BGH, Urteil vom 05.03.2010 - V ZR 62/09
Fundstelle
openJur 2011, 409
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 27. Februar 2009 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Klägerinnen sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 18. Juni 2008 wurden verschiedene Beschlüsse gefasst. Mit ihrer am 14. Juli 2008 eingelegten und sogleich begründeten Klage, die dem Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft am 1. August 2008 zugestellt worden ist, wenden sich die Klägerinnen gegen die zu den Tagesordnungspunkten (TOP) 3, 4, 6 und 7 gefassten Beschlüsse. Die beklagte Partei haben sie im Rubrum wie folgt bezeichnet:

"Wohnungseigentümergemeinschaft F. Straße 12, H. (bestehend aus den Eigentümern gem. beigefügter Eigentümerliste)".

In der genannten Liste sind sämtliche Wohnungseigentümer - einschließlich der Klägerinnen - aufgeführt. Auf Seite 7 der Klageschrift ist von der "beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft" die Rede.

Von dem Amtsgericht darauf hingewiesen, dass Anfechtungsklagen nach § 46 WEG gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft zu richten sind, haben die Klägerinnen noch vor der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sich die Klage gegen die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft richte. Das Rubrum sei entsprechend zu ändern. Demgegenüber ist die Wohnungseigentümergemeinschaft der Auffassung, es liege eine Klageänderung vor, der sie nicht zustimme.

Das Amtsgericht hat die Nichtigkeit des zu TOP 6.1. ergangenen Beschlusses festgestellt. Im Übrigen hat es die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klage sei gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft und damit gegen die falsche Partei gerichtet worden. Die spätere Klageänderung, der die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft nicht zugestimmt habe, sei nicht sachdienlich. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerinnen ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wenden sie sich weiterhin gegen die Beschlüsse zu TOP 3, 4, 6.2. bis 6.4. und 7. Die Wohnungseigentümergemeinschaft beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat die Rechtsauffassung des Amtsgerichts bestätigt. Die Voraussetzungen für eine Rubrumsänderung lägen nicht vor. Zwar dürfe die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern, wenn in Anbetracht der jeweiligen Umstände bei objektiver Deutung aus der Sicht eines verständigen Empfängers keine vernünftigen Zweifel daran bestünden, gegen wen sich die Klage richte. Eine Falschbezeichnung sei unschädlich, solange aus dem Inhalt der Klage und etwaigen Anlagen deutlich werde, gegen wen sich die Klage richten solle. So liege es hier jedoch nicht. Allein der Umstand, dass eine Anfechtungsklage mit Erfolg nur gegen die übrigen Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft erhoben werden könne, rechtfertige ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Annahme, die Klage habe gegen die übrigen Wohnungseigentümer erhoben werden sollen. Darüber hinausgehende Umstände, die eine solche Annahme stützen könnten, lägen nicht vor. Im Gegenteil werde durch die Klageschrift und die in Bezug genommene Anlage bestätigt, dass die Klage gegen die Beklagte habe gerichtet werden sollen. In dem Rubrum sei die Wohnungseigentümergemeinschaft als Beklagte angegeben. In der Liste seien unter Einschluss der Klägerinnen sämtliche - und nicht nur die übrigen - Wohnungseigentümer aufgeführt. Auch in der Klagebegründung hätten die Klägerinnen auf die "beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft" abgestellt.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

1. Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

a) Allerdings geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass vorliegend die Voraussetzungen für eine Rubrumsberichtigung nicht gegeben sind, weil die Klage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als solche und nicht gegen deren Mitglieder unter Ausschluss der Klägerinnen erhoben worden ist. Die hierzu angestellten - überzeugenden - Erwägungen (vgl. auch Senat, Urt. v. 6. November 2009, V ZR 73/09, NZM 2010, 46, 47, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

b) Soweit das Berufungsgericht jedoch stillschweigend die Rechtsauffassung des Amtsgerichts billigt, wonach der von den Klägerinnen mit Schriftsatz vom 7. August 2008 jedenfalls auch angestrebte Parteiwechsel nicht zulässig sei, ist dem nicht zu folgen.

Der Senat hat bereits - allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils - entschieden, dass der in Fällen der vorliegenden Art notwendige Parteiwechsel nicht innerhalb der Klagefrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG erklärt werden muss. Vielmehr hat er der Wertung des § 44 WEG entnommen, dass diese Frist auch durch eine zunächst gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft erhobene Klage, vertreten durch den Verwalter, gewahrt werden kann, wenn innerhalb der Klagefrist der Verwalter angegeben und die Klage unter namentlicher Bezeichnung der übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung umgestellt wird (Urt. v. 6. November 2009, V ZR 73/09, NZM 2010, 46, 47 ff.; zustimmend Häublein, ZfIR 2010, 107 f.; ablehnend, aber de lege ferenda ebenso Bergerhoff, NZM 2010, 32, 33 ff.). Dies setzt die prozessuale Zulässigkeit des dafür erforderlichen Parteiwechsels voraus. Dabei hat der Senat entscheidendes Gewicht dem Umstand beigemessen, dass mit der Regelung des § 44 WEG eine Überforderung des anfechtenden Wohnungseigentümers vermieden werden soll, zumal sich dieser im ersten Rechtszug nicht anwaltlich vertreten lassen muss (Urt. v. 6. November 2009, aaO, S. 47). Vor diesem Hintergrund ist es lediglich eine Frage der Konstruktion, ob man, wozu der Senat neigt, aus der Wertung der Sonderregelung des § 44 WEG einen privilegierten Parteiwechsel ableitet (so auch Häublein, aaO), oder ob man aus dieser Bestimmung folgert, dass in derartigen Fällen die Sachdienlichkeit der mit dem Parteiwechsel einhergehenden (subjektiven) Klageänderung (§ 263 ZPO) zu bejahen oder jedenfalls die Verweigerung der Zustimmung zu dem Parteiwechsel als rechtsmissbräuchlich zu bewerten ist.

Schutzwürdige Belange der übrigen Wohnungseigentümer werden durch die Zulassung des Parteiwechsels nicht berührt. Das gilt insbesondere vor dem Hintergrund des mit den Fristen des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG verfolgten gesetzgeberischen Anliegens. Dieses besteht darin, dass die übrigen Wohnungseigentümer und der Verwalter möglichst rasch Klarheit darüber erlangen sollen, welche Beschlüsse aus welchen Gründen angefochten werden (vgl. Senat, BGHZ 179, 230, 237; Urt. v. 6. November 2009, aaO, S. 48). Dieses Ziel wird aber auch dann erreicht, wenn eine diesen Anforderungen genügende Klage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband erhoben und begründet wird. Auch sie wird, nicht anders als eine Klage gegen die übrigen Wohnungseigentümer als Einzelpersonen, dem Verwalter zugestellt, der auch im Anfechtungsprozess grundsätzlich Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer ist und die übrigen Wohnungseigentümer zu unterrichten hat (Senat, Beschl. v. 14. Mai 2009, V ZB 172/08, NJW 2009, 2135, 2136). Infolge dieser Unterrichtung können die Wohnungseigentümer in dem einen wie in dem anderen Fall (vgl. Senatsbeschl. v. 14. Mai 2009, aaO) ohne Weiteres erkennen, dass und in welchen Punkten Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft angegriffen werden (Senat, Urt. v. 6. November 2009, aaO).

2. Das Berufungsurteil unterliegt danach der Aufhebung (§ 562 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zum einen ist die Klage gegenüber den übrigen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft noch nicht rechtshängig, weil der auf einen Parteiwechsel abzielende Schriftsatz der Klägerinnen bislang nicht zugestellt worden ist (vgl. auch Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 263 Rdn. 25). Zum anderen hat das Berufungsgericht - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung folgerichtig - noch keine Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage der Senat die angegriffenen Beschlüsse einer rechtlichen Überprüfung unterziehen könnte. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

3. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Verwalter in Rechtsstreitigkeiten nach § 43 Nr. 3 u. Nr. 4 WEG - ungeachtet seiner verfahrensrechtlichen Stellung als Zustellungsbevollmächtigter der Wohnungseigentümer (§ 45 Abs. 1 WEG) - aus Gründen der Rechtskrafterstreckung (vgl. § 48 Abs. 3 WEG) beizuladen ist; etwas anderes gilt nur dann, wenn er - anders als hier - an dem Rechtsstreit als Partei beteiligt ist (§ 48 Abs. 1 Satz 2 WEG). Das geltende Recht geht nicht davon aus, dass der Verwalter als beigeladen gilt, wenn ihm die Klageschrift kommentarlos oder eigens in seiner Funktion als Vertreter der übrigen Wohnungseigentümer zugestellt wird. Vielmehr verlangt die Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 WEG, wonach der Verwalter "beizuladen ist", ein über die Zustellung der Klageschrift hinausreichendes, auf die Beiladung gerichtetes Tätigwerden des Gerichts. Ein förmlicher Beschluss ist dazu allerdings nicht erforderlich. Dem Beiladungserfordernis ist schon dann genügt, wenn etwa aus einer begleitenden Verfügung des Gerichts klar ersichtlich ist, dass - auch - zum Zwecke der Beiladung zugestellt wird. Eine zweifache Zustellung der Klageschrift an den Verwalter ist dann entbehrlich.

Krüger Klein Lemke Schmidt-Räntsch Roth Vorinstanzen:

AG Hannover, Entscheidung vom 19.09.2008 - 481 C 9182/08 -

LG Lüneburg, Entscheidung vom 27.02.2009 - 9 S 90/08 -