OLG Köln, Urteil vom 22.10.2013 - 3 U 51/13
Fundstelle
openJur 2014, 27248
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 26 O 88/12
Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 23. Januar 2013 - Az. 26 O 88/12 - wird zurückgewiesen.

Zur Klarstellung wird der Hauptsachetenor zu Ziff. I. der angefochtenen Entscheidung wie folgt gefasst:

I. Die Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € - ersatzweise Ordnungshaft - oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, es zu unterlassen, nachfolgende - in Fettdruck gesetzte und unterstrichene - oder mit diesen inhaltsgleiche Bestimmungen in Briefbeförderungsverträge mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1.4.1977, zu berufen:

6 Haftung

(1) Die E haftet für Schäden, die auf eine Handlung oder Unterlassung zurückzuführen sind, die sie, einer ihrer Leute oder ein sonstiger Erfüllungsgehilfe (§ 428 HGB) vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, begangen hat, ohne Rücksicht auf die nachfolgenden Haftungsbeschränkungen.

Das gilt nicht für Schäden im Zusammenhang mit der Beförderung von nicht bedingungsgerechten Sendungen oder Sendungen, die ausgeschlossene Güter im Sinne des Abschnitts 2 Abs. 2 enthalten. (...)

(2) Die E haftet im Übrigen für Verlust, Beschädigung und die nicht ordnungsgemäße Erfüllung sonstiger Verpflichtungen nur, wenn für bedingungsgerechte Sendungen die in Abschnitt 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 genannten Zusatzleistungen vereinbart wurden. (...)

Die E haftet ferner nicht für ausgeschlossene Sendungen gemäß Abschnitt 2 Absatz 2.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.

(Tatbestand entfällt gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO)

II.

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg; das Landgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Kosten des Rechtsstreits - soweit sie sich auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil beziehen - der Beklagten auferlegt. Aus Gründen der Klarstellung war im Tenor der Entscheidung zu Ziff. I. allerdings hervorzuheben, dass die Beklagte - wie vom Kläger beantragt - lediglich verpflichtet ist, die Verwendung der im Tenor mittels Fettdruck und Unterstreichung hervorgehobenen Teile der AGB-Klauseln zu unterlassen.

Was die Begründetheit des vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsbegehrens anbelangt, nimmt der Senat zunächst uneingeschränkt auf die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug, mit denen das Landgericht die Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaG bejaht hat. Soweit die Beklagte die Berufung darauf stützt, die Kammer sei bei ihrer rechtlichen Beurteilung zu Unrecht von der Prämisse ausgegangen, dass bei der Einlieferung von sog. Verbotsgut trotz der in Abschnitt 2 Abs. 2 der angegriffenen AGB enthaltenen Regelung ein Vertrag zustande komme [mit der Folge, dass die Regelung in Abschnitt 6 Abs. 1 und Abs. 2 der AGB, durch welche eine Haftung für Sendungen mit Verbotsgut in genereller Form ausgeschlossen werde, gegen § 309 Nr. 7 b) verstoße], vermag der Senat dem nicht zu folgen. Es entspricht herrschender Ansicht, dass in Fällen, in denen der Unternehmer in seinen AGB einen Vertrag über die Beförderung bestimmter Güter ausschließt, gleichwohl ein Vertrag zustande kommt, wenn die ausgeschlossene Sendung in Unkenntnis ihres Inhalts zur Beförderung entgegengenommen wird (ständige Rechtsprechung des BGH: BGHZ 164, 64; NJW-RR 2007, 179; NJW-RR 2007, 1282; vgl. auch Palandt/Grüneberg, BGB, 72. Aufl., § 305 Rz. 42). Diese Ansicht verdient nach Auffassung des Senats auch Zustimmung; gerade die Tatsache, dass die Beklagte in ihren AGB auch die Anfechtung eines etwaigen Beförderungsvertrags wegen arglistiger Täuschung erklärt, kann aus Sicht eines verständigen Qkunden nur dahingehend verstanden werden, dass ein Vertrag zunächst auch bei der Versendung von Verbotsgut zustande kommt und die Beklagte sich lediglich ihr weiteres Vorgehen vorbehalten will. Entgegen der Auffassung der Beklagten widerspricht es auch nicht der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre, in Fällen, in denen der eine Vertragspartner den anderen Teil über Einzelheiten des von ihm beabsichtigten Vertrages täuscht, einen (konkludenten) Vertragsschluss zu verneinen (vgl. z. B. BGH, NJW 2005, 1045, für den Fall der Täuschung über die Verbrauchereigenschaft). Liefert ein Kunde eine Sendung mit Verbotsgut ein und erklärt auf entsprechende Nachfrage des Mitarbeiters der Beklagten in Kenntnis der Tatsache, dass die Beklagte Verträge über Verbotsgut nicht abschließen will, wahrheitswidrig, die Sendung enthalte kein derartiges Verbotsgut, so liegt aus der maßgeblichen Empfängersicht ein Angebot zum Abschluss eines Beförderungsvertrages über eine Sendung vor, die kein Verbotsgut enthält; dieses Angebot wird - da aus Sicht des Mitarbeiters der Beklagten gegen eine Beförderung keine Bedenken bestehen - jedenfalls konkludent durch Entgegennahme der Sendung und Beförderung derselben angenommen, so dass ein entsprechender Beförderungsvertrag zustande kommt. Die Beklagte ist in einer solchen Konstellation auch nicht schutzlos gestellt, denn sie kann den zustande gekommenen Vertrag bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 123 BGB anfechten; auch kann der Umstand der bewussten Aufgabe von Verbotsgut im Fall des Verlustes der Sendung im Rahmen der Abwägung der Verursachungsbeiträge zu einem vollständigen Ausschluss der Haftung des Transportunternehmers führen.

Damit verstößt die in Abschnitt 2 Abs. 2 AGB enthaltene Regelung gegen das Verbot des Vorrangs der Individualabrede, was zur Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 BGB führt.

Dass die von der Beklagten verwendeten Freizeichnungsklauseln insoweit gegen § 309 Nr. 7b BGB verstoßen, als durch sie die Haftung für solche Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung der Beklagten oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung von gesetzlichen Vertretern oder Erfüllungsgehilfen beruhen, vollständig ausgeschlossen wird, sofern es sich um Verbotsgüter handelt, hat das Landgericht zutreffend ausgeführt. Der Auffassung der Beklagten könnte lediglich für den Fall näher getreten werden, dass ein Vertrag hinsichtlich derartiger Güter nie zu Stande kommt; dem ist jedoch - wie dargelegt - nicht so.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO) besteht nicht. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern Belange der Rechtsfortbildung oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.000,00 €