LG Stendal, Urteil vom 23.04.2010 - 21 O 144/09
Fundstelle
openJur 2014, 27852
  • Rkr:
Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entsteht, dass ihr Angebot in dem Verfahren der öffentlichen Ausschreibung - Grundhafter Ausbau der K 1214 von der B 1 N nach CC - nicht berücksichtigt wurde.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen eine Sicherheitsleistung von 110% des zu vollstreckenden Geldbetrages vorläufig vollstreckbar.

und b e s c h l o s s e n:

Der Streitwert wird auf 24.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt gegenüber der beklagten Gemeinde die Feststellung des Bestehens einer Schadensersatzverpflichtung wegen Nichtberücksichtigung eines Angebotes in einem Vergabeverfahren.

Die Beklagte leitete mit Bekanntmachung im Ausschreibungsanzeiger Sachsen-Anhalt vom ...2008 das Vergabeverfahren hinsichtlich der Baumaßnahme Grundhafter Ausbau der K 1214 von der B 1 n nach CC ein. Zum Inhalt der Ausschreibung wird auf die Anlage K 1 (Bl. 10 d.A.) Bezug genommen. Auf Anforderung der Klägerin übersandte die Beklagte die Aufforderung zur Angebotsabgabe einschließlich der darin benannten weiteren Vergabeunterlagen an diese. Zum Inhalt der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots (Formblatt 211) wird auf die Anlage K 2 (Bl. 11 - 18 d.A.) Bezug genommen. Die Beklagte wendete für ihre Formulare das Vergabehandbuch VHB 2008 an.

Ziffer 3. der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes lautet:

"3. Vorlage von Nachweisen/Angaben durch den Bieter und ggf. Nachunternehmer

(...)

3.2 Zum Nachweis der Eignung sind vorzulegen:

x  mit dem Angebot folgende Unterlagen nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOBA

3.3 folgende sonstige Nachweise/Angaben sind vorzulegen:

x mit dem Angebot

gemäß Pkt.  s) der Bekanntmachung im Ausschreibungsanzeiger SA.

3.4 Präqualifizierte Unternehmen können anstelle der Nachweise nach 3.2 im Angebotsschreiben 213 unter Nr. 4.4 die Nummer angeben, unter der sie in der Liste des Vereins für die Präqualifikation von Bauunternehmen (Präqualifikationsverzeichnis) eingetragen sind.

(...)

5. Es gelten die beigefügten Bewerbungsbedingungen 212.

Die Klägerin gab unter dem 4.9.2008 ihr Angebot ab, wobei der Endbetrag für das Hauptangebot auf einen Betrag in Höhe von 607.096,70 € lautete.  Zum weiteren Inhalt des Angebots wird auf die Anlage K 5 (Bl. 20 - 25 d.A.) Bezug genommen. Die Formblätter 233 und 234 waren dem Angebot beigefügt. Zum Inhalt der Formblätter 233 und 234 wird auf Blatt 95 bis 98 d. A. Bezug genommen. Unstreitig legte die Klägerin erst im Bietergespräch am 04.09.2008 Nachweise hinsichtlich der Eignung der Nachunternehmer vor. Die Beklagte teilte der Klägerin am 30.9.2008 mit, dass ihr Angebot wegen fehlender Preise bzw. geforderter Erklärungen ausgeschlossen worden sei. Insoweit wird auf die Anlage K 6 (BL. 23 - 25 d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin legte Vergabebeschwerde bei der zuständigen Vergabeprüfungsstelle beim Landkreis DD ein. Mit Schreiben vom 23.9.2008 nahm die Nachprüfungsstelle hierzu Stellung. Unter dem 30.9.2008 stellte die Klägerin Antrag nach § 27 Nr. 2 VOB/A. In diesem Verfahren erfolgte die Stellungnahme der Beklagten vom 14.10.2008, mit welcher sie die Rechtmäßigkeit des Ausschlusses darlegte.

Die Auftragsvergabe erfolgte an die EE GmbH als Auftragsnehmerin. Diese hatte ein Hauptangebot in Höhe von 670.555,48 € abgegeben. Weiterhin enthielt das  Angebot der Nebenangebote, von denen die Beklagte die Nebenangebote 1. und 3. wertete und zu einer Auftragssumme von 595.980,66 € gelangte. Bei dem berücksichtigten Nebenangebot 1. handelte es sich das Angebot eines Pauschalpreises von 625.000,00 € brutto. Das Nebenangebot 3. der Auftragnehmerin weist eine Ersparnis gegenüber dem Nebenangebot 1 der Auftragsnehmerin in Höhe von 29.019,34 € aus. Die Auftragnehmerin EE GmbH hat bei ihrem Angebot für die Aufgliederung wichtiger Einheitspreise sowie hinsichtlich des Geräteverzeichnisses nicht die übersandten Vordrucke der Beklagten verwandt.

Als Ausführungszeitraum für das Bauvorhaben war der Zeitraum 01.10.2008 -  30.11.2009 vorgesehen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe ihr Angebot vollständig mit allen geforderten Unterlagen und Erklärungen eingereicht. Ausweislich der Bekanntmachung der Ausschreibung und der Aufforderung zur Angebotsabgabe seien Angaben und Nachweise für die Nachunternehmer nicht gefordert worden. Bereits die Forderung nach der Benennung von Nachunternehmern sei unzumutbar. Entsprechend müsse dies auch für die Vorlage von Nachweisen für diese Unternehmen gelten. Eine Forderung von Nachweisen für Nachunternehmer sei aber auch nicht erfolgt. Soweit hier in Ziffer 3.2 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots die Unterlagen nach § 8 Nr. 3 Abs. 1 VOBA gefordert wurden, so sei eindeutig der Bewerber bzw. Bieter als Adressat der Anforderung von Eignungsnachweisen benannt. Die Beklagte hätte hier in Ziffer 3.2 der Aufforderung zur Angebotsabgabe in den dort vorhandenen Freizeilen die Forderung zur Vorlage von Eignungsnachweisen der Nachunternehmer ohne weiteres aufnehmen können. Es wäre  erforderlich gewesen, den Zusatz  "ggf." derart genau zu beschreiben". Die Forderung in Ziffer 3.2 sei auch ausdrücklich in Ziffer 3.4 der Aufforderung zur Angebotsabgabe aufgegriffen worden, mit der Möglichkeit, die Präqualifikationsnummer anzugeben. Ein Eignungsnachweis hinsichtlich der Nachunternehmer sei auch aufgrund der Präqualifikation durch Angabe der Präqualifikationsnummer der Klägerin entbehrlich. Ohne den Ausschluss der Klägerin hätte der Zuschlag auf das Angebot der Klägerin erteilt werden müssen. Das Nebenangebot 1. der EE GmbH sei unzulässigerweise berücksichtigt worden. Nach dem Vergabehandbuch 2008 (Allgemeine Richtlinien Vergabeverfahren 100) sei es der Beklagten untersagt gewesen, ein Pauschalangebot für die Erd- oder Gründungsarbeiten zu unterbreiten. Ein Pauschalpreis sei nur unter der Voraussetzung von § 5 Nr. 1 BVBA in Betracht gekommen. Bei Erdarbeiten seien diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Vorliegend seien aber auch Bedarfspositionen in der Leistungsbeschreibung enthalten, so dass eine genaue Bestimmung des Leistungsumfangs ausgeschlossen sei. Das Nebenangebot 1. enthalte aber auch keine Aufgliederung nach Mengenansätzen und Einzelpreisen gemäß Ziffer 5.4 der Bewerbungsbedingungen und sei daher nicht zu werten. Das Nebenangebot 3. enthalte eine technische abweichende Ausführung, die nicht gleichwertig sei. Die Anforderungen nach Ziffer 5.2 der Bewerberbedingungen seien nicht erfüllt, da das Nebenangebot 3. nicht gleichwertig und ein Nachweis desselben nicht im Angebot erfolgt sei, so dass es zwingend von der Wertung auszuschließen sei. Darüber hinaus sei die Wertung beider Nebenangebote 1. und 3. kumuliert nicht möglich, weil sich sowohl das Nebenangebot 1. als auch das Nebenangebot 3. lediglich auf den Leistungsgegenstand der Leistungsbeschreibung bezögen. Darüber hinaus seien die Anforderungen nach Ziffer 5.3 und 5.4 der Bewerberbedingungen nicht erfüllt, wonach ein Ausschluss erfolgen müsse. Darüber hinaus sei das Angebot der Auftragsnehmerin EE GmbH  wegen der nicht verwandten Vordrucke gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1b i.V.m. 21 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A zwingend auszuschließen.

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entsteht, dass ihr Angebot im Verfahren der öffentlichen Ausschreibung - Grundhafter Ausbau der K 1214 von der B 1 nach CC -  nicht berücksichtigt wurde.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, das Angebot der Klägerin sei unvollständig gewesen, da Nachweise für Nachunternehmer gefehlt hätten. Dies folge hier aus Ziffer 3. der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Die Vorlage von Eignungsnachweisen sei hier der Klägerin auch zumutbar gewesen, da sie auch die Nachunternehmer benannt habe. Mit der Angabe der Präqualifizierungsnummer sei die Eignung der Nachunternehmer nicht nachgewiesen, sondern vielmehr sei die Eignung nur hinsichtlich der Tätigkeit  dr Betätigung der Klägerin selbst belegt. Das Angebot 1. der EE GmbH sei in zulässiger Weise berücksichtigt worden. Die Voraussetzungen zum Angebot eines Pauschalpreises hätten vorgelegen, da der Umfang der Erdarbeiten bekannt gewesen sei und damit eine tatsächliche Wertung möglich gewesen sei. Hinsichtlich des Nebenangebots 3. liege eine gleichwertige Ausführung vor.

Hinsichtlich des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf deren vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, soweit diese Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind.

Gründe

1.

Die Feststellungsklage ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Bei Einreichung der Klageschrift am 22. Juni 2009 bestand ein Interesse der Klägerin an der Feststellung der Schadensersatzverpflichtung, da ein Schadensersatzanspruch zu diesem Zeitpunkt noch nicht abschließend bezifferbar war, da die Leistung bis Ausführung der ausgeschriebenen Leistung bis zum 30.11.2009 erfolgen sollte. Eine Bezifferung war daher abschließend der Klägerin noch nicht möglich. Soweit im Laufe des Verfahrens die Ausführung der Leistung beendet wurde, so führt dies nicht zur Unzulässigkeit einer der bereits zulässigen Feststellungsklage (vgl. dazu nur RGZ 108, 201 ff.).

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

2.1

Infolge der Teilnahme der Klägerin am Bieterverfahren bestand zwischen den Parteien ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis im Sinne von § 311 Abs. 2 BGB. Denn nach ständiger Rechtsprechung besteht bei einer öffentlichen Ausschreibung zwischen dem Ausschreibenden und einem interessierten Bieter spätestens mit Anforderung der Ausschreibungsunterlagen durch diesen ein auf eine mögliche Auftragserteilung gerichtetes vorvertragliches Vertrauensverhältnis. Die Ersatzpflichten umfassen dabei den entgangenen Gewinn, wenn der Bieter ein berechtigtes und schutzwürdiges Vertrauen darauf entwickeln konnte, den Auftrag zu erhalten und ihm bei rechtmäßigem Vorgehen des Ausschreibenden der Auftrag hätte erteilt werden müssen(vgl. nur  OLG Hamm Entscheidung vom 25.10.2005 Az. 24 U 39/05 Rz. 20 m.w.N.; Werner/Pastor11. Auflage, Rz. 1885). Darlegungs- und beweispflichtig für diese Voraussetzungen ist der Bieter (vgl. Werner/Pastor aaO.).

Die Beklagte hat im Rahmen dieses vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses eine ihr obliegende Pflicht verletzt.

Denn für die Beklagte besteht die Pflicht zur ordnungsgemäßen Durchführung des Vergabeverfahrens nach §§ 18 - 29 VOBA.  Eine Pflichtverletzung liegt vor, wenn der Ausschreibende unter Überschreitung des ihm gemäß § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2VOB/A eingeräumten Wertungsspielraums einen anderen Bewerber aus unsachlichen Gründen bevorzugt oder die Vorschriften der VOB/A nicht einhält und dadurch das Berechtigte Vertrauen des Bieters enttäuscht (vgl. OLG Zweibrücken Entscheidung vom 24.01.2008 Az. 6 U 25/06 Rz. 22 zit. n. juris).

Die Beklagte hat hier die Klägerin gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b), 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A in unzulässiger Weise von dem Bieterverfahren ausgeschlossen. Unstreitig erfolgte der Ausschluss der Klägerin vorliegend, da diese nicht bereits mit dem Angebot e Eignungsnachweise für Nachunternehmer vorgelegt hat.

Nach Auffassung des Gerichts wurde diese Eignungsnachweise für Nachunternehmer aber von der Beklagten nicht gefordert.

Welcher Erklärungswert Angebotsunterlagen zukommt, ist anhand der für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze zu ermitteln (vgl. nur BGH-Entscheidung vom 10.6.2008, X ZR 78/07 Rz. 10 m.w.N. zit. n. juris). Die Verdingungsunterlagen sind zwar selbst keine ANGEBOTE IM Sinne von §§ 145 ff. BGB (§ 28 Nr. 2 und 3 VOB/A), sie bilden die von den Bietern abzugebenden Erklärungen aber spielgelbildlich ab (vgl. BGH-Entscheidung vom 10.06.2008 aaO.). Aus diesem Grund und in Anbetracht der Ausschlusssanktion müssen die Bieter den Angebotsunterlagen klar und eindeutig entnehmen können, welche Erklärungen von ihnen im Zusammenhang mit der Angebotsabgabe verlangt werden (vgl. BGH-Entscheidung vom 10.6.2008 a.a.O.). Soweit die Vergabeunterlagen der Auslegung bedürfen, ist auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter, d.h. auf einen abstrakt bestimmten Adressatenkreis abzustellen (vgl. BGH-Entscheidung vom 10.06.2008 aaO.).

Vorliegend mussten die Bieter den Vergabeunterlagen in einer Gesamtschau nicht entnehmen, dass bei Einsatz von Nachunternehmern auch hinsichtlich dieser bereits mit der Abgabe des Angebots Eignungsnachweise vorzulegen waren.  Denn aus dem alleinigen Zusatz "ggf. Nachunternehmer" in der Überschrift Ziffer 3 des Formulars 211 (Aufforderung zur Abgabe eines Angebots) folgte aus Sicht der Bieter nicht hinreichend deutlich, dass die nachfolgend für den Bieter geforderten Nachweise und Angaben auch für die Nachunternehmer vorzulegen waren. Das Wort gegebenenfalls kann sich nämlich auf den Fall beziehen, dass überhaupt von dem Bieter Nachunternehmer eingesetzt werden aber auch auf den weiteren Fall, dass gemäß Formblatt 234 (Bl. 97 d.A.) erst auf Verlangen der Vergabestelle die konkreten Namen der Nachunternehmer zu benennen waren. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass in dem Formular 234 das Kästchen vor dem Satz " Die Namen der Nachunternehmer sind bereits bei der Angebotsabgabe anzugeben" nicht angekreuzt war. Wenn aber nicht einmal die Namen der Nachunternehmer zu benennen waren, so mussten die Bieter auch nicht davon ausgehen, dass ohne weiteres Zutun der Vergabestelle bereits mit dem Angebot die Eignungsnachweise der Nachunternehmer vorzulegen waren.

Vorliegend ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass in dem Formular zur Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes in Ziffer 3. gerade noch Raum vorgegeben war für weitere Eintragungen und insoweit zwanglos auch von der Beklagten eine Klarstellung hinsichtlich der geforderten Unterlagen bei Einsatz von Nachunternehmern hätte erfolgen können.

Allein der Umstand, dass hier der Zusatz "ggf. Nachunternehmer" in den Formularen, welche in dem Vergabehandbuch enthalten sind, so auch enthalten ist, steht daher nicht entgegen, dass hier die Eignungsnachweise auch für die Nachunternehmer klar gefordert wurden.

Auch der Umstand, dass offensichtlich weitere Bieter die Klausel ausweislich der Anlage K 4 (Blatt 19 d. A.) dahingehend verstanden haben, dass auch hinsichtlich der Nachunternehmer Eignungsnachweise vorzulegen sind führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. dazu auch BGH-Entscheidung vom .10.06.2008 aaO., Rz. 15).

Vorliegend ist aber zudem auch fraglich, ob es sich bei dem Eignungsnachweis der  Nachunternehmer nicht um eine unwesentliche Erklärung handelt, die ohne Einfluss auf Preise und damit das Wettbewerbsergebnis ist (vgl. Hamann, 9. Aufl., § 25  Rz. 127). Denn grundsätzlich genügen die Angaben nach § 10 Nr. 5 Abs. 3 VOB/A hinsichtlich der Art der Leistungen, die an Nachunternehmer vergeben werden, um den Auftraggeber darüber ins Bild zu setzen, wie der Bieter seinen Auftrag erfüllen möchte (vgl. BG-Entscheidung vom 10.06.2008 aaO.Rz. 17). Die Vorlage von aussagekräftigen Eignungsnachweisen der Nachunternehmer wäre für die Vergabestelle nur relevant, wenn die Nachunternehmer zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebots auch bereits tatsächlich gegenüber dem Bieter gebunden wären.

Die Beklagte hat sich nicht nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB entlastet. Insbesondere ist dem Vortrag der Beklagten nicht zu entnehmen, dass die Klägerin auch bei rechtmäßigem Verhalten der Beklagten auszuschließen gewesen wäre.

Nach Auffassung des Gerichts ist auch davon auszugehen, dass die Klägerin ohne die Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen der Vergabe den Zuschlag erhalten hätte. Voraussetzung dafür ist, dass die Klägerin ein vollständiges Angebot abgegeben hat und dieses auch nach Prüfung gem. § 23 VOB/A noch an erster Stelle lag und er auch nachweisen kann, dass ihm der Auftrag erteilt worden wäre (vgl. Heiermann u.a., Handkommentar zu VOB, 9. Aufl. Einl. Rz. 9).

Davon ist vorliegend auszugehen. Das geht davon aus, dass die Klägerin ein vollständiges Angebot abgegeben hat. Soweit zunächst nach der formalen, rechtlichen und technischen Prüfung unter der laufenden Nummer 19  hinsichtlich der abgeforderten Unterlagen "fehlt" vermerkt wurde, so hat sich die Beklagte hierauf im Prozess nicht mehr berufen.  Auf den Vortrag der Klägerin, sie habe ein vollständiges Angebot abgegeben hat die Beklagte sich lediglich darauf berufen, die erforderlichen Nachweise ihrer Nachunternehmer hätten gefehlt. Das Fehlen weiterer Unterlagen stand hingegen nicht zwischen den Parteien im Streit. Da diese negative Tatsache  aus der Sphäre der Beklagten stammt wäre diese auch im Wege der sekundären Behauptungslast gehalten gewesen hierzu näher vorzutragen.

Es ist darüber hinaus auch davon auszugehen, dass die Klägerin nach Vornahme der Prüfung gem. § 23 VOB/A an erster Stelle gelegen hätte.

Die Beklagte hat den Vortrag der Klägerin nicht bestritten, das Angebot der Klägerin sei unter Berücksichtigung lediglich der Hauptangebote aller Bieter das Preisgünstigste gewesen.

Soweit der Auftragnehmer EE GmbH nach Wertung der Nebenangebote 1 und 3 zu einer Auftragssumme von 595.980,66 € gelangte, so konnten diese Nebenangebote nicht berücksichtigt werden.

Das Nebenangebot 1 wurde zu einem Pauschalpreis von 625.000 € und das Nebenangebot 3 mit einer Ersparnis von 29.019,34 € gegenüber dem Nebenangebot 1 in Höhe von 595.980,66 € abgegeben.

Bei Nebenangeboten handelt es sich um eine eigenständige Ausarbeitung des Bieters, mit der dieser sich einen Vorteil im Wettbewerb erhofft. Die Änderung kann technischer Art sein oder die Bauzeit oder Zahlungsmodalitäten betreffen (vgl. OLG Zweibrücken aaO. Rz. 24). Das im Vergaberecht geltende Transparenzgebot fordert, dass Nebenangebote bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Soweit Nebenangebote Positionen des Leistungsverzeichnisses betreffen, so sind sie nach Mengenansätzen und Einzelpreisen entsprechend dem Leistungsverzeichnis aufzugliedern, auch wenn sie diese im Ergebnis in einer Pauschalsumme anbieten (vgl. OLG Zweibrücken aaO. Rz. 25).

Die Gleichwertigkeit eines Nebenangebots muss nach § 25 Nr. 3 VOB/B im Vergabeverfahren geprüft werden und ist für alle Beteiligten transparent zu machen, da nur so eine Benachteiligung von anderen Bietern vermieden werden kann (vgl. OLG Zweibrücken aaO.). Nebenangebote sind in der VOB/A vorgesehen und waren hier auch nach Punkt u) der öffentlichen Ausschreibung zugelassen. Weiterhin war darüber hinaus nach der öffentlichen Ausschreibung auch gefordert, dass die Nebenangebote eindeutig und erschöpfend zu beschreiben sind, so dass die Gleichwertigkeit qualitativ und quantitativ nachgewiesen wird. Eine derartige Beschreibung war bereits mit Angebotsabgabe vorzunehmen, da ein anderweitiger Zeitpunkt für den Nachweis nicht benannt war.

Der Beklagten wurde seitens des Gerichts wiederholt aufgegeben zum konkreten Inhalt der Nebenangebote 1 und 3 konkret vorzutragen. Dem ist sie nicht nachgekommen.

Die Beklagte führte lediglich aus, dass es bei dem Nebenangebot 1 um die Pauschalierung von Tiefbauarbeiten (Erdarbeiten) ging, ohne dass hier die jeweiligen Positionen des Leistungsverzeichnisses benannt wurden. Eine Pauschalierung sei möglich gewesen, da der Umfang der zu erbringenden Leistungen aufgrund von Vermessungen bekannt gewesen sei.

Das Nebenangebot 3 habe sich auf die Oberfläche der zu erstellenden Straße bezogen. Splittmastixasphalt sei als Aufheller ausgeschrieben gewesen. Die tatsächliche Ausführung ohne Aufheller habe eine gleichwertige technische Ausführung dargestellt, da er auf die Fahreigenschaft des Belags keine Auswirkungen habe und lediglich der Sicherheit im Dunkeln diene.

Die Beklagte hat entgegen der Auflage des Gerichts mit Beschluss vom 08.02.2010 die Angebotsunterlagen des Auftragnehmers EE GmbH, insbesondere die Nebenangebote 1 und 3 nicht zur Akte gereicht. Konkreter Vortrag zur Gleichwertigkeit der Nebenangebote  und zum Nachweis der Gleichwertigkeit bereits bei Einreichung des Angebots fehlt.

Soweit die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 10.03.2010 vorträgt, das Nebenangebot Nr. 4 der Klägerin vom 03.09.2008 sei dem Nebenangebot Nr. 3 des Auftragnehmers vergleichbar, so bleibt dennoch im Dunkeln welchen konkreten Inhalt die Nebenangebote 1 und 3 des Auftragnehmers tatsächlich hatten. Vergleichbarkeit der Nebenangebote bedeutet nämlich nicht, dass diese auch in allen Punkten identisch waren. Es wäre hier der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen, die Nebenangebote zur Akte zu reichen.

Aber auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens vermag das Gericht festzustellen, dass die Ausführung im Nebenangebot 3 ohne den im Leistungsverzeichnis vorgeschriebenen Aufheller keine gleichwertige Leistung darstellt, da durch den nunmehr aufgebrachten Belag der zusätzliche Sicherheitsaspekt beim Befahren der Fahrbahn im Dunkeln nicht erreicht wird. Insoweit sind auch - worauf die Klägerin in zutreffend bereits hingewiesen hat - die Voraussetzungen von § 21 Nr. 2 Satz 1 VOB/B nicht erfüllt.

Da unstreitig günstigere zu wertende Angebote nicht vorlagen, insbesondere hat sich die Beklagte hierauf nicht berufen, wäre der Klägerin auch der Zuschlag zu erteilen gewesen.

Dementsprechend haftet die Beklagte der Klägerin auch für den ihr durch die Nichterteilung des Zuschlags entstandenen Schaden.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Der Streitwert wurde gem. § 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG, § 3  ZPO festgesetzt.