LG Leipzig, Urteil vom 31.01.2014 - 01 HK O 3576/13
Fundstelle
openJur 2014, 14751
  • Rkr:
Energierecht Zivilrecht
§ 314 Abs. 1 BGB; § 20 EnWG; § 24 StromNZV
Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Streitwert: 1.300.000,00 €

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin (im Folgenden nur: Klägerin) macht gegen die Verfügungsbeklagte (im Folgenden nur: Beklagte) im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen der von ihr beabsichtigten Stromdurchleitung durch das Verteilnetz der Beklagten einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages und einen Anspruch auf Netzzugang geltend.

Zur Darstellung des Tatbestands wird zunächst auf den Tatbestand des von der Kammer in dem in dem von den Parteien unter dem Aktenzeichen: 01 HKO 2742/13 geführten Verfahren am 29.10.2013 verkündeten Urteils verwiesen.

Die Klägerin übersandte am Tag nach dem Verhandlungstermin im Verfahren 01 HKO 2742/13, am 30.10.2013, der Beklagten per Fax das als Anlage AST19 vorgelegten Schreiben mit beigefügtem Entwurf eines "Lieferantenrahmenvertrag Strom". Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom selben Tag, Anlage AST22. Am 05.11.2013 übersandte die Beklagte ein weiteres Schreiben. Auf die Schreiben wird verwiesen.

Die Klägerin beantragt, im Wege der einstweiligen Verfügung wie folgt zu erkennen:

Die Beklagte wird verpflichtet, mit der Klägerin den Lieferantenvertrag gem. Anlage AST1 abzuschließen und der Klägerin ungehinderten Netzzugang zu ihren Verteilnetz zu gewähren, insbesondere an den Abnahmestellen gem. der Anlage AST2;
hilfsweise:
der Beklagten wird geboten, der Klägerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ungehinderten Zugang zu ihrem Verteil netz zur Belieferung elektrischen Stroms an ihre Kunden zu gewähren, insbesondere an den AbnahmesteIlen gem. der Anlage AST2;
hilfsweise:
der Beklagten wird geboten, der Klägerin bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ungehinderten Zugang zu ihrem Verteilnetz zur Belieferung elektrischen Stroms an die Stromabnahmestellen der Kunden der ... GmbH & Co. KG zu gewähren, insbesondere an die Abnahmestellen gem. der Anlage AST2.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist unter anderem der Ansicht, dass die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche aus dem im Verfahren 01 HKO 2942/13 die außerordentliche Vertragskündigung rechtfertigenden Gründe nicht begründet seien.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung und die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg. Einen Anspruch auf Abschluss eines Vertrages kann die Klägerin jedenfalls nicht im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen. Das Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs auf Netzzugang nimmt die Kammer derzeit nicht an.

I.

Bei Annahme, dass die Klägerin einen sich aus § 20 EnwG und § 24 StromNZV ergebenden Anspruch auf Abschluss eines den Netzzugang und die Netznutzung regelnden Vertrages hätte, besteht für die Klägerin keine Dringlichkeit, den Vertragsabschluss im Wege der einstweiligen Verfügung durchzusetzen. Die Durchsetzung einer etwaigen Kontrahierungspflicht der Beklagten wäre nicht dringlich, da der Anspruch auf Netzzugang und -nutzung der Klägerin, der Gegenstand des Vertrages sein würde, sich als gesetzlicher Anspruch aus § 20 Abs. 1 Satz 1 EnwG ergibt. Eine Kontrahierungspflicht wäre nur bei Bestehen des gesetzlichen Anspruchs anzunehmen. Ihr Leistungsbegehren kann die Klägerin über die Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs durchsetzen.

II.

Das Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs der Klägerin auf Zugang zum Verteil netz der Beklagten ist derzeit nicht anzunehmen. Die Beklagte hat - mit ihrer Erklärung im Anwaltsschreiben vom 05.11.2013 und ihrer Antragserwiderung in diesem Verfahren - zu Recht der Klägerin den Zugang zu ihrem Versorgungs netz verweigert, nämlich zu Recht mit dem Verweis auf die mit der am 22.10.2013 zum 31.10.2013 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung des Netznutzungsvertrages erklärten Zugangsverweigerung und des dieser Kündigung zugrunde gelegenen wichtigen Kündigungsgrundes.

Die Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung, die nach § 314 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung begründete, begründet für die Beklagte auch die Unzumutbarkeit der Gewährung des Netzzugangs nach § 20 Abs. 2 Satz 1. Wegen der Annahme der die außerordentliche Vertragskündigung begründenden Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils 01 HKO 2742/13 verwiesen.

1.

Das Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit nach § 20 Abs. 2 Satz 1 EnwG hat denselben Bedeutungsinhalt wie das Tatbestandsmerkmal der eine außerordentliche Kündigung des Netzzugangsvertrages als Dauerschuldverhältnis rechtfertigenden Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung. Der Netznutzungsvertrag hat die Gewährung des Netzzugang und die Netzzugang als Regelungsgegenstand, dies unabhängig davon, dass es für die Annahme und Durchsetzung des gesetzlichen Netzzugangsanspruchs nach § 20 Abs. 1 Satz 1 EnwG den vorherigen Vertragsabschluss nicht bedarf. Entgegen der Ansicht der Klägerin regelt das Gesetz in § 20 Abs. 2 Satz 1 EnwG, dass ein in der Person einer Vertrags partei (hier der Klägerin) liegender Umstand, der die Unzumutbarkeit der Fortführung des Netzzugangsvertrages begründen kann (hier begründete), auch die Unzumutbarkeit der Gewährung des Netzzugangs nach § 20 Abs. 2 Satz 1 EnwG begründen kann (hier begründet). Sonstige Gründe für eine Verweigerung des Netzzugangs können in der Person des Netzzugangspetenten liegen, so wenn diesen in der Vergangenheit schwerwiegende Pflichtverletzungen unterliefen, aus denen sich eine Wiederholungsgefahr ergibt (Säcker/Boesche, Energierecht, 3. Aufl., §20 EnwG Rn. 233).

Dass die Vorschrift des § 20 Abs. 2 Satz 1 EnwG als Verweigerungsgründe - über die ausdrücklichen Regelungen der europarechtlichen Vorschriften hinaus - nicht nur Kapazitätsgründe regelt, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, in den neben betriebsbedingten Gründen "sonstige Gründe" genannt sind. Für die hier zu treffende Entscheidung im einstweiligen Verfügungs verfahren ist die Regelung des deutschen Gesetzgebers maßgebend, ohne dass etwaige Widersprüche zu europarechtlichen Vorschriften nachgegangen werden kann. Auch bei Beachtung des Gebots der richtlinienkonformen Auslegung im Hinblick auf die Regelung in Art. 20 Abs. 2 Satz 1 EltRL 2003 ist wegen der ausdrücklichen Regelung des Gesetzes in § 20 Abs. 2 Satz 1 EnwG mit der Angabe sonstiger Gründe neben betriebsbedingten Gründen eine einschränkende Auslegung dahingehend, dass nur Kapazitätsgründe bzw. nur betriebsbedingte Gründe zur Zugangsverweigerung berechtigen würden, nicht möglich.

2.

Wegen der zeitlichen Nähe der erneuten Geltendmachung des Netzzugangsanspruchs, erstmals einen Tag nach dem Verhandlungstermin und der Urteilsverkündung im Verfahren 01 HKO 2742/13 und auch noch im Zeitpunkt des diesem Urteil zugrunde liegenden Verhandlungsterm ins am 10.01.2014, zum Kündigungsausspruch und zur Vertragsbeendigung Ende des Monats Oktober 2013 ist für die Begründung der Zugangsverweigerung seitens der Beklagten deren Verweis auf die Umstände der Vertrags beendigung ausreichend. Wegen dieser zeitlichen Nähe gilt dies auch bei Beachtung der Regelung des § 23 Abs. 1 StromNZV. Der Klägerin hat es oblegen, zur Ausräumung der - aufgrund der die Kündigung begründenden Vertragsverletzungen anzunehmenden - Gefahr, dass die Pflichtverletzungen seitens der Klägerin sich bei einer zukünftigen Netznutzung wiederholen, Umstände darzulegen, die die Annahme begründen können, dass diese Gefahr im Hinblick auf ein durch die zukünftige Netznutzung begründetes Schuldverhältnis der Parteien, ob gesetzlich oder vertraglich, für den Regelfall ausgeräumt ist bzw. dass der Beklagten für den Fall der Wiederholung ein angemessener Schutz ihrer Rechte und Interessen eingeräumt ist.

Was die Klägerin hierfür hätte unternehmen müssen, kann für die Entscheidung dieses Verfahrens dahinstehen, weil die Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nichts in dieser Hinsicht Verwertbares getan hat. Die Übersendung des Vertrags entwurfes ist nicht ausreichend gewesen, dies auch bei Berücksichtigung, dass es sich hierbei um das von der Bundesnetzagentur vorgegebene und von den Versorgungsnetzbetreibern üblicherweise verwendete Vertragsmuster handelt. Die Klägerin hat der Beklagten durch ihr Verhalten nach der Vertragskündigung im Oktober 2013 keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, dass bei erneuter Gewährung des Netzzugangs mit einer sich hieraus ergebenden Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Netznutzungsentgelt die Entgeltzahlungen der Klägerin termingerecht erfolgen werden oder dass die Klägerin willens und in der Lage ist, die Beklagte im Hinblick auf etwaige Zahlungsverzögerungen und -ausfälle abzusichern.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Der Streitwert wird - aus den den Parteien in den in den vorangegangenen Verfahren mitgeteilten Gründen - auf 1.200.000,00 € festgesetzt.