VG Augsburg, Beschluss vom 25.06.2014 - Au 5 V 14.937
Fundstelle
openJur 2014, 14461
  • Rkr:
Tenor

I. Dem Antragsteller wird die Befugnis erteilt, die Geschäftsräume der Antragsgegnerin im Anwesen ... Straße ..., ... sowie das von der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zuletzt bewohnte Wohnhaus in ..., ... Straße ... zum Zwecke der Sicherstellung der der Antragsgegnerin mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 14. September 2011 erteilten gewerberechtlichen Erlaubnis nach § 34 c Gewerbeordnung (GewO) zu durchsuchen. Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen durch Bedienstete des Antragstellers und Polizeibeamte/innen geöffnet werden.

II. Die Gestattung gilt für sechs Monate ab dem Beschlussdatum und nur zum Zwecke des Auffindens der mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 21. Mai 2014 widerrufenen gewerberechtlichen Erlaubnis der Antragsgegnerin.

III. Der Antragsteller wird mit der Zustellung dieses Beschlusses an die Antragsgegnerin beauftragt.

IV. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ist Inhaberin einer vom Landratsamt ... am 14. September 2011 ausgestellten gewerberechtlichen Erlaubnis zum Abschluss von Verträgen über Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Wohnräume, gewerbliche Räume und Darlehen. Daneben ist der Antragsgegnerin gestattet, gewerbsmäßig Bauvorhaben als Bauherr im eigenen Namen für eigene oder fremde Rechnung vorzubereiten oder durchzuführen (Bauträger) sowie als Baubetreuer im fremden Namen für fremde Rechte Bauvorhaben wirtschaftlich vorzubereiten bzw. durchzuführen.

Mit Bescheid des Landratsamtes ... vom 21. Mai 2014 wurde die der Antragsgegnerin erteilte Erlaubnis nach § 34 c GewO widerrufen (Ziffer 1.). In Ziffer 3. des vorbezeichneten Bescheides wurde die Antragsgegnerin aufgefordert, die Erlaubnis nach § 34 c GewO innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides beim Landratsamt ..., Gewerbeamt, abzugeben und die ausgeübten Gewerbetätigkeiten einzustellen. Für die Ziffern 1 und 3 des Bescheides wurde in Ziffer 5 des Bescheides die sofortige Vollziehung angeordnet. In Ziffer 4 des Bescheides wurde der Antragsgegnerin für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung gegen die Rückgabeverpflichtung der gewerberechtlichen Erlaubnis bzw. der Aufgabe der Gewerbetätigkeiten die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht. Zur Begründung wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass die Gewerbeerlaubnis zu widerrufen war, da die Antragsgegnerin wirtschaftlich leistungsunfähig sei und damit die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 35 GewO nicht mehr besitze. Die Unzuverlässigkeit der Antragsgegnerin ergebe sich aus der Tatsache, dass sie ihren Zahlungspflichten nicht ordnungsgemäß nachkomme. Maßgeblich für die Unzuverlässigkeit der Antragsgegnerin sei das Verhalten der für ihren Betrieb verantwortlichen handelnden Personen. Die Verpflichtung zur Rückgabe der Erlaubnis vom 14. November 2009 stütze sich auf Art. 52 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG). Die Zwangsmittelandrohung stütze sich auf Art. 18, 19, 29, 34 Satz 1 und Art. 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Nach Abwägung aller Möglichkeiten und Umstände erscheine die Androhung unmittelbaren Zwanges als geeignetes und erforderliches Mittel, um die Antragsgegnerin zur Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Rückgabe der Erlaubnis nach § 34 c GewO und zur Unterlassung der Ausübung ihres Gewerbes anzuhalten.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides vom 21. Mai 2014 wird ergänzend verwiesen.

Dieser der Antragsgegnerin mit Postzustellungsurkunde am 23. Mai 2014 zugestellte Bescheid ist mit Ablauf des 23. Juni 2014 bestandskräftig geworden.

Mit Schreiben des Landratsamtes ... vom 10. Juni 2014 wurde die Antragsgegnerin nochmals aufgefordert, die gewerberechtliche Erlaubnis vom 14. September 2011 unverzüglich zurück zu geben. Eine Reaktion der Antragsgegnerin hierauf erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2014 beantragte das Landratsamt ... für den Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg den Erlass einer gerichtlichen Durchsuchungsanordnung für die Geschäftsräume und das von der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin zuletzt bewohnte Wohnhaus durch Bedienstete des Antragstellers bzw. der Polizei. Zur Begründung des Antrags wurde im Wesentlichen darauf hingewiesen, dass auf Grund des Verhaltens der verantwortlichen Personen darauf zu schließen sei, dass diese nicht bereit seien, die Erlaubnis vom 14. September 2011 freiwillig herauszugeben. Eine Reaktion in Form einer Kontaktaufnahme sei weder auf die Anhörung, den Widerrufsbescheid, noch auf das Anschreiben vom 10. Juni 2014 erfolgt. Es sei vielmehr zu befürchten, dass die Verantwortlichen gar nicht mehr angetroffen werden könnten bzw. diese die freiwillige Herausgabe der Erlaubnis verweigerten. Um dies zu verhindern, sei es erforderlich, die Betriebsräume der Antragsgegnerin zu durchsuchen. Da jedoch nicht ausgeschlossen werden könne, dass sich die Erlaubnis nicht dort, sondern im inzwischen unbewohnbaren Wohnhaus befinde, werde es als erforderlich angesehen, auch dieses zu durchsuchen. Bei dem Wohnhaus handle es sich um den ehemaligen Wohnsitz der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin. Die Gesellschaft sei ebenfalls nach wie vor angemeldet und im Handelsregister eingetragen. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Gesellschaft weiterhin nach § 34 c GewO erlaubnispflichtige Tätigkeiten ausübe. Es erscheine daher als geboten, die Erlaubnisurkunde zwangsweise einzuziehen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die von der Antragsgegnerin vorgelegte Verwaltungsakte.

II.

Für den Antrag auf richterliche Durchsuchungsanordnung vom 18. Juni 2014 ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, weil die begehrte Durchsuchungsanordnung im Zusammenhang mit einer Verwaltungsvollstreckung von Bescheiden aus dem öffentlichen Gewerberecht steht (§ 40 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

1. Der Antrag ist zulässig.

Der Antrag auf Durchsuchung der Geschäftsräume der Antragsgegnerin und des zuletzt bewohnten Wohnhauses der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin ist statthaft. Nach Art. 37 Abs. 3 Satz 1 VwZVG sind die mit der Durchführung des Verwaltungszwangs beauftragten Bediensteten der Vollstreckungsbehörde und Polizeibeamten befugt, soweit es der Zweck der Vollstreckung erfordert, Wohnungen von Pflichtigen zu betreten und verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen. Diese Befugnis folgt bereits aus dem Gesetz und kommt den Berechtigten ohne vorherige richterliche Anordnung zu. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die weitergehende Berechtigung, eine Wohnung zu durchsuchen. Durchsuchen ist dabei das ziel – und zweckgerichtete Suchen behördlicher Organe in einer Wohnung, um dort planmäßig etwas aufzuspüren, was der Wohnungsinhaber von sich aus nicht herausgeben will. Hierfür bedarf es im Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 Grundgesetz (GG), wonach Wohnungsdurchsuchungen – außer bei Gefahr im Verzug – nur durch den Richter angeordnet werden dürfen, einer entsprechenden Anordnung durch das Verwaltungsgericht (vgl. BVerfG, B.v. 17.3.2009 – 2 BvR 1940/05NJW 2009, 2516 ff.). Der Begriff Wohnung umfasst dabei alle Räumlichkeiten, die den häuslichen und beruflichen Zwecken des jeweiligen Inhabers dienen; neben den reinen Wohnräumen sind dies auch die Arbeits-, Betriebs- und Geschäftsräume sowie die dazugehörigen Nebenräume sowie der angrenzende befriedete Bereich (VG Würzburg, B.v. 3.5.2012 – W 5 X 12.362 – juris Rn. 12).

2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg. Die der Antragsgegnerin im Bescheid vom 21. Mai 2014 auferlegte Pflicht zur Ablieferung der gewerberechtlichen Erlaubnisurkunde ist mit Ablauf des 23. Juni 2014 bestandskräftig geworden und damit vollstreckbar. Über dies wurde in Ziffer 5 des Bescheides vom 21. Mai 2014 der Sofortvollzug für die Herausgabepflicht der Erlaubnisurkunde auf der Grundlage von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 u. 3 VwZVG). Die Anwendung unmittelbaren Zwangs wurde der Antragsgegnerin durch Bescheid vom 21. Mai 2014, wie Art. 36 VwZVG dies vorschreibt, angedroht. Trotz mehrfacher Aufforderung, die Erlaubnisurkunde an das Landratsamt zurückzugeben, ist die Antragsgegnerin der ihr auferlegten Handlung bislang nicht nachgekommen. Mildere Mittel als der unmittelbare Zwang haben daher nicht zum Ziel geführt (vgl. Art. 34 Satz 1 VwZVG). Besondere Umstände, angesichts derer die Anwendung unmittelbaren Zwangs ausnahmsweise als unverhältnismäßig erscheinen müsste, sind nicht ersichtlich. Die Durchsuchung der Geschäftsräume und der zuletzt bewohnten Wohnräume der Geschäftsführerin der Antragsgegnerin steht auch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Denn die Gefahr eines Missbrauchs, den die Antragsgegnerin mit der immer noch in ihrem Besitz befindlichen gewerberechtlichen Urkunde begehen könnte, wiegt auch angesichts der Tatsache, dass die Antragsgegnerin nach wie vor im Handelsregister eingetragen ist, schwerer als die Unverletzlichkeit der Wohnung, zumal der Antragsgegnerin die Möglichkeit eingeräumt wurde, die Erlaubnisurkunde freiwillig zurückzugeben.

3. Nicht zu prüfen war im vorliegenden Verfahren, ob neben den Vollstreckungsvoraussetzungen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch der zu Grunde liegende vollstreckbare Titel, nämlich der Bescheid vom 21. Mai 2014 rechtmäßig ist (vgl. BVerfG, B.v. 16.6.1981 – 1 BvR 1094/80BVerfGE 57, 346 ff.). Daher bedarf es auch keiner Entscheidung über die Frage, ob die Androhung unmittelbaren Zwangs ohne vorherige Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Unabdingbare Grundlage einer rechtmäßigen Verwaltungsvollstreckung ist allein die Wirksamkeit, nicht aber die Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Verfügung (vgl. BVerwG, U.v.25.9.2008 – 7 C 5/08BayVBl. 2009, 184 f.).

4. Eine Anhörung der Antragsgegnerin vor Erlass der gerichtlichen Durchsuchungsanordnung kam nicht in Betracht, weil sonst der Vollstreckungserfolg gefährdet gewesen wäre (vgl. BVerfG, B.v. 16.6.1981, a.a.O.).

5. Weil die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten kann, war die Durchsuchungsanordnung entsprechend zu befristen (vgl. BVerfG, B.v. 27.5.1997 – 2 BvR 1992/32 – BVerfGE 96, 44 ff.).

6. Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist der Antragsteller im Wege der Amtshilfe zu beauftragen, den Beschluss gemäß § 14 VwGO der Antragsgegnerin unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.

7. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten fallen für diesen Beschluss nicht an.