SG Mannheim, Urteil vom 06.05.2014 - S 9 SO 519/14
Fundstelle
openJur 2014, 12519
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Rahmen der Sozialhilfe um die Rückforderung von Pflegegeld nach dem 7. Kapitel des Sozialgesetzbuch XII (SGB XII).

Die am … 1941 geborene – somit heute 72jährige – Klägerin, die unter gesetzlicher Betreuung steht, lebt in einer Einrichtung des „betreuten Wohnens“ und erhält schon seit längerem Hilfe zur (ambulanten) Pflege nach dem 7. Kapitel des SGB XII (vor allem Pflegegeld nach § 64 SGB XII).

Ab dem 12.12.2013 befand sich die Klägerin in einer anderen Einrichtung zur stationären Kurzzeitpflege (bis zum 25.1.2014).

Dies nahm der Beklagte zum Anlass, mit Bescheid vom 20.12.2013 die letzte Bewilligung des Pflegegeldes (Bescheid vom 9.9.2013) ab dem 13.12.2013 aufzuheben und das bis einschließlich 31.12.2013 bereits ausgezahlte Pflegegeld für diesen Zeitraum zurückzufordern (126,00 EUR). Denn für die Dauer der Kurzzeitpflege könne die Klägerin die Zahlung des Pflegegeldes nicht beanspruchen. Sie habe für den Monat Dezember 2013 jedoch bereits ein Pflegegeld von 210,00 EUR erhalten. Dies seien (:30) 7,00 EUR täglich. Hieraus ergebe sich für die Zeit bis zum 12.12.2013 (x12) ein Anspruch von 84,00 EUR, so dass die Klägerin den Differenzbetrag von 126,00 EUR zu erstatten habe (210,00 EUR - 84,00 EUR). Denn durch die Aufnahme in die Kurzzeitpflege habe sich eine wesentliche Änderung im Sinne von § 48 Sozialgesetzbuch X (SGB X) ergeben. Es dürfe sich nämlich auf die „wirtschaftliche Situation nicht begünstigend auswirken“, wenn die Klägerin „zu viel Geld zu Lasten der öffentlichen Hand“ erhielte, „obwohl ... kein sozialhilferechtlicher Bedarf“ mehr gegeben sei. Auch aus Gründen der Gleichbehandlung sei die Rückforderung „geboten“, da „in allen vergleichbaren Fällen zu viel bezahlte Hilfe“ zurückgefordert werde. Gründe, die es im vorliegenden Einzelfall rechtfertigen könnten, ausnahmsweise von einer Rückforderung abzusehen, seien nicht „erkennbar“.

Gegen diese Entscheidung erhob die Klägerin am 26.12.2013 Widerspruch: Trotz der Kurzzeitpflege sei es nicht zu einer „wirtschaftlichen Begünstigung“ gekommen, da sie „das erhaltende Pflegegeld an die ehrenamtlichen Helfer weiterbezahlt“ habe. Nachweise hierzu könne sie noch vorlegen. Im Übrigen habe sie, „um Kosten einzusparen“, ihre Wäsche nicht gekennzeichnet und nicht im Seniorenheim waschen lassen. Vielmehr hätten ihre ehrenamtlichen Helfer die Wäsche auch während der Kurzzeitpflege „privat gewaschen“ und hierfür einen Unkostenbeitrag für Fahrtkosten und Waschmittel erhalten. Nicht zuletzt sei sie regelmäßig von den ehrenamtlichen Helfern besucht worden (Spaziergänge, Vorlesen, Unterhaltung). Auch hierfür seien Unkosten (Fahrtkosten) entstanden. Schließlich sehe das Pflegereformgesetz ab dem 1.1.2013 vor, dass während der Kurzzeitpflege die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes weitergezahlt werde. Für den Aufnahme- und den Entlasstag werde das Pflegegeld sogar vollständig weitergezahlt.

Der Widerspruch ist jedoch erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 6.2.2014): Nach § 64 Abs. 5 Satz 2 SGB XII müsse das Pflegegeld anteilig gekürzt werden, wenn der Anspruch nicht für den vollen Monat bestehe. So liege es hier, denn die Klägerin habe sich ab dem 12.12.2013 in stationärer (Kurzzeit-) Pflege befunden; eine zusätzliche ambulante Versorgung im „betreuten Wohnen“ sei daher nicht mehr notwendig gewesen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Vorbringen, die Wäsche der Klägerin sei auch während der Kurzzeitpflege privat von den ehrenamtlichen Helfern gewaschen worden. Denn „die hauswirtschaftlichen Leistungen, so auch das Waschen der Wäsche“, seien „in den Pflegesätzen des Pflegeheimes enthalten“. Dies gelte auch für „die Kennzeichnung der Wäsche“. Der hiermit verbundene Aufwand begründe somit keinen eigenständigen sozialhilferechtlichen Bedarf. Bei den Besuchen während der Dauer der Kurzzeitpflege zum Spazierengehen und Vorlesen handele es sich um „Gefälligkeitsleistungen“, die ebenfalls „keinen zusätzlichen sozialhilferechtlichen Bedarf“ zur Folge hätten. Bei seiner Entscheidung stütze sich der Beklagte auch auf die Sozialhilferichtlinie für Baden-Württemberg (66.15) und die seit 1999 gefestigte Rechtsprechung. Da sich die Klägerin wohl bis zum 25.1.2014 in Kurzzeitpflege befunden habe, bestehe auch für den 31.12.2013 kein Anspruch auf Pflegegeld. Daher ergebe sich wie im angefochtenen Bescheid dargestellt eine Rückforderung von 126,00 EUR. Unerheblich sei dabei, dass das Pflegegeld nach dem Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch XI - SGB XI) für die Dauer der Kurzzeitpflege zur Hälfte weiterbezahlt werde. Für das sozialhilferechtliche Pflegegeld kämen jedoch die hiervon abweichenden oben dargestellten Vorschriften zur Anwendung. Dieser Unterschied erkläre sich daraus, dass das sozialhilferechtliche Pflegegeld „aus allgemeinen Steuermitteln finanziert“ werde, während es bei der gesetzlichen Pflegeversicherung um Beitragsmittel gehe.

Am 21.2.2014 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben: In analoger Anwendung von § 37 SGB XI in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI komme vorliegend eine Kürzung des Pflegegeldes für die ersten vier Wochen der Kurzzeitpflege nicht in Betracht. Im Übrigen werde auch in der juristischen Literatur die Auffassung vertreten, dass für die Dauer einer kurzen stationären Krankenhausbehandlung bzw. einer kurzen stationären Rehabilitation eine Kürzung des sozialhilferechtlichen Pflegegeldes aus-scheide. Denn auch der Sozialhilfeträger habe zu beachten, dass typischerweise im Anschluss an eine kurze stationäre Krankenhaus- oder Reha-Behandlung die ambulante Pflege fortgesetzt werden müsse. Daher sei er gehalten, gemäß § 63 Satz 1 SGB XII die Hilfsbereitschaft des verwandtschaftlichen und sozialen Umfelds zu unterstützen bzw. aufrechtzuerhalten. Dem diene die Weiterzahlung des Pflegegeldes. Denn auch bei einer Kurzzeitpflege stehe fest, dass die hilfebedürftige Person im Anschluss weiterhin ambulanter Pflege und der Unterstützung durch ihr bisheriges Umfeld bedürfe. Im Übrigen gewähre selbst die Pflegekasse trotz der Kurzzeitpflege die Hälfte des bislang für die ambulante Pflege bezogenen Pflegegeldes weiter.

Somit beantragt die Klägerin,

den Bescheid des Beklagten vom 20.12.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Beklagte tritt der Klage entgegen und beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin erhalte nach einem gerichtlichen Vergleich im Kalenderjahr 2012 im Rahmen des betreuten Wohnens in F. monatlich im Voraus ein erhöhtes Pflegegeld. Ab dem 12.12.2013 habe sich die Klägerin (bis zum 25.1.2014) zur stationären Kurzzeitpflege im Seniorenheim „K. von H.“ in L. aufgehalten. Während dieses Zeitraums sei eine Betreuung bzw. Versorgung der Klägerin in ihrer „eigenen Häuslichkeit“ nicht erforderlich gewesen. Der Rechtsauffassung der Klägerin stehe die Sozialhilferichtlinie für Baden-Württemberg entgegen (66.15). Die Weiterzahlung des Pflegegeldes widerspräche dem Zweck der Kurzzeitpflege. Denn die Kurzzeitpflege ziele ja gerade darauf ab, „die mit der Pflege im betreuten Wohnen betrauten Personen zu entlasten“. Wenn diese auch „während der Kurzzeitpflege in die Pflege mit eingebunden werden“ müssten, deute „dies darauf hin, dass entweder für die Kurzzeitpflege kein Bedarf“ bestanden oder „dass die Einrichtung, welche die Kurzzeitpflege“ erbracht habe, „ihre Leistungen nicht in vollem Umfang“ erbracht habe. Unabhängig hiervon bestehe „der Bedarf, für den das Pflegegeld eingesetzt“ werde, „während der Kurzzeitpflege auch nicht weiter“. Denn die pflegerischen und hauswirtschaftlichen Leistungen, die bislang im Rahmen des betreuten Wohnens ambulant bzw. ehrenamtlich erbracht worden seien, würden jetzt „über den Pflegesatz und die Abrechnung des Pflegeheimes abgedeckt“. Somit könnten „während der Kurzzeitpflege“ keinerlei „Aufwendungen für eine häusliche Pflegeperson entstehen“. Damit fehle für die Weiterzahlung des Pflegegeldes während der Dauer der Kurzzeitpflege jede Grundlage. Die anderslautende Rechtslage aus dem Bereich der gesetzlichen Pflegeversicherung könne auf die Sozialhilfe nicht übertragen werden. Denn die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung seien beitragsfinanziert, während die Sozialhilfe aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werde Nach der Sozialhilferichtlinie für Baden-Württemberg werde bei der Kürzung des Pflegegeldes der Aufnahme- und der Entlasstag nicht mitberechnet. Da die Kurzzeitpflege bis zum 25.1.2014 angehalten habe, bestehe somit auch für den 31.12.2013 kein Anspruch auf Pflegegeld.

Das Gericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 26.3.2014 unter anwaltlicher Beiordnung ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakte des Beklagten und auf die Prozessakte Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Klage ist als reine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig: Das notwendige Vorverfahren (§ 78 SGG) ist durchgeführt worden, die Klage vom 21.2.2014 wahrt nach Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2014 die einmonatige Klagefrist (§ 87 SGG). Die verfügte Erstattungspflicht beschwert die Klägerin nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG.

II.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

(1.)

Eine Anhörung der Klägerin vor Erteilung des angefochtenen Bescheides war ausnahmsweise nicht geboten. Denn der angefochtene Bescheid beruht in tatsächlicher Hinsicht auf den eigenen Angaben der Klägerin in Bezug auf die Antragstellung zur Finanzierung der Kurzzeitpflege (§ 24 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch X - SGB X). Daher erweist sich der angefochtene Bescheid als formell rechtmäßig (ergänzend hierzu siehe Abschnitt (2. c.).

(2.)

(a.)

Auch in materieller Hinsicht ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. § 64 Abs. 5 Satz 1 SGB XII stellt klar, dass der sozialhilferechtliche Anspruch auf Pflegegeld voraussetzt, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld seine erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Dem korrespondierend bestimmt § 63 Satz 3 SGB XII unmissverständlich, dass Pflegebedürftige, die sich in einer stationären oder teilstationären Einrichtung befinden, keine Leistungen zur häuslichen Pflege, also auch kein Pflegegeld nach § 64 SGB XII, beanspruchen können. Dies ist konsequent, denn die erforderliche Pflege wird dann bereits durch die Mittel der Einrichtung gewährleistet. Eine Ausnahme hiervon gilt nach § 63 Satz 4 SGB XII nur für Pflegebedürftige, die ihre ambulante Pflege im Rahmen des Arbeitgebermodells selbst organisieren. Wenn sie sich vorübergehend in einer stationären Einrichtung aufhalten, haben sie weiterhin einen Anspruch Pflegegeld. Denn sie benötigen, dies um ihrer Pflicht zur Lohnzahlung nachkommen und ihre Pflegekräfte „halten“ zu können. Daher besteht in einer solchen Situation der dem Anspruch auf Pflegegeld zugrundeliegende Bedarf fort, auch wenn die unmittelbare Pflege vorübergehend durch die Einrichtung erbracht wird. Dieser gesetzlichen Konzeption kann entnommen werden, dass die Weiterzahlung des sozialhilferechtlichen Pflegegeldes aber ausgeschlossen ist, wenn die ambulante Pflege lediglich „ehrenamtlich“ (also außerhalb des „Arbeitgebermodells“) erfolgt. Denn im in einer solchen Situation kann ohne weiteres angenommen werden, dass nach Abschluss der stationären Behandlung bzw. Pflege die bisherigen Helfer unverändert zur ambulanten Pflege zur Verfügung stehen werden (zum Sach- und Streitstand und zu dieser Argumentation ausführlich: juris-PK, § 64 SGB XII Rdnr. 54). Aus diesen Gründen erweist sich die Klage als unbegründet.

(b.)

Hieran ändert das Klagevorbringen nichts: Es trifft zwar zu, dass das Recht der gesetzlichen Pflegeversicherung einen Anspruch auf Pflegegeld auch für die ersten vier Wochen einer vollstationären Krankenhausbehandlung, einer häuslichen Krankenpflege mit Anspruch auf Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung oder bei einer Aufnahme in eine Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung vorsieht bzw. aufrechterhält (§ 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI). Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass entsprechendes auch für das sozialhilferechtliche Pflegegeld gelten müsse. Denn aufgrund der oben dargestellten abweichen-den Gesetzeslage besteht hierfür keine Grundlage. Vielmehr beruhen die unterschiedlichen Regelungskonzepte auch nach Auffassung des Gerichts darauf, dass das pflegeversicherungsrechtliche Pflegegeld beitragsfinanziert ist, während das sozialhilferechtliche Pflegegeld als allgemeine Fürsorgeleistung aus Steuermitteln finanziert wird. Hieraus rechtfertigt es sich, dass das Pflegegeld nach dem SGB XI für die pflegebedürftigen Personen eine großzügigere Regelung enthält. Dem hingegen ist das Pflegegeld nach dem SGB XII im hiesigen Kontext restriktiver ausgestaltet und verwirklicht den allgemeinen sozialhilferechtlichen Bedarfsdeckungs- bzw. Nachranggrundsatz, wonach Sozialhilfemittel nur beansprucht werden können, wenn und soweit die Notlage auf andere Weise nicht gemildert bzw. beseitigt werden kann (§ 2 Abs. 1 SGB XII). Daher fehlt es für eine Analogie zu § 34 Abs. 2 Satz 2 SGB XI bereits an dem Erfordernis einer planwidrigen bzw. unbewußten gesetzlichen Lücke (anderer Ansicht bspw. aber LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 64 Rdnr. 12). In diesem Zusammenhang muss auch der zutreffende Einwand des Beklagten, dass die Kurzzeitpflege ja gerade auch darauf abzielt, die ehrenamtlichen Pflegepersonen zu entlasten und ihnen eine Art „Urlaub“ zu ermöglichen, gesehen werden. Insoweit würde es tatsächlich zu einer sozialhilferechtlich nicht gebotenen „Übererfüllung“ des Bedarfs beitragen, wenn die Pflegepersonen (mittelbar über die Klägerin) auch für Zeiten einer stationären Kurzzeitpflege ein sozialhilferechtliches Pflegegeld erhielten, obwohl ihre Pflegetätigkeit während dieser Zeit gar nicht benötigt wird. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag, dass die Wäsche der Klägerin während der Dauer der stationären Kurzzeitpflege weiterhin von ihren Pflegekräften „privat“ gewaschen worden ist und dass die Klägerin aus Kostengründen nicht an dem Wäscheservice des Heims teilgenommen hat. Insoweit weist der Beklagte nämlich zutreffend darauf hin, dass die Besorgung der Wäsche zu den hauswirtschaftlichen Verrichtungen gehört, die der Heimträger im Rahmen der stationären Pflege zu erbringen hat. Dieser Aufwand wird durch die dem Heimträger zustehende Vergütung im Rahmen des SGB XI bzw. durch die ergänzenden Leistungen im Rahmen des SGB XII abgegolten. Letztlich ist es in diesem Zusammenhang auch Sache des Heimträgers für eine zuverlässige Sortierung bzw. Kennzeichnung der Wäsche Sorge zu tragen. Eine andere Beurteilung ergibt sich schließlich auch nicht aus der Argumentation, die Pflege müsse über die rein körperliche Pflege („satt und sauber“) hinausgehen, sie habe auch eine „soziale“ Komponente und umfasse deshalb auch Dinge wie „Besuche“ oder „Vorlesen“ und dergleichen mehr. Dies mag durchaus zutreffen. Jedoch folgt hieraus nicht zwingend, dass deshalb das sozialhilferechtliche Pflegegeld auch bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einer stationären Einrichtung weitergezahlt werden muss. Denn letztlich ist es bei stationärer Pflege, auch wenn diese nur eine kurze Zeit umfasst, Sache des Einrichtungsträgers, geeignete Angebote zum sozialen Leben innerhalb des Heims vorzuhalten. Im Übrigen muss beachtet werden, dass schon die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung lediglich darauf abzielen, die ehrenamtliche bzw. nachbarschaftliche Pflege und Betreuung zu ergänzen bzw. eine Entlastung von den bei stationärer Pflege anfallenden Aufwendungen zu gewährleisten. Also handelt es sich bei der Pflegeversicherung letztlich nicht um eine „Vollversicherung“. Hieraus kann abgeleitet werden, dass dies auch bei einer über das Sozialamt finanzierten stationären (Kurz-) Zeitpflege in ähnlicher Weise gelten muss. Nach Auffassung des Gerichts liegt somit eine sozialhilferechtlich ausreichende Bedarfsdeckung bei stationärer Pflege vor, wenn die grundlegenden Vitalfunktionen und ein Mindestmaß an sozialer Teilhabe sichergestellt werden. Für darüber hinausgehende Belange im obigen Sinne besteht eine Einstandspflicht des Sozialamts in aller Regel nicht. Vielmehr kann unterstellt werden, dass insoweit die angesprochenen Angebote des Heimträgers bzw. ergänzende Veranstaltungen karitativer oder freier Träger in den Räumlichkeiten des Heims (beispielsweise Gottesdienste, Lesungen, Konzerte) ausreichend sind. Vorliegend muss auch berücksichtigt werden, dass die Entfernung zwischen dem Wohnort der Klägerin (F.) und dem Ort der stationären Kurzzeitpflege (L.) nur wenige Kilometer beträgt, so dass den ehrenamtlichen Pflegern bzw. Verwandten Besuche im Heim auch ohne Beteiligung an den Fahrtkosten zumutbar erscheinen.

(c.)

In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat sich damit durch die Aufnahme der Klägerin in die stationäre Kurzzeitpflege in den Verhältnissen, die der letzten Pflegegeldbewilligung zugrundelagen, eine wesentliche Änderung ergeben, so dass die Beklagte im Rahmen eines „Soll-Ermessens“ gehalten war, den entsprechenden Bewilligungsbescheid aufzuheben und die überzahlte Leistung zur Erstattung festzusetzen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 50 SGB X). Denn dadurch, dass der Klägerin seitens der Pflegekasse und des beklagten Sozialhilfeträgers Leistungen zur Finanzierung der stationären Kurzzeitpflege bewilligt worden sind, hat sie Einkommen erzielt, das - wie ausgeführt - einen gleichzeitig weiterbestehenden Bedarf für Leistungen zur ambulanten Pflege ausschließt. Der Begriff des „Einkommens“ ist in diesem Zusammenhang nämlich weit zu fassen, er erfasst jedweden „geldwerten Vorteil“ (juris-PK, § 48 SGB X, Rdnr. 122). Deshalb ist es aus Sicht des Gerichts somit nicht zu beanstanden, dass die Sozialhilferichtlinie für Baden-Württemberg in einer solchen Situation für den Regelfall die Aufhebung und Rückforderung des Pflegegeldes vorsieht. Gesichtspunkte, die einen atypischen Sachverhalt begründen, sind nicht ersichtlich. Dies gilt insbesondere auch für den Umstand, dass die Klägerin das vorschüssig ausgezahlte Pflegegeld für den Monat Dezember 2013 bereits vor Erteilung des angefochtenen Bescheides an ihre ehrenamtlichen Pflegehelfer weitergegeben hat. Hiermit macht sie im Grunde den Einwand der „Entreicherung“ geltend. Grundsätzlich kann dieser Gesichtspunkt zwar im Rahmen von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X eine atypische Sachverhaltskonstellation darstellen, die eine abweichende (Einzelfall-) Entscheidung erfordern kann. Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Adressat des Aufhebungsbescheides bzw. der Erstattungspflichtige aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls mit der Rückforderung rechnen musste (vgl. BSG, Urteil vom 26.8.1994 - B 13 RJ 29/93). So liegt es hier. Denn aufgrund der dargestellten Gesetzeslage musste die Klägerin auch unter Berücksichtigung allgemeiner lebenspraktischer Grundsätze erkennen, dass das jeweils als Vorschuss ausgezahlte Pflegegeld nur dazu dienen sollte, ihre ambulante Pflege zu gewährleisten. Somit hat die Klägerin (im Sinne einfacher Fahrlässigkeit) letztlich „auf eigenes Risiko“ gehandelt, als sie das Pflegegeld schon zu Anfang des Monats in voller Höhe an ihre Pflegepersonen weitergegeben hat. Sie hat sich hiermit nämlich der naheliegenden Möglichkeit begeben, Rücklagen zu bilden bzw. Vorkehrungen für im Monatsverlauf eintretende Änderungen ihrer Pflegesituation zu treffen. In diesem Zusammenhang dürften die Personen, an die die Klägerin das Pflegegeld für den Monat Dezember 2013 weitergeleitet hat, somit zumindest sittlich verpflichtet sein, diese Zuwendung für den auf die Kurzzeitpflege entfallenden Zeitraum an die Klägerin zurückzugewähren. Da die allgemeinen wirtschaftlichen Folgen, die sich aus der Rückforderung bzw. der Erstattung der zu Unrecht erhaltenen Sozialleistungen ergeben, im Rahmen von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X keinen atypischen Sachverhalt begründen, liegt somit ein Ermessensfehler des Beklagten nicht vor.

III.

Daher kann die Klage keinen Erfolg haben, was die auf § 193 SGG beruhende Kostenentscheidung berücksichtigt.

IV.

Im Hinblick darauf, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes weniger als 750,00 EUR beträgt, zu der streitigen Rechtsfrage aber soweit ersichtlich bislang keine obergerichtlichen Entscheidungen vorliegen und sich die entscheidungserhebliche Rechtsfrage sicherlich immer wieder stellt, macht das Gericht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG von der Möglichkeit Gebrauch, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zuzulassen.

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