BGH, Urteil vom 04.06.2014 - VIII ZR 4/13
Fundstelle
openJur 2014, 13896
  • Rkr:
Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 15. Zivilkammer des Landgerichts München I vom 5. Dezember 2012, unter Zurückweisung der Revision der Kläger, im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 20. Februar 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage auf Herausgabe der im Schriftsatz der Kläger vom 29. Januar 2010 (Anlage B 3) bezeichneten Gegenstände als unzulässig abgewiesen wird.

Die Kläger haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tragen.

Von Rechts wegen.

Tatbestand

Die Kläger waren Mieter einer Wohnung der Beklagten in U. .

Im Laufe der Mietzeit rügten die Kläger verschiedene Mängel der Wohnung und minderten die Miete in Höhe von 100 %. Aufgrund des Mietrückstands kündigte die Beklagte das Mietverhältnis. Am 8. Dezember 2008 räumten die Kläger die Wohnung und gaben sie an die Beklagte heraus. Am Tag der Räumung erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern, sie mache an diversen in der Wohnung befindlichen Gegenständen (Bücher, 542 Weinflaschen, Regale etc.) ihr Vermieterpfandrecht geltend. Die Gegenstände verblieben zunächst in der Wohnung.

Die Beklagte teilte den Klägern mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 mit, sie gebe das Vermieterpfandrecht an sämtlichen im ehemaligen Wohnzimmer verbliebenen Gegenständen mit Ausnahme von im Einzelnen bestimmten mehrbändigen Lexika auf und werde die freigegebenen Gegenstände am 18. Dezember 2008 um 8.30 Uhr in der Wohnung zur Abholung bereitstellen. Eine Abholung erfolgte nicht.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 (vorgelegt von der Beklagten mit Schriftsatz vom 29. Januar 2010 als Anlage B 3) ließ die Beklagte den Klägern mitteilen, bis auf wenige Ausnahmen werde das Pfandrecht an sämtlichen Gegenständen, die in der Wohnung belassen worden seien, aufgegeben; die Sachen stünden dort zur Abholung bereit. Die Abholung könne innerhalb der üblichen Bürozeiten erfolgen. Der Abholungstermin müsse nur mindestens 48 Stunden vorher bekannt gegeben werden; die Bücher würden aus der ehemaligen Wohnung der Kläger in einen anderen Teil des Objekts gebracht und stünden dort zur Abholung bereit. Dem Schreiben vom 18. Dezember 2008 war darüber hinaus eine umfangreiche Liste der Gegenstände beigefügt, an denen ein Vermieterpfandrecht nicht weiter geltend gemacht werde. Bei den freigegebenen Gegenständen handelt es sich um sämtliche gepfändeten Gegenstände, abgesehen von den im Schreiben vom 15. Dezember 2008 genannten Buchreihen und dem gepfändeten Wein nebst Regalen. Mit Schriftsatz vom 31. August 2010 wurde den Klägern auch eine Liste bezüglich des gepfändeten Weins übermittelt.

Mit ihrer Stufenklage begehren die Kläger von der Beklagten Auskunft über die von der Beklagten im Rahmen des ausgeübten Vermieterpfandrechts zurückgehaltenen Gegenstände, insbesondere Bücher, Geschirr, Besteck, Weinflaschen nebst den dazugehörenden Regalen; darüber hinaus kündigen sie an, nach Erteilung der Auskunft und der Versicherung von deren Vollständigkeit und Richtigkeit Herausgabe dieser Gegenstände zu verlangen.

Das Amtsgericht hat mit Teilurteil die Ansprüche auf Auskunft und Versicherung von deren Vollständigkeit und Richtigkeit an Eides statt insgesamt sowie den Anspruch auf Herausgabe bezüglich der von der Beklagten freigegebenen Gegenstände abgewiesen.

Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Kläger "die in Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 29. Januar 2010 (= Anlage zu diesem Urteil) aufgeführten Gegenstände" - dabei handelt es sich um die von der Beklagten freigegebenen Gegenstände - herauszugeben; im Übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen.

Die Beklagte erstrebt mit der Revision die Abweisung der Herausgabeklage als unzulässig. Die Kläger verfolgen mit der Revision ihren Auskunftsanspruch weiter.

Gründe

Nur die Revision der Beklagten hat Erfolg.

A.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Es könne offen bleiben, ob sich die Beklagte zu der Erteilung der von den Klägern begehrten Auskunft verpflichtet habe. Denn jedenfalls sei ein etwaiger Auskunftsanspruch durch die Übermittlung der Listen, die dem Schreiben vom 18. Dezember 2008 und dem Schriftsatz vom 31. August 2010 beigefügt gewesen seien, erfüllt worden.

Zwar sei der Auskunftsanspruch vom Verpflichteten persönlich zu erfüllen. Bei einer juristischen Person sei dies der gesetzliche Vertreter, der sich zur Erteilung der Auskunft Hilfspersonen bedienen dürfe. Erforderlich sei dann allerdings, dass die Auskunft trotz Einschaltung der Hilfsperson eine Erklärung des Schuldners bleibe. Dem sei im Streitfall Genüge getan, auch wenn offen sei, inwieweit die den Klägern übermittelten Listen der Beklagten selbst zuzurechnen seien. Denn die hier verlangte Auskunft habe keine Erklärung erfordert, die ausschließlich im Wissen des Auskunftspflichtigen gestanden habe. Vielmehr hätten die Inventarlisten über die gepfändeten Gegenstände von jeder Hilfsperson erstellt werden können. Auch in diesem Fall sei eine anschließende Versicherung an Eides statt durch den Auskunftspflichtigen möglich und vollstreckbar, da sich der Vorstand der Beklagten Kenntnis darüber verschaffen könne, welche Auskunft erteilt worden sei. Sofern die Kläger vorbrächten, die vorgelegten Listen enthielten keine Angaben über die Regale, sei schon nicht dargetan oder erkennbar, warum die Kläger im Ungewissen über die Anzahl der gepfändeten Regale sein sollten.

Ein Anspruch auf Versicherung an Eides statt stehe den Klägern deshalb nicht zu, weil sie keine Umstände vorgetragen hätten, aus denen sich ergäbe, dass die Listen unvollständig oder nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden wären.

Der auf § 985 BGB gestützte Herausgabeanspruch der Kläger sei jedoch begründet, weil durch die Bereitstellung der freigegebenen Gegenstände durch die Beklagte noch keine Erfüllung des Herausgabeanspruchs nach § 362 BGB eingetreten sei. Zwar habe die Beklagte durch die Mitteilung an die Kläger, die Gegenstände könnten nach Vorankündigung in der ehemaligen Wohnung abgeholt werden, die Kläger nicht nur in Annahmeverzug gesetzt, sondern auch ihre Leistungshandlung vollständig erbracht, da Leistungsort für die Rückgabe der in Besitz genommenen Pfandgegenstände der Ort sei, an dem sie in Besitz genommen worden seien (Holschuld). Damit sei jedoch noch nicht der für eine Erfüllung nach § 362 BGB erforderliche Leistungserfolg eingetreten, denn die Kläger hätten an den freigegebenen Gegenständen noch keinen Besitz erlangt.

B.

Diese Beurteilung des Berufungsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

I.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die von den Klägern erhobene Herausgabeklage ist bereits wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.

1. Allerdings ergibt sich das Rechtschutzbedürfnis für die Erhebung einer Leistungsklage regelmäßig bereits daraus, dass ein behaupteter materieller Anspruch, dessen Existenz für die Prüfung des Interesses an seiner gerichtlichen Durchsetzung zu unterstellen ist, nicht erfüllt ist (BGH, Urteile vom 10. November 2010 - XII ZR 37/09, NJW 2011, 70 Rn. 19; vom 30. September 2009 - VIII ZR 238/08, NJW 2010, 1135 Rn. 7; vom 24. Februar 2005 - I ZR 101/02, NJW 2005, 1788 unter III 2 a; jeweils mwN). Dies hat das Berufungsgericht für den hier von den Klägern erhobenen Herausgabeanspruch bejaht, weil sich die von der Beklagten freigegebenen Gegenstände noch nicht im Besitz der Kläger befänden.

Einer Klage kann jedoch auch dann, wenn der behauptete Anspruch noch nicht erfüllt sein sollte, ausnahmsweise das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn der Kläger die Gerichte als Teil der Staatsgewalt "unnütz bemüht" (BGH, Urteile vom 18. Juni 1970 - X ZB 2/70, BGHZ 54, 181, 184; vom 14. März 1978 - VI ZR 68/76, NJW 1978, 2031 unter II 2); denn das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses soll verhindern, dass Klagebegehren in das Stadium der Begründetheitsprüfung gelangen, die ersichtlich des Rechtsschutzes nicht bedürfen (BGH, Urteil vom 24. Februar 2005 - I ZR 101/02, aaO).

So liegt es im Streitfall hinsichtlich des von den Klägern geltend gemachten Herausgabeanspruchs.

2. Die Beklagte hat ihre Verpflichtung auf Herausgabe der von ihr freigegebenen Gegenstände zu keiner Zeit in Abrede gestellt. Vielmehr befinden sich die Kläger nach der rechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des Berufungsgerichts seit inzwischen mehreren Jahren im Verzug der Annahme der von der Beklagten am Ort der Inbesitznahme (ehemalige Mietwohnung) bereit gestellten Gegenstände. Unter diesen Umständen kann den Klägern eine Titulierung des Herausgabeanspruchs nicht mehr an rechtlichen Möglichkeiten verschaffen, als sie sie auch ohne Titel seit langer Zeit haben. Die Beklagten hätten die bereit gestellten Gegenstände bereits seit Jahren nach Vorankündigung in ihrer ehemaligen Mietwohnung abholen können. Einer über die Bereitstellung der Gegenstände hinaus gehenden weiteren Handlung der Beklagten, die aufgrund eines Herausgabetitels vollstreckt werden könnte, bedarf es nicht. Eine Titulierung des Herausgabeanspruchs stellt sich unter diesen Umständen als objektiv sinnlos dar.

3. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Rechtsschutzbedürfnis auch nicht etwa deshalb gegeben, weil zwischen den Parteien über Fragen des materiellen Rechts unterschiedliche Auffassungen bestehen.

a) So versteht es sich von selbst, dass das an einzelnen Gegenständen bestehende Pfandrecht von dem Pfandgläubiger hinsichtlich einzelner bezeichneter Gegenstände wieder aufgegeben werden kann mit der Folge, dass (lediglich) an diesen freigegebenen Gegenständen ein Herausgabeanspruch besteht. Mit der Frage der Berechtigung zu Teilleistungen hat dies offensichtlich nichts zu tun.

b) Ebenso wenig ist die zwischen den Parteien streitige Frage, ob die sich aus § 985 BGB ergebende Leistungspflicht der Beklagten eine Holschuld oder eine Bringschuld sei, für den Herausgabeanspruch, dessen Titulierung begehrt wird, von Bedeutung. Bei näherer Betrachtung streiten die Parteien nicht um diese Begriffe und die damit verbundenen Inhalte, sondern darum, wer die für die Abholung der freigegebenen Gegenstände erforderlichen Kosten tragen muss. Die Kläger haben hierzu in den Instanzen die Auffassung vertreten, die Beklagte habe diese Kosten zu tragen, da sie der Mitnahme der Gegenstände bei Auszug der Kläger widersprochen und in Verkennung der Sach- und Rechtslage ihr Vermieterpfandrecht zu Unrecht ausgeübt habe. Die Kläger meinen damit offenbar, die Beklagte sei ihnen durch die (behauptet unrechtmäßige) Pfändung zum Ersatz des in den Transportkosten bestehenden Schadens verpflichtet. Ein Schadensersatzanspruch ist indes nicht Streitgegenstand dieses Rechtsstreits. Im Rahmen des Vindikationsprozesses wird ausschließlich die Frage geklärt, ob den Klägern ein Herausgabeanspruch zusteht. Letzteres hat die Beklagte nie in Abrede gestellt.

II.

Die Revision der Kläger hat keinen Erfolg; sie ist daher zurückzuweisen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht den von den Klägern geltend gemachten Auskunftsanspruch durch die Übermittlung der dem Schreiben vom 18. Dezember 2008 sowie dem Schriftsatz vom 31. Oktober 2010 beigefügten Listen jedenfalls als erfüllt angesehen, so dass die Revision der Kläger zurückzuweisen ist.

Die Revision meint, der Auskunftsanspruch sei deswegen nicht erfüllt, weil die Auskunft nicht von der Beklagten beziehungsweise deren Vorstand erteilt worden sei, sondern von Hilfspersonen, die die Bestandslisten gefertigt hätten. Indem es unter diesen Umständen die Erfüllung des Auskunftsanspruchs angenommen habe, habe das Berufungsgericht dessen höchstpersönliche Natur verkannt. Das trifft nicht zu.

Zwar ist die Auskunftserteilung als Wissenserklärung höchstpersönlicher Natur und somit vom Verpflichteten selbst in Person zu erfüllen (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 225/05, NJW 2008, 917 Rn. 13). Der zur Auskunft Verpflichtete darf sich jedoch zur Vermittlung der Information Hilfspersonen bedienen. Erforderlich ist dann allerdings, dass die Auskunft trotz der Vermittlung durch eine Hilfsperson weiterhin eine Erklärung des Schuldners bleibt (BGH, Beschluss vom 28. November 2007 - XII ZB 225/05, aaO Rn. 15). So verhält es sich im Streitfall.

Nach den Umständen, unter denen vorliegend Auskunft erteilt wurde, ist es zweifelsfrei, dass die Beklagte hierfür die Verantwortung übernommen hat und die von ihren Hilfspersonen vermittelten Informationen als die von ihr persönlich gegebene Auskunft verstanden wissen will. Ein anderes Verständnis können auch die Kläger bei objektiver und verständiger Betrachtung des Geschehens nicht haben. Die Beklagte hat die Listen im Rechtsstreit durch ihren Prozessbevollmächtigten und damit in ihrem Namen vorlegen lassen. Sie hat sich von diesen Listen im weiteren Verfahren nicht distanziert, sondern vielmehr darauf ausdrücklich Bezug genommen und die Auffassung vertreten, die verlangte Auskunft sei damit gegeben worden. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wie unter diesen Umständen angenommen werden könnte, dass die Auskunft nicht von der Beklagten selbst erteilt worden sei.

Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Wertung des Berufungsgerichts, es sei weder vorgetragen noch ersichtlich, warum die Kläger im Ungewissen über die Anzahl der gepfändeten Regale sein sollten, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die Revisionserwiderung weist zutreffend darauf hin, dass die Kläger im Rechtsstreit Bilder von den im Wohnzimmer und im Keller befindlichen Regalen vorgelegt haben. Dass diese Fotos nicht alle gepfändeten Regale zeigen würden, haben die Kläger selbst nie behauptet. Die pauschale Behauptung, sie seien in Ungewissheit über die Anzahl der gepfändeten Regale und damit auf die verlangte Auskunft angewiesen, genügt angesichts dessen nicht.

C.

Da die Revision der Beklagten Erfolg hat, kann das Berufungsurteil insoweit keinen Bestand haben, als dort zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren tatsächlichen Feststellungen zu treffen sind, entscheidet der Senat in der Sache selbst (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da der Klage auf Herausgabe das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ist die Berufung der Kläger gegen das klageabweisende amtsgerichtliche Urteil mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.

Dr. Milger Dr. Hessel Dr. Achilles Dr. Schneider Kosziol Vorinstanzen:

AG München, Entscheidung vom 20.02.2012 - 452 C 30949/09 -

LG München I, Entscheidung vom 05.12.2012 - 15 S 8669/12 -