OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.05.2014 - OVG 12 N 24.13
Fundstelle
openJur 2014, 12974
  • Rkr:

Verwaltungsgebühren, die für Amtshandlungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz des Landes Berlin anfallen, sind nicht allein nach dem angefallenen Verwaltungsaufwand zu bemessen; ihre konkrete Höhe ist unter Berücksichtigung der in § 5 VwGebO genannten Bemessungsmaßstäbe zu bestimmen und darf nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Informationsgewährung stehen. Insbesondere darf die Höhe der Gebühr die Wirksamkeit des Informationszugangs nicht beeinträchtigen.

Tenor

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das ihm am 7. Februar 2013 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird abgelehnt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 500 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und eines Verfahrensfehlers (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor (§ 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO).

Das Verwaltungsgericht hat den nur noch im Streit stehenden Gebührenbescheid, mit dem der Beklagte die Verwaltungsgebühr für den vom Kläger begehrten Informationszugang zu Akten der Zentralen Revision zur Korruptionsbekämpfung des Bezirksamts nach § 16 IFG Bln i.V.m. § 6 Abs. 1 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge – GebBeitrG – und § 1 Abs. 1Verwaltungsgebührenordnung – VwGebO – sowie Tarifstelle 1004 Buchstabe b Nr. 3 des Gebührenverzeichnisses der Anlage zu § 1 VwGebO mit dem Höchstbetrag des anzuwenden Gebührenrahmens in Höhe von 500 Euro bemessen hat, aufgehoben. Die Gebührenbemessung sei ermessensfehlerhaft, weil sie nur den – zudem nach Ansicht des Verwaltungsgerichts nur unterhalb des Betrages der festgesetzten Gebühr angefallenen – Verwaltungsaufwand als Bemessungskriterium heranziehe und damit die Bemessungsmaßstäbe des § 5 VwGebO nicht hinreichend beachte. Insoweit hat das Verwaltungsgericht auf die Bedeutung der Amtshandlung und den aus § 1 IFG Bln ersichtlichen Gesetzeszweck hingewiesen, über die Transparenz der Akteninhalte die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen.

Soweit der Beklagte unter Berufung auf § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO meint, der Gebührenbescheid habe nicht vollständig aufgehoben werden dürfen, sondern müsse jedenfalls in Höhe des auch vom Verwaltungsgericht anerkannten Aufwandes aufrechterhalten werden, verkennt dies die Urteilsbegründung und ist Ausdruck mangelnder Auseinandersetzung mit der angefochtenen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat zwar dem angefallenen Verwaltungsaufwand wesentliche Bedeutung für die Ermessensausübung beigemessen und bereits insoweit beanstandet, dass bei der Gebührenfestsetzung der aus seiner Sicht anerkennungsfähige Aufwand überschritten worden sei; es hat aber unter Hinweis auf § 5 VwGebO deutlich gemacht, dass es weitere zu beachtende Bemessungsmaßstäbe gibt, zu denen insbesondere die Bedeutung der Amtshandlung gehört, zu der die Gebühr nicht außer Verhältnis stehen darf. Die Regelung in § 5 VwGebO ist ebenso wie § 8 Abs. 2 GebBeitrG Ausdruck des Äquivalenzprinzips, das die gebührenrechtliche Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darstellt und deshalb schon von Verfassungs wegen zu berücksichtigen ist.

Die Berufung des Beklagten auf § 34 Abs. 1 LHO führt nicht weiter. Die Vorschrift bezieht sich selbstverständlich nur auf Einnahmen, die dem Beklagten von Rechts wegen zustehen, was hier eine rechtmäßige Bestimmung der Gebührenhöhe voraussetzt.

Auf die ausführliche Auseinandersetzung mit der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Berechnung des Verwaltungsaufwandes kommt es hiernach für die Richtigkeit des Entscheidungsergebnisses nicht an, weil die Begründung des Verwaltungsgerichts selbst dann zutreffend wäre, wenn ein berücksichtigungsfähiger Verwaltungsaufwand in Höhe von 500 Euro oder mehr angefallen wäre.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind hiernach nicht schlüssig dargetan. Darüber hinaus merkt der Senat an, dass bereits der Gebührenrahmen der einschlägigen Tarifstelle die Verursachung eines außergewöhnlich umfangreichen Verwaltungsaufwandes voraussetzt und der Beklagte deshalb gehalten ist, selbst nähere Kriterien zu entwickeln, wie er den konkret angefallenen Aufwand in dieser Fallgruppe bei der Festsetzung der konkreten Gebührenhöhe berücksichtigen will. Die Vorstellung, dass jeder Aufwand über 250 Euro bis zu der Grenze des Gebührenrahmens der Tarifstelle konkret für die Gebührenbemessung ausschlaggebend sein soll, ist dabei schon nach den vom Verwaltungsgericht zutreffend angeführten weiteren Bemessungskriterien nach § 5 VwGebO nicht haltbar, im Übrigen aber auch vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und der Gebührengerechtigkeit kaum vertretbar (a.A. zum IFG Bund: VG Berlin, Urteil vom 8. November 2007 – VG 2 A 15.07 – S. 7 f. des Urteilsabdrucks). Die konkrete Gebührenhöhe ist im Einzelfall unter Berücksichtigung der in § 5 VwGebO genannten Bemessungsmaßstäbe zu bestimmen und darf nicht in einem unangemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Informationsgewährung stehen. Insbesondere darf die Höhe der Gebühr die Wirksamkeit des Informationszugangs nicht beeinträchtigen.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht dargetan. Sie liegt vor, wenn eine bisher weder höchstrichterlich noch obergerichtlich beantwortete konkrete und zugleich entscheidungserhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen und erläutert wird, warum sie über den Einzelfall hinaus bedeutsam ist und im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Eine solche Fragestellung ist mit der Bemerkung, die Entscheidung entziehe jeder Gebührenberechnung des Beklagten für Verwaltungsaufwand, der als Folge eines Akteneinsichtsbegehrens nach dem IFG entstehe, jegliche Rechtssicherheit und davon sei eine Vielzahl von Fällen im Bereich des Beklagten betroffen, nicht aufgeworfen. Im Übrigen dürfte es dem Ziel der gerichtlichen Kontrolle des Verwaltungshandelns entsprechen, einer rechtwidrigen Praxis die Rechtssicherheit zu entziehen. Auf die übrigen Fragestellungen (S. 9, zweiter Absatz der Begründungsschrift) würde es in einem Berufungsverfahren nicht ankommen, weil Einzelheiten der Berechnung des Verwaltungsaufwands für die konkret angefochtene Gebührenbemessung nach den vorstehenden Ausführungen nicht entscheidungserheblich sind.

Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, ist ebenfalls schon nicht dargelegt. Die Begründung des Zulassungsantrages muss insoweit ergeben, dass der Mangel vorliegt. Der Beklagte führt insoweit aus, dass er aufgrund des im vorläufigen Rechtschutzverfahren ergangenen Beschlusses vom 28. August 2012 – VG 2 L 104.12 – angenommen habe, es bestehe ein grundsätzlicher Gebührenanspruch nach Aufwand und deshalb mit einer Vollaufhebung seines Bescheides nicht habe rechnen müssen. Das reicht nicht aus, um einen Verfahrensmangel in Gestalt einer Überraschungsentscheidung zu begründen. Aus der Entscheidung im vorausgegangenen Rechtsschutzverfahren kann wegen des gegenüber dem Hauptsacheverfahren abweichenden summarischen Prüfungsmaßstabs keine derartige Verbindlichkeit abgeleitet werden, zumal das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der vom Beklagten angesprochenen Aspekte des einschlägigen Gebührentatbestandes und der Berücksichtigungsfähigkeit des Aufwandes von dem Beschluss gar nicht abweicht. Dass hingegen der Gebührenbescheid nicht nur teilweise aufzuheben war, wenn der Aufwand nicht der einzige bei der Ermessensausübung hinsichtlich der Gebührenfestsetzung zu berücksichtigende Umstand war, musste den rechtskundigen Vertretern des Beklagten auch ohne besondere Erörterung klar sein. Auch die insoweit bestehende Problematik der Bemessung der Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens der einschlägigen Tarifstelle kann für sie nicht neu oder überraschend gewesen sein, da die allgemeinen Bemessungsmaßstäbe für die Bemessung von Verwaltungsgebühren einerseits – wie ausgeführt – Bestandteil des geschriebenen Rechts sind und andererseits im Zusammenhang der einschlägigen Tarifstelle auch schon zuvor Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Befassung gewesen waren (etwa VG Berlin, Urteil vom 15. Mai 2012 – VG 2 K 65.11 – veröffentlicht in juris). Ein Verstoß gegen die richterliche Hinweispflicht oder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs werden hiernach aus den Ausführungen des Beklagten nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte