OLG Dresden, Beschluss vom 23.06.2014 - U 4/14 Kart
Fundstelle
openJur 2014, 14936
  • Rkr:
Verfahrensgang
Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 31.01.2014 (1 HK O 3576/13) durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Verfügungsklägerin wird Gelegenheit gegeben, zu den Hinweisen des Senats binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten im einstweiligen Verfügungsverfahren darum, ob die Verfügungsbeklagte verpflichtet ist, mit der Verfügungsklägerin nach Kündigung eines vorangegangenen Lieferantenvertrags einen neuen Lieferantenvertrag zur Durchleitung von Strom durch das Verteilnetz der Verfügungsbeklagten abzuschließen, zumindest aber, der Verfügungsklägerin Zugang zu ihrem Verteilnetz zur Belieferung der Kunden der Verfügungsklägerin mit elektrischem Strom zu gewähren. Wegen des Sachverhalts und der von den Parteien erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit Urteil vom 31.01.2014 hat das Landgericht Leipzig den Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, hinsichtlich des von der Verfügungsklägerin begehrten Abschlusses eines neuen Lieferantenvertrages bestehe jedenfalls kein Verfügungsgrund, da ein Anspruch auf Netzzugang und Netznutzung der Klägerin, der Gegenstand des Vertrages sein würde, sich als gesetzlicher Anspruch aus § 20 Abs. 1 S. 1 EnWG ergebe. Die Verfügungsklägerin könne ihr Leistungsbegehren über die Geltendmachung dieses gesetzlichen Anspruches durchsetzen. Im Übrigen sei nicht davon auszugehen, dass ein Anspruch auf Netzzugang bestehe. Denn eine Gewährung des Netzzugangs sei der Verfügungsbeklagten gemäß § 20 Abs. 2 S. 1 EnWG aus in der Person der Verfügungsklägerin liegenden Gründen unzumutbar. Wie die Kammer in ihrem Urteil im Parallelverfahren (1 HK O 2742/13) entschieden habe, sei die Fortführung des vorangegangenen Lieferantenvertrages für die Verfügungsbeklagte unzumutbar gewesen, so dass die diesbezüglich erklärte außerordentliche Kündigung wirksam gewesen sei. Das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit nach § 20 Abs. 2 S. 1 EnWG habe denselben Bedeutungsinhalt wie das Tatbestandsmerkmal der eine außerordentlichen Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertigenden Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung in § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB. Sonstige Gründe für eine Verweigerung des Netzzugangs nach § 20 Abs. 2 S. 1 EnWG könnten in der Person des Netzzugangspetenten liegen, wenn diesem in der Vergangenheit schwerwiegende Vertragspflichtverletzungen unterlaufen seien und diesbezüglich Wiederholungsgefahr bestehe. Dies sei vorliegend der Fall. Eine einschränkende Auslegung des § 20 Abs. 2 S. 1 EnWG dahingehend, dass eine Zugangsvereinbarung im Hinblick auf die europäische Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie nur aus Kapazitätsgründen zulässig sei, komme vorliegend nicht in Betracht, da § 20 Abs. 2 S. 1 EnWG ausdrücklich auch sonstige Gründe zur Begründung der Unzumutbarkeit zulasse. Für die Begründung der Zugangsverweigerung seitens der Verfügungsbeklagten reiche der Verweis auf die Umstände der Beendigung des vorangegangenen Lieferantenrahmenvertrages aus. Die Verfügungsklägerin habe keine Umstände dargelegt, die die Annahme begründen könnten, dass die Wiederholungsgefahr bei einem die weitere Netznutzung zulassenden zukünftigen Schuldverhältnis der Parteien ausgeräumt sei. Die bloße Übersendung eines Mustervertragsentwurfes reiche hierfür nicht aus.

Gegen dieses, ihr am 27.02.2014 zugestellte Urteil wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer am 14.03.2014 durch Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten eingelegten und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 25.05.2014 mit weiterem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten am 23.05.2014 begründeten Berufung. Sie meint, das Landgericht habe die Tatsachenfeststellungen aus dem Verfahren 1 HK O 2742/13 nicht seiner Entscheidung zugrunde legen dürfen, da das Urteil des Landgerichts in diesem Parallelverfahren bislang nicht in Rechtskraft erwachsen sei. Sie verweist ausdrücklich auf ihre darin vorgetragene Argumentation zur Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Lieferantenrahmenvertrages und führt dazu näher aus. Die Bestätigung der Kündigung durch das Landgericht Leipzig impliziere auch keine Unzumutbarkeit i.S.d. § 20 Abs. 2 EnWG, denn das Landgericht habe ausschließlich einer Sach- und Interessenabwägung mit Stand vom 29.10.2013 unter dem Blickwinkel der Fortsetzung des zwischen den Parteien früher bestehenden Vertragsverhältnisses, jedoch keine Einschätzung der Unzumutbarkeit im Hinblick auf den gesetzlichen Kontrahierungszwang der Antragsgegnerin als Verteilnetzbetreiber vorgenommen. "Unzumutbarkeit" i.S.d. § 20 Abs. 2 S. 1 EnWG habe nicht denselben Bedeutungsinhalt wie das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung in § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB Die Vorschrift sei außerdem europarechtskonform nach Art. 32 Abs. 2 S. 1 der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie auszulegen, nach der der Netzzugang nur verweigert werden könne, wenn der Verteilernetzbetreiber nicht über die nötige Kapazität verfüge. Ein anderer Grund komme nicht in Betracht. Insofern müsse § 20 EnWG einschränkend ausgelegt werden. Falls das Landgericht nicht dieser Auffassung gewesen sei, hätte es die Frage dem EuGH vorlegen müssen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Verfügungsklägerin ist offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Da die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO vorliegen, beabsichtigt der Senat, sie durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Verfügungsklägerin erhält gemäß § 522 Abs. 2 S. 2 ZPO zuvor Gelegenheit zur Stellungnahme.

1.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Erlass einer einstweiligen Verfügung zugunsten der Verfügungsklägerin abgelehnt. Die von dieser gestellten Haupt- und Hilfsanträge sind bereits unzulässig.

a)

Sofern die Verfügungsklägerin mit ihrem Hauptantrag begehrt, die Verfügungsbeklagte zur Annahme des von ihr unterbreiteten Vertragsangebots auf Abschluss eines neuen Lieferantenvertrages zu verpflichten, aus dem die Verfügungsbeklagte verpflichtet wäre, der Antragstellerin ungehinderten Netzzugang zu ihrem Verteilnetz zu gewähren, so ist dieser Antrag deswegen unzulässig, weil die Verfügungsbeklagte im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht zur Abgabe einer Willenserklärung verpflichtet werden kann. Vorliegend begehrt die Verfügungsklägerin den Erlass einer Verfügung in Form einer Regelungsverfügung gemäß § 940 ZPO. Diese Vorschrift gestattet es jedoch grundsätzlich nicht, die Abgabe einer Willenserklärung einstweilen zu regeln. Die Wertung des Gesetzgebers, dass die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung grundsätzlich nur im Hauptsacheverfahren und nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren möglich sein soll, lässt sich bereits aus § 894 ZPO ableiten, wonach einer Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung die Erklärung erst dann als abgegeben gilt, wenn das Urteil Rechtskraft erlangt hat (s. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 11.08.2008, 4 W 66/08, MDR 2009, 221). Überdies sind einstweilige Verfügungen nach § 940 ZPO nur statthaft, um einen einstweiligen Zustand in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zu regeln. Deswegen käme eine Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die erstrebte Willenserklärung nur einen einstweiligen Zustand herbeiführen würde (vgl. Musielak, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 940 Rn. 26). Eine auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtete einstweilige Verfügung ist hingegen - abgesehen von den gesetzlich geregelten Fällen der §§ 885, 899 BGB - nicht möglich, weil durch sie die Hauptsache vorweggenommen würde (s. Musielak, aaO.; Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 936 Rn. 9; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 07.10.2013, 5 U 135/13, ZIP 2013, 2022). Letzteres wäre vorliegend aber der Fall. Denn würde die Verfügungsbeklagte zur Annahme des Vertragsangebots der Verfügungsklägerin verurteilt, würde durch die Erfüllung dieser Verpflichtung bereits ein neuer Lieferantenvertrag zustande kommen. Dann hätte die Verfügungsklägerin ihr Hauptsacheziel schon erreicht.

b)

Auch die auf Gewährung von Netzzugang ohne Abschluss eines neuen Lieferantenvertrages gerichteten Hilfsanträge der Verfügungsklägerin sind unzulässig. Zwar sind diese Anträge nicht auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet, sondern lediglich auf tatsächliche Gewährung von Netzzugang. Solche Anträge sind grundsätzlich auch in einstweiligen Verfügungsverfahren statthaft (vgl. OLGR Düsseldorf, 2002, 189; Zöller, aaO, § 940 Rn. 6).

Jedoch steht diesen Verfügungsanträgen bereits eine anderweitige Rechtshängigkeit entgegen (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), jedenfalls aber besteht für sie kein Rechtsschutzbedürfnis. Denn die Verfügungsklägerin verfolgt das Begehren auf Gewährung von Netzzugang durch die Verfügungsbeklagte bereits im ebenfalls beim Senat anhängigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes mit dem Aktenzeichen U 5/14 Kart (1 HK O 2742/13 LG Leipzig). Darin hat sie beantragt, der Verfügungsbeklagten zu gebieten, ihr auch zukünftig (über den 31.10.2013, 24:00 Uhr hinaus), die Durchleitung elektrischer Energie bis zu den Abnahmestellen der Kunden der m… GmbH & Co. KG zu gestatten. Dieses Begehren stimmt mit dem Begehren aus den im vorliegenden Verfahren gestellten Hilfsanträgen überein. Darüber hinaus ist auch der Streitgegenstand identisch, denn die Verfügungsklägerin stützt sich auch in diesem Verfahren darauf, dass ihr Netzzugang deshalb unverzüglich zu gewähren sei, weil ihr - unabhängig von der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung des Lieferantenrahmenvertrages - jedenfalls ein Anspruch auf Neuabschluss eines solchen Vertrages zustünde.

2.

Da die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, wird der Verfügungsklägerin empfohlen, sie aus Kostengründen zurückzunehmen.