kläger Untätigkeitsklage erhoben mit dem Antrag, die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers vom 09.06.2010 auf Erteilung einer Erlaubnis für den Anbau von Cannabis zu bescheiden. Gleichzeitig hat der Kläger beantragt, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung der Hauptsache zu erlauben, in seiner Wohnung Hanf (Cannabis sativa) anzubauen, zu ernten und zur Behandlung seiner Schmerzsymptome zu verwenden (7 L 1173/11).

Mit Bescheid vom 16.08.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erlaubnis für den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Erlaubniserteilung stünden zwingende Versagungsgründe nach § 5 Abs. 1 BtMG entgegen. Die erforderliche Sicherung der Pflanzen während der Anbau- und Wuchsphase gemäß den BfArM-Richtlinien sei in einer Privatwohnung im vorliegenden Fall nicht möglich, § 5 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BtMG.

Der beantragte Anbau sei auch zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung nicht geeignet, § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG. Aufgrund von Schwankungen bei Wirkstoffgehalt und Qualität des Pflanzenmaterials bei einem Eigenanbau sei eine Dosierungsempfehlung nicht möglich und Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen, auf die nicht zielgerichtet reagiert werden könne.

Schließlich stehe die beantragte Erlaubnis in Widerspruch zu Art. 28 i.V.m. Art. 23 des Einheitsübereinkommens von 1961 über Suchtstoffe (ÜK 1961), da der Anbau auch zu medizinischen Zwecken der Anwendung des Kontrollsystems und der Einrichtung einer Cannabisagentur zum Aufkauf der Ernte bedürfe. Die Bundesrepublik verfüge aber nicht über eine staatliche Cannabis-Agentur.

Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung müssten die Interessen des Klägers gegenüber dem Interesse Deutschlands an der Einhaltung der internationalen Verpflichtungen und der Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs zurücktreten. Ein Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis für den Anbau bestehe schon deshalb nicht, weil der Kläger die grundsätzliche Möglichkeit zum Erwerb von niederländischem Medizinalhanf habe. Darüber hinaus bestünden bei der Therapie mit selbst angebautem Cannabis gesundheitliche Risiken wegen des schwankenden Wirkstoffgehalts, die gegen die Erteilung der Anbauerlaubnis sprächen.

Mit Beschluss der Einzelrichterin vom 13.09.2011 - 7 L 1173/11 - wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabis zur medizinischen Selbstversorgung glaubhaft gemacht habe. Denn er habe derzeit eine zumutbare Alternative zur Behandlung seiner Schmerzen, weil er die erforderliche Cannabismenge aufgrund der erteilten Erlaubnis des BfArM über die Apotheke aus Holland beziehen könne. Er habe bisher nicht glaubhaft gemacht, dass seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Erwerb des Medizinalhanfs nicht ausreichend sei.

Gegen den Beschluss legte der Kläger am 27.09.2011 Beschwerde ein. Im Beschwerdeverfahren wurde ein Arztbericht des behandelnden Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. med. U. N. vom 30.11.2011 vorgelegt (Bl. 76 d.A.). Danach sei der gesundheitliche Zustand des Klägers gegenüber dem Facharztbericht vom 30.11.2009 unverändert. Die zur Schmerzbekämpfung erforderliche Dosis an Cannabisblüten sei anhand des klinischen Schmerzverlaufs bestimmt worden. Jedoch könne der Kläger sich derzeit von seinen Ersparnissen nur eine nicht ausreichende Menge von 2-5 mal 5 g Cannabisblüten aus der Apotheke leisten. Daher benutze er Tabak zur Verstärkung der Wirkung.

Durch Beschluss des OVG NRW vom 16.11.2011 - 13 B 1199/11 - wurde die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen. In der Begründung führte das Gericht u.a. aus, der Kläger habe nach summarischer Prüfung einen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis nicht glaubhaft gemacht. Es sei keine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen, weil dem Kläger eine zumutbare und erschwingliche Behandlungsalternative in der Form des Erwerbes von Medizinalhanf aus der Apotheke zur Verfügung stehe.

Der Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung der Erlaubnis zum Anbau von Cannabis vom 06.09.2011 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2011 zurückgewiesen. Der Kläger erklärte mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 10.12.2011, dass sich die Klage nunmehr auch gegen den Widerspruchsbescheid vom 30.11.2011 richte.

Zur Begründung seiner Klage stützt sich der Kläger im Wesentlichen auf den Vortrag aus dem Eilverfahren. Im Einzelnen trägt er vor, die Verwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken sei nach der gesetzlichen Änderung der Anlagen zum BtMG nicht mehr erlaubnispflichtig. Denn der Kläger benötige den Stoff ausschließlich "zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken" und damit falle auch der Anbau zur Eigentherapie unter die Ausnahmebestimmung der Anlage II zum BtMG. Selbst wenn diese Ausnahmebestimmung nicht anwendbar sei, verstoße das Umgangsverbot bei Schmerzpatienten gegen die Menschenwürde und sei eindeutig verfassungswidrig, zumal es keine validen Belege für die Gefährlichkeit des Hanfkonsums gebe.

Der Kläger habe einen Anspruch auf die medizinische Behandlung seiner Schmerzen mit Cannabisblüten. Der Einsatz von Cannabis bei der Indikation "chronische neuropathische Schmerzen" sei wissenschaftlich anerkannt, beispielsweise in den Niederlanden durch das Gesundheitsministerium akzeptiert. Auch in Deutschland gebe es kontrollierte klinische Studien zur Verwendung von Cannabis bei dieser Indikation. Ein vergleichbar wirksames Mittel gegen seine Dauerschmerzen gebe es nicht.

In einem aktuellen Arztbrief vom 05.12.2013 bestätigte der behandelnde Arzt des Klägers, dass die bereits 2009 und 2012 diagnostizierten Symptome (chronisches Schmerzsyndrom, Arthritis beider Knie und anderer Gelenke, Osteopathie, Posttraumatische Belastungsstörung - PTBS - und Tinnitus) unverändert vorlägen und eine medizinische Nutzung von Cannabis indizierten. Der aktuelle Bedarf liege bei ca. 45 g Medizinalhanf. Jedoch könne der Kläger nur 15 g finanzieren und dies nicht dauerhaft. Die PTBS erfordere nach internationalen Studien eine höhere Cannabinoid-Dosierung als das Schmerzsyndrom.

Versagungsgründe stünden der Erlaubnis nicht entgegen. Insbesondere könne die Sicherheit und Kontrolle des Anbaus gewährleistet werden. Die vom BfArM herangezogenen Richtlinien zu den Sicherheitsanforderungen beim Anbau von Cannabis seien ersichtlich für den gewerbsmäßigen Betäubungsmittelverkehr bestimmt und auf den kleinteiligen, vollständig kontrollierbaren Eigenanbau nicht anwendbar. Im Übrigen sei der Kläger bereit, alle vom BfArM vorgeschriebenen Sicherungsmaßnahmen ergreifen.

Auch die Therapiesicherheit spreche nicht gegen die Erteilung der Erlaubnis. Die Behauptung des BfArM, dass selbst gezogene Hanfblüten undefinierte Qualitäten und Wirkstoffgehalte hätten, sei unzutreffend. Vielmehr entstünden bei dem vorgesehenen Anbau in einem klimatisierten Raum aus Stecklingen einer Mutterpflanze unter gleichen Anbaubedingungen (Substrat, Licht, Temperatur) immer gleiche Mengen mit gleichen Wirkstoffgehalten.

Das Einheits-Übereinkommen über Suchtstoffe von 1961 stehe einer Erlaubniserteilung nicht entgegen. Der Anbau für die Eigentherapie falle nicht unter dieses Übereinkommen. Dies ergebe sich auch aus dem im Beschwerdeverfahren vorgelegten Kurzgutachten von Prof. Dr. Lorenz Böllinger vom 28.04.2010.

Jedenfalls müsse der Ansehensverlust der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Verletzung von Grundrechten des Klägers zurücktreten. Es verstoße gegen die Menschenwürde des Klägers, wenn ihm die Beklagte den einzigen Ausweg, nämlich den Eigenanbau des benötigten Schmerzmedikamentes vorenthalte. Demgegenüber könne der Kläger nicht auf den unsicheren und unerschwinglichen Bezug von Cannabisblüten aus der Apotheke verwiesen werden. Der derzeitige Monatsbedarf liege laut Arztbericht vom 05.12.2013 bei 45 g, sodass monatliche Kosten in Höhe von 652,50 Euro anfielen. Diesen Betrag könne der Kläger nur teilweise aufbringen. Im Übrigen sei er gezwungen, die Hanfblüten mit Tabak zu strecken bzw. seine Schmerzen mangels ausreichender Medikation zu ertragen.

Die Einkommens- und Vermögenslage des Klägers habe sich deutlich verschlechtert. Aus der selbständigen Tätigkeit als Informatiker habe der Kläger keine nennenswerten Einkünfte erzielen können. Die Ersparnisse und Wertpapiere seien weitgehend verbraucht. Erst nach vollständiger Aufzehrung dieser Rücklagen könne der Kläger mit Aussicht auf Erfolg Leistungen der Grundsicherung beantragen. Zu diesen Angaben hat der Kläger entsprechende Unterlagen im PKH-Verfahren vorgelegt.

Die Cannabisblüten aus der Apotheke seien auch nicht immer verfügbar. Laut Mitteilung des Lieferanten "Fagron" vom 25.11.2013 sei seinerzeit die Sorte "Bedrocan" nicht lieferbar gewesen.

Mit Schreiben vom 31.01.2013 erklärte die Krankenkasse des Klägers, dass sie befristet bis zum 31.12.2014 die Kosten für eine private Verordnung des Arzneimittels "Marinol" übernehme. Mit Schreiben vom 07.11.2013 teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers unter Vorlage eines Arztberichtes vom 29.04.2013 mit, dass die Behandlung mit Marinol mangels Erfolges habe abgebrochen werden müssen. Aus dem Arztbrief von Dr. U. N. vom 29.04.2013 geht hervor, dass mit Marinol trotz Dosissteigerung auf 7,5 mg Einzeldosis keine vergleichbare Schmerzlinderung und Konzentrationsverbesserung sowie Linderung der Schlafstörungen erreicht werden konnten. Weitere Dosissteigerungen seien wegen einer Zunahme der Nebenwirkungen nicht möglich gewesen.

Ferner wurde ein Schreiben der Krankenkasse des Klägers vom 27.05.2013 vorgelegt, mit dem diese erklärte, dass eine Umstellung von "Marinol" auf "Sativex" nicht erfolgen könne, da es zurzeit keine Daten aus klinischen Studien der Phase III gebe, die die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Sativex bestätigten.

Mit Schreiben vom 02.01.2014 bestätigte die Krankenkasse des Klägers weiterhin, dass sie die Kosten für den Erwerb von Medizinalhanf (Cannabis Flos) nicht übernehmen könne.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 zu verpflichten, dem Kläger eine Erlaubnis für den Anbau von Cannabispflanzen zu erteilen,

hilfsweise,

über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Erlaubnis zum Anbau von Cannabispflanzen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Begründung der während des Verfahrens ergangenen Bescheide und trägt ergänzend vor, der Therapieversuch mit Marinol im April 2013 werde inhaltlich vom BfArM nicht beanstandet. Da dem Kläger auch weiterhin keine Therapiealternativen zur Verfügung stünden, werde die bestehende Erlaubnis für den Erwerb von Medizinalhanf nicht in Frage gestellt. Der Kläger habe jedoch, wie ausgeführt, keinen Anspruch auf die Erteilung einer Erlaubnis für den Anbau.

Der Anbau von Cannabis sei auch nach der Änderung der Anlagen zum BtMG erlaubnispflichtig. Denn die Ausnahme vom Verkehrsverbot in der Anlage II zum BtMG betreffe nur die "Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken", nicht aber den Anbau. Im Übrigen sei mit der "Herstellung von Zubereitungen" nach den Motiven des Gesetzgebers nur die Herstellung von Fertigarzneimitteln gemeint.

Eine offenkundige Verfassungswidrigkeit des Verkehrsverbotes für Cannabis sei nicht gegeben. Vielmehr beruhe die Entscheidung des Gesetzgebers auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, die der Kläger nicht widerlegt habe.

Der Erlaubnis für den Anbau stünden zwingende Versagungsgründe entgegen. Insbesondere seien die erforderlichen räumlichen Sicherungsmaßnahmen nicht getroffen worden, § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG. Auf Anforderung des Gerichts hat das BfArM die "Richtlinien über Maßnahmen zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten bei Erlaubnisinhabern nach § 3 BtMG" mit Stand vom 01.01.2007 vorgelegt (Bl. 84 d.A.). Nach Auffassung des BfArM sind diese Richtlinien, die der Einheitlichkeit und Transparenz der Sicherungsmaßnahmen dienten, auch beim Eigenanbau zu therapeutischen Zwecken zu beachten. Die Anforderungen richteten sich nach dem Gefährdungsgrad und der Bestands- oder Jahreshöchstmenge des betreffenden Betäubungsmittels. Da sich Cannabis in der Sicherungsklasse S 3 befinde, erfordere bereits der Anbau einer einzigen Cannabispflanze mit einem Gewicht über 100 g eine Sicherung nach Ziff. 1 und 2 der Richtlinie. Es sei daher für die Anbau- und Wuchsphase eine Raumsicherung nach Ziff. 2 sowie für die Lagerung ein Wertschutzschrank nach Ziff. 1 der Richtlinie erforderlich.

Wenn diese Richtlinien keine Anwendung finden sollten, wäre jedenfalls eine weitere Prüfung der Sicherheitslage, ggfs. unter Inaugenscheinnahme der konkreten örtlichen Gegebenheiten durch das BfArM erforderlich. Wegen der Mannigfaltigkeit der hierbei zu beachtenden Kriterien könnten die Anforderungen an die Sicherung des Cannabisanbaus in einer Privatwohnung nicht pauschal definiert werden. Eine Anordnung von Nebenbestimmungen zur Gewährleistung der Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs sei nicht ausreichend.

Der Eigenanbau von Cannabis sei auch zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung des Klägers weder geeignet noch notwendig, § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG. Wegen des schwankenden Wirkstoffgehalts beim Eigenanbau sei die Einhaltung einer vom Arzt verordneten Dosierungsempfehlung nicht möglich und damit die erforderliche Therapiesicherheit nicht gewährleistet. Der Wirkstoffgehalt von selbst angebautem Cannabis werde nicht nur durch die Klimatisierung des Raums und die Wahl der Stecklinge bestimmt, sondern durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst. Zwar schwanke auch der Wirkstoffgehalt des Apothekencannabis. Diese Schwankungen hielten sich aber innerhalb zulässiger und bekannter Spezifikationen, die von dem holländischen Lieferanten regelmäßig geprüft und eingehalten würden. Der Eigenanbau sei daher keine gleichwertige Alternative zum genehmigten Erwerb von Apothekencannabis.

Ferner stehe der Erlaubniserteilung das Internationale Suchtstoffübereinkommen von 1961 entgegen, das die Errichtung einer staatlichen Cannabisagentur bei einer Genehmigung des Anbaus von Cannabis erfordere. Dies gelte auch für den Anbau im geringen Umfang zum Zweck der Eigentherapie, wie der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) auf eine Anfrage des BfArM im Schreiben vom 30.07.2010 bestätigt habe. Eine Erlaubniserteilung ohne die Existenz einer Cannabis-Agentur würde dem internationalen Ansehen der Bundesrepublik Deutschland erheblichen und unvertretbaren Schaden zufügen. Hierbei sei auch die international große drogenpolitische Bedeutung des Themas "Cannabis" zu berücksichtigen. Diese Gesichtspunkte überwögen gegenüber dem Interesse des Klägers an einer Erlaubnis zum Eigenanbau. Hierbei gehe es nicht grundsätzlich um die Frage des Einsatzes von Cannabis zu medizinischen Zwecken, sondern um die spezielle Art des Betäubungsmittelverkehrs, nämlich den Anbau, bei dem eine effektive Kontrolle über den Umfang des Anbaus und der Lagerbestände nicht gegeben sei.

Die Interessen des Klägers seien dagegen gewahrt, weil dem Kläger die Cannabis-Therapie grundsätzlich und auch tatsächlich aufgrund der Genehmigung zum Erwerb des Medizinalhanfs aus der Apotheke zur Verfügung stehe. Die beanstandeten Lieferengpässe bei dem Lieferanten Fagron könnten aufgrund der von Mitarbeitern des BfArM geführten Gespräche als behoben gelten. Schließlich stünden auch die erwähnten Aspekte der Therapiesicherheit sowie der Sicherheit der Kontrolle der Cannabispflanzen während der Blühphase der Erteilung der Erlaubnis entgegen.

Auf Anfrage des Gerichts hat das BfArM zur internationalen Handhabung des Cannabisanbaus mitgeteilt, dass lediglich die Gesetzeslage in Uruguay und in den US-Bundesstaaten Colorado (2013) und Washington (2012) den Anbau und Gebrauch von Cannabis zu Genusszwecken erlaubten. Dies habe der Internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) in seinem Jahresbericht 2013 mehrfach gerügt. Hierbei obliege die Kontrolle in Uruguay einer neu einzurichtenden Cannabisagentur; in den US-Bundesstaaten erfolge der Vertrieb über lizensierte Verkaufsstellen.

Einen behördlich erlaubten Anbau zu medizinischen Zwecken gebe es in den folgenden Ländern: Israel, Kanada, Niederlande, Österreich, Tschechische Republik, USA (21 von 50 Bundesstaaten) und Vereinigtes Königreich. Die Niederlande verfügten über eine staatlich eingerichtete Cannabis-Agentur. Ob die anderen Länder ebenfalls über eine staatliche Cannabis-Agentur verfügten, sei nicht bekannt.

Jedoch sei anzunehmen, dass die Kontrollaufgaben nach dem ÜK 1961 dort von bereits bestehenden Behörden ausgeübt würden. In welcher Form diese Kontrolle erfolge, sei nicht bekannt und scheine auch zu divergieren. Jedenfalls sei in diesen Ländern anscheinend kein Eigenanbau durch Privatpersonen erlaubt, sondern lediglich durch staatlich kontrollierte Stellen bzw. Unternehmen. Das INCB fordere in seinem Bericht 2013 mehrfach, dass auch die Nutzung von Cannabis zu medizinischen Zwecken mit dem ÜK in Einklang stehen müsse.

Seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Mai 2005 sei insgesamt 299 Personen eine Erlaubnis zum Erwerb von Medizinalhanf erteilt worden. Derzeit verfügten noch 270 Patienten über eine solche Erlaubnis. Anträge auf Zulassung von Fertigarzneimitteln mit einem cannabishaltigen Wirkstoff lägen dem BfArM aktuell nicht vor. Der Stellungnahme des BfArM waren Auszüge aus dem Jahresbericht 2013 des INCB und weitere Unterlagen und Presseberichte über die Rechtslage in der Tschechischen Republik, in den Niederlanden, in Uruguay, in Österreich, in Israel und Colorado beigefügt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge sowie auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens, des Verfahrens 7 K 4447/11 und der Eilverfahren 7 L 1172/11 und 7 L 1173/11 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage war ohne die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens als Untätigkeitsklage nach § 75 Satz 1 VwGO zulässig, da die Beklagte ohne zureichenden Grund nicht innerhalb angemessener Frist über den Antrag des Klägers vom 09.06.2010 entschieden hat. Der Ablehnungsbescheid erging erst am 16.08.2011 und damit mehr als 14 Monate nach der Antragstellung. Bei Erhebung der Untätigkeitsklage am 11.08.2011 waren bereits mehr als drei Monate nach Antragstellung verstrichen, § 75 Satz 2 VwGO. Auch wenn man auf den Eingang des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers mit den nachgeforderten Angaben am 10.05.2011 abstellt, mit dem der Antrag ergänzt wurde, waren bei Klageerhebung am 11.08.2011 mehr als 3 Monate vergangen. Ein zureichender Grund für die lange Bearbeitungszeit ist weder vorgetragen noch aus dem Verwaltungsvorgang ersichtlich.

Soweit der Kläger hilfsweise die Neubescheidung seines Antrages auf Erteilung einer Erlaubnis für den Anbau von Cannabis zur Eigentherapie und Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide des BfArM beantragt hat, ist die Klage begründet. Der Bescheid des BfArM vom 16.08.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.11.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis, vorbehaltlich einer noch vom BfArM zu treffenden Ermessensentscheidung über die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen in Form einer Nebenbestimmung zur Erlaubnis. Da diese Ermessensentscheidung noch nicht vorliegt, ist der Hauptantrag auf Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung der Erlaubnis noch nicht spruchreif, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, und war daher als unbegründet abzuweisen.

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide ist nach allgemeinen Grundsätzen im Fall der Verpflichtungsklage die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgebend. Aus dem anwendbaren materiellen Recht, also den Vorschriften des Betäubungsmittelgesetzes, ergeben sich keine Gründe für die Berücksichtigung eines anderen Zeitpunktes.

Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist die Klage hinsichtlich des Hilfsantrages begründet. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für den Anbau von Cannabis, die sich aus § 3 Abs. 2 BtMG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG unter Berücksichtigung einer verfassungskonformen Auslegung ergeben, sind erfüllt. Versagungsgründe nach § 5 Abs. 1 oder Abs. 2 BtMG stehen der Erlaubniserteilung nicht entgegen bzw. können durch Nebenbestimmungen zur Erlaubnis beseitigt werden. Die Kammer ist auch zu der Auffassung gelangt, dass das in § 3 Abs. 2 BtMG eingeräumte Ermessen der Beklagten im vorliegenden Verfahren auf Null reduziert ist, weil nur die Erteilung der Erlaubnis den grundrechtlich geschützten Interessen des Klägers gerecht werden kann und damit allein rechtmäßig ist. Lediglich hinsichtlich der Auswahl der noch anzuordnenden Sicherungsmaßnahmen steht dem BfArM noch Ermessen zu.

Nach § 3 Abs. 2 BtMG kann das BfArM eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen. Der Anbau von Hanfpflanzen zur medizinischen Selbstversorgung fällt unter die Anlage I des BtMG und bedarf daher einer Erlaubnis des BfArM.

Nach der Anlage I zu § 1 Nr. 1 BtMG zählt Cannabis grundsätzlich zu den nicht verkehrsfähigen Betäubungsmitteln, für die eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG nur im Ausnahmefall erteilt werden kann. Die in der Anlage I unter a) bis d) zu Cannabis aufgeführten Ausnahmetatbestände liegen offensichtlich nicht vor. Auch die mit der 25. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften vom 11.05.2011 (BGBl. I, S. 821) eingeführte Ausnahme e) "zu den in den Anlagen II und III bezeichneten Zwecken" greift nicht ein. Cannabis in Zubereitungen, die als Fertigarzneimittel zugelassen sind (Anlage III), ist hier nicht betroffen. Auch sind die Hanfpflanzen, die der Kläger anbaut, nicht "zur Herstellung von Zubereitungen zu medizinischen Zwecken" bestimmt (Anlage II). Denn diese Ausnahme bezieht sich nach der Gesetzesbegründung ausschließlich auf die Herstellung von Zubereitungen mit dem Ziel der Herstellung eines Fertigarzneimittels,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - und Beschluss vom 16.11.2011 - 13 B 1199/11 - juris.

Die für den Anbau von Cannabispflanzen geltende Erlaubnispflicht in Verbindung mit der hieran anknüpfenden Strafbarkeit bei Fehlen der Erlaubnis begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, sofern für die Erteilung der Erlaubnis die in der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.05.2005 - 3 C 17.04 - geltenden Kriterien berücksichtigt werden. Denn die Gefährlichkeit des Cannabisgenusses ist auch nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen, insbesondere für bestimmte Risikogruppen wie Jugendliche, nicht widerlegt, und rechtfertigt daher nach wie vor das grundsätzliche Verkehrsverbot,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16.11.2011 - 13 B 1199/11 - und VG Köln, Beschluss vom 13.09.2011 - 7 L 1172/11 - .

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 - u. a., BVerfGE 90, 145, 187 die Verfassungsmäßigkeit des strafbewehrten Cannabisverbots bejaht und ausgeführt, dass nach dem seinerzeitigen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand mit dem Cannabisgenuss beträchtliche Gefahren und Risiken für die Gesundheit des einzelnen und der Bevölkerung, vor allem der jugendlichen Bevölkerung, verbunden seien. Insbesondere könne ein Dauergenuss in hoher Dosierung - eventuell im Zusammenwirken mit anderen Ursachen - zu Toleranzbildung, psychischer Abhängigkeit und weiteren psychischen Störungen führen und damit die Persönlichkeitsentwicklung von Jugendlichen beeinträchtigen. Ein "Umsteigeeffekt" auf härtere Drogen sei in Einzelfällen nicht auszuschließen. Ein akuter Cannabisrausch beeinträchtige in erheblichem Maß die Fahrtüchtigkeit und damit die Sicherheit des Straßenverkehrs. Die generelle Ungefährlichkeit von Cannabis sei wissenschaftlich nicht gesichert.

An dieser Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in den Beschlüssen vom 29.06.2004 - 2 BvL 8/02 - , DVBl. 2004, 1108, vom 30.06.2005 - 2 BvR 1772/02 - , PharmR 2005, 374 und vom 15.08.2006 - 2 BvR 1441/06 - , juris, festgehalten.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil vom 21.12.2000 - 3 C 20/00 - , NJW 2001, 1365, dieser Rechtsprechung angeschlossen und ausgeführt, dass auch die nach dem Ergehen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1994 erzielten Forschungsergebnisse bisher nicht den Beweis einer generellen Unbedenklichkeit von Cannabis erbracht hätten. Diese Auffassung wurde im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.10.2006 - 3 B 109.06 - bestätigt.

Im vorliegenden Verfahren wurden keine aktuellen Forschungsergebnisse benannt, die eine günstigere Einschätzung des Risikopotentials von Cannabis rechtfertigen würden. Sogar von den Befürwortern einer allgemeinen Freigabe des Cannabiskonsums oder zumindest einer Freigabe für medizinische Zwecke wird eingeräumt, dass insbesondere der hochdosierte Dauergenuss nicht unerhebliche Risiken für bestimmte Bevölkerungsgruppen, insbesondere für Jugendliche oder Personen mit einer instabilen Psyche birgt,

vgl. Krumdiek, "Cannabis sativa L. und das Aufleben alter Vorurteile", NStZ 2008, 437, 444; Grotenhermen/Müller -Vahl, "Das therapeutische Potenzial von Cannabis und Cannabinoiden", Deutsches Ärzteblatt 2012, 495, 498 f..

Ein Gelegenheitskonsum wird zwar, insbesondere bei erwachsenen Konsumenten, in der Regel als gesundheitlich unproblematisch angesehen. Jedoch können die erwünschten psychischen Wirkungen des akuten Cannabisrausches, z. B. Entspannung, Gelassenheit, Leichtigkeit, Euphorie, Intensivierung von Wahrnehmung und Gemeinschaftserleben, auch in seltenen Fällen in das Gegenteil umschlagen und zu vorübergehenden Angstzuständen, Verwirrung, Halluzinationen, Erinnerungslücken, Übelkeit und Schwindel führen.

Bedeutsamer sind aber die dauerhaften Folgen eines Cannabiskonsums. Trotz teilweise widersprüchlicher Forschungsergebnisse ist heute anerkannt, dass ein dauerhafter und hochdosierter Cannabiskonsum mit psychischen, sozialen und körperlichen Risiken, insbesondere bei dafür anfälligen Personen, verbunden sein kann.

Es kann sich bei ca. 4 - 7 % der Konsumenten eine psychische und eine milde körperliche Abhängigkeit entwickeln. Bei einem Entzug können daher leichte Symptome wie innere Unruhe, Reizbarkeit, Angst, Schlafstörungen, Schweißausbrüche entstehen, die den Symptomen eines Nikotinentzuges ähnlich sind und eine Beendigung des Konsums erschweren. Die Sicherstellung des Konsums kann daher im Alltagsleben eine erhebliche Bedeutung gewinnen und andere Aufgaben in den Hintergrund drängen.

Cannabisabhängigkeit kann insbesondere bei Jugendlichen und bei Vorliegen persönlicher und sozialer Risikofaktoren in Zusammenhang mit Leistungsproblemen in Schule und Beruf sowie familiären und finanziellen Schwierigkeiten stehen, wobei die Kausalität von Cannabis nicht eindeutig geklärt ist. Es spricht einiges dafür, dass dauerhafter Cannabiskonsum, insbesondere bei Jugendlichen oder bei Personen mit entsprechender Disposition den Ausbruch einer Schizophrenie auslösen oder beschleunigen kann.

Derartige Fälle sind allerdings selten.

Hochdosierter regelmäßiger Cannabiskonsum schädigt die Lungenfunktion und erhöht das Krebsrisiko, jedenfalls in der verbreiteten Verbindung mit Tabakrauch. Zu den akuten Wirkungen von Cannabis gehört auch eine Erhöhung der Herzfrequenz und des Blutdrucks. Der Cannabisgenuss kann daher für Herz/Kreislauf-Patienten gefährlich sein. Ferner hat Cannabiskonsum eine Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit zur Folge (Aufmerksamkeit, Konzentration, Lernfähigkeit, Gedächtnis), wobei noch ungeklärt ist, ob diese Folgen bei Beendigung des Genusses reversibel sind. Einige Studien weisen darauf hin, dass das nicht ausgereifte Gehirn von Jugendlichen durch die Wirkungen von Cannabis dauerhaft geschädigt werden kann. Nicht auszuschließen ist ein Einfluss auf das Hormon- und Immunsystem, was in der Pubertät zu Entwicklungsverzögerungen führen kann,

vgl. Grotenhermen/Müller-Vahl, "Das therapeutische Potential von Cannabis und Cannabinoiden", Deutsches Ärzteblatt 2012, 495, 498; "Cannabis-Wirkung, Nebenwirkungen und Risiken"; http:// hanfverband.de, Abruf vom 25.06.2014; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V., "Illegale Drogen", Cannabis, http:// www.dhs.de, Abruf vom 24.06.2014; Sonnenmoser, "Cannabiskonsum: Für Jugendliche besonders riskant", 2008, http:// www.aerzteblatt.de, Abruf vom 23.06.2014; Leitlinien der Dt. Ges. für Suchtforschung und Suchttherapie und der Dt. Ges. f. Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, "Cannabisbezogene Störungen", AWMF online, http://www.uniduesseldorf.de, eingestellt am 18.12.2006; Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Drugcom: Drogenlexikon: Cannabis, http://www.drugcom.de, Abruf vom 18.06.2014.

Das Risikopotential von Cannabis wird bestätigt durch die Inanspruchnahme von Drogenberatungsstellen und Therapieangeboten. Cannabis war im Jahr 2012 europaweit unter den Drogenkonsumenten, die sich erstmalig einer Behandlung unterzogen, die am häufigsten gemeldete Droge. In Deutschland gaben 54,5 % der Drogenkonsumenten (11.431 Personen), die erstmalig eine Therapie antraten, Cannabis als Primärdroge an,

vgl. Europäischer Drogenbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, 2014, S. 13, 36 und 77.

Vor diesem Hintergrund kann von einer Ungefährlichkeit des Cannabiskonsums nach wie vor nicht ausgegangen werden. Demnach ist das allgemeine, strafrechtlich bewehrte Verkehrsverbot mit Erlaubnisvorbehalt keine unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechts auf allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1 GG. Die von Cannabis ausgehenden Gefahren sind aber anders zu beurteilen, wenn es um den Einsatz des Betäubungsmittels zur Bekämpfung einer Krankheit geht und damit um ein sehr viel höheres Rechtsgut als die allgemeine Handlungsfreiheit. Die Beschränkung des Zugangs zu Cannabis hält einer verfassungsrechtlichen Überprüfung im Hinblick auf den Eingriff in die Grundrechte von Menschen mit schweren Erkrankungen aus Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 1 GG nur dann stand, wenn im Einzelfall schon die Möglichkeit einer Linderung der schweren Erkrankung oder die Verbesserung der subjektiven Befindlichkeit die Erlaubnisfähigkeit eröffnet,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.05.2005 - 3 C 17.04 - juris.

Die vom Bundesverwaltungsgericht in der o. g. Entscheidung angegebenen Kriterien für die Erteilung der demnach erforderlichen Erlaubnis für den Erwerb und sogar für den Anbau von Cannabispflanzen liegen unter den hier gegebenen besonderen Umständen des Einzelfalls vor. Die Erteilung der Erlaubnis liegt im öffentlichen Interesse.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann auch die Behandlung eines einzelnen schwer kranken Patienten mit Cannabis im öffentlichen Interesse liegen, wenn hierdurch die Heilung oder Linderung der Beschwerden möglich ist und dem Betroffenen kein gleich wirksames zugelassenes und für ihn erschwingliches Arzneimittel zur Verfügung steht.

Dies ergibt sich aus der Schutzpflicht des Staates für das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und für die Wahrung der Menschenwürde im Sinne des Art. 1 GG. Diesen Bestimmungen kommt im Rahmen des Wertehorizontes des Grundgesetzes eine große Bedeutung zu. Schwere Krankheit und das Leiden an starken, lange dauernden Schmerzen können den Betroffenen hindern, ein selbstbestimmtes und seinen Vorstellungen von einem menschenwürdigen Leben entsprechendes Leben zu führen. Daraus folgt, dass die Therapierung schwer kranker Menschen nicht nur deren individuelle Interessen verfolgt, sondern ein Anliegen der Allgemeinheit ist,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.05.2005 - 3 C 17.04 - juris.

Der Einsatz von Cannabis ist im vorliegenden Einzelfall zur Linderung der Leiden und Beschwerden des Klägers geeignet und erforderlich. Dies hat die Beklagte bereits dadurch anerkannt, dass sie dem Kläger eine Erlaubnis zum Erwerb von Medizinalhanf aus Holland am 10.03.2010 erteilt hat.

Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung mit Cannabis besteht auch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch fort. Der Kläger leidet seit 25 Jahren an einem chronischen multiplen Schmerzsyndrom, verbunden mit Übelkeit, Erbrechen, vegetativer Begleitsymptomatik, reaktiver Depression, Schlafstörungen und Facialisparese (Taubheit im Gesicht), vgl. die ärztlichen Atteste des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. U. N. vom 30.11.2009, Bl. 6 - 9 des Verwaltungsvorgang, und vom 30.11.2011, Bl. 76 d. A. in 7 L 1173/11, der Schmerzklinik Bad Mergentheim vom 08.04.1999, Bl. 19 des Verwaltungsvorgangs, des Facharztes für Anästhesiologie Dr. L. T. vom 20.06.2000, Bl. 20 ff. des Verwaltungsvorgangs, des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie vom 03.12.2004, Bl. 28 des Verwaltungsvorgangs, und der Neurologischen Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität vom 07.08.1998, Bl. 29 ff. des Verwaltungsvorgangs.

Der behandelnde Arzt des Klägers, Dr. U. N. , hat mit aktuellem Attest vom 05.12.2013, Bl. 64 d. A., den Fortbestand des Krankheitsbildes bestätigt und ausgeführt, dass nunmehr auch eine Arthritis beider Knie und anderer Gelenke sowie eine posttraumatische Belastungsstörung mit Tinnitus vorlägen. Hierzu hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung ergänzend ausgeführt, die Arthritis in den Knien habe sich zwischenzeitlich gebessert, nunmehr habe er aber Schmerzen in den Händen und Fingern. Die PTBS zeige sich durch Schlafstörungen und den Tinnitus. Sie sei dadurch ausgelöst worden, dass er schon seit Jahren von Unbekannten verfolgt werde. Bei diesem Beschwerdebild spricht alles dafür, dass es sich um einen chronischen Zustand - möglicherweise mit psychischem Hintergrund - handelt, der vermutlich nicht geheilt werden kann.

Es kommt auch nicht darauf an, ob die therapeutische Wirksamkeit bei chronischen Schmerzen durch kontrollierte Studien wissenschaftlich erwiesen ist. Maßgeblich ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine subjektivindividuelle Betrachtung. Aus verfassungsrechtlichen Gründen muss die Erlaubniserteilung schon bei Bestehen der Möglichkeit einer subjektiv empfundenen Linderung einer schweren Erkrankung möglich sein,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19.05.2005 - 3 C 17.04 - , juris.

Diese Möglichkeit besteht hier; eine therapeutische Wirkung ist bei den Krankheitsbildern des Klägers nicht ausgeschlossen. Die Wirksamkeit von Cannabis bei einzelnen Patienten, die an chronischen Schmerzen und weiteren Begleitsymptomen leiden, wird in den Fachkreisen überwiegend bejaht (vgl. Grotenhermen, Deutsches Ärzteblatt 2012, 495, 498; Stellungnahme des Berufsverbandes der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. vom 07.05.2012 zur Anhörung im Gesundheitsausschuss vom 09.05.2012, Ausschuss-Drs. 17(14)0265(8)); Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 03.05.2012 zur Anhörung im Gesundheitsausschuss vom 09.05.2012, Ausschuss-Drs. 17(14)0265(6)).

Zur Behandlung seiner Dauerschmerzen steht dem Kläger keine gleich wirksame Behandlungsalternative mit einem zugelassenen und finanzierbaren Arzneimittel zur Verfügung. Die schulmedizinisch angezeigten Schmerzmittel (nichtsteroidale Antirheumatika - NSAR - und Opioide), Antidepressiva und Beruhigungsmittel haben nach den glaubhaften Attesten der Ärzte keine befriedigende Besserung der Schmerzen erbracht und waren mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Lediglich der Spannungskopfschmerz konnte behoben werden.

Das sehr teure, cannabishaltige Medikament Sativex ist nur für spastische Schmerzen bei multipler Sklerose zugelassen. Es ist für den Kläger nicht erschwinglich, da seine Krankenkasse die Kostenübernahme mit Schreiben vom 27.05.2013 ausdrücklich abgelehnt hat.

Das THC-haltige Importarzneimittel bzw. Rezepturarzneimittel Marinol ist keine gleichwertige Behandlungsalternative. Ein von der Krankenkasse finanzierter Therapieversuch ist nach den nachvollziehbaren Angaben des behandelnden Arztes, Dr. T. N. , im Attest vom 29.04.2013 fehlgeschlagen. Dronabinol hat keine ausreichende Schmerzlinderung erbracht, bzw. konnte wegen zunehmender Nebenwirkungen nicht höher dosiert werden. Darüber hinaus war wegen der oralen Aufnahme keine gezielte Behandlung von Schmerzspitzen möglich. Dies hat die Beklagte auch ausdrücklich anerkannt.

Da dem Kläger somit zur Behandlung seiner starken Schmerzen und der Begleitsymptome keine Therapiealternative zur Verfügung steht, liegt die Erteilung einer Erlaubnis für den Zugang zu Cannabisblüten im öffentlichen Interesse.

Versagungsgründe nach § 5 Abs. 1 und Abs. 2 BtMG stehen der Erlaubniserteilung nicht entgegen. Im Fall der Erlaubnis für eine Eigentherapie sind die Versagungsgründe modifiziert auszulegen. Denn diese sind nach der Konzeption des Gesetzes nicht auf die Eigentherapie mit einem nicht verkehrsfähigen Betäubungsmittel der Anlage I zugeschnitten. Vielmehr dient die Erlaubniserteilung regelmäßig gewerblichen oder wissenschaftlichen Zwecken, wie beispielsweise die Vorschrift des § 6 BtMG über die erforderliche Sachkenntnis zeigt. Bei der Erteilung der Erlaubnis für die medizinische Selbstversorgung handelt es sich dagegen um einen aus dem Grundrechtsschutz der betroffenen Patienten entwickelten Ausnahmefall, in dem einerseits dem geringeren Gefährdungspotential eines Kleinanbaus in einer Privatwohnung und andererseits den Bedürfnissen und Möglichkeiten einer Privatperson Rechnung getragen werden muss, damit die Möglichkeit der Gewährung des Zugangs nicht völlig leerläuft oder unzumutbar erschwert wird,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - .

Nach diesem Maßstab kann dem Kläger nicht vorgehalten werden, dass er nicht die erforderliche Sachkenntnis hat, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BtMG. § 6 Abs. 2 Nr. 1 BtMG, der im Fall der Herstellung von Betäubungsmitteln, die Arzneimittel sind, den Nachweis der Sachkunde nach § 15 Abs. 1 des Arzneimittelgesetzes verlangt, ist vorliegend nicht anwendbar. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass es sich um Arzneimittel handelt, die dazu bestimmt sind, später angewendet zu werden und von denen somit eine Gefährdung anderer Menschen ausgehen kann. Die Sachkenntnis als approbierter Apotheker dient dazu, Gefahren abzuwehren, die von einer unsachgemäßen Herstellung oder Prüfung von Betäubungsmitteln für andere Menschen ausgehen.

Im vorliegenden Fall der Eigentherapie durch selbstangebautes Cannabis treffen die Gefahren einer unsachgemäßen Herstellung allein den Kläger selbst, der diese Gefahren jedoch wegen der erwünschten, schmerzlindernden Wirkung der Cannabisblüten in Kauf nimmt. Es obliegt daher dem Kläger selbst, sich die erforderliche Sachkenntnis zu verschaffen, um Gesundheitsgefahren aus einer fehlerhaften Qualität des selbst erzeugten Produkts abzuwehren. Die Kammer hat im Hinblick auf die Persönlichkeit des Klägers keine Zweifel daran, dass dieser in der Lage ist, sich die erforderlichen Informationen für einen Kleinanbau zu beschaffen. Diese sind in den einschlägigen Veröffentlichungen der Interessenverbände im Internet ohne Mühe erhältlich.

Ein Versagungsgrund ergibt sich auch nicht aus § 5 Abs. 1 Nr. 3 BtMG. Es liegen keine Tatsachen vor, aus denen sich Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Klägers als verantwortliche Person für den Betäubungsmittelverkehr ergeben. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger unerlaubt Teilmengen aus dem Anbau abzweigt und hierdurch einen Betäubungsmittelmissbrauch durch Dritte ermöglichen könnte. Zum einen benötigt der Kläger die angebauten Pflanzen selbst für seine regelmäßige Behandlung. Zum anderen kann die Bundesopiumstelle den Anbau des Klägers hinsichtlich der Zahl der zugelassenen Pflanzen begrenzen, § 9 Abs. 1 Nr. 2 BtMG, und nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 und 4 BtMG kontrollieren. Eine unerlaubte Weitergabe nicht benötigter Cannabismengen dürfte schon deshalb nicht zu befürchten sein, weil der Kläger sich in diesem Fall strafbar macht und damit rechnen muss, dass die erteilte Erlaubnis wegen Fehlens der Zuverlässigkeit widerrufen wird.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG berufen. Dem Kläger kann nicht entgegengehalten werden, dass geeignete Räume, Einrichtungen und Sicherungen für die Teilnahme am Betäubungsmittelverkehr nicht vorhanden sind.

In der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte sind die Voraussetzungen für den Cannabisanbau in einer Privatwohnung bisher nicht geklärt. Zwar hat das OVG NRW im Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - entschieden, dass die Richtlinien des BfArM zur Sicherung von Betäubungsmittelvorräten für den gewerblichen Anbau im großen Stil konzipiert sind und für den Eigenanbau im geringen Umfang in einer Privatwohnung wegen der unterschiedlichen Gefährdungslage keine Anwendung finden. Dem schließt sich die erkennende Kammer in vollem Umfang an.

Aus Sinn und Zweck des Betäubungsmittelgesetzes, einen Missbrauch zu verhindern und die medizinische Versorgung sicherzustellen, ergibt sich, dass einerseits dem Gefährdungsgrad des jeweiligen Umgangs mit Betäubungsmitteln angepasste Sicherungen gegen Diebstahl und unbefugte Entnahme vorzunehmen sind, § 15 Satz 1 BtMG, und andererseits den persönlichen und grundrechtlich geschützten Bedürfnissen von Patienten, die auf den Einsatz von Cannabis angewiesen sind, Rechnung getragen werden muss. Welche konkreten Sicherheitsanforderungen sich daraus ergeben, hat das Oberverwaltungsgericht aber nicht generell definiert. Ebensowenig hat sich das BfArM bisher in der Lage gesehen, derartige Richtlinien zu formulieren oder im vorliegenden Fall eine substantiierte Prüfung der Sicherheitsvorkehrungen vorzunehmen. Aus der mit Urteil des OVG NRW vom 11.06.2014 getroffenen Einzelfallentscheidung ergeben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte für die hier gebotenen Sicherheitsvorkehrungen.

Die Kammer ist der Auffassung, dass für einen Anbau von Cannabispflanzen in einer Privatwohnung in jedem Fall eine Raumsicherung vorhanden sein muss. Anders als bei der Aufbewahrung von Medizinal-Cannabisblüten genügt ein Wertschutzschrank für die Ernte nicht. Die Anpflanzung muss auch in der Wuchs- und Blühphase vor Diebstahl oder unberechtigter Entnahme durch Mitbewohner oder Besucher geschützt werden, da sowohl die ganzen Pflanzen als auch nicht getrocknete Blätter und Blüten für einen künftigen Betäubungsmittelmissbrauch benutzt werden können.

Daraus ist abzuleiten, dass in einer Privatwohnung zunächst ein geeigneter Raum für die Anpflanzung zur Verfügung stehen muss. Der Raum muss sodann durch geeignete und zumutbare Vorkehrungen (stabile Türen, Fenster, Wände und Schlösser) zuverlässig vor dem Zutritt ungebetener oder erwünschter Besucher geschützt werden. Sicherungsvorkehrungen, die schnell und leicht überwunden werden können, reichen nicht aus.

Diese Anforderungen schließen es aus, dass der Anbau in einem Zimmer durchgeführt wird, das zugleich zu Wohn- oder Schlafzwecken genutzt wird und daher ständig betreten wird. Vielmehr kann der Anbau nur in einem separaten Raum stattfinden, der - bis auf den Zutritt des Erlaubnisinhabers zu Pflegezwecken - ständig abgeschlossen sein muss, zum Beispiel ein Abstellraum oder eine zweite Toilette.

Im vorliegenden Verfahren hat der Kläger für den Anbau einen separaten, fensterlosen Abstellraum in einer 2-Zimmer-Mietwohnung im 1. Stock vorgesehen (Bl. 116 des Veraltungsvorgangs). Dieser Raum ist grundsätzlich für einen Anbau geeignet, da er nicht für andere Wohnzwecke genutzt werden muss und daher ständig abgeschlossen sein kann. Die Beklagte hat bisher auch nicht überzeugend dargelegt, dass die Raumgröße, 2,4 qm, für einen Anbau nicht ausreichend ist. Im Verwaltungsverfahren des Klageverfahrens 7 K 4447/11 hat der dortige Kläger die Abbildung eines im Handel befindlichen "Anbauschrankes" mit den Abmessungen 176 x 118 x 78 cm vorgelegt, der getrennte Abteilungen für die Mutterpflanze, die Stecklinge und die Blühphase enthält (Bl. 51 Verwaltungsvorgang), der in dem vorgesehenen Zimmer ohne weiteres aufgestellt werden kann.

Ob die Beschaffenheit der Zimmertür und der Wohnungstür, die nach den Angaben des Klägers aus Vollholz bestehen und mit einem Sicherheitsschließzylinder und -beschlag sowie Kette (Wohnungstür) bzw. mit einem einfachen Türschloss mit Stahlabdeckung (Zimmertür) versehen sind, als Diebstahlssicherung ausreichend sind, kann seitens des Gerichts nicht abschließend beurteilt werden. Hinsichtlich des einfachen Türschlosses der Zimmertür bestehen Zweifel, da dieses leicht überwunden werden kann. Vielmehr obliegt es der Behörde aufgrund ihrer Sachkenntnis, geeignete und zumutbare weitere Vorkehrungen für den Privatanbau, gegebenenfalls mit Unterstützung der Polizei, zu ermitteln und festzulegen. Hierbei kommen insbesondere weitere Vorrichtungen, die das Öffnen von verschlossenen Türen (Fenstern) verhindern, in Betracht. Der Kläger hat zugesichert, bei Bedarf weitere Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen. Demnach kann die Beklagte durch eine entsprechende Nebenbestimmung zur Erlaubnis, mit der die noch erforderlichen und zumutbaren Vorkehrungen angeordnet werden, den Versagungsgrund der ungenügenden räumlichen Sicherung beseitigen. Da eine entsprechende Nebenbestimmung zur Erlaubnis gegenüber der Versagung das mildere Mittel ist, ist die Behörde auf der Grundlage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu diesem Vorgehen verpflichtet,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - .

Schließlich kann dem BfArM auch nicht in seiner Annahme zugestimmt werden, dass der Anbau in einer Privatwohnung zur Eigentherapie mit den Schutzzwecken des Gesetzes nicht vereinbar ist, § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG.

Der Cannabisanbau in einer Privatwohnung ist zur medizinischen Selbstversorgung des Klägers erforderlich und auch geeignet. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass der Selbstanbau nicht günstiger ist als der Bezug der Blüten aus Holland. Sie hat gegen die vorgelegte Vergleichsrechnung des Klägers keine substantiierten Einwendungen erhoben. Soweit sie darauf hinweist, dass noch aufwändige Sicherungsmaßnahmen für den Anbau erforderlich seien, die den Anbau gegenüber dem Erwerb aus der Apotheke erheblich verteuerten, ist der Einwand unberechtigt. Die Behörde darf nur zumutbare Sicherungsmaßnahmen anordnen, also solche, die auch von einer Privatperson mit geringem Einkommen, ggfs. unter Inanspruchnahme eines Ratenkredites, finanziert werden können. Im Übrigen sind diese Aufwendungen auch nur einmalig erforderlich.

Schließlich hat die Beklagte auch nicht überzeugend vorgetragen, dass die Therapiesicherheit wegen schwankender Wirkstoffgehalte ernsthaft gefährdet sein könnte. Hierbei verkennt die Beklagte, dass es im vorliegenden Fall nicht um die Zulassung eines Fertigarzneimittels geht, bei dem die Bundesoberbehörde - neben dem pharmazeutischen Unternehmer - die Verantwortung für die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels übernimmt. Auch geht es nicht um die ärztliche Verschreibung eines Betäubungsmittels gemäß § 13 BtMG, bei der der Arzt die Verantwortung für die verordnete Dosierung übernimmt. Vorliegend ist allein zu prüfen, ob eine medizinische Versorgung des Klägers im Wege einer Selbsttherapie mit Cannabis zur Linderung der Beschwerden des Klägers geeignet und im Hinblick auf die Nebenwirkungen vertretbar ist. Hierbei ist sich der Patient bewusst, dass weder die Beklagte noch der begleitende Arzt eine Garantie für die therapeutische Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit des selbst erzeugten Arzneimittels übernehmen. Vielmehr nimmt der Patient das Risiko schwankender Wirkstoffgehalte, die für Cannabis typisch sind, und damit eventuell verbundenen Nebenwirkungen bewusst in Kauf.

Die hierbei möglicherweise eintretende Selbstgefährdung des Klägers hält sich in einem vertretbaren Rahmen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger eine langjährige Erfahrung mit dem Konsum von Cannabis hat und das Risiko schwankender Wirkstoffgehalte vermutlich kennt und einschätzen kann. Aus dem Vortrag im Klageverfahren ist zu entnehmen, dass er sich mit der Problematik befasst hat und durch genetisch identische Pflanzen und gleichbleibende Anbaubedingungen (Licht, Wasser, Dünger) den Wirkstoffgehalt stabil halten will. Die Beklagte hat nicht dargelegt, dass dieses Verfahren generell ungeeignet ist und damit zu völlig unberechenbaren Gesundheitsgefahren führen kann.

Es ist weder von der Beklagten substantiiert vorgetragen noch aufgrund der Drogeneigenschaften ersichtlich, dass beim Kläger erhebliche und unvertretbare Nebenwirkungen als Folge einer schwankenden Menge der Inhaltsstoffe auftreten könnten. Dies ist im Verlauf des bisherigen Konsums nicht der Fall gewesen. Darüber hinaus steht der Kläger unter ärztlicher Kontrolle und kann daher beim Auftreten von Nebenwirkungen Rat und Hilfe einholen. Überdies sind die schädlichen Nebenwirkungen beim Cannabiskonsum von der Verfassung des jeweiligen Konsumenten abhängig und in der Regel bei erwachsenen Konsumenten nicht schwerwiegend.

Tödliche Intoxikationen durch eine Überdosis Cannabis sind nicht bekannt. Notfallbehandlungen wegen des Auftretens von Panikzuständen oder Psychosen im akuten Cannabisrausch treten nur gelegentlich bei einem Missbrauch von Cannabis und insbesondere in Verbindung mit Alkohol oder anderen Drogen auf,

vgl. Wikipedia, "Cannabis als Rauschmittel", Wirkung , http://de.wikipedia.org, Abruf vom 24.06.2014; Europäischer Drogenbericht 2014, 36; . Grotenhermen/Müller-Vahl, Deutsches Ärzteblatt 2012, 495, 498; Leitlinien der Dt. Ges. f. Suchtforschung und Suchttherapie, a.a.O. Ziff. 3.4.5 und 3.4.11.

Körperliche Dauerschäden durch den Konsum sind bei Erwachsenen - abgesehen von den Gefahren des Rauches für die Atmungsorgane, die durch Nutzung anderer Konsumformen vermieden werden können (Verdampfung, Kekse) - bisher nicht bekannt,

vgl. Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, "Illegale Drogen", Cannabis, www.dhs.de, Abruf vom 24.06.2014; Leitlinien der Dt. Ges. f. Suchtforschung, a.a.O., Ziff. 3.4.11.

Die Auslösung einer Schizophrenie oder einer anderen psychischen Erkrankung ist selten und wird vor allem im Zusammenhang mit einer Prädisposition des Patienten und bei Jugendlichen diskutiert. Beim Kläger bestehen hierfür keine Anhaltspunkte,

vgl. Drugcom, Drogenlexikon, "Macht Kiffen verrückt ?", www.drugcom.de/häufig -gestelltefragen, Abruf vom 18.06.2014; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, "Illegale Drogen, Cannabis, www.dhs.de, Abruf vom 24.06.2014; Leitlinien der Dt. Ges. f. Suchtforschung und Suchttherapie, a.a.O. Ziff. 3.4.6.

Eine irreversible Verminderung der kognitiven Leistungsfähigkeit bei einem Dauerkonsum ist umstritten, aber nach dem derzeitigen Erkenntnisstand im Rahmen von therapeutischen Dosierungen nicht zu befürchten,

vgl. Grotenhermen/Müller-Vahl, Deutsches Ärzteblatt 2012, 495, 498.

Demnach ist eine Selbsttherapie des Klägers mit Cannabis aus dem Eigenanbau zu seiner medizinischen Versorgung geeignet und erforderlich.

Auch die anderen Zwecke des Betäubungsmittelgesetzes sind durch die Erteilung der Anbauerlaubnis nicht gefährdet, § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG. Ein Missbrauch durch den Kläger liegt nicht vor, da der Kläger das Betäubungsmittel nicht zu Rauschzwecken, sondern zur Linderung seiner Schmerzen einsetzt. Ein Missbrauch durch Dritte kann durch entsprechende Sicherungsmaßnahmen und Kontrollen weitgehend verhindert werden. Auch die mögliche Entstehung einer Abhängigkeit steht dem medizinischen Einsatz von Cannabis nicht entgegen.

Das Entstehen einer Betäubungsmittelabhängigkeit wäre jedenfalls ausnahmsweise mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren, weil sie im Hinblick auf die Schmerzlinderung das geringere Übel und damit hinzunehmen ist,

vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - .

Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht auf den Versagungsgrund des § 5 Abs. 2 BtMG berufen. Die Erteilung der Anbau-Erlaubnis kann nicht mit der Begründung versagt werden, dass nach dem Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 04.02.1977 (BGBl. II, S. 111) - ÜK 1961 - die Einrichtung einer Cannabis-Agentur zum Aufkauf und zur Verteilung der Ernte erforderlich sei, die aber in Deutschland nicht existiere und auch nicht geplant sei. Vielmehr steht das ÜK 1961 der Erteilung einer Anbauerlaubnis für einzelne Privatpersonen zur therapeutischen Selbstversorgung nicht entgegen. Zum einen bringt das Übereinkommen in Art. 2 Abs. 5 b), Art. 19 Abs. 1 a), Art. 21 Abs. 1 a), Art. 30 Abs. 1 c) und Art 32 zum Ausdruck, dass der therapeutische Einsatz von Suchtstoffen nicht verhindert werden soll,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - , mit weiteren Nachweisen.

Zum anderen finden die Vorschriften, die für den Anbau von Cannabis die Einrichtung einer staatlichen Stelle vorschreiben, Art. 28 Abs. 1, Art. 23 ÜK 1961, - entgegen der im Schreiben vom 30.07.2010 geäußerten Rechtsauffassung des INCB - auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung. Denn diese Vorschriften gehen von einem großflächigen Anbau im Außenbereich aus und schreiben einen Aufkauf der gesamten Erntemenge durch die Agentur vor, um eine illegale Entnahme von Teilmengen zum Zweck des Rauschgiftmissbrauchs zu verhindern.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - .

Das Oberverwaltungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Vorgehensweise im Fall eines geringfügigen Anbaus zum sofortigen Verbrauch keinerlei Sinn ergibt, da der Kläger seine Ernte zunächst an die staatliche Stelle aushändigen und dann wiedererwerben müsste. Eine gleichmäßige Versorgung wäre bei diesem Verfahren nicht gesichert.

Ferner wurde bereits im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG darauf hingewiesen, dass die Gefahren, die von einem Anbau zum Zweck der Eigentherapie in einer Privatwohnung in medizinisch begründeten Ausnahmefällen ausgehen, mit den Gefahren, die bei einem großflächigen gewerblichen Anbau im Außenbereich entstehen, schon im Hinblick auf den Umfang der im Einzelfall anfallenden Betäubungsmittelmenge nicht vergleichbar sind. Darüberhinaus sind Anbauflächen in Privatwohnungen nicht ohne weiteres sichtbar und nur wenigen Personen zugänglich. Eine unerlaubte Abzweigung oder Entnahme von Teilmengen, die durch die staatliche Kontrollstelle verhindert werden soll, ist daher im Fall des geringfügigen Eigenanbaus zu Therapiezwecken nicht im nennenswerten Umfang zu befürchten. Demnach spricht alles dafür, dass das ÜK 1961 der medizinischen Versorgung von Patienten im Wege des Anbaus nicht entgegensteht.

Da somit die besonderen Voraussetzungen für die Versorgung von schwer kranken Patienten im vorliegenden Verfahren gegeben sind und Versagungsgründe nicht entgegenstehen, steht die Entscheidung über die Erlaubniserteilung grundsätzlich nach § 3 Abs. 2 BtMG im Ermessen der Bundesopiumstelle. Gleichwohl erweist sich die Ablehnung der Erlaubnis als rechtswidrig, weil die Behörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat, § 114 VwGO. Sie hat nicht nur wesentliche Elemente außer Acht gelassen, die bei der Interessenabwägung hätten berücksichtigt werden müssen. Sie hat darüberhinaus nicht erkannt, dass in der vorliegenden Fallkonstellation eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, weil sich hier allein die positive Entscheidung über die Erlaubniserteilung als rechtmäßig erweist.

Die von der Beklagten getroffene Ermessensentscheidung weist einen offensichtlichen und schwerwiegenden Mangel auf. Die Beklagte hat nämlich im Endeffekt die persönlichen Interessen des Klägers am Zugang zu einem Betäubungsmittel, das ihm allein zu einer Linderung seiner Schmerzen verhilft, gar nicht in die Betrachtung eingestellt. Sie ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die Interessen des Klägers dadurch gewahrt werden, dass ihm eine Erwerbserlaubnis für Medizinalhanf aus Holland erteilt worden ist. Sie hat hierbei jedoch nicht zur Kenntnis genommen, dass diese Therapiealternative dem Kläger tatsächlich nicht zur Verfügung steht, weil er sich die hohen Kosten von seinem geringen Einkommen nicht leisten kann und seine Krankenkasse die Erstattung ablehnt,

vgl. OVG NRW, Urteil vom 11.06.2014 - 13 A 414/11 - .

Der Kläger hat durch Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme (Bl. 64 d.A.) glaubhaft gemacht, dass derzeit ein 4-Wochen-Bedarf in Höhe von bis zu 45 g Cannabisblüten besteht. Dafür entstehen ausweislich der vorgelegten Rechnungen der Apotheke Kosten in Höhe von 652,50 Euro (45 g x 14,5 Euro/g = 812,00 Euro). Der Kläger hat nunmehr im Prozesskostenhilfeverfahren glaubhaft gemacht, dass er keine Einkünfte verfügt, von denen er diese Kosten dauerhaft tragen kann. Die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Informatiker hat ausweislich der vorgelegten Unterlagen (Steuerbescheid 2012/Gewinn-Verlust-Rechnung2013) nur zu äußerst geringfügigen Einnahmen geführt. Das vorhandene Vermögen aus Wertpapieren wurde in der Zwischenzeit zur Lebensführung weitgehend aufgebraucht. Von dem Restbestand ist eine dauerhafte Deckung der Kosten nicht möglich, zumal dieses auch weiterhin zur Deckung des Lebensunterhaltes dient. Demnach dürfte der Kläger zukünftig auf Leistungen der Grundsicherung oder einer Erwerbsminderungsrente angewiesen sein. Ein Wohngeldbescheid ist ihm nach Auskunft des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung bereits erteilt worden.

Demnach sind die Cannabisblüten aus der Apotheke für den Kläger nicht finanzierbar. Diese Behandlungsmöglichkeit steht dem Kläger somit tatsächlich nicht zur Verfügung, wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 19.05.2005 - 3 C 17.04 - ausdrücklich festgestellt hat. Daraus folgt, dass den privaten Interessen des Klägers durch die Erteilung der Erlaubnis für den Erwerb gerade nicht Rechnung getragen worden und das Ermessen daher unvollständig und fehlerhaft ausgeübt worden ist.

Bei sachgerechter Berücksichtigung der Interessen des Klägers an einer Linderung seines Schmerzzustandes hat sich darüber hinaus das Ermessen im vorliegenden Verfahren zugunsten einer Erteilung der Erlaubnis verdichtet, sodass eine Versagung nicht mehr in Betracht kommt. Denn nach Auffassung der Kammer haben die Interessen des Klägers an einer Behandlung seiner Dauerschmerzen ein ganz überragendes Gewicht, während die öffentlichen Interessen an einer Versagung der Erlaubnis eine so geringe Bedeutung haben, dass sie zwingend zurücktreten müssen.

Die Beklagte hat durch die Erteilung der Erlaubnis für den Erwerb von Cannabis zum Zweck der Eigentherapie selbst eingeräumt, dass das Interesse des Klägers am Zugang zu diesem Betäubungsmittel - in Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.05.2005 - Verfassungsrang hat, weil es Ausfluss seines Grundrechtes auf körperliche Unversehrtheit im Sinne des Art. 2 Abs. 2 GG ist. Bringt die Erkrankung derart schwere Beeinträchtigungen mit sich, dass die Entfaltung der Persönlichkeit und die Führung eines selbstbestimmten Lebens bedroht ist, wie dies im Fall starker, lang andauernder Schmerzen der Fall ist, ist auch das oberste Schutzgut der Verfassung, die Menschenwürde, betroffen. Daraus folgt, dass der Zugang zu Cannabis, der hier aus finanziellen Gründen allein in Form eines Eigenanbaus in Betracht kommt, nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Interesse liegt. Im vorliegenden Fall fordert auch das Sozialstaatsprinzip, dass dem Kläger nicht wegen seiner geringen finanziellen Leistungsfähigkeit, die auch Folge seines Gesundheitszustandes ist, der Zugang zu Cannabis verwehrt wird.

Demgegenüber sind keine öffentlichen Interessen ersichtlich, die von gleichem oder überwiegendem Gewicht wären. Insbesondere kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, die Erlaubniserteilung werde vom Internationalen Suchtstoffkontrollrat als Verstoß gegen das Suchtstoffübereinkommen von 1961 angesehen und daher sei die effektive Zusammenarbeit mit dem INCB bei der Bekämpfung des illegalen Betäubungsmittelhandels und das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.

Zwar handelt es sich bei der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels und bei der Wahrung des internationalen Ansehens der Bundesrepublik ebenfalls um wichtige Rechtsgüter. Jedoch hat die Erfüllung der völkervertraglichen Verpflichtungen zum einen keinen Verfassungsrang; zum anderen ist nicht erkennbar, dass diese Rechtgüter durch die Erteilung einer Anbauerlaubnis in eng umgrenzten Ausnahmefällen zur medizinischen Versorgung schwer kranker Patienten ernsthaft bedroht wären.

Völkerrechtliche Verträge wie das Suchtstoffübereinkommen 1961 werden durch das Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG in nationales Recht konvertiert und genießen hierdurch den Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Sie entfalten trotz der vom Grundgesetz intendierten Völkerrechtsfreundlichkeit eine Wirkung nur im Rahmen des demokratischen und rechtsstaatlichen Systems des Grundgesetzes. Es ist daher ausnahmsweise zulässig, Völkervertragsrecht nicht zu beachten, sofern nur auf diesem Wege ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der Verfassung abgewendet werden kann,

vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307 ff. juris, Rn. 35, 36, 47, 48 zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Dieser Rechtslage wird durch die Regelung in § 5 Abs. 2 BtMG Rechnung getragen, wonach bei einem Verstoß gegen ein internationales Suchtstoffübereinkommen die Erlaubnis versagt werden kann, aber nicht muss. Liegt ein Verstoß gegen ein derartiges Abkommen, wie bereits ausgeführt, nach seinem Schutzzweck gar nicht vor und stehen Grundrechte mit einem hohen Rang einem engen Wortlautverständnis des Abkommens, wie es vom INCB vertreten wird, entgegen, überschreitet eine "schematische Vollstreckung" dieses Abkommens die Grenzen des Ermessens.

Hierbei wird vor allem außer Acht gelassen, dass sich die Bewertung von Cannabis als Betäubungsmittel und als Arzneimittel seit dem Abschluss des Suchtstoffübereinkommens von 1961 bedeutend gewandelt hat. Wie sich schon aus dem Grundsatz-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 - NJW 1994, 1577, 1579, 1581 ergibt, stellen sich die Gesundheitsrisiken, die der Gesetzgeber noch 1971 bei Erlass des Betäubungsmittelgesetzes mit der Droge Cannabis verbunden hat, inzwischen als geringer dar als ursprünglich angenommen. Insbesondere hat sich das psychische Abhängigkeitspotential als gering erwiesen und die Annahmen, dass Cannabiskonsum allein ursächlich für Psychosen ("Cannabispsychose"), Flashbacks (Nachhallpsychosen ohne Konsum), ein "amotivationales Syndrom" oder den Einstieg in härtere Drogen sein kann, konnten nicht wissenschaftlich belegt werden,

vgl. Krumdiek, a.a.O. NStZ 2008, 437, 440 ff.; Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, Illegale Drogen, Cannabis, a.a.O.; Leitlinien der Dt. Ges. f. Suchtforschung und Suchttherapie, a.a.O., Ziff. 3.4.3, 3.4.4, 3.4.6, 3.4.7, 3.4.8; Drugcom, Drogenlexikon, a.a.O..

Demgegenüber wurde seinerzeit davon ausgegangen, dass Cannabis für die medizinische Anwendung keine Bedeutung habe, sondern lediglich als Massengenussmittel Verwendung finde. Auch diese Einschätzung ist mittlerweile überholt. Vielmehr kommt ein therapeutischer Einsatz von Cannabis wegen seiner antispastischen, analgetischen, antiemetischen, neuroprotektiven, antiinflammatorischen und antidepressiven Wirkungen bei einer Reihe von Erkrankungen in Betracht, auch wenn ein eindeutiger wissenschaftlicher Beleg für den Nutzen bisher nur teilweise erbracht werden konnte,

vgl. Grotenhermen/Müller-Vahl, Deutsches Ärzteblatt, 2012, 495, 497; Stellungnahme des Berufsverbandes der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland e.V. vom 07.05.2012 zur Anhörung im Gesundheitsausschuss vom 09.05.2012, Ausschuss-Drs. 17(14)0265(8)); Stellungnahme der Bundesärztekammer vom 03.05.2012 zur Anhörung im Gesundheitsausschuss vom 09.05.2012, Ausschuss-Drs. 17(14)0265(6)).

Zugelassen sind bereits Arzneimittel für die Indikationen Spastik (Sativex), Übelkeit und Erbrechen durch Zytostatika (Dronabinol) sowie Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust (Dronabinol).

Die gewandelte Beurteilung von Cannabis als Heilmittel zeigt sich auch in dem erheblichen Umfang der klinischen Forschung, wie er beispielsweise in der Stellungnahme der "Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin" vom 27.04.2012/02.05.2012 zur Anhörung des Gesundheitsausschusses am 09.05.2012 (Ausschussdrucksache 17(14)0265(4) zum Ausdruck kommt. Im dortigen Anhang werden mit Stand 31. Dezember 2011 insgesamt 110 kontrollierte Studien mit Cannabis oder Cannabinoiden genannt.

Demnach kann bezweifelt werden, ob die strengen Regelungen des Suchtstoffübereinkommens von 1961, das für Cannabis die gleichen Kriterien anwendet wie für Opiummohn oder den Kokastrauch, noch dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen.

In der Konsequenz unterliegt das strikte Verkehrsverbot für Cannabis inzwischen auch international gewissen Auflösungserscheinungen. Dies wird darin deutlich, dass nach der Auskunft der Beklagten vom 03.07.2014 eine Reihe von Staaten den Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken mittlerweile erlaubt. Dies gilt für Israel, Kanada, Niederlande, Österreich, Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich und 21 von 50 Bundesstaaten der USA. Hierbei konnte von der Bundesopiumstelle nicht zweifelsfrei ermittelt werden, ob in diesen Staaten - mit Ausnahme von den Niederlanden - eine Cannabis-Agentur existiert, ob diese Aufgabe von anderen Behörden wahrgenommen wird und wie die vorgeschriebene Kontrolle des Anbaus, insbesondere der Aufkauf der Ernte organisiert ist.

Diese Situation macht deutlich, dass auch in anderen Staaten der veränderten Beurteilung von Cannabis als Sucht- und Heilmittel Rechnung getragen und die Regelungen der über 50 Jahre alten Suchtstoffkonvention von 1961 nicht mehr in vollem Umfang eingehalten werden. Dies wird im Jahresbericht 2013 des International Narcotics Control Board - INCB - , den die Beklagte mit Schriftsatz vom 03.07.2014 vorgelegt hat, auch bestätigt (vgl. Report 2013, S. 93). Die Annahme, dass die Erteilung von Erlaubnissen zum Eigenanbau für einzelne schwer kranke, austherapierte Patienten - ohne Cannabisagentur - zu einer Beeinträchtigung des internationalen Ansehens der Bundesrepublik führen könnte, kann vor diesem Hintergrund nicht nachvollzogen werden. Noch weniger ist ersichtlich, warum durch eine solche Praxis die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Bekämpfung des Drogenhandels und Drogenmissbrauchs gefährdet werden könnte. Denn die begrenzte und überwachte Gewährung des Zugangs zu Cannabis als Heilmittel ist eine Ausnahme vom Verkehrsverbot, die die generelle Bekämpfung des Cannabiskonsums zu Rausch- und Genusszwecken und den hiermit verbundenen kriminellen Drogenhandel nicht in Frage stellt.

Aus der Auskunft der Beklagten vom 03.07.2014 lässt sich auch nicht entnehmen, dass im Fall der Genehmigung des Anbaus ohne Einrichtung einer Cannabis-Agentur mit einer "Rüge" des Internationalen Suchtstoffkontrollamtes - INCB - zu rechnen wäre, die das Ansehen der Bundesrepublik ernsthaft schädigen könnte. Vielmehr hat der INCB ausweislich des letzten Jahresberichtes vor allem die Staaten gerügt, die den Konsum zu Genusszwecken freigegeben haben (Uruguay, Colorado, Washington) und auf den wahrscheinlichen Anstieg eines Drogenmissbrauchs hingewiesen, vgl. Report 2013, S. 93, Ziff. 700. Im Übrigen hat der Kontrollrat festgestellt, dass die staatlichen Programme zur medizinischen Anwendung von Cannabis vielfach nicht voll mit den Anforderungen der Konvention übereinstimmten und dazu aufgerufen, diese Übereinstimmung herzustellen (vgl. Report 2013, S. 49 Ziff. 374 und S. 93 Ziff. 701). Er hat allerdings auch die Weltgesundheitsorganisation - WHO- dazu aufgefordert, den medizinischen Nutzen von Cannabis sowie die Gesundheitsgefahren neu zu bewerten (vgl. Report 2013, S. 94, Ziff. 701). Damit hat auch der INCB in Betracht gezogen, dass die Regelungen des ÜK 1961 für Cannabis nicht mehr zeitgemäß sind.

Auch die von der Beklagten angesprochene international hohe drogenpolitische Bedeutung des "Themas Cannabis" kann nicht gegen die Erlaubniserteilung ins Feld geführt werden. Es ist zwar zutreffend, dass Cannabis in Deutschland, aber auch weltweit die am häufigsten konsumierte illegale Droge ist, die im Fall einer Abhängigkeitsentwicklung mit nicht unerheblichen psychosozialen Folgen verknüpft ist und daher eine breite Aufmerksamkeit in den nationalen und internationalen Drogenberichten findet,

vgl. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung: Drogen- und Suchtbericht 2013, S. 33, 187, 193; Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht: Europäischer Drogenbericht 2014, S. 13, 18, 34 ff.

Wie bereits ausgeführt, steht die Erteilung einer Anbauerlaubnis für schwer kranke Patienten aber der weiteren Bekämpfung des Cannabismissbrauchs für Rauschzwecke nicht entgegen. Im Übrigen kann bei der drogenpolitischen Bedeutung des Stoffes "Cannabis" auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Gefahren der Droge gegenüber den früheren Befürchtungen weit geringer sind als angenommen und deutlich geringer als diejenigen anderer Rauschdrogen wie Alkohol, Nikotin, Heroin, Kokain oder der neuerdings verbreiteten synthetischen Drogen (z.B. Amphetamine, Metamphetamine, Ecstasy, Cathinone, etc.). Insbesondere ist, wie bereits ausgeführt, selbst der Dauerkonsum nicht mit Todesfällen oder einem zunehmenden körperlichen, geistigen und psychischen Verfall verbunden.

Wie bereits das Bundesverwaltungsgericht in der Entscheidung vom 19.05.2005 betont hat, rechtfertigen die verbleibenden Gefahren des Cannabiskonsums für die Gesamtbevölkerung es nicht, schwer kranken Menschen den legalen Zugang zu Cannabis zu verweigern.

Selbst wenn Teilmengen aus dem Eigenanbau für die illegale Weitergabe an Dritte abgezweigt oder entwendet werden könnten, wäre das Gesundheitsrisiko der Gesamtbevölkerung bzw. der jugendlichen Gesamtbevölkerung nur in geringem Umfang erhöht. Denn die Drogenmengen, die auf diesem Wege möglicherweise in den Verkehr gelangen, hätten im Verhältnis zu den Drogenmengen, die in Deutschland und in Europa illegal angebaut und gehandelt werden, nur eine geringfügige Bedeutung. Der Jahreskonsum von Cannabis in Europa wurde im Jahr 2012 auf 2000 Tonnen geschätzt. Im Rahmen einer Drogenaffinitätsstudie in Deutschland wurde im Jahr 2011 festgestellt, dass jeder vierte Erwachsenen schon einmal Erfahrung mit Cannabis gemacht hat. Insbesondere in der Gruppe der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren ist der gelegentliche Cannabiskonsum sehr verbreitet, nämlich bei 13,5 %. Die große Menge an beschlagnahmten Drogen bzw. Pflanzen bestätigt eine hohe Konsumprävalenz,

vgl. Drogen- und Suchtbericht 2013, S. 33 und 42; Europäischer Drogenbericht 2014, S. 18: 80 % aller Sicherstellungen in Europa betreffen Cannabis; in Deutschland wurden 2012 ca. 7.327 kg Haschisch und Marihuana sowie ca. 98.000 Cannabispflanzen sichergestellt.

Angesichts dieser Mengen ist mit einer nennenswerten Ausweitung des illegalen Drogenkonsums durch privaten Eigenanbau durch einzelne Patienten nicht zu rechnen. Im Gegenteil dürfte die Erteilung von Anbauerlaubnissen den illegalen Drogenhandel schwächen, weil diese Personen nicht mehr auf die Inanspruchnahme des illegalen Marktes angewiesen sind.

Schließlich können den berechtigten Interessen des Klägers an der Erteilung der Anbauerlaubnis im Rahmen der Ermessensabwägung weder die Sicherheit und Kontrolle des Betäubungsmittelverkehrs noch die Therapiesicherheit für den Erlaubnisinhaber entgegengehalten werden. Hierbei handelt es sich um Versagungsgründe, die aus den genannten Gründen nicht vorliegen bzw. durch Sicherungs-Maßnahmen der Behörde beseitigt werden können.

Es ist zwar einzuräumen, dass im Hinblick auf die Zumutbarkeit von Sicherungsmaßnahmen in einer Privatwohnung möglicherweise Abstriche an der Sicherung der Anpflanzung hingenommen werden müssen. Auch bleibt die medizinische Versorgung mit selbstangebauten Pflanzen hinter einer qualitativ hochwertigen Versorgung mit geprüften Arzneimitteln offenkundig zurück. Jedoch haben diese verbleibenden Risiken des Eigenanbaus von Cannabis im Verhältnis zu dem vitalen Interesse des Klägers an einer Schmerzlinderung und erträglichen Lebenssituation nur ein geringes Gewicht.

Diese Restrisiken des Eigenanbaus müssen nach Auffassung der Kammer jedenfalls für einen Übergangszeitraum hingenommen werden, da es derzeit für die betroffenen Patienten mit geringem Einkommen keine andere Möglichkeit des Zugangs zu dem für sie erforderlichen Heilmittel gibt. Der medizinische Hanf aus Holland ist nicht finanzierbar und ein Zuwarten auf die künftige Zulassung eines Fertigarzneimittels für die Schmerztherapie nicht zumutbar. Nach Auskunft des BfArM ist derzeit kein Zulassungsantrag anhängig.

Es sind zwar deutlich bessere Lösungsansätze für die Versorgung von einzelnen Patienten mit Cannabis erkennbar, die eine Überwachung der im Verkehr befindlichen Drogenmengen und die Überwachung der Gesundheit des Patienten effektiver gewährleisten könnten, wie beispielsweise eine Erstattung der Kosten von Medizinal-Cannabisblüten durch die Krankenkassen oder die Zulassung eines gewerblichen Anbaus zu medizinischen Zwecken unter der Kontrolle einer staatlichen Stelle. Solange jedoch hierfür die gesetzlichen Grundlagen nicht geschaffen sind, muss den betroffenen Personen der Anbau von Cannabis nach § 3 Abs. 2 BtMG gestattet werden, damit ihre Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 GG gewahrt werden. Demnach hat die beklagte Behörde die Ausnahmeerlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtMG zu erteilen.

Da jedoch der Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bisher nicht durch eine entsprechende Anordnung von Sicherheitsvorkehrungen durch die Bundesopiumstelle ausgeräumt ist, liegen derzeit noch nicht alle Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung vor. Die Sache ist somit nicht spruchreif. Daher war der Hauptantrag des Klägers, das BfArM zu einer Erteilung der Anbauerlaubnis zu verpflichten, unbegründet.

Die Behörde konnte somit nur zu einer neuen Entscheidung über den Erlaubnisantrag verpflichtet werden, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Hierbei steht der Bundesopiumstelle nur noch ein Ermessensspielraum hinsichtlich der erforderlichen Sicherheitsanordnungen und der inhaltlichen Ausgestaltung der Erlaubnis nach § 9 BtMG (z.B. hinsichtlich der Zahl der erforderlichen Pflanzen) zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Da die Klage nur in einem geringen Umfang abgewiesen wurde, nämlich nur hinsichtlich der noch zu treffenden Nebenbestimmungen bezüglich der Sicherungsmaßnahmen und anderer Einzelheiten, ist es gerechtfertigt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens in vollem Umfang aufzuerlegen. Hierbei war auch von Bedeutung, dass die Beklagte es unterlassen hat, Vorgaben für die Sicherung eines Cannabisanbaus in einer Privatwohnung zu erarbeiten und die Einhaltung substantiiert zu prüfen. Hierdurch hat sie dazu beigetragen, dass die Spruchreife nicht hergestellt und damit die Klage zu einem Teil abgewiesen werden musste, § 155 Abs. 4 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.

Die Berufung wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache, insbesondere wegen der angenommenen Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen des § 3 Abs. 2 BtMG, zugelassen, § 124 a Abs. 1 Nr. 1 iVm § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.