LG Cottbus, Urteil vom 26.02.2014 - 5 S 59/13
Fundstelle
openJur 2014, 13487
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Cottbus vom 10.05.2013 - 43 C 376/12 - wird als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt als Vermieterin einer von der Beklagten gemieteten Wohnung die Beseitigung einer von der Beklagten auf dem Balkon aufgestellten Satellitenantenne.

Das Amtsgericht hat die auf Abbau der Satellitenantenne gerichtete Klage mit der Begründung abgewiesen, dass sie nicht baulich mit dem Balkon verbunden worden sei und auch die Kabelzuführung durch das Fenster nicht zu einem Verziehen des Fensters führe. Das Aufstellen der Anlage sei mit dem Aufstellen von Mobiliar auf dem Balkon vergleichbar, das nicht über die normale Nutzung hinausgehe.

Gegen die Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiterverfolgt und rügt, dass das Amtsgericht die Grundsätze der Rechtsprechung des BGH verkannt habe, der bei der Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit des Aufstellens einer Parabolantenne auf einem Mieterbalkon nicht zwischen einer Substanzverletzung und einer bloß optischen Beeinträchtigung unterscheide, sondern dies erst im Rahmen der Interessenabwägung berücksichtige.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des am 10.05.2013 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Cottbus, Az. 43 C 376/12, zu verurteilen, die am Balkon der Mietwohnung in der ..., montierte Satellitenanlage abzubauen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt mit näheren Ausführungen die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Berufung ist bereits unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteigt und die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nicht gegeben sind.

Bei der Prüfung, ob der Wert des Beschwerdegegenstandes den für die Zulässigkeit der Berufung nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderlichen Betrag von 600 € übersteigt, ist das Berufungsgericht nicht an eine Streitwertfestsetzung durch das erstinstanzliche Gericht gebunden (vgl. BGH, Beschluss vom 17.05.2006 - VIII ZB 31/05, Rn. 6, juris). Vielmehr ist der Beschwerdewert von der Kammer gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.

Nach zutreffender Ansicht ist bei der Bemessung des Streitwertes einer Klage des Vermieters gegen den Mieter auf Beseitigung einer Parabolantenne und entsprechend bei der Festsetzung des Beschwerdewertes für den in erster Instanz unterlegenen Vermieter nicht auf die Kosten der Beseitigung abzustellen, die hier aus Sicht der Kammer höchstens 300 € betragen, da die Anlage nicht fest mit dem Gebäude verbunden, sondern ohne Eingriff in die Gebäudesubstanz auf dem Balkon befestigt worden ist. Vielmehr bestimmt sich der Streitwert und die Beschwer des unterlegenen Vermieters nach dem Wert dessen Beeinträchtigung, die hier in dem Wertverlust zu sehen ist, den das Gebäude durch die Störung erleidet. Dafür ist ein zu erwartender Aufwand bei der Beseitigung der Satellitenanlage allenfalls mittelbar von Bedeutung, wenn man - bei einer mit der Anbringung der Antenne verbundenen Beeinträchtigung der Gebäudesubstanz - die auf die Wiederherstellung des Gebäudes entfallenden Kosten als Anhaltspunkt für die Wertminderung betrachtet. Fehlt es - wie hier - an einer Substanzbeeinträchtigung, ist der Beseitigungsaufwand bei der Bemessung des Wertverlustes zu vernachlässigen. Unter dem Gesichtspunkt der Beseitigungskosten beeinträchtigt die Parabolantenne in einem solchen Fall den Wert des Gebäudes nicht mehr als jeder andere Gegenstand, den ein Mieter am Ende der Mietzeit möglicherweise vertragswidrig in den Mieträumen zurücklässt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 8).

Der Wertverlust, den die Klägerin durch die Anbringung und den weiteren Verbleib der Satellitenempfangsantenne auf dem Balkon der Wohnung der Beklagten erleidet, liegt vorliegend bei nicht mehr als 300 €.

Da die Antenne nicht durch Substanzeingriffe mit dem Balkon verbunden ist, ist allein auf die optische Beeinträchtigung des Hauses der Klägerin abzustellen. Bei der Bewertung ist der Kammer bewusst, dass sich eine optische Beeinträchtigung nur schwer beziffern und sich eine konkrete Wertangabe kaum objektiv und nachvollziehbar begründen lässt. Allerdings konnte bei dem hier zu entscheidenden Sachverhalt nach den Erkenntnissen im Ortstermin durch die Satellitenanlage der Beklagten auf deren Balkon - wenn überhaupt - nur eine ganz geringfügige optische Beeinträchtigung des Gebäudes festgestellt werden.

Insoweit kann auf die im Protokoll der Sitzung wiedergegebenen Eindrücke von dem Gebäude und den sonstigen Gegebenheiten verwiesen werden. Danach befindet sich die Anlage auf dem Balkon der rückseitigen Fassade eines Plattenbaus aus DDR-Zeiten. Die Fassade hat seit der Errichtung des Gebäudes keine große Veränderung erfahren. Nur vereinzelt sind Balkonloggien - offenbar von den Mietern - malermäßig in der jüngeren Vergangenheit instand gesetzt worden. An dem Balkon der Beklagten ist eine Markise angebracht worden, wie auch an anderen Balkonen, und links hinten auf dem Balkon der Beklagten befindet sich die Parabolantenne, in einem leicht anderen Farbton als die dahinter liegende Wand. Auf dem Balkon rechts diagonal über der Wohnung der Beklagten war ebenfalls eine Parabolantenne zu sehen. Auf weiteren Balkonen befinden sich teilweise Blumenkästen in verschiedenen Farben und auch hängende Blumentöpfe, teilweise sind auf den Balkonen Vorhänge zu sehen, auf einem Balkon befindet sich auch ein Schrank. Die jeweils an verschiedenen Balkonen angebrachten Markisen sind farblich unterschiedlich gestaltet von orange-braun über beige-braun bis zu gelb-blau und blau mit - aus der Entfernung gesehen - Blumenmuster. Die malermäßig instandgesetzten Balkone sind an der Rückwand teilweise in gelb, teilweise in weiß gestrichen. Ein Balkon hat eine weiße Wand mit zwei farblich abgesetzten Rechtecken, ein weiterer ist in einem ganz hellen Altrosa-Ton gestrichen worden. Zugleich weist die Fassade auch eine ganze Reihe offenbar seit längerer Zeit nicht renovierter Balkonloggien auf. Insgesamt ließ sich ein architektonisches Gestaltungskonzept bzw. zumindest einheitliches Erscheinungsbild nicht ausmachen. Schon wegen des uneinheitlichen, teilweise seit längerer Zeit malermäßig nicht veränderten Zustandes der Fassade war eine optische Beeinträchtigung durch die von der Balkonbrüstung nur teilweise verdeckte Satellitenschüssel der Beklagten für die Kammer kaum wahrnehmbar, die Anlage hob sich - anders als etwa die Markisen der Balkone - kaum von der Farbe der Balkonwände ab.

Zudem sind die Balkone vom etwa 100 m von dem Gebäude entfernt liegenden Weg nur eingeschränkt einsehbar. Denn zwischen dem Gebäude und dem Weg befinden sich hohe Laubbäume, die die Balkone selbst im Winter teilweise verdecken. Beim Ortstermin war die Parabolantenne auf dem Balkon der Berufungsbeklagten je nach Sichtposition hinter den Bäumen auszumachen oder nicht auszumachen.

Nach alledem liegt allenfalls eine sehr geringfügige optische Beeinträchtigung des Gebäudes vor, deren Wert 300 € nicht übersteigt.

Da das Amtsgericht allerdings keine Veranlassung gesehen hat, über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zu entscheiden, weil es den Streitwert auf über 600 € festgesetzt hat und deswegen von einem entsprechenden Wert der Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, muss die Kammer, die - wie ausgeführt - nicht an die Streitwertfestsetzung des Erstgerichts gebunden ist, die Entscheidung darüber nachholen, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind. Denn die unterschiedliche Bewertung darf nicht zu Lasten der Partei gehen (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2007 - VIII ZR 340/06, Rn. 12, juris). Nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung zu, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Eine grundsätzliche Bedeutung vermag die Kammer nicht zu erkennen, vielmehr handelt es sich um einen Einzelfall. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert ebenfalls keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Die grundlegenden Fragen, unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter die Anbringung bzw. Aufstellung einer Parabolantenne dulden muss, welche Rechtsgüter der Vertragsparteien sich hierbei widerstreitend gegenüberstehen und wie diese zu gewichten und gegeneinander abzuwägen sind, sind höchstrichterlich geklärt (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 24.01.2005 - 1 BvR 1953/00; Beschluss vom 17.03.2005 - 1 BvR 42/03; Beschluss vom 13.03.2013 - 1 BvR 1314/11; BGH, Urteil vom 16.05.2007 - VIII ZR 207/04; Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 260/06, jeweils zit. nach juris). Die vom Amtsgericht getroffene Einzelfallentscheidung weicht im Ergebnis auch nicht von dieser Rechtsprechung ab. Die Frage, ob die Beklagte zur Beseitigung der Anlage verpflichtet ist, beurteilt sich nach § 541 BGB. Gemäß § 541 BGB kann der Vermieter auf Unterlassung klagen, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt. Der Anspruch umfasst auch die Beseitigung eines vom Mieter geschaffenen vertragswidrigen Zustandes. Die Aufstellung einer mobilen Parabolantenne auf dem mitvermieteten Balkon der Wohnung ist vertragswidrig, wenn sie sich nicht im Rahmen des dem Mieter gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB zu gewährenden vertragsgemäßen Gebrauchs hält. Was jeweils im Einzelnen zum vertragsgemäßen Gebrauch des Mieters von Wohnraum gehört, richtet sich in erster Linie nach den Abreden der Parteien (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2007 - VIII ZR 207/04, Rn. 8, juris). Im Mietvertrag ist der Beklagten das Anbringen oder Aufstellen einer Satellitenanlage allerdings nicht untersagt worden. Aber auch ohne ein ausdrückliches Verbot kann in dem Aufstellen einer Satellitenanlage auf dem Balkon ein vertragswidriger Gebrauch der Mietsache liegen. Da der optische Eindruck der Fassade hier durch die Anlage jedoch allenfalls geringfügig beeinträchtigt ist, geht die Kammer davon aus, dass bei der bei Annahme einer Beeinträchtigung gebotenen Abwägung des Eigentumsrechts des Vermieters mit den grundrechtlich geschützten Interessen des Mieters - hier das Informationsinteresse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz GG - an das Interesse des Mieters keine hohen Anforderungen gestellt werden können, sondern das allgemeine Interesse an der Nutzung des Satellitenempfangs, statt des vorhandenen Kabelanschlusses, ausreicht, selbst wenn dies nur wegen der größeren Programmvielfalt besteht.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind der Klägerin aufzuerlegen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 709, 711 ZPO.

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