VG Cottbus, Beschluss vom 09.07.2014 - 3 L 76/14
Fundstelle
openJur 2014, 14755
  • Rkr:
Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

Der – sinngemäße - Antrag der Antragsteller,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches vom 25. Februar 2014 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 13. Februar 2014 hinsichtlich der Nutzungsuntersagung wiederherzustellen und hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs – hier des Widerspruches gegen die von dem Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärte Nutzungsuntersagungsverfügung – wiederherstellen. Dabei trifft es eine eigene Ermessensentscheidung, in deren Rahmen es abzuwägen hat, ob das private Interesse der Antragsteller an der aufschiebenden Wirkung ihres Rechtsbehelfes oder das von der Behörde geltend gemachte öffentliche Vollziehungsinteresse überwiegt. Maßgeblich ist hierfür auf die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes abzustellen; sind diese im Rahmen der im vorliegenden Eilrechtsschutzverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage offen, bedarf es einer Abwägung der widerstreitenden Interessen.

Hiervon ausgehend erweist sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes vorliegend als unbegründet.

So unterliegt die Anordnung der sofortigen Vollziehung zum einen in formeller Hinsicht keinen rechtlichen Bedenken. Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO hat der Antragsgegner mit dem Hinweis genügt, dass ein sofortiges Wirken der Nutzungsuntersagung bei Vorliegen eines Vorhabens, das nicht mit dem geltenden Baurecht in Einklang stehe, im Hinblick auf die damit verbundene Gefahr der Schaffung bzw. Verfestigung vollendeter Tatsachen und folglich später nur schwer oder nicht rückgängig zu machender Fakten geboten sei. Zudem hat er auf die erhebliche Breiten- und Nachahmungswirkung verwiesen, die selbst von einer nur vorübergehenden Duldung des rechtswidrigen Zustandes ausgeht. Damit hat der Antragsgegner in der Rechtsprechung anerkannte Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit einer Nutzungsuntersagung aufgegriffen (vgl. ausführlich Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 17. März 2009 – 7 L 104/08 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 6).

Zum anderen überwiegt vorliegend das Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verbotsverfügung. Die angegriffene Ordnungsverfügung ist offensichtlich rechtmäßig, so dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragsteller ausfällt.

Rechtsgrundlage der Nutzungsuntersagung, an deren formeller Rechtmäßigkeit keine Zweifel bestehen, ist § 73 Abs. 3 Satz 1 der Brandenburgischen Bauordnung (BbgBO). Hiernach kann, wenn bauliche Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, diese Nutzung untersagt werden. Hierfür genügt grundsätzlich die formelle Rechtswidrigkeit der untersagten Nutzung, also das Fehlen einer Baugenehmigung. Ermessensfehlerhaft wäre eine Nutzungsuntersagung in solchen Fällen nur, wenn die streitige Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist oder unter Bestandsschutz steht oder wenn bei atypischen Fallgestaltungen ein Verstoß gegen das Verhältnismäßigkeitsprinzip vorliegt (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14. Juni 2010 – OVG 2 S 15.10 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 4 f; Verwaltungsgericht München, Beschluss vom 8. April 2008 – M 8 S 08.568 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 38).

Zu Recht hat der Antragsgegner im Hinblick auf die die Rechtmäßigkeit der baulichen Entwicklung sichernde Ordnungsfunktion des formellen Baurechts auf die formelle Illegalität der von den Antragstellern auf dem streitgegenständlichen Grundstück betriebenen Nutzung abgestellt. Die dauerhafte Wohnnutzung eines Wochenendhauses stellt eine funktionale Nutzungsänderung dar, die gemäß § 54 BbgBO einer Baugenehmigung bedarf.

An einer solchen fehlt es hier, vielmehr wurde für die Nutzung des Grundstückes zu Dauerwohnzwecken ersichtlich zu keiner Zeit eine Baugenehmigung beantragt. Das formlose Schreiben der Antragsteller vom 12. August 2013 genügt, worauf der Antragsgegner bereits zutreffend hingewiesen hat, nicht den an einen Bauantrag gesetzlich gestellten Anforderungen.

Dabei haben die insoweit beweisbelasteten Antragsteller schon nicht nachweisen können, dass seinerzeit für die Errichtung des Gebäudes die erforderliche Baugenehmigung erteilt worden ist. Hinreichende Unterlagen haben sie hierfür nicht vorgelegt; weder der Kaufvertrag vom 23. Oktober 1974 noch die Auflassungsurkunde vom 14. Januar 1975 geben über die Genehmigungsverhältnisse Auskunft. Die von den Antragstellern ebenfalls in Bezug genommene Zustimmung zur Errichtung eines Anbaus vom 13. August 1974 betraf nicht das streitgegenständliche, seinerzeit im Eigentum der Frau R. stehende Gebäude, sondern das im Eigentum der Frau H. stehende Einfamilienwohnhaus auf dem ursprünglich einheitlichen Grundstück.

Doch selbst wenn zu Gunsten der Antragsteller im Hinblick darauf, dass es sich bei dem hier in Rede stehenden Gebäude ausweislich des oben benannten Kaufvertrages um ein sogenanntes Kleinstwohnhaus gehandelt hat, das von Frau R. in der Zeit vom 16. Januar 1947 bis zum 21. April 1984 als Hauptwohnsitz genutzt wurde, unterstellt würde, dass die Dauerwohnnutzung seinerzeit durch die erforderlichen Genehmigungen oder Zustimmungen legalisiert war, hätten diese ihre Wirksamkeit verloren. Denn auch derartige – etwa nach Art. 19 Satz 1 des Einigungsvertrages (EV) als vor dem 3. Oktober 1990 ergangene Verwaltungsakte wirksam gebliebene – Genehmigungen oder Zustimmungen unterliegen hinsichtlich ihrer Bestandskraft und damit auch ihrer Wirkungsdauer den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen (vgl. Art. 19 Satz 3 EV). Hierzu zählt § 43 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) i. V. m. § 1 Abs. 1 VwVfGBbg, wonach ein Verwaltungsakt wirksam bleibt, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist. Folgerichtig beanspruchen diejenigen Grundsätze, die zur Wirksamkeit von Baugenehmigungen entwickelt wurden, auch für vor dem 3. Oktober 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR erteilte baurechtliche Genehmigungen oder Zustimmungen etwa nach § 3 der Bevölkerungsbauwerke-Verordnung Geltung (vgl. so bereits Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 17. März 2009 – 7 L 104/08 -, a. a. O., dort Rdn. 10).

Eine anderweitige Erledigung als hier einzig in Betracht kommende Tatbestandsalternative des § 43 Abs. 2 VwVfG liegt insbesondere vor, wenn die Baugenehmigung ihre regelnde Wirkung verliert, weil der Begünstigte auf die Wahrnehmung seiner Rechte hieraus verzichtet hat. Das kann der Fall sein, wenn die genehmigte Nutzung tatsächlich dauerhaft und endgültig aufgegeben wurde, wobei ein entsprechender Verzichtswille zwar auch durch schlüssiges Verhalten betätigt werden kann, aber jedenfalls unmissverständlich und unzweifelhaft zum Ausdruck kommen muss (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 4. März 2009 – 3 S 1467/07 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 33 f; Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschluss vom 19. November 2012 – 7 L 1204/12.DA -, zitiert nach juris, dort Rdn. 22 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Allein die bloße Nichtweiterführung einer genehmigten Nutzung wird zwar in aller Regel nicht ausreichen, um auf einen dauerhaften Verzichtswillen schließen zu können. Erforderlich ist vielmehr das Hinzutreten weiterer Umstände, die eine endgültige Aufgabe des Nutzungswillens nach außen dokumentieren. Hiervon kann etwa ausgegangen werden, wenn die bisherige Nutzung in ihrer genehmigten Bandbreite auf Dauer durch eine – insbesondere funktional andere – Nutzung ersetzt wird (vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 4. März 2009 – 3 S 1467/07 -, a. a. O., dort Rdn. 34; Verwaltungsgericht Darmstadt, Beschluss vom 19. November 2012 – 7 L 1204/12.DA -, a. a. O., dort Rdn. 25).

So liegt der Fall hier. Die Dauerwohnnutzung des streitgegenständlichen Gebäudes endete ersichtlich mit dem Ableben der Frau R. am 21. April 1984. Die Antragsteller haben mit ihrem Vorbringen selbst eingeräumt, dass das Gebäude danach bis ins Jahr 2010 hinein nicht mehr zu Dauerwohnzwecken, sondern von den Rechtsnachfolgern der Frau R. nur noch als Wochenendhaus genutzt wurde. Etwas anderes lässt sich im Rahmen der hier nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung auch den vorliegenden Unterlagen nicht entnehmen.

Die Nutzung als Wochenendhaus liegt dabei auch erkennbar außerhalb der Variationsbreite der ursprünglichen Wohnnutzung und stellt eine eigene Nutzungskategorie dar, für die andere öffentlich-rechtliche, insbesondere auch bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht kommen. Der Begriff des Wohnens ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie Freiwilligkeit des Aufenthaltes gekennzeichnet. Hierdurch wird der Bereich des Wohnens als Bestandteil privater Lebensgestaltung gekennzeichnet, der keinen anderen in der Baunutzungsverordnung vorgesehenen Nutzungszwecken verschrieben ist, insbesondere keinen irgendwie gearteten Erwerbs-, Übernachtungs- oder temporären Erholungszwecken dient. Entsprechend unterscheidet das Bauplanungsrecht begrifflich zwischen Wohngebäuden einerseits (vgl. §§ 2, 3, 4, 4a, 5 und 6 der Baunutzungsverordnung (BauNVO)) und Ferien- und Wochenendhäusern andererseits (vgl. § 10 Abs. 3 und Abs. 4 BauNVO). Die allgemeine Wohnnutzung und die Wochenend- oder Ferienwohnnutzung werden demnach als eigenständige Nutzungsarten mit unterschiedlichen Anforderungen aufgeführt (vgl. ausführlich Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 22. Januar 2014 – AN 9 K 13.01327 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 41 f m. w. N.).

Die danach hier anzunehmende Aufnahme einer anderen Nutzung, die außerhalb der Variationsbreite der bisherigen Nutzungsart lag und – gemessen an der verhältnismäßig weit zurückliegenden Aufgabe einer Dauerwohnnutzung – erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden sollte, lässt den Bestandsschutz entfallen.

Dementsprechend können sich die Antragsteller vorliegend auch nicht mit Erfolg auf die Regelung des § 11 Abs. 3 der Bevölkerungsbauwerke-Verordnung vom 8. November 1984 (GBl. DDR I S. 433), geändert durch die Zweite Verordnung über Bevölkerungsbauwerke vom 13. Juli 1989 (GBl. DDR I S. 191) berufen. Zwar ist der hierdurch vermittelte Schutz nicht nur auf Beseitigungsverfügungen, sondern gleichermaßen auch auf Nutzungsuntersagungen anzuwenden (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. September 2013 – OVG 10 N 59.10 -, zitiert nach juris, dort Rdn. 9). Auch insoweit kommt es jedoch maßgeblich darauf an, dass die hiernach Bestandschutz genießende Dauerwohnnutzung erkennbar bereits endgültig aufgegeben wurde, weshalb die nunmehr von den Antragstellern vorgenommene Nutzungsänderung nicht dem Schutz des § 11 Abs. 3 der Bevölkerungsbauwerke-Verordnung unterfällt.

Im Übrigen ist die einmal erteilte Baugenehmigung bei einer qualifizierten Nutzungsänderung verbraucht mit der Folge, dass eine neue Nutzung auch dann einer (neuen) Genehmigung bedarf, wenn sie mit der ursprünglich einmal genehmigten Nutzung identisch sein sollte (OVG für das Land Brandenburg, Beschluss vom 18. Mai 2001 – 3 B 12/01.Z -).

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Insbesondere drängt es sich nicht ohne weiteres auf, dass die Nutzung des streitgegenständlichen Gebäudes zu Dauerwohnzwecken materiell-rechtlich zulässig ist, da das Grundstück der Antragsteller ersichtlich im Außenbereich bzw. jedenfalls in einer durch Wochenendnutzung geprägten Umgebung liegt. Die von den Antragstellern zum Erwerb des Grundstückes und zur Sanierung des Gebäudes aufgewendeten finanziellen Mittel müssen hier im Hinblick auf die Ordnungsfunktion des formellen Baurechts ebenso außer Betracht bleiben wie ihr ideelles Interesse an der Fortsetzung der Wohnnutzung, zumal eine Nutzung als Wochenendhaus weiterhin unbenommen bleibt.

An der sofortigen Vollziehbarkeit der Nutzungsuntersagung besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung in Fällen der vorliegenden Art nicht nur in der Gefahr der negativen Vorbildwirkung liegt, die von der Nutzung illegaler Bauten ausgeht, sondern auch darin zu verhindern, dass die präventive Kontrolle der Bauaufsicht unterlaufen wird und dass derjenige, der ohne Beachtung des vorgeschriebenen Baugenehmigungsverfahrens eine bauliche Anlage errichtet oder nutzt, aus diesem Verhalten zeitliche Vorteile gegenüber denjenigen zieht, die das vorgeschriebene Baugenehmigungsverfahren beachten (vgl. Verwaltungsgericht Cottbus, Beschluss vom 17. März 2009 – 7 L 104/08 -, a. a. O., dort Rdn. 17).

Im Hinblick auf diese Feststellungen ist auch gegen die Zwangsgeldandrohung nichts zu erinnern; der Betrag in Höhe von 500,00 Euro ist angemessen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes. i. V. m. Ziffern 9. 4 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Fassung 2013, NVwZ-Beilage 2013, 57). Der Streitwert für eine Nutzungsuntersagung ist regelmäßig mit dem Auffangstreitwert in Höhe von 5.000,00 € zu bemessen, sofern der Sach- und Streitstand - wie hier - keine genügenden Anhaltspunkte für die Höhe des aus der Nutzungsuntersagung drohenden Schadens bietet. Das angedrohte Zwangsgeld bleibt nach Ziffer 1.7.2 des Streitwertkataloges außer Betracht. Der Betrag von 5.000,00 € ist im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu halbieren.