OLG Koblenz, Urteil vom 15.12.2011 - 6 U 309/11
Fundstelle
openJur 2014, 27583
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Koblenz vom 1. März 2011 abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 269.311,77 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für das Jahr seit dem 19. Februar 2009 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Rechtszüge hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Rückzahlung zweier Gesellschafterdarlehen.

Der Kläger, der heutige Geschäftsführer der Beklagten ...[A] und ein weiterer Gesellschafter gründeten im Jahre 1998 die Beklagte. Zur Finanzierung der Geschäftstätigkeit der Beklagten nahm der Kläger einen rückzahlbaren Zuschuss des Landes Rheinland-Pfalz im Rahmen des Modellvorhabens "Institutsunterstützte Unternehmensgründungen" in Höhe von 150.000 DM (= 76.693,78 €) in Anspruch. Auf den Bewilligungsbescheid des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau vom 19. November 1998 wird Bezug genommen (Anlage K2). Des Weiteren nahm der Kläger bei der Sparkasse ...[X] ein von der ...[B]bank aus Mitteln des ERP-Sondervermögens refinanziertes ERP-Eigenkapitalhilfedarlehen in Höhe von 340.600 DM (= 174.146,01 €) auf. Auf den Darlehensvertrag vom 19. Januar 1999 wird Bezug genommen (Anlage K3).

Anschließend schloss der Kläger mit der Beklagten, vertreten durch ihn und ...[A] als Geschäftsführer, zwei inhaltlich gleichlautende, undatierte Darlehensverträge, in denen der Kläger der Beklagten die vorgenannten Beträge zur Verfügung stellte. Die Beklagte verpflichtete sich, im Innenverhältnis alle Rechte und Pflichten aus den vom Kläger gegenüber dessen Gläubigern eingegangenen Verpflichtungen zu übernehmen und termingerecht alle Zins- und Tilgungsleistungen unmittelbar gegenüber dem Land Rheinland-Pfalz bzw. der ...[B]bank zu erfüllen. Ziff. 5 und 6 des jeweiligen Darlehensvertrags lauten wie folgt:

"5. Die Rückzahlung des [Zuschusses/Darlehens] wird fällig mit Ablauf des Dienstverhältnisses des [Klägers], mit der Beendigung der Geschäftsführerfunktion des [Klägers] und mit dem Ausscheiden des [Klägers] als Gesellschafter aus der [Beklagten].

6. Die Rückzahlung des [Zuschusses/Darlehens] wird bei bestimmungsfremder Verwendung durch [die Beklagte] sofort fällig".

Auf den weiteren Inhalt der Darlehensverträge wird Bezug genommen (Anlagen K5, K6). Die undatierten Darlehensverträge waren von der Steuerberaterin der Beklagten, der ...[C] GmbH, vorbereitet und dem Kläger mit Schreiben vom 6. Juli 2000 übersandt worden (Anlage K4; im Folgenden deshalb: Darlehensverträge vom 6. Juli 2000). Der Mitgesellschafter ...[A] stellte der Beklagten Darlehen in ähnlicher Höhe zur Verfügung.

In der Folgezeit bediente die Beklagte die vom Kläger zur Verfügung gestellten Darlehen zunächst vereinbarungsgemäß durch Zahlungen an dessen Gläubiger.

Anlässlich einer Gesellschafterversammlung der Beklagten am 8. Juli 2002 gab der Kläger eine vom Steuerberater ...[C] vorbereitete Rangrücktrittserklärung hinsichtlich der beiden von ihm gewährten Darlehen ab, die auszugsweise wie folgt lautet:

"Hinsichtlich der Rückzahlung der Darlehen durch die Gesellschaft erkläre ich hiermit bis auf Widerruf einen Rangrücktritt mit der Folge, dass andere Verbindlichkeiten der Gesellschaft bevorzugt bedient werden können. Ein Widerruf des Rangrücktrittes ist ganz oder teilweise ausgeschlossen, wenn dadurch ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag entsteht".

Auf den weiteren Inhalt der Erklärung wird Bezug genommen (Anlage K7).

Der Mitgesellschafter ...[A] erklärte einen gleichlautenden Rangrücktritt für die von ihm zugunsten der Beklagten gewährten Darlehen.

In der Folgezeit kam es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Kläger und dem Mitgesellschafter ...[A]. Die Beklagte bediente die vom Kläger gewährten Darlehen nach dem 30. September 2006 nicht mehr.

Im November 2006 berief die Gesellschafterversammlung der Beklagten den Kläger als Geschäftsführer ab und kündigte seinen Anstellungsvertrag fristlos; auf das Protokoll vom 24. November 2006 wird Bezug genommen (Anlage B1 = GA 26 ff.).

In der Folgezeit führten die Parteien Verhandlungen hinsichtlich der Übertragung der Geschäftsanteile des Klägers auf den Mitgesellschafter ...[A]. Am 29. Dezember 2006 wurde ein Anteilsübertragungsvertrag geschlossen. Eine weitere Vereinbarung schlossen die Parteien am 9. Februar 2007 hinsichtlich der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Klägers; auf den Inhalt der Vereinbarung wird Bezug genommen (Anlage B5 = GA 44). Mit Schreiben vom 1. Februar 2007 bestätigte die Sparkasse ...[X] dem Kläger, dass sie aus zwei von ihm zugunsten der Beklagten gewährten Bürgschaften keine Ansprüche mehr geltend mache; auf dieses Schreiben sowie das Übersendungsschreiben der Beklagten an die Bevollmächtigten des Klägers vom 12. Februar 2007 (Anlage B6 = GA 46, 47) wird Bezug genommen.

Kurz darauf machte der Kläger von dem ihm eingeräumten Recht zum Rücktritt vom Anteilsübertragungsvertrag vom 29. Dezember 2006 Gebrauch. Daraufhin beschloss die Gesellschafterversammlung der Beklagten am 8. März 2007, die Gesellschaftsanteile des Klägers einzuziehen (Anlage B2 = GA 32). Der Kläger erhob gegen diesen Beschluss Nichtigkeitsklage. In diesem Verfahren schlossen die Parteien am 31. August 2007 einen Vergleich, wonach Einigkeit zwischen den Parteien besteht, dass der Kläger mit Wirkung zum 8. März 2007 aus der Beklagten ausgeschieden ist und er eine Abfindung in Höhe von 35.000 € erhält. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts Koblenz vom 31. August 2007 wird Bezug genommen (Anlage K8, Verfahren 16 O 158/07).

Im Hinblick auf das Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten kündigte die Sparkasse ...[X] das dem Kläger gewährte Darlehen (Anlage K9). Am 17. Oktober 2007 wies das Darlehenskonto des Klägers einen Sollstand von 192.617,99 € auf.

Mit Schreiben an die Beklagte vom 17. Januar 2009 erklärte der Kläger die Kündigung der beiden der Beklagten gewährten Darlehen und der im Zusammenhang mit diesen Darlehen ausgesprochenen Rangrücktrittserklärungen und forderte die Beklagte unter Fristsetzung von einem Monat zur Zahlung auf (Anlage K11).

Die Bilanz der Beklagten für das Jahr 2008 weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 2.110.109,85 € aus. Die Bilanz für das Jahr 2009 weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 2.193.202,50 € aus; auf die Bilanz 2008 (Anlage B1) und den Bericht über den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2009 (Anlage B11 = GA 273 ff.) wird Bezug genommen. Die Beklagte verfügt über keine weitergehenden stillen Reserven oder sonstige Veräußerungswerte, die sich nicht aus der Jahresbilanz ergeben.

Gegenstand der Klage ist das Verlangen auf Rückzahlung der beiden Darlehensbeträge, die der Kläger der Beklagten zur Verfügung gestellt hat (76.693,78 € zuzüglich 174.146,01 €), sowie ein Anspruch des Klägers auf Zahlung aufgelaufener Zinsen und Kontoführungsgebühren aus dem Darlehen der Sparkasse ...[X] (18.471,98 €).

Der Kläger ist der Auffassung, er könne von der Beklagten Zahlung verlangen, nachdem die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Darlehensbeträge - sein Ausscheiden aus der Beklagten als Gesellschafter und als Geschäftsführer - eingetreten seien. Die von ihm abgegebene Rangrücktrittserklärung vom 8. Juli 2002 stehe einer Rückforderung nicht entgegen. Er habe die Rangrücktrittserklärung wirksam widerrufen. Die Rangrücktrittserklärung sei dahin auszulegen, dass mit dem Wegfall seiner Gesellschafterstellung auch der Rangrücktritt hinfällig sei. Eine Rückzahlungssperre bestehe nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) nicht mehr.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 269.311,77 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hilfsweise für den Fall, dass die von ihr erklärte Hilfsaufrechnung nicht durchgreift, hat die Beklagte im Wege der Widerklage beantragt,

festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, die Beklagte von den übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen zu den Darlehen 6...97 und 6...38 bei der Sparkasse ...[X] freizustellen.

Der Kläger hat beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger könne aufgrund der vertraglichen Rangrücktrittserklärung unabhängig von der Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen die Rückzahlung nicht verlangen. Dem Kläger stehe auch im Hinblick auf die im Jahr 2006/2007 getroffenen Vereinbarungen kein Rückzahlungsanspruch mehr zu.

Der Kläger könne auch deshalb nicht Rückzahlung der Darlehen verlangen, weil sie - die Beklagte - im Falle einer Rückzahlung Insolvenzantrag stellen müsse und der Insolvenzverwalter die an den Kläger zu leistenden Zahlungen umgehend im Wege der Anfechtungsklage zurückfordern könne ("dolo-agit-Einwand").

Das Rückforderungsverlangen des Klägers sei auch deshalb treuwidrig, weil der Kläger die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Darlehen in schuldhafter Weise selbst herbeigeführt habe. Insoweit trägt die Beklagte vor, der Kläger habe im Oktober 2006 Daten auf ihrem Computerserver in einen verschlüsselten Bereich verschoben und so dem Zugriff der Beklagten entzogen. Des Weiteren habe der Kläger das Steuerungsprogramm für die Beschichtungsanlage der Beklagten entfernt und sich für die Dauer von rund zwei Wochen geweigert, die Software neu zu installieren.

Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 37.726 € erklärt. Sie hat vorgetragen, Gewinn- und Produktionsausfälle in Höhe von rund 35.000 € infolge des vom Kläger zu verantwortenden Produktionsausfalls der Beschichtungsanlage erlitten zu haben; weiterhin habe sie 2.726 € aufwenden müssen, um die Lauffähigkeit des Steuerungsrechners wieder herzustellen.

Die Hilfswiderklage beruhe darauf, dass der Kläger die Freistellung von Bürgschaften seitens der Beklagten ohne Rechtsgrund erlangt habe; die Beklagte habe die Bürgschaften betreffend ihr seitens der Sparkasse ...[X] gewährter Darlehen übernommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren tatbestandlichen Feststellungen und der Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, das ihm am 4. März 2011 zugestellt worden ist, wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Der Kläger hat zunächst mit Schriftsatz vom 16. März 2011, der bei Gericht am gleichen Tage eingegangen ist, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung beantragt. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 1. Juni 2011, der dem Kläger am 7. Juni 2011 zugegangen ist, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juni 2011, der am gleichen Tage bei Gericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Fristen für die Berufung beantragt. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2011, bei Gericht eingegangen am 7. Juli 2011, hat er die Berufung begründet.

In der Sache beantragt der Kläger nach geringfügiger Reduzierung seiner Zinsforderung,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts die Beklagte zu verurteilen, an ihn 269.311,77 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 19. Februar 2009 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

über den Wiedereinsetzungsantrag zu entscheiden wie rechtens und in der Sache, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Akteninhalt Bezug genommen. Die Akte des Vorprozesses Landgericht Koblenz 16 O 158/07 war Gegenstand der Berufungsverhandlung.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger die Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Berufung nach §§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO gewahrt. Dem Kläger ist, nachdem der Senat ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, weil der Kläger ohne sein Verschulden gehindert war, die vorgenannten Fristen einzuhalten (§§ 233, 234, 236, 238 Abs. 1 und 2 ZPO). Unter Berücksichtigung der Wiedereinsetzung hat der Kläger die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist gewahrt.

Die Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Rückzahlung der Beträge zu, die er der Beklagten mit den beiden Darlehensverträgen vom 6. Juli 2000 zur Verfügung gestellt hat (nachfolgend A.), zuzüglich der Zinsen, die hinsichtlich des vom Kläger zur Refinanzierung bei der Sparkasse ...[X] aufgenommenen Darlehens aufgelaufen sind und zu deren Tragung die Beklagte nach dem entsprechenden Darlehensvertrag vom 6. Juli 2000 ebenfalls verpflichtet ist (B.).

A.

Der Kläger hat gegen die Beklagte gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB und den jeweiligen Darlehensverträgen vom 6. Juli 2000 einen Anspruch auf Rückzahlung von 76.693,78 € betreffend die Weiterreichung des rückzahlbaren Zuschusses des Landes Rheinland-Pfalz an die Beklagte sowie in Höhe von 174.146,01 € betreffend die Weiterreichung des Darlehens der Sparkasse ...[X]/...[B]bank an die Beklagte, insgesamt in Höhe von 250.839,79 €.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind die Ansprüche des Klägers auf Rückzahlung der beiden Darlehen nicht im Zusammenhang mit der Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit oder seiner Gesellschafterstellung im Jahr 2006/2007 erloschen. Die Parteien haben keinen Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB geschlossen.

Es kann dahinstehen, ob der Vertrag vom 29. Dezember 2006 betreffend die Übertragung der Geschäftsanteile des Klägers an den Mitgesellschafter ...[A] einen Verzicht auf die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen enthalten haben sollte. Die Parteien haben den Vertrag nicht vorgelegt. Der Vertrag hat jedenfalls keine Rechtswirkung mehr, weil der Kläger unstreitig von dem ihm eingeräumten Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hat.

Die nachfolgende Vereinbarung der Parteien vom 9. Februar 2007 betrifft die Beendigung des Anstellungsvertrags des Klägers als Geschäftsführer und verhält sich nicht zu einem Verzicht auf die Rückzahlung der von ihm gewährten Gesellschafterdarlehen.

Der am 31. August 2007 im Verfahren des Landgerichts Koblenz 16 O 158/07 abgeschlossene Vergleich enthält keine Abgeltungsklausel, die sich auf die streitgegenständlichen Gesellschafterdarlehen beziehen würde. Zwar ist in dem Vergleich zugunsten des Klägers eine Abfindung in Höhe von 35.000 € vereinbart worden. Es lässt sich dem Vergleich jedoch nicht entnehmen, dass diese Zahlung über den dort unter Ziff. 1 geregelten Verlust der Gesellschafterstellung des Klägers zum 8. März 2007 hinaus auch die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen abgelten sollte.

Die Beklagte ist für ihre bestrittene Behauptung beweisfällig, dass die Parteien gleichwohl einen Verzicht des Klägers auf diese Forderungen vereinbart haben. Ihre unter Beweis gestellte Behauptung, sie habe gegenüber ihrem damaligen Rechtsanwalt stets deutlich gemacht, dass gerade die Darlehensverbindlichkeiten abschließend geregelt sein sollten und sie bzw. ihr Geschäftsführer seien von einer Einigung über diesen Punkt ausgegangen, ist für die Frage, ob die Parteien tatsächlich eine Einigung über den Verzicht des Klägers auf die Rückzahlung der Darlehen erzielt haben, ohne Bedeutung. Maßgeblich ist, ob die Parteien insoweit tatsächlich einen übereinstimmenden Willen hatten oder ob aus der Sicht eines objektiven Empfängers der jeweiligen Erklärungen eine Willensübereinstimmung bestanden hat (§§ 133, 157 BGB). Dass auch der Kläger mit einem Verzicht auf die Rückzahlung der Gesellschafterdarlehen einverstanden war oder er eine nach dem objektiven Empfängerhorizont so zu verstehende Erklärung abgegeben hat, hat die Beklagte nicht unter Beweis gestellt.

2. Die beiden Darlehen sind nach Ziff. 5 des jeweiligen Darlehensvertrages vom 6. Juli 2000 fällig geworden. Die in Ziff. 5 genannten Voraussetzungen für die Fälligkeit des jeweiligen Darlehens sind erfüllt, nachdem der Dienstvertrag des Klägers mit der Beklagten beendet ist, er als Geschäftsführer abberufen worden ist und er mit Wirkung zum 8. März 2007 als Gesellschafter aus der Beklagten ausgeschieden ist.

3. Der Fälligkeit der Rückzahlungsansprüche des Klägers steht weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Auszahlungssperre wegen einer Unterbilanz im Vermögen der Beklagten entgegen.

§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG ist auf die vorliegende Fallgestaltung anzuwenden, weil kein "Altfall" vorliegt (vgl. dazu BGHZ 179, 249, Tz. 9 ff.). Für die vorliegende Fallgestaltung, in der Gesellschafterdarlehen vor dem Inkrafttreten des MoMiG fällig geworden sind und kein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft anhängig ist, enthält weder das Einführungsgesetz zum GmbH-Gesetz noch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung eine die Anwendung alten Rechts anordnende Übergangsbestimmung. Für den Rückzahlungsanspruch des (hier: früheren) Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft ist deshalb das seit dem 1. November 2008 geltende Recht anzuwenden (vgl. OLG München, ZIP 2011, 225, Tz. 45 ff.; OLG Frankfurt/Main, ZInsO 2010, 235, Tz. 27 ff.; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 30 Anh. Rdnr. 111). Mithin steht die ab dem 1. November 2008 geltende Gesetzeslage der Rückforderung der vom Kläger gewährten Darlehen nicht entgegen, obwohl diese, wie noch auszuführen ist, wegen einer fortbestehenden Unterbilanz im Vermögen der Beklagten eigenkapitalersetzenden Charakter haben.

b) Entgegen der Auffassung der Beklagten besteht auch keine Auszahlungssperre aufgrund des vom Kläger am 8. Juli 2002 erklärten Rangrücktritts.

aa) Nach dem Wortlaut der Rangrücktrittserklärung ist der Widerruf im Falle einer Unterbilanz der Beklagten ausgeschlossen. Der Kläger hat "bis auf Widerruf" einen Rangrücktritt bezüglich der von ihm der Beklagten zur Verfügung gestellten Gesellschafterdarlehen erklärt. Nach der Rangrücktrittserklärung ist ein Widerruf des Rangrücktritts jedoch ausgeschlossen, wenn dadurch ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag entsteht.

Eine solche Unterbilanz besteht derzeit. Die Beklagte hat ihre Bilanzen für die Jahre 2008 und 2009 vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Beklagte mit einem die Forderungen des Klägers bei weitem übersteigenden Betrag bilanziell überschuldet ist. Die Bilanz für das Jahr 2008 weist ein Aktivvermögen von 567.724,96 € aus und einen Passivbestand von 2.677.834,81 €. Unter Abzug des Eigenkapitals von 29.200 € sowie der in der Bilanz ausgewiesenen Darlehen von Gesellschaftern mit Rangrücktritt (536.713,48 €) und stillen Beteiligten mit Rangrücktritt (731.291,88 €) verbleibt ein Passivbestand von 1.380.629,45 €, der das Aktivvermögen um rund 812.904 € übersteigt. In der Bilanz für das Jahr 2009 hat sich die bilanzielle Überschuldungssituation nicht verbessert.

Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass es zur Feststellung der Überschuldung grundsätzlich der Aufstellung einer Überschuldungsbilanz bedarf (BGHZ 146, 264, Tz. 9 f.; BGH, NZG 2009, 550, Tz. 10 f., jeweils m.w.Nachw., zitiert nach Juris). Der Handelsbilanz kommt aber eine indizielle Bedeutung zu. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dass stille Reserven oder sonstige aus der Bilanz nicht ersichtliche Veräußerungswerte nicht vorhanden sind. Der Kläger hat auch nicht dargelegt, aus welchen Gründen die von der Beklagten vorgelegten Bilanzen unzutreffend sein sollten.

Zu berücksichtigen ist auch, dass der Kläger in dem Vorprozess 16 O 158/07 selbst mit Schriftsatz vom 29. Juni 2007 (Beiakte Bl. 105 ff.) vorgetragen hat, die Gesellschaft befinde sich bereits seit längerer Zeit in einer schweren wirtschaftlichen Krise, sie stehe an der Grenze zur Unterbilanzierung und sei nahezu zahlungsunfähig. Im November 2006 habe die Krise der Gesellschaft ein derartiges Ausmaß erreicht, dass für den Kläger die deliktische Haftung wegen Insolvenzverschleppung als Geschäftsführer nicht mehr hinnehmbar gewesen sei. Die Gesellschaft könne dem Kläger die Darlehen derzeit nicht vertragsgemäß zurückerstatten; die gesetzlichen Kapitalerhaltungsvorschriften stünden dem entgegen, da die Gesellschaft sich nach wie vor in einer wirtschaftlichen Krise befinde. Der Kläger hat im vorliegenden Verfahren nicht aufgezeigt, dass zwischenzeitlich - entgegen seinem eigenen Vortrag im Vorprozess und den vorgelegten Bilanzen - eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten eingetreten ist.

bb) Gleichwohl steht der am 8. Juli 2002 erklärte Rangrücktritt der Rückforderung der Darlehen nicht entgegen.

Der Rangrücktritt ist als Vertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu werten. Der Kläger hat, wie noch auszuführen ist, anlässlich der Gesellschafterversammlung am 8. Juli 2002 auf Veranlassung des Steuerberaters der Beklagten durch Unterzeichnung der vom Steuerberater vorbereiteten Erklärung ein Angebot auf den Rangrücktritt hinsichtlich der von ihm gewährten Gesellschafterdarlehen abgegeben, das die Beklagte, vertreten durch den Kläger selbst und ...[A] als Geschäftsführer, stillschweigend angenommen hat.

Die Rangrücktrittsvereinbarung ist nach §§ 133, 157 BGB ergänzend dahin auszulegen, dass sie vom Kläger nach dessen Ausscheiden aus der Beklagten und der zum 1. November 2008 erfolgten Änderung der Rechtslage frei widerruflich ist, der Widerruf der Rangrücktrittsvereinbarung mithin nicht aufgrund der Vermögenssituation der Beklagten ausgeschlossen ist.

(1) Eine ergänzende Vertragsauslegung ist zulässig, wenn eine Vereinbarung der Parteien in einem regelungsbedürftigen Punkt fehlt und keine Regelung des dispositiven Gesetzesrechts eingreift. Dabei ist es unerheblich, ob die Parteien bewusst auf eine ins Einzelne gehende Regelung verzichtet haben, ob die "Lücke" von Anfang an bestanden oder sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat (BGH, NJW-RR 2008, 562, Tz. 14). Die Regelungslücke als "planwidrige Unvollständigkeit" kann auch darauf beruhen, dass sich die bei Vertragsschluss bestehenden wirtschaftlichen oder rechtlichen Verhältnisse nachträglich geändert haben (vgl. etwa BGH, NJW-RR 2005, 687, Tz. 85; Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 157 Rdnr. 3; MünchKommBGB/Busche, 6. Aufl., § 157 Rdnr. 42 m.w.Nachw.).

Eine solche Regelungslücke liegt hier trotz des vermeintlich abschließenden Wortlauts der Rangrücktrittsvereinbarung vor.

Der Kläger hat in seiner Anhörung nach § 141 ZPO in der Berufungsverhandlung erklärt, der Text der Rangrücktrittsvereinbarung sei von dem Steuerberater der Beklagten Herrn ...[C] verfasst und ihm und dem Mitgesellschafter ...[A] am Tag der Gesellschafterversammlung am 8. Juli 2002 vorgelegt worden. Anlass der Versammlung sei die Besprechung der Bilanz der Beklagten für das Jahr 2001 gewesen. Die Bilanz habe ein negatives Jahresergebnis gezeigt; auch für das Jahr 2002 habe sich ein negatives Ergebnis abgezeichnet. Der Steuerberater habe die Sorge gehabt, dass eine Überschuldung ausgewiesen werden müsse. Herr ...[C] habe ihnen den Rangrücktritt so erklärt, dass die Gesellschafter, wenn die Firma in die Insolvenz fallen sollte, sich "hinten anstellen" müssten. Aus seiner - des Klägers - Sicht habe es sich um eine "Formalie" gehandelt. Er sei kein Jurist und sei mit der Problematik auch nicht vertraut gewesen; vielmehr habe er sich auf den Steuerberater ...[C] verlassen. Es sei auch nicht über die Frage gesprochen worden, was passiere, wenn ein Gesellschafter aus der Beklagten ausscheide. Zum damaligen Zeitpunkt sei die Zusammenarbeit der Gesellschafter noch sehr gut gewesen. Der erklärte Rangrücktritt sei für ihn der selbstverständliche Bestandteil der Finanzierung der Gesellschaft gewesen; es sei lediglich diskutiert worden, ob es erforderlich sei, auch von weiteren Finanzierern der Gesellschaft einen Rangrücktritt einzuholen. Soweit er wisse, sei der Rangrücktritt für die weitere Finanzierung der Gesellschaft durch Kredite, insbesondere seitens der Sparkasse ...[X] als Hausbank der Beklagten, kein Thema gewesen.

Der Geschäftsführer der Beklagten, ...[A], hat diese Schilderung als zutreffend bestätigt. Er habe am gleichen Tag eine entsprechende Rangrücktrittserklärung abgegeben.

Daraus folgt für den Senat, dass der Kläger und, auf Seiten der den Rangrücktritt annehmenden Beklagten, der Mitgesellschafter und -geschäftsführer ...[A] sich im Zeitpunkt der Vereinbarung des Rangrücktritts keine Gedanken darüber gemacht haben, ob der Rangrücktritt auch dann unwiderruflich sein soll, wenn eine spätere Änderung der Rechtslage die Rückforderung der Gesellschafterdarlehen trotz Fortbestehens einer Unterbilanz im Vermögen der Beklagten zulässt.

Die Parteien haben sich auf den Rat des Steuerberaters der Beklagten verlassen. Dieser hat den Text des Rangrücktritts verfasst und ihn dem Kläger und dem Mitgesellschafter ...[A] vorgelegt. Der Steuerberater verfolgte mit dem Rangrücktritt der Gesellschafter erkennbar das Ziel, eine Passivierung der Gesellschafterdarlehen in einer zu erstellenden Überschuldungsbilanz zu verhindern. Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 8. Januar 2001 (BGHZ 146, 264) müssen Forderungen eines Gesellschafters aus der Gewährung eigenkapitalersetzender Leistungen in der Überschuldungsbilanz der Gesellschaft nicht passiviert werden, wenn der Gesellschafter seinen Rangrücktritt in der Weise erklärt, dass er wegen der genannten Forderungen erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Anwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagenrückgewähransprüchen seiner Mitgesellschafter berücksichtigt werden wolle, also so behandelt werden wolle, als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (vgl. nunmehr § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO in der seit dem 1. November 2008 geltenden Fassung). Das Ziel, durch den Rangrücktritt eine bilanzielle Überschuldung der Gesellschaft zu verhindern, verfolgten ersichtlich auch der Kläger und ...[A], weil die drohende Überschuldung der erklärte Anlass des Vorschlags des Steuerberaters ...[C] war. Der (qualifizierte) Rangrücktritt bewirkt, dass eine Rückforderung der Gesellschafterdarlehen so lange ausgeschlossen ist, bis alle anderen Gesellschaftsgläubiger für ihre Forderungen Befriedigung erlangt haben.

In Anbetracht des im Jahr 2002 bestehenden Rechtszustands hatte der nur für den Fall des Bestehens einer Unterbilanz der Gesellschaft vereinbarte Ausschluss des Widerrufsrechts für den Rangrücktritt einen rein deklaratorischen Charakter. Denn der Ausschluss des Rückforderungsrechts für den Fall einer Unterbilanz der Gesellschaft ergab sich bereits aus den Rechtsprechungsregeln des Bundesgerichtshofes (vgl. oben aa). Des vom Steuerberater vorformulierten Vorbehalts, dass der - ansonsten freie - Widerruf des Rangrücktritts ausgeschlossen ist, wenn dadurch ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag entsteht, hätte es deshalb nach der damals geltenden Rechtslage nicht bedurft.

Die Parteien haben bei der ihnen vorgegebenen Formulierung nicht bedacht, dass eine Rückforderung der Gesellschafterdarlehen trotz fortbestehender Krise der Gesellschaft infolge einer Gesetzesänderung zulässig werden könnte. Es liegt deshalb eine zur Zeit der Erklärung unbewusste Regelungslücke vor. Für diesen Fall enthält das dispositive Recht keine Regelung.

(2) Bei der danach erforderlichen Ergänzung des Vertragsinhalts ist darauf abzustellen, was redliche und verständige Parteien in Kenntnis der Regelungslücke nach dem Vertragszweck und bei sachgemäßer Abwägung ihrer beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht hätten (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 687, Tz. 86; NJW-RR 2008, 562, Tz. 15, jeweils m.w.Nachw.).

Denkbar ist, dass die Parteien, wenn ihnen die künftige Änderung der Rechtslage (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG) bekannt gewesen wäre, auch für diesen Fall den Ausschluss des Widerrufsrechts des Rangrücktritts bei fortbestehender Krise der Beklagten vereinbart hätten, wie es dem (damals nur deklaratorischen) Wortlaut des Rangrücktritts vom 8. Juli 2002 entspricht. Dies hätte zur Folge, dass der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Darlehen nach Ziff. 5 des jeweiligen Darlehensvertrags vom 6. Juli 2000 zwar mit dessen Ausscheiden aus der Gesellschaft fällig geworden ist, jedoch eine Auszahlungssperre aufgrund der Rangrücktrittserklärung vom 8. Juli 2002 besteht, so lange - wie derzeit der Fall - die Krise der Beklagten fortbesteht. Dies würde einer Fortschreibung der im Jahr 2002 bestehenden Rechtslage entsprechen.

Der Senat ist jedoch aufgrund des Ergebnisses der Anhörung der Parteien und der Interessenlage davon überzeugt, dass die Parteien eine der geänderten Rechtslage angepasste Regelung getroffen hätten. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Die Parteien hätten auch in Anbetracht der geänderten Rechtslage einen Rangrücktritt vereinbart. Dieser diente, wie ausgeführt, dem Ziel, eine bilanzielle Überschuldung der Gesellschaft zu vermeiden. Die Parteien hätten jedoch eine Regelung getroffen, die die Kongruenz mit den Fälligkeitsregelungen in Ziff. 5 und 6 der Darlehensverträge vom 6. Juli 2000 hergestellt hätte. Danach waren die Darlehen mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten bzw. bei bestimmungsfremder Verwendung des Darlehensbetrags fällig. Für diesen Fall wäre ein Ende des Rangrücktritts vorgesehen worden, sofern die Rechtslage dies zulässt.

Für diese Annahme spricht die Schilderung des Klägers, dass es sich bei dem Rangrücktritt lediglich um eine "Formalie" handelte, die nach der von ihm als sachverständig angesehenen Einschätzung des Steuerberaters erforderlich war, um eine Überschuldung der Beklagten zu vermeiden. Den Willen, die Krisenfinanzierung der Beklagten weitergehend auch über sein Ausscheiden aus der Beklagten hinaus zu gewährleisten, hatte der Kläger ersichtlich nicht. Dies stünde auch nicht im Einklang mit Ziff. 5 der jeweiligen, zwei Jahre zuvor abgeschlossenen Darlehensverträge, wonach die Darlehen beim Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft sofort fällig sein sollten.

Für diese Auslegung spricht auch die objektive Interessenlage der Parteien. Der Kläger hatte bei objektiver Betrachtung keine Veranlassung, der Beklagten die Darlehensbeträge über seinen Verbleib in der Gesellschaft hinaus zur Verfügung zu stellen, soweit die Gesetzeslage dies nicht zwingend erforderte. Das Interesse des Klägers ging dahin, der Beklagten lediglich für die Zeit der bestehenden gesellschaftsrechtlichen oder dienstvertraglichen Verbindung eine Krisenfinanzierung zu ermöglichen, jedoch nicht über den Umfang hinaus, der durch die Gesetzeslage zur Erreichung dieses Ziels geboten war. Dies ließ sich mit einer Regelung erreichen, die den widerruflichen (qualifizierten) Rangrücktritt seiner Gesellschafterdarlehen vorsah. Einer Rückzahlungssperre für die Dauer des Fortbestands seiner Gesellschafter- oder Geschäftsführerstellung bedurfte es nicht, weil sich bereits aus Ziff. 5 und 6 der jeweiligen Darlehensverträge ergibt, dass das jeweilige Darlehen erst im Falle eines Ausscheidens des Klägers aus der Beklagten bzw. bei Zweckentfremdung der Darlehenssumme fällig wird.

Die Beklagte mag zwar ein Interesse daran gehabt haben, die Rückforderung der Darlehen auch für die Zeit nach dem Ausscheiden des Klägers und für den Fall einer fortbestehenden Krise der Gesellschaft auszuschließen, weil ihr dies auch künftig für die unbestimmte Dauer der Unterbilanz die Darlehenssumme erhalten hätte und ihr das Bemühen um eine anderweitige Krisenfinanzierung erspart hätte. Die Beklagte hätte sich jedoch auf die vorgenannte Regelung, die dem Interesse des Klägers entspricht, eingelassen, weil sie keinen Anspruch auf die Erklärung eines Rangrücktritts und erst recht nicht auf die Vereinbarung einer über die Beendigung der Gesellschafterstellung des Klägers hinaus wirkenden, zeitlich unabsehbaren Rückzahlungssperre hatte. Ein berechtigtes Interesse der Beklagten an einer solchen Regelung ist auch nicht anzuerkennen, weil die Beklagte für einen solchen unbeschränkten Rangrücktritt keine Gegenleistung erbracht hat und ihre Interessen sowie die berechtigten Interessen der Gesellschaftsgläubiger auch im Rahmen der geänderten Gesetzeslage hinreichend geschützt sind (§§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 InsO). Es ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Beklagte Veranlassung gesehen hätte, etwaige schutzwürdige Interessen von Gesellschaftsgläubigern wahrzunehmen. Insbesondere ist nicht dargelegt, dass die Beklagte am 8. Juli 2002 davon ausging, dass potentielle Kreditgeber ihr nur im Hinblick auf die Vereinbarung eines über das Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft hinauswirkenden Rangrücktritts weitere Finanzmittel gewähren würden. Gegen diese Annahme spricht auch die unwidersprochen gebliebene Erklärung des Klägers, der Rangrücktritt sei für die weitere Finanzierung der Gesellschaft durch Kredite, insbesondere seitens der Sparkasse ...[X] als Hausbank der Beklagten, kein Thema gewesen.

Keiner Entscheidung bedarf, ob die Rangrücktrittserklärung inhaltlich so gefasst worden wäre, dass die Rangrücktrittsvereinbarung mit dem Ausscheiden des Klägers aus der Gesellschaft in Kongruenz mit Ziff. 5 der Darlehensverträge vom 6. Juli 2000 ohne Weiteres endet, oder ob dem Kläger, wie in der Rangrücktrittsvereinbarung vom 8. Juli 2002 formuliert, ein einseitiges Widerrufsrecht vorbehalten worden wäre. Auch im letztgenannten Fall besteht keine vertragliche Rückzahlungssperre, weil der Kläger von seinem Widerrufsrecht durch Schreiben vom 17. Januar 2009 Gebrauch gemacht hat.

4. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann sie die Rückzahlung der Darlehensbeträge an den Kläger nicht unter Berufung auf § 64 Satz 3 GmbHG verweigern. Nach dieser Regelung sind die Geschäftsführer der Gesellschaft für Zahlungen an Gesellschafter zum Ersatz verpflichtet, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nicht erkennbar. Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 Satz 3 GmbHG der Geschäftsführer die Rückzahlung des Gesellschafterdarlehens verweigern muss (Ulmer/Habersack, GmbHG, Ergänzungsband § 30 Rdnr. 5 m.w.Nachw.). Nach der Gegenauffassung statuiert § 64 Satz 3 GmbHG lediglich ein Zahlungsverbot im Verhältnis zwischen dem Geschäftsführer und der Gesellschaft, begründet jedoch kein Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft gegenüber dem Gesellschaftergläubiger (OLG München, ZIP 2010, 1236, Tz. 18 ff. m.w.Nachw.).

Der Senat hält die letztgenannte Auffassung für zutreffend. Gegen die Annahme eines Leistungsverweigerungsrechts spricht bereits der Wortlaut des § 64 Satz 3 GmbHG, der nicht als Einrede der Gesellschaft gefasst ist. Die Annahme eines Leistungsverweigerungsrechts ist auch nicht mit dem Regelungsziel vereinbar, das der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 30 Abs. 1 GmbHG und der Verlagerung der eigenkapitalersatzrechtlichen Problematik in das Insolvenzrecht verfolgt hat. Denn das Leistungsverweigerungsrecht würde dazu führen, dass der Gesellschafter - entgegen § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG (n.F.) - sein Darlehen entsprechend dem früheren Rechtszustand nicht zurückverlangen kann. Dies entspricht nicht dem im MoMiG verfolgten Regelungsziel des Gesetzgebers.

Unabhängig davon hat die Beklagte auch keine Tatsachen vorgetragen, die den Schluss darauf zulassen, dass die Auszahlung der Darlehen an den Kläger zu ihrer Zahlungsunfähigkeit führen müsste. Hierauf hat der Senat die Beklagte hingewiesen. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Beklagte hat auch auf Hinweis des Senats nicht dargelegt, dass diese Voraussetzungen erfüllt wären, insbesondere, dass sie sich nicht binnen kurzer Zeit die erforderliche Liquidität verschaffen könnte (vgl. BGHZ 163, 134).

5. Der Beklagte steht auch nicht der Einwand zu, dass nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Rückforderung der Gesellschafterdarlehen ausgeschlossen ist, weil der Kläger die eingeklagten Darlehensbeträge anschließend an den Insolvenzverwalter zurückzahlen müsste (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est). Denn es kann nicht bereits jetzt festgestellt werden, dass diese Voraussetzung erfüllt ist.

Im Falle einer sich an die Rückzahlung der Darlehen anschließenden Insolvenz der Beklagten ist eine Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO von vornherein ohne Erfolgsaussicht, wenn die im Schrifttum vertretene Auffassung zugrunde gelegt wird, dass der Insolvenzverwalter analog § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO nicht anfechten kann, sofern der Gesellschafter seine Gesellschafterstellung bereits vor mehr als einem Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens verloren hat (Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, aaO, § 30 Anh. Rdnr. 29). Danach wäre eine künftige Anfechtung der Darlehensrückzahlung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO hier nicht möglich, weil der Kläger bereits im Jahr 2007 als Gesellschafter aus der Beklagten ausgeschieden ist.

Unabhängig davon ist nicht bereits jetzt ohne weiteres davon auszugehen, dass im Falle der Darlehensrückzahlung das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten eröffnet werden würde. Hierauf hat der Senat die Beklagte hingewiesen; weiteren Vortrag hat sie nicht gehalten. Es erscheint nicht als ausgeschlossen, dass die Beklagte anderweitige Finanzierungsmöglichkeiten finden wird, um die nach ihrer Behauptung im Falle einer Erfüllung des Rückzahlungsverlangens drohende Insolvenz abzuwenden.

Im Übrigen kann die Beklagte dem Rückforderungsanspruch des Klägers ihren Einwand der Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr auch deshalb nicht entgegenhalten, weil hierdurch das beabsichtigte Regelungsziel des Gesetzgebers unterlaufen wird. Denn auf dem "Umweg" über § 242 würde erneut der vor dem 1. November 2008 geltende Rechtszustand hergestellt, wonach der Gesellschafter in der Krise der Gesellschaft mit der Rückforderung eines gewährten Darlehens ausgeschlossen ist. Demgegenüber ist nach § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG (n.F.) die Rückforderung von Gesellschafterdarlehen auch dann nicht ausgeschlossen, wenn die Auszahlung zur Insolvenz der Gesellschaft führt. Das Gesetz unterscheidet insoweit nicht mehr zwischen Gesellschafterforderungen und Forderungen gesellschaftsfremder Gläubiger. Die Frage, ob der Gesellschafter die zur Erfüllung des Rückzahlungsanspruchs erhaltene Leistung zurückgewähren muss, ist in einem etwaigen Anfechtungsprozess des Insolvenzverwalters zu klären (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO).

6. Der Beklagten steht auch nicht deshalb ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 242 BGB zu, weil, wie sie vorträgt, der Kläger die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Darlehen selbst treuwidrig herbeigeführt hat.

Die Beklagte hat vorgetragen, der Kläger habe im Oktober 2006 den Geschäftsbetrieb der Beklagten sabotiert, indem er wichtige Daten in einem verschlüsselten Bereich ihres Servers abgelegt habe und er des Weiteren ein Steuerungsprogramm vom Server der Beschichtungsanlage der Beklagten entfernt und nachfolgend für die Dauer von rund zwei Wochen nicht an der Wiederherstellung des früheren Zustands mitgewirkt habe. Der Kläger hat diese Darstellung bestritten. Die Beklagte ist dafür beweisfällig, dass ihre Sachdarstellung zutrifft. Soweit sie zum Beweis auf die Protokolle der Gesellschafterversammlung vom 24. November 2006 und vom 8. März 2007 sowie auf den Inhalt der Akten des Vorprozesses 16 O 158/07 Bezug genommen hat, genügt dies zum Beweis nicht. Hierauf hat der Senat die Beklagte hingewiesen. Weiteren Beweis, der zwingende Rückschlüsse auf die Verantwortlichkeit des Klägers zulassen würde, hat die Beklagte nicht angeboten.

Hiervon abgesehen besteht auch dann, wenn der Kläger die Sabotagehandlungen vorgenommen und er deshalb die Voraussetzungen für seine Abberufung als Geschäftsführer und die Einziehung seiner Geschäftsanteile in schuldhafter Weise selbst herbeigeführt haben sollte, kein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber dem Rückzahlungsanspruch des Klägers. Denn das Ausscheiden des Klägers aus der Beklagten als Geschäftsführer und Gesellschafter stellt nach Ziff. 5 der Darlehensverträge vom 6. Juli 2000 lediglich eine Voraussetzung für die Fälligkeit der Darlehen dar, ist jedoch nicht Voraussetzung für das Bestehen der Rückzahlungsansprüche als solcher. Ein etwaiges treuwidriges Verhalten des Klägers könnte allenfalls zu einem Aufschub der Fälligkeit, nicht dagegen zu einem dauerhaften Ausschluss seiner Rückzahlungsansprüche führen. Der Kläger war danach nicht gehindert, durch Schreiben vom 17. Januar 2009 - mithin fast zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft - die Darlehen zu kündigen, die Rangrücktrittsvereinbarung zu widerrufen und die Rückzahlung zu verlangen.

Im Übrigen ist der Beklagten die Berufung auf den Einwand der Treuwidrigkeit nach § 242 BGB verwehrt, weil sie sich selbst nicht pflichtgemäß verhalten hat. Denn die Beklagte hat ihrerseits die nach den Darlehensverträgen vom 6. Juli 2000 geschuldeten Zahlungen an die Gläubiger des Klägers, das Land Rheinland-Pfalz und die Sparkasse ...[X]/...[B]bank, ab dem 30. September 2006 eingestellt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte nur die Zahlungen auf die Darlehen des Klägers eingestellt hat, nicht dagegen die Leistungen auf die vom Mitgesellschafter ...[A] in ähnlicher Höhe gewährten Darlehen. Dies hat der Geschäftsführer der Beklagten ...[A] bei seiner Anhörung in der Berufungsverhandlung eingeräumt.

7. Der Rückzahlungsanspruch des Klägers ist nicht durch die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 37.726 € teilweise erloschen (§§ 387 ff. BGB). Die Beklagte hat zur Begründung ihres Schadensersatzanspruchs vorgetragen, der Kläger habe das Steuerungsprogramm vom Server der Beschichtungsanlage entfernt und nachfolgend seine Mitwirkung an der Wiederherstellung des früheren Zustandes unterlassen. Die Beklagte hat jedoch, wie vorstehend unter 6. ausgeführt, keinen hinreichenden Beweis dafür angeboten, dass ihre bestrittene Sachdarstellung zutrifft.

Darüber hinaus hat die Beklagte auch die Höhe des ihr entstandenen Schadens nicht unter Beweis gestellt. Ihre bestrittene und nicht näher konkretisierte Behauptung, es sei zu Gewinn- und Produktionsausfällen in Höhe von rund 35.000 € gekommen, hat sie auch auf Hinweis des Senats nicht belegt. Soweit sie des Weiteren Kosten eines Sachverständigen in Höhe von 2.726 € für die Wiederherstellung der Lauffähigkeit des Steuerungsrechners geltend macht, hat der Kläger zutreffend aufgezeigt, dass der vorgelegten Rechnung vom 8. Dezember 2006 (Anlage B 10) nicht zu entnehmen ist, dass die Tätigkeit des Sachverständigen im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Lauffähigkeit der Beschichtungsanlage steht. Auch insoweit hat die Beklagte keinen weitergehenden Beweis angeboten.

B.

Dem Kläger steht des Weiteren ein Anspruch auf Zahlung bezifferter Zinsen und Kontoführungsgebühren betreffend das Darlehen der Sparkasse ...[X]/...[B]bank in Höhe von 18.471,98 € aus Ziff. 4 des Darlehensvertrags vom 6. Juli 2000 zu. Die Beklagte war verpflichtet, die vom Kläger als Darlehensnehmer zu leistenden Zinsen gegenüber der Gläubigerin des Klägers zu tragen. Diese Verpflichtung hat die Beklagte nach dem 30. September 2006 unstreitig nicht mehr erfüllt. Der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass bis zum 17. Oktober 2007 Darlehenszinsen in der geltend gemachten Höhe aufgelaufen sind. Die von der Beklagten zu tragenden Darlehenszinsen und -kosten sind Bestandteil der Hauptforderung des Klägers.

C.

Verzugszinsen kann der Kläger für die Zeit nach Ablauf der von ihm mit Schreiben vom 17. Januar 2009 gesetzten Zahlungsfrist aus dem Gesichtspunkt des Verzugs nach §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB verlangen.

D.

Die Hilfswiderklage der Beklagten, die sie für den - eingetretenen - Fall erhoben hat, dass die erklärte Hilfsaufrechnung nicht durchgreift, ist nicht begründet. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die Beklagte von - nach ihrem Vorbringen - übernommenen Bürgschaftsverpflichtungen zu den Darlehen 6...97 und 6...38 bei der Sparkasse ...[X] freizustellen. Die Beklagte hat nicht in nachvollziehbarer Weise vorgetragen, dass sie Bürgschaftsverpflichtungen des Klägers "übernommen" hat. Der Kläger hat sich ursprünglich für Darlehen verbürgt, die die Beklagte bei der Sparkasse ...[X] aufgenommen hat. Ausweislich des Schreibens der Sparkasse ...[X] vom 1. Februar 2007 (Anlage B 8) hat diese gegenüber dem Kläger erklärt, dass sie aus zwei Bürgschaftserklärungen des Klägers für drei Darlehen der Beklagten, darunter auch dem Darlehen Nr. 6...38, gegenüber dem Kläger keine Ansprüche mehr geltend machen wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Beklagte ihrerseits Bürgschaften des Klägers "übernommen" hat. Dies erscheint bereits deshalb als ausgeschlossen, weil die Beklagte nicht Bürgin für ihre eigene Darlehensschuld sein kann. Auch auf den Hinweis des Senats hat die Beklagte ihr Vorbringen zur Hilfswiderklage nicht näher erläutert.

E.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 269 Abs. 3 Satz 2 (Teilrücknahme hinsichtlich der Zinsen), 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht gegeben sind.

Der Senat hat beschlossen, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 290.000 € festzusetzen (Klage und Hilfswiderklage).