OLG Frankfurt am Main, Gerichtsbescheid vom 30.06.2013 - 1 Not 2/12
Fundstelle
openJur 2014, 28843
  • Rkr:
Tenor

Die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. ... ) in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2012 (Az. ... ) wird mit der Maßgabe aufgehoben, dass dem Kläger eine Missbilligung ausgesprochen wird.

Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 3.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der ... jährige Kläger ist seit 198... zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am ... 199... wurde er zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit dem Amtssitz in X bestellt. Nach eigenen Angaben ist er weit überwiegend als Notar tätig, wobei das Urkundenaufkommen in den Jahren 2009 bis 2011 zwischen 2156 und 1881 Urkunden lag. Der Kläger ist bislang disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten.

Durch den Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main als Notaraufsichtsbehörde wurde am ... 2010 eine Regelprüfung der Amtsgeschäfte und am ... 2010 eine zusätzliche Prüfung der Verwahrungsgeschäfte des Klägers vorgenommen. Wegen dort erhobener Beanstandungen wurde gegen den Kläger mit Verfügung vom 06. April 2011 ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

Nach Einholung einer Stellungnahme der Notarkammer Frankfurt am Main und persönlicher Anhörung des Klägers am ... 2011 und ... 2012 erteilte der Präsident des Landgerichts Frankfurt am Main mit Disziplinarverfügung vom 11. Juli 2012, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, dem Kläger einen Verweis und legte ihm eine Geldbuße von 1.000,-- EUR auf.

In der Disziplinarverfügung wurden folgende Vorwürfe erhoben:

4. a)

In zwei Urkunden fehle bei der Einfügung bzw. der Streichung eines Absatzes die nach § 44 a Abs. 1 BeurkG vorgeschriebene Abzeichnung.

4. b)

Bei dem Kaufvertrag UR-Nr. ... sei durch die Formulierung " ... wobei darauf hingewiesen wird, dass nur der Notar die Anträge zu stellen berechtigt ist..." durch den Verzicht der Parteien auf ihr Antragsrecht eine unwirksame Regelung entgegen §§ 4 BeurkG, 14 BNotO in eine Urkunde aufgenommen worden.

4. c)

In dem Bauträgervertrag UR-Nr. ... sei protokolliert, dass die Baustandsanzeige durch den bauleitenden Architekten verbindlich für beide Parteien erfolgen und die Fälligkeit der einzelnen Raten auslösen solle, wodurch entgegen

§§ 17 Abs. 1 BeurkG, 14 BNotO ohne hinreichende Aufklärung bzw. Belehrung eine für den Käufer ungünstige Fälligkeitsregelung aufgenommen worden sei.

4. d)

Über das zu dem Grundstückskaufvertrag UR-Nr. ... zur Masse Nr. 1/10 eingerichtete Notaranderkonto seien über diesen Kaufvertrag hinaus insgesamt 17 Kaufverträge (UR-Nr. ... bis ...) zwischen den Parteien und weiteren Beteiligten abgewickelt und damit entgegen § 54 b Abs. 2 Satz 3 BeurkG ein Sammelkonto geführt und damit gegen das strikte Vermischungsverbot verstoßen worden.

4. e)

Der Notar habe mit Schreiben vom 14. Januar 2010 dem Grundbuchamt zu den von ihm errichteten UR-Nr. ... - ... mitgeteilt, dass er in Ausübung einer ihm erteilten Vollmacht die Urkunden dahingehend abändere, dass die Verkäuferin auf die Zwischeneintragung als Eigentümerin verzichte und die durch die Auflassungsvormerkung gesicherten Ansprüche an den Käufer abtrete, wobei die Vertragsparteien nicht darüber aufgeklärt worden seien, dass die Sicherheit einer originären Auflassungsvormerkung mit derjenigen aus einer abgetretenen Vormerkung nicht gleichzusetzen sei. In den jeweiligen Kaufverträgen sei zur Fälligkeit geregelt, dass der Kaufpreis erst fällig werde nach Eintragung einer Auflassungsvormerkung bzw. wenn der Eintragung einer solchen Auflassungsvormerkung keine Hindernisse entgegenstünden, wobei der Kaufpreis am 26. Januar 2010 ausgezahlt worden sei, obwohl eine Auflassungsvormerkung nicht eingetragen war.

4. f)

Der Notar habe keine Blattsammlungen gemäß § 22 DONot geführt und die Kontoauszüge entgegen § 10 Abs. 3 Satz 2 DONot nicht mit dem Eingangsdatum versehen.

4. g) und h)

In zwei Fällen seien Zahlungseingänge auf Notaranderkonten erst nach mehreren Monaten und damit zu spät gebucht worden, weil die Kontoauszüge von der kontoführenden Bank nur vierteljährlich zugesandt worden seien.

Den gegen diese Disziplinarverfügung rechtzeitig eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main mit Widerspruchsbescheid vom 24. Dezember 2012, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, zurück.

Mit der am 24. Oktober 2012 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung der Disziplinarverfügung. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, in den Bescheiden fehle es an einer Darstellung, Auseinandersetzung und Abwägung der von ihm mündlich und schriftlich vorgebrachten Einwände.

Zu den einzelnen Vorwürfen führt er aus:

4. a)

Bei der von ihm sogleich eingeräumten unterlassenen Abzeichnung der handschriftlichen Änderungen in zwei Einzelfällen handele es sich um ein bloßes Versehen. Angesichts der Vielzahl der ordnungsgemäß errichteten Urkunden rechtfertige dies aus seiner Sicht nicht den Vorwurf, dass er sich leichtfertig über Vorschriften hinwegsetze oder diese nicht beachte.

4. b)

Wie schon im Rahmen der Notarprüfung werde eingeräumt, dass der Hinweis auf den Verzicht auf das Antragsrecht der Parteien trotz bisheriger vielfacher und unbeanstandet gebliebener Verwendung nicht richtig sei. Zur zukünftigen Unterlassung habe jedoch die Beanstandung im Prüfungsverfahren ausgereicht und eine disziplinarrechtliche Ahndung sei nicht geboten.

4. c)

Nach der gewählten Formulierung des Bauträgervertrages hätten alle Beteiligten bisher angenommen, dass der Bautenstand durch den Bauleiter bescheinigt werden müsse, die Bescheinigung aber nicht für alle Beteiligten verbindlich sei und allein deren Vorlage nicht die Zahlung auslöse, da der Käufer Gelegenheit habe, sich zuvor selbst vom Bautenstand zu überzeugen. Deshalb fehle es an einer Vergleichbarkeit mit der vom Beklagten zitierten Entscheidung des BGH. Gleichwohl sei der Hinweis des Prüfers zum Anlass genommen worden, den Text zu überprüfen und nunmehr so zu ändern, dass klar werde, dass der tatsächliche Bautenstand für die Fälligkeit entscheidend sei und die Bautenstandsmitteilung des Bauleiters oder Architekten nur als konstitutive Bestätigung bei der Fälligkeitsanzeige beigefügt sein müsse. Auch insoweit halte er eine disziplinarische Ahndung nicht für angemessen.

4. d)

Trotz seiner ausführlichen Erläuterung sei vom Beklagten hier nicht berücksichtigt worden, dass ursprünglich ein Kaufvertrag vorbereitet worden sei, der 17 Eigentumswohnungen im selben Objekt zum Gegenstand hatte. Unmittelbar vor der Beurkundung sei durch die Vertragsparteien aber mitgeteilt worden, dass nicht mehr ein Vertrag, sondern 17 Einzelverträge gewünscht seien. Dementsprechend habe er dann 17 Kaufverträge einzeln protokolliert, jedoch einheitlich abgewickelt, wobei er nicht auf die Idee gekommen sei, jetzt 17 einzelne Notaranderkonten einzurichten. Der Käufer habe den gesamten Kaufpreis in einer Summe für alle 17 Wohnungen auf das Notaranderkonto gezahlt und hieraus seien die in allen Verträgen gleichen Grundpfandrechtsgläubiger abgelöst worden, auch sei die Finanzierung der Kaufpreise durch dieselbe Finanzierungsgläubigerin erfolgt. Er habe das streitgegenständliche Notaranderkonto aufgrund dieser Fallkonstellation nicht als Sammelkonto im Sinne des § 54 b Abs. 2 Satz 4 BeurkG angesehen. Ein Sammelkonto habe es bei weder in der Vergangenheit gegeben noch werde dies in der Zukunft vorkommen. Auch die Notarkammer habe in ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen, dass hier eine Ausnahme vom Verbot des Sammelkontos in Betracht kommen könne, worauf der Beklagte aber nicht eingegangen sei.

4. e)

Nach seiner Überzeugung werde auch hier der Sachverhalt, der die gleichen Verträge wie 4. d) betreffe, in der Disziplinarverfügung trotz seiner vorherigen ausführlichen Stellungnahme unvollständig und damit falsch dargestellt. In Ziffer 4. der Kaufverträge sei von Anfang an durch die Vertragsparteien die Abtretung der Vormerkung vereinbart gewesen. Hierauf hätten die Vertragsparteien als erfahrene Grundstückshändler bestanden, um die Kosten einer Eigentumsumschreibung einzusparen. Die von ihm gegenüber dem Grundbuchamt abgegebene Erklärung sei nur deshalb erfolgt, weil das Grundbuchamt eine Bestätigung darüber verlangt habe, dass die Vertragsparteien auf die Voreintragung des Verkäufers als Eigentümer verzichten. Im Hinblick auf die von Anfang an vorgesehene Abtretung der Vormerkungen seien alle Beteiligten davon ausgegangen, dass als Fälligkeitsvoraussetzung für die Auszahlung aus dem Notaranderkonto nicht die Eintragung einer originären Vormerkung, sondern die Eintragung der Abtretung der Vormerkung gemeint war. Sicher wäre es besser gewesen, wenn er in den Verträgen einen entsprechenden Hinweis aufgenommen oder sich geweigert hätte, überhaupt die Abtretung der Vormerkungen zu protokollieren, was er in Zukunft tun werde. Gleichwohl rechtfertige aus seiner Sicht dieser Vorfall kein Disziplinarverfahren.

4. f)

Er führe zu jeder Masse eine Blattsammlung, was auch aufgrund der nur drei Monate zuvor durchgeführten Notarrevision im Prüfbericht vom ... 2010 festgestellt worden sei. Demgegenüber suggeriere die Feststellung im angefochtenen Disziplinarbescheid, dass er Blattsammlungen nie geführt habe und dies in Zukunft tun müsse. Falls bei einer einzelnen Akte die Blattsammlung gefehlt habe, hätte er dies während des Prüfverfahrens auf entsprechenden Hinweis aufklären und die Belege aushändigen können.

4. g) und h)

Es werde zu Recht bemängelt, dass die Verbuchung der zwei Zahlungen viel zu spät erfolgt sei. Wie bereits vorgetragen liege der Grund darin, dass die betreffende Bank ohne Vorankündigung die Übersendung der Belege nur noch vierteljährlich vorgenommen habe. Auf dieses Problem sei er erst durch die Notarprüfung aufmerksam geworden und habe es selbstverständlich umgehend behoben.

Insgesamt halte er es nicht für zutreffend, dass jeder auch erstmalige Fehler ein Disziplinarverfahren zur Folge haben müsse und damit nur der "fehlerlose Idealnotar" ohne Disziplinarverfahren bleibe. Bei dieser Betrachtungsweise stelle die Notarprüfung nicht mehr eine Hilfe für den Notar dar, um auf mögliche Fehler aufmerksam zu machen, sondern ein systematisches Suchen nach Fehlern, um disziplinarische Konsequenzen einzuleiten. Damit werde verkannt, dass Disziplinarverfahren nicht präventiv eingesetzt werden sollten, sondern nur das letzte Mittel seien, einen "Untergebenen" auf den rechten Weg zu bringen.

Der Kläger beantragt,

die Disziplinarverfügung des Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. Juli 2012 in der Fassung des Widerspruchbescheides des Präsidenten des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2012 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Disziplinarverfügung und erachtet den Ausspruch eines Verweises und die Verhängung der Geldbuße angesichts der Uneinsichtigkeit des Klägers für dringend geboten, um ihn künftig zu einer selbstkritischen Reflektion zu bewegen und hierdurch ein dienstpflichtgemäßes Verhalten zu bewirken.

Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 10. Oktober 2012 (Bl. 1 ff d. A.) und 15. Dezember 2012 (Bl. 35 ff d.A.) sowie des Beklagten vom 04. Dezember 2012 (Bl. 32 ff d. A.) und vom 04. Januar 2013 (Bl. 37 ff d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Klage, über die der Senat nach entsprechender Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid im Hinblick auf die von den Parteien erklärte Zustimmung gemäß §§ 96 Abs. 1 BNotO, 3 BDG, 84 Abs. 1 VwGO entscheiden kann, ist zulässig. Sie wurde insbesondere innerhalb der Monatsfrist nach Zustellung des Widerspruchsbescheids bei dem zuständigen Oberlandesgericht gemäß §§ 96, 99 BNotO, 3, 52 Abs. 2 BDG i.V.m. § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO erhoben.

Zwar hat der Kläger schuldhaft die ihm obliegenden Amtspflichten als Notar in mehrfacher Hinsicht verletzt. Diese fahrlässigen Pflichtverletzungen erfordern jedoch bei Gesamtabwägung nach Inhalt, Anzahl und Grad des Verschuldens nicht die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen, sondern können angemessen durch den Ausspruch einer Missbilligung geahndet werden.

Im Klageverfahren zur Anfechtung einer Disziplinarverfügung ist der Notarsenat nicht auf die Überprüfung beschränkt, ob die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße tatsächlich gegeben und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen sind. Er hat vielmehr im Sinne einer eigenen Ermessensentscheidung auch darüber zu befinden, ob eine disziplinarrechtliche Ahndung geboten und welche Disziplinarmaßnahme gegebenenfalls - unter Beachtung des Verbotes der reformatio in peius - angemessen und deshalb zu verhängen ist (vgl. BGH NJW-RR 2012, 1267 m.w.N.). Dies führt vorliegend zur Aufhebung der Disziplinarverfügung, da nach Einschätzung des Notarsenates weder eine Geldbuße noch ein Verweis geboten ist, mit der Maßgabe, dass dem Kläger eine Missbilligung ausgesprochen wird.

Allerdings liegen mehrere Pflichtverstöße vor.

Bezüglich der Vorwürfe, die in der Disziplinarverfügung unter Ziffer 4. a), b), g) und h) aufgeführt sind, hat der Kläger die jeweiligen Pflichtenverstöße bereits im Rahmen der jeweiligen Notarprüfungsverfahren eingeräumt und für Abhilfe gesorgt bzw. eine zukünftige Beachtung der Beanstandungen zugesagt.

Bezüglich des Vorwurfs der entgegen § 22 DNotO nicht geführten Blattsammlung und des fehlenden Eingangsdatums auf dem Kontoauszug ( 4.f) )geht der Senat - insbesondere im Hinblick auf den Hinweis des Klägers auf die nur drei Monate zuvor erfolgte Notarrevision und den diesbezüglichen Prüfbericht vom ... 2010 - davon aus, dass hiermit nicht der Vorwurf eines durchgängig vorschriftswidrigen Verfahrensweise erhoben wird, sondern die Beanstandung sich auf Einzelfälle bezieht, wobei allerdings der Kläger in seiner Stellungnahme zur Prüfung der Verwahrungsgeschäfte vom 25. Oktober 2010 die Beanstandung dem Grunde nach allgemein akzeptiert und dort ausgeführt hatte, künftig Blattsammlungen zu führen und Kontoauszüge mit Eingangsdatum zu versehen.

Jedenfalls handelt es sich hierbei - ebenso wie bei den von dem Notar sogleich eingeräumten Pflichtverstößen gemäß Ziffer 4. a), b), g) und h) um auf Fahrlässigkeit beruhenden Unregelmäßigkeiten, denen isoliert betrachtet kein besonders schweres Gewicht zukommt. Dies hat offenbar auch der Beklagte so gesehen, da in der Disziplinarverfügung ausgeführt wird, dass der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit nicht bei diesen Pflichtverletzungen gesehen wird.

4. c)

Soweit dem Kläger in der Disziplinarverfügung der Vorwurf gemacht wird, in dem Bauträgervertrag UR-Nr. ... ohne hinreichende Aufklärung bzw. Belehrung eine für den Käufer ungünstige Fälligkeitsregelung aufgenommen zu haben, liegt zwar ein Pflichtenverstoß vor, den der Senat aber ebenfalls nicht als besonders gravierend einordnet. Insoweit weist der Kläger im Ansatz zu Recht darauf hin, dass die vorliegende Sachverhaltsgestaltung wesentlich von dem Fall abweicht, welcher dem von dem Beklagten in der Disziplinarverfügung zitierten Urteil vom 10. Juli 2008 (NJW-RR 2009, 199 = DNotZ 2009, 45 ) zu Grunde lag. Der BGH hat dort hervorgehoben, dass der Notar bei Annahme einer Verwahrungsanweisung darauf hinzuweisen oder hinzuwirken hat, dass der Baufortschritt nicht nur vom Bauleiter oder Architekten, sondern von einer unabhängigen Vertrauensperson zu bestätigen ist, die kein eigenes Interesse an der Auszahlung haben kann, oder aber Auszahlungen des Notars von der Zustimmung der Erwerber abhängig gemacht werden. Hierbei kam es maßgeblich darauf an, dass dem Erwerber eine Prüfungsmöglichkeit in Bezug auf die Mangelfreiheit erhalten bleiben muss, damit er effektiv sein Zurückbehaltungsrecht geltend machen kann (vgl. hierzu Blank, Juris PR-PrivBauR 11/2008, Anm. 6). Da im vorliegenden Falle eine Abwicklung der einzelnen Raten nicht über ein Notaranderkonto vorgesehen war, sondern die Zahlungen unmittelbar durch die Erwerber zu erfolgen hatten, war diesen eine Überprüfung des jeweiligen Bautenstandes und gegebenenfalls eine Zahlungsverweigerung durch Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht eröffnet. Zu bemängeln ist in Bezug auf die Urkundsgestaltung allerdings, dass dort nicht zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht wird, dass es für die Fälligkeit nicht auf die Bautenstandsbestätigung ankommt, sondern auf den Bautenstand, so dass es insoweit einer für die Vertragsparteien mit Unsicherheiten behafteten und vermeidbaren Vertragsauslegung bedarf (vgl. hierzu KG RNotZ 2004, 571). Die sich aus der gewählten Vertragsgestaltung ergebenden Unsicherheiten werden nunmehr von dem Notar jedenfalls insoweit eingeräumt, als er diese zum Anlass genommen hat, den bisher verwendeten Vertragstext zu ändern.

4. d)

Die Abwicklung der 17 Kaufverträge betreffend die Eigentumswohnungen (UR-Nr. ... - ...) über nur ein Notaranderkonto stellt entgegen der Argumentation des Klägers einen Pflichtenverstoß gegen § 54 b Abs. 2 Satz 3 BeurkG dar. Nach dieser Vorschrift muss für jede Verwahrungsmasse ein gesondertes Anderkonto geführt werden, wobei klargestellt wird, dass Sammelanderkonten nicht zulässig sind. Diese Regelung, die inhaltlich im Wesentlichen § 12 DONot a. F. entspricht (vgl. hierzu Brambring FGPrax 1998, 204) ist nach ihrem Wortlaut eindeutig und lässt Ausnahmen im Unterschied zur Regelung des § 54 b Abs. 4 BeurkG bezüglich des dortigen Grundsatzes, dass eine Verwahrung nur über ein Anderkonto durchgeführt werden soll, gerade nicht zu (vgl. Eylmann/ Vaasen, BNotO/ BeurkG, 3. Aufl., § 54 b BeurkG Rn. 13; Lerch, BeurkG, 4. Aufl., § 54 b Rn. 1; Winkler, BeurkG, 17. Aufl., § 54 b Rn. 4; Weingärtner, Das notarielle Verwahrungsgeschäft, 2. Aufl., Rn. 137; Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG/ DONot, 6. Aufl., § 54 b Rn. 9 und 52; Grizwotz/Heinemann, Beurk2012, § 54 b Rn. 9 und 11). Mit der strengen Regelung des § 54 b Abs. 2 Satz 3 BeurkG soll Risiken bei der Abwicklung und Gefahren des Missbrauchs begegnet werden (vgl. Armbrüster/Preuß/Renner, a.a.O., Rn. 1). Zwar war im vorliegenden Fall eine sachliche Verknüpfung dahingehend gegeben, dass jeweils der Verkäufer und der Käufer der einzelnen Eigentumswohnungen identisch waren, nur eine Finanzierungsgläubigerin für alle Objekte aufkam und die Auszahlungsvoraussetzungen für alle 17 Verträge gleich gestaltet waren. Wenn aber die Vertragsbeteiligten in diesem Falle gleichwohl ausdrücklich die mögliche und zunächst auch beabsichtigte Veräußerung in einem einheitlichen Kaufvertrag nicht mehr wollten, sondern auf der Beurkundung von 17 Einzelkaufverträgen bestanden, so hatte dies zur Konsequenz, dass im Hinblick auf die eindeutige gesetzliche Regelung des § 54 b Abs. 2 Satz 3 BeurkG für jeden Kaufvertrag auch eine Masse und ein getrenntes Notaranderkonto hätte eingerichtet werden müssen. Zwar ist der Notarkammer in ihrer Stellungnahme vom 02. November 2011 beizupflichten, dass hier ein Sonderfall vorliegt. Auch ein solcher Sonderfall gestattet jedoch nicht, von dem eindeutigen Gesetzeswortlaut abzuweichen und eine Abwicklung dieser von den Parteien gewünschten Einzelverträge über ein einziges Notaranderkonto zuzulassen.

4. e)

Insoweit hat der Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass die Abtretung der Vormerkung nicht erstmals durch ihn aufgrund der ihm in den Kaufverträgen erteilten Vollzugsvollmacht erfolgte, sondern bereits in den ursprünglichen Kaufverträgen unter Ziffer IV vorgesehen war. Dieser Umstand vermag den Kläger jedoch nicht vollständig zu entlasten, da gleichwohl ein Pflichtenverstoß gegen § 17 Abs. 1 BeurkG verbleibt, weil die Regelung der Fälligkeitsvoraussetzungen für die Auszahlung aus dem Notaranderkonto hieran nicht angepasst war, sondern auf die Eintragung einer originären Vormerkung abstellte. Dies wird von dem Kläger letztlich auch nicht in Abrede gestellt, da er in seiner Klage die Notwendigkeit der Aufnahme eines entsprechenden Hinweises oder einer inhaltlich abweichenden Protokollierung einräumt und diese für zukünftige Fälle auch zusichert.

Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen geht der Senat im Unterschied zur Einschätzung des Beklagten auch bezüglich der Pflichtverletzungen zu 4. d) und e) davon aus, dass der Kläger insoweit nicht grob leichtfertig, sondern fahrlässig gehandelt hat. Dass die Amtsführung insoweit nicht ordnungsgemäß erfolgte, hätte er zwar bei Aufbietung der gebotenen Sorgfalt erkennen können. Von einer groben Leichtfertigkeit im Sinne einer ganz besonders gesteigerten Pflichtenverletzung, die bereits in die Nähe des Vorsatzes reicht, kann jedoch nach den Umständen des hier vorliegenden Falles zur Überzeugung des Senates nicht ausgegangen werden. Dabei wird insbesondere berücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zwar gerade bei der Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen im Rahmen von Treuhandaufträgen besondere Sorgfalt und peinliche Genauigkeit zu fordern ist (vgl. BGH DNotZ 1972, 551 und NJW 2000, 1644 ). Gleichwohl handelt es sich bei der Zusammenfassung der 17 Kaufverträge betreffend die Eigentumswohnungen wegen der vorgenannten Besonderheiten um einen Ausnahmefall, der weder der Führung eines generellen Notarsammelanderkontos gleichgesetzt werden kann noch den Schluss zulässt, dass der Notar insgesamt einen sorglosen Umgang bei der Durchführung von Verwahrgeschäften an den Tag gelegt hätte.

Maßgeblich für die Frage, ob eine disziplinarrechtliche Ahndung geboten ist und zur Bestimmung der nach § 97 BNotO gebotenen Disziplinarmaßnahme ist die objektive Schwere der Pflichtenverstöße und der Grad des Verschuldens. Dabei sind das Gesamtverhalten des Notars und auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Von Bedeutung ist des Weiteren, inwieweit das Fehlverhalten geeignet ist, das Vertrauen in die Unabhängigkeit und das Ansehen des Notaramtes in der Öffentlichkeit zu schädigen.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist der Senat im vorliegenden Fall nach einer Gesamtabwägung in Übereinstimmung mit der Einschätzung der Notarkammer zu der Auffassung gelangt, dass eine Ahndung durch Disziplinarmaßnahmen nach § 97 BNotO nicht geboten ist. Allerdings ist auch ein vollständiger Verzicht auf eine dienstaufsichtliche Reaktion nicht angezeigt, sondern der Ausspruch einer Missbilligung nach § 94 BNotO ausreichend und angemessen.

Dabei wurde zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass dieser in seiner bisherigen langjährigen und umfangreichen Amtstätigkeit disziplinarrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten ist. Des Weiteren handelt es sich nicht um gravierendes Fehlverhalten, sondern um ordnungswidriges Verhalten und Pflichtenverstöße leichterer Art, wobei zudem Schäden zu Lasten der Urkundsbeteiligten weder eingetreten sind noch konkret zu erwarten waren.

Ganz überwiegend ging es um kleinere formale Nachlässigkeiten, die nicht den Kernbereich der notariellen Amtstätigkeit betrafen. Lediglich mit der unkorrekten Behandlung der Verwahrgeschäfte zu 4. d) war ein besonders sensibler und den Kernbereich der notariellen Tätigkeit betreffender Bereich betroffen, der auch nach Einschätzung des Senates im Regelfall die Ahndung mit einer Disziplinmaßnahme nach § 97 BNotO erfordert. Die bereits oben aufgeführten Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles der vertraglichen Aufspaltung eines wirtschaftlich und personell einheitlichen Erwerbsvorganges gebieten jedoch hier eine andere Einordnung und Gewichtung, so dass dieses Fehlverhalten ausnahmsweise milder zu beurteilen ist.

Insgesamt erfordert deshalb das fahrlässige Fehlverhalten des Klägers nicht die Verhängung eines Verweises und der Geldbuße. Angesichts der Mehrzahl der Pflichtverletzungen und im Hinblick auf die gegebene Unregelmäßigkeit im Einzelfall des Verwahrgeschäftes 4.d) war ein vollständiger Verzicht auf eine dienstaufsichtliche Maßnahme ebenfalls nicht gerechtfertigt. Vielmehr ist eine Missbilligung nach § 94 BNotO ausreichend und angemessen, um den Notar für die Zukunft bezüglich der festgestellten Pflichtenverstöße zu einer noch sorgfältigeren Amtsführung zu ermahnen. Soweit der Beklagte auf eine besondere Uneinsichtigkeit des Klägers verweist, ist festzustellen, dass dies bezüglich der einzelnen Pflichtenverstöße so nicht zutrifft. Vielmehr hat der Kläger ganz überwiegend nur in Frage gestellt, ob es bezüglich der einzelnen festgestellten Pflichtverletzungen der Ahndung durch eine Disziplinarmaßnahme bedarf, während er inhaltlich zumeist schon während der Notarprüfung glaubhaft die Bereitschaft zu erkennen gegeben hat, die Beanstandungen ernst zu nehmen und für die Zukunft abzustellen.

Die angefochtene Disziplinarverfügung war deshalb mit der Maßgabe aufzuheben, dass dem Kläger eine Missbilligung auszusprechen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 96 Abs. 1 Satz 1 BNotO, 3 BDG i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 2 1 VwVGO.

Der Senat hat die Berufung nicht zugelassen, weil die gesetzlichen Gründe hierfür nach §§ 96 Abs. 1 Satz 1, 105 BNotO, 64 Abs. 2 BDG i. V. m. §§ 124, 124 a VwVGO nicht erfüllt sind.