LG Wuppertal, Urteil vom 16.06.2014 - 12 O 38/13
Fundstelle
openJur 2014, 13702
  • Rkr:
Tenor

Der Beklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Produkt "Intuition Naturals Sensitive Care" in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, soweit auf dem Behältnis und der Umverpackung des Produktes nicht unverwischbar, deutlich sichtbar und leicht lesbar die Verwendungsdauer nach dem Öffnen angegeben ist.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 859,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 15.02.2013 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger betreibt niedergelassene Apotheken und über das Internet eine Versandapotheke und bietet auch Einmalrasierer an.

Die Beklagte vertreibt unter anderem einen Nassrasierer unter der Bezeichnung "Intuition Naturals Sensitive Care". Hierbei sind die Rasierklingen von einer Art Seifenblock umgeben, wodurch nach Angaben der Beklagten "schäumen, rasieren und Feuchtigkeit spenden in einem Schritt" ermöglicht wird, was für natürlich schöne Haut sorgen und Rasiergel, Rasierschaum oder Duschgel überflüssig machen soll. Angaben zu einer Mindesthaltbarkeit oder einer Verwendungsdauer nach dem Öffnen der Verpackung dieses Rasierers fehlen.

Der Kläger trägt vor, er habe als Wettbewerber der Beklagten einen Anspruch aus §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, Art. 19 Abs. 1c Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (EU-Kosmetik-VO), § 5 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 2 a Verordnung über kosmetische Mittel v. 07.10.1997 (Kosmetik-VO) auf Unterlassung einer solchen unzureichenden Produktkennzeichnung, durch die die Beklagte gegen das Kosmetikrecht verstoße.

Der Kläger beantragt,

der Beklagten bei Meidung von Ordnungsmitteln zu verbieten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Produkt "Intuition Naturals Sensitive Care" als kosmetisches Mittel in den Verkehr zu bringen und/oder in den Verkehr bringen zu lassen, soweit auf dem Behältnis und der Umverpackung des Produktes nicht unverwischbar, deutlich sichtbar und leicht lesbar entweder das Mindesthaltbarkeitsdatum (bei einer Mindesthaltbarkeit von 30 Monaten oder weniger) oder die Verwendungsdauer nach dem Öffnen (bei einer Mindesthaltbarkeit von mehr als 30 Monaten) angegeben ist;

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 859,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit 15.02.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend:

Der Anspruch stehe dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil er rechtmissbräuchlich vorgehe und kein Mitbewerber sei. Sie sei auch nicht verpflichtet, eine Verwendungsdauer nach dem Öffnen der Verpackung anzugeben. Der Seifenblock um die Klingen sei aufgrund seiner Zusammensetzung wie jede andere feste Seife nicht verderblich. Deshalb sei das Konzept der Haltbarkeit nach dem Öffnen hier nicht relevant im Sinne des Art. 19 Abs. 1c EU-Kosmetik-VO. Dies ergebe sich aus den von ihr vorgelegten Untersuchungen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur im zugesprochenen Umfang begründet, die weitergehende Klage hingegen ist nicht gerechtfertigt.

Zulässigkeitsbedenken wegen eines angeblichen Rechtsmissbrauchs des Klägers bestehen nicht. Hier ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Kläger eine Abmahntätigkeit in einem Umfang ausführt, die darauf schließen lässt, er sei nicht an der geforderten Unterlassung interessiert, sondern daran, gegenüber dem wettbewerbswidrig Handelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder der Kosten der Rechtsverfolgung zu erlangen. Ob der Kläger Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ist, ist keine Frage der Prozessführungsbefugnis des Klägers, sondern dessen Sachbefugnis und damit der Begründetheit der Klage.

Das Unterlassungsbegehren des Klägers ist aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1; 4 Nr. 11; 3 UWG; 5 Abs. 2a Kosmetik-VO gerechtfertigt. Es ist der Beklagten nicht gestattet, den im Tenor genannten, mit einem Seifenblock versehenen Nassrasierer ohne die die Angabe einer Verwendungsdauer nach dem Öffnen in Verkehr zu bringen.

Der Kläger ist als Mitbewerber im Sinne des § 2 Nr. 3 UWG klagebefugt. Es ist davon auszugehen, dass im Interesse eines wirksamen lauterkeitsrechtlichen Individualschutzes an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses keine hohen Anforderungen zu stellen sind (Köhler/Borkamm, UWG, 32. A., § 2 Rn. 95, m.N.). Hier vertreibt der Kläger ebenso wie die Beklagte Rasierer. Dass der vom Kläger angebotene Einmalrasierer vor allem als medizinisches Produkt verwendet wird, im Gegensatz zu dem kosmetischen Produkt der Beklagten, schließt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis der Parteien nicht aus. Nach aller Lebenserfahrung ist es so, dass der Einmalrasierer eben nicht ausschließlich im medizinischen Bereich genutzt wird, sondern, möglicherweise in deutlich geringerem Umfang, auch darüber hinaus zur Rasur eingesetzt wird. Damit stellt er aus Sicht der angesprochenen Verbraucherkreise eine - möglicherweise preiswertere und deutlich weniger komfortable - Alternative zu dem Produkt der Beklagten dar.

Bei dem Seifenblock des Rasierers handelt es sich um ein kosmetisches Mittel gem. Art. 2 Abs. 1a) EU-Kosmetik-VO. Es ist ein Gemisch, das dazu bestimmt ist, mit der Haut in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen Zweck, diese zu schützen und in einem gutem Zustand zu halten. Gerade das bewirbt die Beklagte, wenn sie ausführt, dass Schäumen, Rasieren und Feuchtigkeit spenden in einem Schritt für eine natürlich schöne Haut sorge.

Nachdem zwischen den Parteien nunmehr unstreitig ist, dass die Mindesthaltbarkeit des Mittels der Beklagten mehr als 30 Monate beträgt, ergibt sich damit grundsätzlich ihre Verpflichtung aus § 5 Abs. 2a Kosmetik-VO anzugeben, wie lange das Mittel nach dem Öffnen vom Verbraucher verwendet werden kann, ohne dass eine Gefährdung der Gesundheit zu erwarten ist.

Es kann nicht festgestellt werden, dass eine solche Verpflichtung hier ausnahmsweise entfällt, weil der Seifenblock nicht verderblich ist und damit gemäß Art. 19 Abs. 1c EU-Kosmetik-VO das Konzept der Haltbarkeit nach dem Öffnen nicht relevant ist. Das ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem von der Beklagten vorgelegten Konservierungsbelastungstest (Anlage BK 9a) und dem Auswertungstest (Anlage BK 9b) und den Ausführungen ihres Chefchemikers Dr. H (Anlage BK 8). Ein Nachweis einer unbeschränkten Haltbarkeit des Seifenblocks nach dem Öffnen und bei gewöhnlicher Gebrauchsintensität wird durch die jeweils auf relativ kurze Zeiträume beschränkten Untersuchungen unter Laborbedingungen nicht geführt.

Ein solcher Nachweis wäre aber von der Beklagten zu erbringen gewesen, und zwar bevor sie entsprechend wirbt. Gemäß Art. 1 der EU-Kometik-VO ist es deren Ziel, Regeln aufzustellen, die jedes auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Mittel erfüllen muss, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau zu gewährleisten. Nur bei einer Beschränkung auf im Zeitpunkt der Werbung bereits vorliegende und bekannte Erkenntnisse kann der Grundsatz, auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, bei dem die Gefahr von Schäden besonders groß ist, nur solche Werbeangaben zuzulassen, die gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprechen, umfassend verwirklicht werden (KG, Urt. vom 31.05.2013 - 5 U 141/12).

Durch den Verstoß gegen § 5 Abs. 2a Kosmetik-VO hat die Beklagte sich zugleich wettbewerbswidrig verhalten. Die Kennzeichnungspflichten nach dieser Verordnung sind auch eine Marktverhaltensregelung (vgl. BGH GRUR 1989, 673).

Der Zahlungsanspruch des Klägers in der zugesprochenen Höhe ergibt sich aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Die durch die berechtigte Abmahnung entstandenen Kosten kann der Kläger ersetzt verlangen, wobei unerheblich ist, dass er eine Unterlassungserklärung entsprechend seinem hier gestellten Antrag verlangt hat. Dass er nach dem entsprechenden Vorbringen der Beklagten die Angabe des Mindesthaltbarkeit nicht mehr alternativ verlangen kann, führt nicht zu einem teilweisen unterliegen im eigentlichen Sinne, da er mit der anderen Alternative in vollem Umfang durchdringt. Der Zinsanspruch folgt aus dem Verzug der Beklagten.

Einen Anspruch auf Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums hat der Kläger nicht, da ein solches nur bei einer Mindesthaltbarkeit von 30 Monaten oder weniger anzugeben ist, nicht aber bei einer Mindesthaltbarkeit von mehr als 30 Monaten, wie hier.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2, 709 ZPO.

Streitwert: 20.000,00 EUR.

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