SG Landshut, Urteil vom 11.06.2014 - S 13 U 253/12
Fundstelle
openJur 2014, 14494
  • Rkr:

I. Die erstmalige Festlegung der MdE in Bezug auf eine Rente auf unbestimmte Zeit im Anschluss an die Gewährung einer Rente als vorläufige Entschädigung unterliegt nicht den Einschränkungen des § 48 SGB X i.V.m. § 73 Abs. 3 SGB VII (vgl. BSG, Urt. v. 19.12.2013, B 2 U 1/13 R). Dies gilt auch dann, wenn die MdE im Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit höher festgesetzt wird, als im Bescheid über Rente als vorläufige Entschädigung.II. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides über die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Vor diesem Hintergrund sind Änderungen im Gesundheitszustand des Versicherten auch dann zu berücksichtigen, wenn diese erst nach Erlass des Dauerrentenbescheides eingetreten sind. III. Tritt in dem Gesundheitszustand des Klägers nach Erlass des Dauerrentenbescheides und noch während des gerichtlichen Verfahrens eine tatsächliche Änderung ein, die die MdE des Klägers um 5 v.H. erhöht, so ist dem Käger ab dem Zeitpunkt der Änderung eine Dauerrente nach dieser MdE (ursprüngliche MdE + 5 v.H.) zu gewähren. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Rechtmäßigkeit der Schätzung der MdE durch den Unfallversicherungsträger (vgl. BSG, Urt. v. 07.12.1976, 8 RU 14/76, zitiert nach juris steht dem nicht entgegen, denn diese Rechtsprechung setzt gerade voraus, dass keine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten ist.

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 04. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2012 in der Fassung des Bescheides vom 28. Juni 2013 wird abgeändert.

II. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger wegen der Folgen des Unfalls vom 01. Oktober 2010 Verletztenrente auf unbestimmte Zeit ab dem 30. Januar 2014 in Höhe von 30 v.H. zu gewähren.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1/2.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Verletztenrente.

Der Kläger erlitt am 01. Oktober 2010 einen Arbeitsunfall indem er aus ca. 4 Meter Höhe zu Boden gestürzt ist.

Der Durchgangsarzt Dr. C. erstellte die Erstdiagnose eines Polytraumas mit Beckenfraktur, Humerusschaftfraktur rechts, Schulterluxation links mit Tuberculum majus Abrissfraktur sowie multiple Abschürfungen.

Der Kläger befand sich vom 01. bis zum 18. Oktober 2010 in stationärer Behandlung. Noch am Unfalltag wurde der Kläger operativ versorgt.

Der Heilverlauf hinsichtlich der Humerusschaftfraktur verlief verlangsamt.

Vom 03. bis zum 14. Mai 2011 befand sich der Kläger erneut in stationärer Behandlung. Am 05. Mai 2011 wurde ein Marknagelwechsel des einliegenden Humerusmarknagels vorgenommen.

Ab dem 24. August 2011 wurde eine Arbeits- und Belastungsprobe eingeleitet.

Prof. Dr. B. kam im ersten Rentengutachten vom 18. Februar 2012 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger infolge des Unfalls ein Oberarmschaftbruch rechts, eine Auskugelung des linken Schultergelenks mit Abriss des Tuberculum majus sowie ein Beckenbruch als Open-book-Verletzung vorliege. Prof. Dr. B. beurteilte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers infolge des Unfalls mit 30 v.H. Ausweislich des Messblattes nach der Neutral-Null-Methode lag die Schulterbeweglichkeit seitwärts bei 120/0/20 Grad rechts und 160/0/20 Grad links; rückwärts bei 160/0/40 Grad rechts und 170/0/40 Grad links sowie auswärts bei 30/0/50 Grad rechts und 30/0/50 Grad links.

Der Beratungsarzt der Beklagten Dr. B. nahm am 09. März 2012 dahingehend Stellung, dass die MdE im Hinblick auf die verbliebenen Unfallfolgen als zu hoch eingeschätzt worden sei. Er sprach sich ab dem 30. März 2012 für eine MdE in Höhe von 25 v.H. aus.

Mit Bescheid über Rente als vorläufige Entschädigung vom 04. April 2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin ab dem 30. März 2012 ein Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE in Höhe von 25 v.H.

Mit Schreiben vom 13. April 2012 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Zur Begründung führte er aus, dass die verbliebenen Unfallfolgen eine höhere MdE rechtfertigen würden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2012 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies die Beklagte im Wesentlichen auf die Erfahrungssätze der einschlägigen Gutachterliteratur.

Mit seiner am 24. September 2012 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Mit Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit vom 28. Juni 2013 wurde dem Kläger im Folgenden eine Rente nach einer MdE von 25 v.H. bewilligt. Auch hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 04. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2012 in der Fassung des Bescheides vom 28. Juni 2013 abzuändern.2. die Beklagte zu verpflichten, ihm wegen der Folgen des Unfalls vom 01. Oktober 2010 ab dem 30. März 2012 Verletztenrente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Die Kammer hat die aktuellen Befundberichte des Klägers eingeholt und ein Sachverständigengutachten bei Dr. D. in Auftrag gegeben. Dieser kam nach Untersuchung des Klägers vom 30. Januar 2014 mit Gutachten vom gleichen Tag zu dem Ergebnis, dass die MdE ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 25 v.H. und ab dem 30. Januar 2014 mit 30 v.H. zu beurteilen sei. Zur Begründung für die Verschlimmerung verwies er im Wesentlichen auf eine von ihm festgestellte Zunahme der Bewegungseinschränkung in den Schultergelenken.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen und sind Gegenstand der Erörterung geworden. Wegen der Einzelheiten wird auf sie ergänzend Bezug genommen.

Gründe

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht nur der Bescheid über Rente als vorläufige Entschädigung vom 04. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2012, sondern gemäß § 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch der Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit vom 28. Juni 2013, der an die Stelle des Bescheides vom 04. April 2012 getreten ist. Wie die Kammer im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, wird an der zunächst mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 geäußerten gegenteiligen Rechtsauffassung aus Gründen der Praktikabilität und Prozessökonomie nicht mehr festgehalten.

Die so verstandene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG zulässig und teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit vom 28. Juni 2013 ist insofern rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, als dem Kläger ab dem 30. Januar 2014 ein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 30 v.H. zusteht. Im Übrigen sind dieser Bescheid und auch der Bescheid über Rente als vorläufige Entschädigung vom 04. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2012 jedoch rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Anspruchsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente ist § 56 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII). Danach haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die durch einen Versicherungsfall hervorgehobene Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urt. v. 29.11.1956, 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149; Urt. v. 27.06.2000, B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urt. v. 02.05.2001, B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (vgl. BSG, Urt. v. 02.05.2001, B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8).

Wie weit ein Arbeitsunfall die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen, sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urt. v. 26.06.1985, 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urt. v. 26.11.1987, 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urt. v. 30.06.1998, B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII, Rn. 10.3).

Der Beurteilung der MdE liegt im Kern eine Funktionsbeurteilung zugrunde. Dies bedeutet, dass entscheidend für die Beurteilung der MdE ist, in welchem Unfang die körperliche Funktionsfähigkeit des Klägers infolge der Unfallfolgen gemindert ist. Vorhandene Schmerzen fließen in die Festlegung der MdE regelmäßig nicht mit ein, weil sie sich nicht verobjektivieren lassen.

Die Kammer stützt sich bei der Beurteilung des medizinischen Sachverhaltes auf das auf einer umfassenden Befunderhebung beruhende, in sich schlüssige und überzeugende Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 30. Januar 2014. Dieser hat für die Kammer überzeugend ausgeführt, dass die MdE des Klägers zunächst zutreffend ab dem 30. März 2012 mit 25 v.H. beurteilt wurde. Ab dem Tag seiner Untersuchung am 30. Januar 2014 sei die MdE des Klägers jedoch mit 30 v.H. zu beurteilen. Die Anhebung der MdE auf 30 v.H. seit dem 30. Januar 2014 begründet Dr. D. für die Kammer nachvollziehbar mit der von ihm erstmals festgestellten Verschlechterung der Beweglichkeit in den Schultergelenken im Vergleich zu den Messdaten im ersten Rentengutachten.

Der Kläger hat zu dem Gutachten von Dr. D. Stellung genommen und argumentiert, dass bereits vor dem 30. Januar 2014 von einer MdE von 30 v.H. auszugehen sei. Zur Begründung hat er insofern auf die auch von Dr. D. festgestellte Schoßfugenerweiterung verwiesen. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die von Dr. D. diagnostizierte Schoßfungenerweiterung von 11 mm im selben Unfang auch bereits zum Zeitpunkt des ersten Rentengutachtens vom 18. Februar 2012 vorgelegen hat und Dr. D. insofern schlüssig ausgeführt hat, dass die seinerzeit festgelegte MdE von 25 v.H. nicht zu beanstanden sei.

Entgegen den Ausführungen der Beklagten steht der Gewährung einer MdE von 30 v.H. ab dem 30. Januar 2014 vorliegend auch nicht die Vorschrift des § 73 Abs. 3 SGB VII entgegen.

Nach § 73 Abs. 3 SGB VII ist eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, nur dann im Sinne des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) wesentlich und führt zur Änderung der Rentenfestsetzung für die Zukunft, wenn die Änderung der MdE mehr als 5 v.H. beträgt; bei Renten auf unbestimmte Zeit muss die Veränderung der MdE länger als drei Monate andauern.

Aus Sicht der Kammer kommt diese Vorschrift vorliegend jedoch nicht zur Anwendung. Die Festlegung einer Verletztenrente unter Anwendung von § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 73 Abs. 3 SGB VII setzt voraus, dass bereits eine bindend gewordene Erstfeststellung hinsichtlich der Rente vorliegt (vgl. nur Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, Stand 2/11, § 73 Rn. 5.3; vgl. auch BSG, Urt. v. 20.09.1977 - 8 RU 22/77- zitiert nach juris). Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist jedoch gerade sowohl die Erstfeststellung hinsichtlich der Rente als vorläufige Entschädigung als auch die Erstfeststellung hinsichtlich der Dauerrente. Insbesondere stellt der Bescheid über die Rente als vorläufige Entschädigung im Verhältnis zum Bescheid über die erstmalige Festsetzung einer Dauerrente keine Erstfeststellung dar, die die Anwendung des § 48 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 73 Abs. 3 SGB VII in Bezug auf den Bescheid vom 28. Juni 2013 zur Folge haben könnte.

Ermächtigungsgrundlage für den Bescheid vom 28. Juni 2013 über die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ist § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII. Danach kann der Unfallversicherungsträger für den Fall, dass eine Rente als vorläufige Entschädigung bewilligt wurde, mit Bescheid feststellen, dass eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer anderen MdE gewährt wird, auch wenn sich die tatsächlichen Verhältnisse nicht geändert haben. Voraussetzung für diese Entscheidung ist jedoch, dass der von § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII geregelte Dreijahreszeitraum noch nicht abgelaufen ist.

Das Bundessozialgericht hat mit Urteil vom 19. Dezember 2013 - B 2 U 1/13 R - (Rn. 11 zitiert nach juris) ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII um eine Spezialvorschrift handelt, die den Anwendungsbereich des § 48 SGB X verdrängt. Dies muss jedoch auch dann gelten, wenn der Unfallversicherungsträger einen Bescheid über Rente auf unbestimmte Zeit erlässt, mit dem die Dauerrente nach derselben MdE gewährt wird, die auch der Rente als vorläufige Entschädigung zugrunde lag.

Der Gewährung einer Rente von 30 v.H. ab dem 30. Januar 2014 steht auch nicht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit Urteil vom 07. Dezember 1976 - 8 RU 14/76 - zur Rechtmäßigkeit der Schätzung der Höhe der MdE durch die Unfallversicherungsträger entgegen. Das Bundessozialgericht hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Schätzung der MdE durch den Unfallversicherungsträger so lange als rechtmäßig anzusehen ist, als eine spätere Schätzung nicht um mehr als 5 v.H. von der früheren Schätzung abweicht. Dieser Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in der zitierten Entscheidung jedoch nur dann, wenn im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt wurden und die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht.

Im vorliegenden Fall weicht die Kammer für den Zeitraum ab dem 30. März 2012 nicht von der Schätzung der Beklagten ab. Ausgehend von den Feststellungen des Gutachters Dr. D. ist die Kammer insofern zu dem Ergebnis gekommen, dass die Schätzung der MdE durch die Beklagte - ausgehend von dem seinerzeit vorliegenden Gesundheitszustand des Klägers - zutreffend mit 25 v.H. beurteilt wurde.

Die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. erfolgt erst ab dem 30. Januar 2014. Denn wie der Gutachter Dr. D. nachvollziehbar dargelegt hat, ist ab diesem Zeitpunkt in tatsächlicher Hinsicht eine Änderung im Gesundheitszustand des Klägers im Verhältnis zu den ursprünglichen Feststellungen durch die Beklagte eingetreten. Aufgrund der insofern veränderten Schätzungsgrundlage können ab dem 30. Januar 2014 die vom Bundessozialgericht aufgestellten Grundsätze zur Rechtmäßigkeit der Schätzung der Beklagten jedoch nicht mehr zur Anwendung kommen.

Der Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. ab dem 30. Januar 2014 steht vorliegend auch nicht entgegen, dass dieser Zeitpunkt nach dem Erlass des Dauerrentenbescheides vom 28. Juni 2013 liegt. Entscheidungserheblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes ist im Fall der hier vorliegenden Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Ausgehend von der mündlichen Verhandlung vom 11. Juni 2014 handelt es sich bei der Festlegung der MdE in Bezug auf die Dauerrente somit jedoch um eine gestaffelte MdE-Festlegung für die Vergangenheit. Wie das Bundessozialgericht im Urteil vom 20. September 1977 - 8 RU 22/77 - (Leitsatz, zitiert nach juris) ausgeführt hat, liegt in einem Fall, in dem in einem Erstbescheid bzw. in dem sich anschließenden gerichtlichen Verfahren die Höhe der zu gewährenden Leistung gestaffelt festgesetzt wird, eine "einheitliche Entscheidung mit differenzierter Aussage" vor. Das Bundessozialgericht hat in dieser Entscheidung ausdrücklich ausgeführt, dass in einem solchen Fall die Einschränkungen der - seinerzeit gültigen - §§ 622, 623 Reichsversicherungsordnung nicht gelten. Gleiches muss aus Sicht der Kammer, wie bereits ausgeführt, jedoch auch in Bezug auf die Einschränkungen der §§ 48 Abs. 1 SGB X i.V.m. 73 Abs. 3 SGB VII gelten.

Ausgehend von den vorliegenden Ausführungen steht dem Kläger somit ab dem 30. Januar 2014 eine Verletztenrente nach einer MdE von 30 v.H. zu. In Bezug auf den Zeitraum davor war die Klage jedoch abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das teilweise Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten.