VG München, Urteil vom 09.05.2014 - M 21 K 14.30300
Fundstelle
openJur 2014, 11444
  • Rkr:
Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der nach eigenem Bekunden aus Mali stammende Kläger stellte am ... September 2013 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in ... einen Asylantrag.

Gegenüber der Regierung ... gab er am ... September 2013 (nach ausdrücklicher Korrektur eines zunächst angegebenen Reisewegs Mali - Marokko - Italien - Deutschland) an, er habe Mali im Jahr 2009 verlassen und sei zunächst nach Marokko gegangen. Von Marokko aus sei er im Jahr 2010 nach Spanien weitergereist. Nach etwa einem Monat dort habe er sich weiter mit dem Bus nach Österreich begeben, wo er zwei Jahre geblieben sei. Hier habe er auch einen Asylantrag gestellt, der negativ beschieden worden sei (Bl. 32 ff. und 49 ff. der Asylverfahrensakte).

Eine EURODAC-Recherche am ... September 2013 (Bl. 44, 45 der Asylverfahrensakte) ergab Treffer für Österreich (EURODAC-Nr. ...-...) sowie für Schweden (EURODAC-Nr. ...-...).

Bei einer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylVfG am ... Dezember 2013 (Bl. 61 ff. der Asylverfahrensakte) gab der Kläger gegenüber dem Bundesamt an, er habe Mali im Jahr 2010 verlassen und sei mit dem Auto nach Marokko / ... gereist. Nach zwei Monaten sei er mit einem Schiff von ... aus nach Italien übergesetzt. Es sei dann nach Mailand gefahren, von wo aus er nach wenigen Tagen mit dem Bus nach Österreich weitergereist sei. Nachdem dort sein Asylantrag abgelehnt worden sei, habe er sich mit dem Bus auf den Weg nach Schweden gemacht. Dort habe er dann nach ca. zwei Tagen Asyl beantragt. Er habe sich dann in Schweden länger aufgehalten und sei schließlich mit dem Bus nach Deutschland / ... gefahren.

Auf ein Wiederaufnahmeersuchen der Beklagten vom ... Dezember 2013 (Bl. 67 ff. der Asylverfahrensakte) akzeptierte Schweden mit Schreiben vom ... Dezember 2013 (per E-Mail eingegangen an demselben Tag, Bl. 76 f. der Asylverfahrensakte) die Wiederaufnahme des Klägers unter Bezugnahme auf Art. 4 Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO).

Mit Bescheid vom ... Februar 2014 (Gesch.-Z. ...), der am ... Februar 2014 zugestellt wurde (vgl. Bl. 91 f. der Asylverfahrensakte), erklärte die Beklagte den Asylantrag des Klägers für unzulässig (Ziff. 1) und ordnete seine Abschiebung nach Schweden an (Ziff. 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich die Unzulässigkeit des Asylantrags aus § 27a AsylVfG ergebe, da Schweden aufgrund eines dort zuvor gestellten Asylantrags nach der Dublin-II-VO für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, das Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO auszuüben, seien nicht ersichtlich. Daher werde der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft. Die Beklagte sei gehalten, die Überstellung nach Schweden als zuständigen Mitgliedstaat innerhalb der in der Dublin-II-Verordnung festgesetzten Fristen durchzuführen. Die Anordnung der Abschiebung nach Schweden beruhe auf § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG.

Mit Schriftsatz / Telefax seiner Bevollmächtigten vom 13. Februar 2014 hat der Kläger Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben. Er beantragt;

den Bescheid des Bundesamts vom ... Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, das Asylverfahren in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Dublin-II-VO im konkreten Fall nicht anwendbar sei. Das Bundesamt habe gegen das Beschleunigungsverbot verstoßen, indem es erst mehr als drei Monate nach der Einreise des Klägers (... August 2013) bzw. nach Asylantragstellung (... September 2014) Schweden um Rückübernahme gebeten habe. Schweden sei noch nicht einmal darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass der Kläger zuerst in Österreich um Asyl ersucht habe. Schweden sei daher gar nicht zuständig. Die Zustimmung Schwedens sei mit unlauterer Methode erzielt worden und sei daher nicht verwertbar. Darüber hinaus hätte die Beklagte dem Kläger nach Art. 7 der Dublin-II-Durchführungsverordnung die Möglichkeit der Ausreise durch seine Begleitung bis zum Besteigen des Beförderungsmittels einräumen müssen.

Mit Beschluss vom 11. März 2014 hat das Verwaltungsgericht München im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO den Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die im Bescheid vom ... Februar 2014 verfügte Anordnung der Abschiebung nach Schweden abgelehnt (M 21 S 14.30302). Unter dem 27. März 2014 hat das Gericht ferner im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO durch Beschluss den Antrag des Klägers, unter Abänderung des Beschlusses vom 11. März 2014 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung nach Schweden anzuordnen, abgelehnt (M 21 S7 14.50067).

Mit Schriftsatz vom 2. April 2014 hat der Kläger ergänzend vorgetragen, dass aufgrund einer Gesundheitsgefährdung ein inländisches Vollstreckungshindernis hinsichtlich einer Überstellung nach Schweden bestünde. Hierzu wird Bezug genommen auf eine (undatierte und nicht unterschriebene) Erklärung von Frau ...(….), ehrenamtliche Asylberatung ... / amnesty international (Bl. 10 der Gerichtsakte), in der mitgeteilt wird, dass sich der Kläger in einem Containerzimmer mit 10 Personen zusammen mit einem TBC-Erkrankten aufgehalten habe. Sollte der Kläger sich angesteckt haben und dennoch abgeschoben werden, bestünde die Gefahr, dass er nicht die ausreichende medizinische Behandlung erhalten werde und weitere Menschen anstecken könne.

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2014 hat der Klägerbevollmächtigte mitgeteilt, dass mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung Einverständnis besteht.

Mit Beschluss vom 9. Mai 2014 ist der Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylVfG auf den Einzelrichter übertragen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten in den vorher abgeschlossenen Eilverfahren (M 21 S 14.30302, M 21 S7 14.50067) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die das Gericht mit Einverständnis der Parteien ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zum Teil bereits unzulässig und im Übrigen unbegründet.

1.Das Gericht sieht ausschließlich die isolierte Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Bundesamts vom ... Februar 2014 – also gegen die dort ausgesprochene Einstufung des Asylantrags als unzulässig sowie gegen die Anordnung der Abschiebung nach Schweden – als zulässig an.

In der Situation einer Antragsablehnung als unzulässig und einer Anordnung der Abschiebung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf Basis von §§ 27a, 34 a AsylVfG besteht die Besonderheit, dass das Bundesamt lediglich die Frage nach dem für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers zuständigen Mitgliedstaat erwogen hat, sich aber mit der geltend gemachten politischen Verfolgung im Herkunftsstaat des Betroffenen und der Frage der Abschiebung dorthin inhaltlich noch nicht befasst hat. Im Falle einer fehlerhaften Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist der Antrag in der Sache von der zuständigen Behörde damit bislang nicht geprüft worden. In dieser Situation ist die Klage lediglich als Anfechtungsklage gegen den Bundesamtsbescheid (§ 42 Abs. 1 1. Alternative VwGO) mit der Folge statthaft, dass bei Stattgabe in Deutschland ein Asylverfahren durchzuführen ist (ebenso: OVG Magdeburg v. 02.10.2013, Az. 3 L 643/12; OVG Magdeburg v. 14.11. 2013, Az. 4 L 44/13; VG Trier v. 30.09.2013, Az. 5 K 987/13.TR; VG Hannover v. 07.11.2013, Az. 2 A 4696/12; VG Potsdam v. 04.02.2014, Az. 6 K 3905/13.A; VG Hamburg v. 18.07.2013, Az. 10 A 581/13; Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, Stand: Januar 2014, § 34a Rn. 64; Bergmann, in: Renner/ Bergmann /Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, zu § 27a AsylVfG, Rn. 4; vgl. auch: OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A).

Unzulässig ist nicht nur eine Verpflichtungsklage auf asylrechtliches „Durchentscheiden“ – also gerichtet auf die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung als Asylberechtigter gem. Art. 16a GG, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 3 ff. AsylVfG) und / oder des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylVfG) sowie zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG –, sondern auch eine solche, die – wie hier – auf das Klageziel gerichtet ist, dass die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet werden sol, das Asylverfahren des Klägers in eigener Zuständigkeit durchzuführen und zu bescheiden. Denn soweit die Anfechtungsklage erfolgreich ist – also im Falle der Aufhebung eines auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangenen Bescheides und der hierauf gestützten Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 S. 1 AsylVfG – ist das Asylverfahren wegen § 31 Abs. 2 und 3 AsylVfG kraft gesetzlicher Verpflichtung durch die Beklagte weiterzuführen und das Asylbegehren des Klägers von ihr in der Sache zu prüfen. Da grundsätzlich davon ausgegangen werden kann, dass die Beklagte ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkommt, bedarf es demzufolge auch dahin gehend keines Verpflichtungsantrags auf Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland (OVG Magdeburg v. 02.10.2013 a.a.O.).

2. Soweit die Klage zulässig ist, ist sie unbegründet.

Hinsichtlich des statthaften und auch im Übrigen zulässigen, insbesondere nach Maßgabe von § 74 AsylVfG fristgemäß erhobenen Anfechtungsantrags hat die Klage in der Sache keinen Erfolg. Der angegriffene Bundesamtsbescheid vom ... Februar 2014 erweist sich in Ansehung aller im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung erkennbaren Umstände (§ 77 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Sein in Deutschland gestellter Asylantrag ist von der Beklagten zu Recht als unzulässig eingestuft worden. Die hierauf gründende Abschiebungsanordnung nach Schweden ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Das Bundesamt hat im streitgegenständlichen Beschluss in nicht zu beanstandender Weise eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags unterlassen und diesen auf Basis von § 27a AsylVfG als unzulässig abgelehnt. Nach § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kann das Bundesamt in einem solchen Fall die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat anordnen, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.

Anzuwenden ist im vorliegenden Fall nach Art. 49 UAbs. 2 VO (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) noch die Dublin-II-VO, da sowohl der Antrag auf internationalen Schutz als auch das Übernahmeersuchen an Schweden vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind (OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A, Rn. 41 bei juris; OVG Koblenz v. 21.02.2014, Az. 10 A 10656/13; VG Oldenburg v. 20.02.2014, Az. 3 B 145/14; VG Düsseldorf v. 12.02.2014, Az. 13 L 2428/13.A; VG Düsseldorf v. 02.04.2014, Az. 13 L 155/14.A; VG München v. 03.02.2014, Az. M 21 S 14.30150; VG München v. 04.02.2014, Az. M 4 S 14.30131; VG München v. 05.02.2014, Az. M 4 S 14.30146; VG Regensburg v. 14.02.2014, Az. RN 5 S 14.30112).

a) Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der Dublin-II-VO prüfen die Mitgliedstaaten jeden Asylantrag, den ein Drittstaatenangehöriger im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt. Nach Satz 2 der Regelung wird der Antrag grundsätzlich nur von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-VO (§§ 5 ff. Dublin-II-VO) als zuständiger Mitgliedstaat bestimmt wird.

Im vorliegenden Fall steht – ungeachtet des widersprüchlichen Vortrags hinsichtlich seines Reisewegs einerseits gegenüber der Regierung ... am ... September 2013, andererseits gegenüber dem Bundesamt am ... Dezember 2013 – außer Frage, dass der Kläger sich vor der Asylantragstellung in Deutschland jedenfalls in Österreich und Schweden aufgehalten hat und dort auch Asylanträge gestellt hat. Das ergibt sich aus den EURODAC-Treffern mit den Kennziffern EURODAC-Nr. ... (für Österreich) und ... (für Schweden). Hierbei handelt es sich gemäß Art. 2 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 vom 28.02.2002 (EURODAC-DVO) um Treffer der Kategorie „1“. Daraus folgt, dass der Kläger sowohl in Österreich als auch in Schweden als Asylbewerber erfasst worden ist. Anhaltspunkte dafür, dass die schwedischen und österreichischen Daten unzutreffend sind, bestehen nicht, zumal nach Art. 13 Abs. 1 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 v. 11.12.2000 (EURODAC-VO) eine europarechtliche Richtigkeitsgewähr der Mitgliedstaaten bzgl. der erhobenen und übermittelten Daten besteht. Es ist auch kein Grund dafür ersichtlich, warum Schweden und Österreich den Kläger gegen seinen Willen als Asylbewerber erfasst haben sollten (vgl. auch VG Trier v. 06.11.2013, Az. 5 L 1539/13.TR; VG Trier v. 11.02.2014, Az. 5 L 95/14.TR; VG Hamburg v. 18.07.2013, Az. 10 A 581/13).

Unabhängig von den Fragen, welcher konkrete Mitgliedstaat – Spanien, Österreich, Italien oder Schweden? – zunächst gem. gemäß Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-VO oder gem. Art. 13 Dublin-II-VO nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO in der Sache zuständig geworden ist bzw. ob unabhängig davon und zeitlich vorher für das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats Schweden nach Art. 4 Abs. 5 i.V. mit Art. 20 Dublin-II-VO zuständig ist, steht jedenfalls fest, dass Deutschland nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1, 5 ff. Dublin-II-VO nicht originär für die Prüfung des Asylantrags zuständig wurde.

b)Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht gehalten, den Asylantrag des Klägers nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (künftig: Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO) selbst inhaltlich zu prüfen bzw. aus humanitären Gründen von einer Abschiebung nach Schweden gem. § 34a AsylVfG abzusehen (vgl. EuGH v. 14.11.2013, Rs. C-4/11; EuGH v. 10.12.2013, Rs. C-394/12).

Gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Dublin-II-VO kann ein Mitgliedstaat einen Asylantrag abweichend von einer an sich nach Art. 3 Abs. 1 Dublin-II-VO gegebenen Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats prüfen. Ob der Mitgliedstaat von der Befugnis nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch macht, steht grundsätzlich in seinem Ermessen, dessen Ausübung integraler Bestandteil des im EU-Vertrag vorgesehenen und vom Unionsgesetzgeber ausgearbeiteten gemeinsamen Europäischen Asylsystems ist (EuGH v. 21.12.2011, Rs. C-411/10 u.a.).

aa) Die Auslegung der Dublin-II-Verordnung sowie künftig der Dublin-III-Verordnung als wesentliche „Bausteine des von der Europäischen Union errichteten Gemeinsamen Europäischen Asylsystems“ und die sich daraus ergebenden Rechte der Asylbewerber sind durch neuere Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geklärt (EuGH v. 21.12. 2011, Rs. C-411/10 und C-493/10; EuGH v. 14.11.2013, Rs. C-4/11; EuGH v. 10.12.2013, Rs. C-394/12). Das in dieser Verordnung und in weiteren Rechtsakten geregelte Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) stützt sich – ähnlich wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG v. 14.05.1996, Az. 2 BvR 1938/93 u.a.) – auf die Annahme, dass alle daran beteiligten Staaten, ob Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die Grundrechte einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention sowie in der EMRK finden, und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen (hierzu auch Hailbronner/Thym, NVwZ 2012, 406 ff.). Auf der Grundlage dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens hat der Unionsgesetzgeber die Dublin-II-VO sowie die Dublin-III-VO erlassen, die beide davon ausgehen, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 14. Dezember 2007 sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. auch: BVerwG v. 19.03.2014, Az. 10 B 6.14; OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A; OVG Koblenz v. 21.02.2014, Az. 10 A 10656/13; VGH Baden-Württemberg v. 06.08.2013, Az. 12 S 675/13). Die Rechtsprechung lässt daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen Abweichungen von diesem Konzept zu.

Eine Ermessensreduzierung in Bezug auf das in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO geregelte Selbsteintrittsrecht oder jedenfalls ein Verbot, einen Asylantragsteller nach § 34a AsylVfG in den betroffenen Drittstaat zurück zu überstellen, kann allerdings ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn der Antragsteller von einem im normativen Vergewisserungskonzept nicht aufgefangenen Sonderfall betroffen ist. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21. Dezember 2011 (Rs. C-411/10 u.a.) steht das Unionsrecht der Geltung einer unwiderlegbaren Vermutung entgegen, wonach der nach der Dublin-II-VO zuständige Mitgliedstaat die Unionsgrundrechte beachtet. Zwar genügt für die Widerlegung der Vermutung kein schlichter Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen z.B. der Richtlinie 2003/9/EG. Anderes gilt hingegen, wenn das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine Verletzung des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta implizieren. Ein Asylbewerber kann daher aus europarechtlicher Sicht einer Rücküberstellung im Dublin-Verfahren grundsätzlich nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta ausgesetzt zu werden. Nur in diesem Fall obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-VO zu überstellen (grundlegend EuGH v. 21.12.2011, Rs. C-411/10; bestätigt durch: EuGH v. 14.11.2013, Rs. C-4/11; EuGH v.10.12.2013, Rs. C-394/12; vgl. auch: BVerwG v. 19.03.2014, Az. 10 B 6.14; OVG Münster v. 07.03.2014 a.a.O.; OVG Koblenz v. 21.02.2014 a.a.O.; VGH Baden-Württemberg v. 06.8.2013, a.a.O.).

Hierfür gelten folgende dogmatische Grundsätze:

An einen Ausnahmefall des Konzepts normativer Vergewisserung sind strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG v. 14.05.1996, Az. 2 BvR 1938/93 u.a., Rn. 190 bei juris; OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A, Rn. 70 bei juris: „kann allerdings in Sonderfällen widerlegt sein“). Inhaltlich vermögen einzelne Missstände keine systemischen Mängel im o.g. Sinn zu begründen. Für die Annahme eines systemischen Mangels im vorgenannten Sinne reicht daher die Verletzung einzelner Grundrechte außerhalb von Art. 4 GR-Charta ebenso wenig aus wie die vereinzelte Verletzungen von Bestimmungen des zum Asylrecht ergangenen Sekundärrechts (exemplarisch: OVG Münster v. 07.03.2014 a.a.O., Rn. 83 bei juris). Ein Abschiebungshindernis wegen mit Blick auf bestehende systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen drohender Verletzung des Grundrechts aus Art. 4 GR-Charta besteht erst dann, wenn diese drohende Verletzung durch „ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe“ gestützt und abgesichert ist. Die anzustellende Prognose bedarf somit einer konkret nachvollziehbaren und in der Sache fundierten („ernsthaften“) Tatsachengrundlage. Es gilt also auch hier der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, sodass eine bloße Möglichkeit entsprechender Verletzungshandlungen nicht ausreicht. Namentlich im Fall von sich (zum Teil) widersprechenden Auskünften oder sonstigen Erkenntnismitteln müssen die vom Gericht für die Widerlegung der Vermutung des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens als „richtig“ zugrunde gelegten Tatsachen hinreichend belastbar sein. Das setzt voraus, dass für ihr Zutreffen, dabei u.a. auch für die Verallgemeinerungsfähigkeit von Erkenntnissen über beobachtete oder berichtete Einzelfälle, ein beachtlicher Grad von Wahrscheinlichkeit spricht (OVG Münster v. 07.03.2014 a.a.O., Rn. 96 ff.). Im Übrigen reicht unabhängig vom Erfordernis der Existenz systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern die drohende Überstellung in einen Mitgliedstaat, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem überstellenden Mitgliedstaat, nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Nach einer aktuellen Entscheidung des EGMR kann Art. 3 EMRK sogar nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichten, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen; sie enthalten keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Ausländern, die von einer Überstellung betroffen sind, gewähren die genannten Regelungen grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls ein Antragsteller überstellt werden würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu begründen (EGMR v. 18.06.2013, Az. 53852/11 = ZAR 2013, 338; hierzu auch BVerwG v. 11.09.2013, Az. 10 B 17.13; OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A, Rn. 118 bei juris).

Zusammenfassend liegt eine systemisch begründete, ernsthafte Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK – die im Sinne einer Selbstbetroffenheit speziell auch gerade für den jeweiligen Rechtsschutzsuchenden in seiner konkreten Situation bejaht werden müsste (BVerwG v. 19.03.2014 a.a.O.; Lübbe, ZAR 2014, 105 [109]) – maßgeblich dann vor, wenn mit Blick auf das Gewicht und Ausmaß einer drohenden Beeinträchtigung dieses Grundrechts mit einem beachtlichen Grad von Wahrscheinlichkeit die reale, nämlich durch eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage belegte Gefahr besteht, dass dem Betroffenen in dem Mitgliedstaat, in den er als den nach der Dublin II-VO „zuständigen“ Staat überstellt werden soll, entweder schon der Zugang zu einem Asylverfahren, welches nicht mit grundlegenden Mängeln behaftet ist, verwehrt oder massiv erschwert wird, das Asylverfahren an grundlegenden Mängeln leidet oder dass er während der Dauer des Asylverfahrens wegen einer grundlegend defizitären Ausstattung mit den notwendigen Mitteln elementare Grundbedürfnisse des Menschen (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse, medizinische Versorgung) nicht in einer noch zumutbarer Weise befriedigen kann (OVG Münster v. 07.03.2014 a.a.O., Rn. 126 bei juris).

Systemische Mängel setzen damit zwar nicht voraus, dass in jedem Falle das gesamte Asylsystem einschließlich der Aufnahmebedingungen und der zugehörigen Verfahren schlechthin als gescheitert einzustufen ist, jedoch müssen die in jenem System festzustellenden Mängel so gravierend sein, dass sie nicht lediglich singulär oder zufällig, sondern in einer Vielzahl von Fällen zu der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung führen. Das kann darauf beruhen, dass die Fehler bereits im System selbst angelegt sind und deswegen Asylbewerber oder bestimmte Gruppen von Asylbewerbern nicht zufällig und im Einzelfall, sondern (objektiv) vorhersehbar von ihnen betroffen sind. Ein systemischer Mangel kann daneben aber auch daraus folgen, dass ein in der Theorie nicht zu beanstandendes Aufnahmesystem – mit Blick auf seine empirisch feststellbare Umsetzung in der Praxis – faktisch in weiten Teilen funktionslos wird (OVG Koblenz v. 21.02.2014 a.a.O., Rn. 46 ff. bei juris; OVG Münster v. 07.03.2014 a.a.O., Rn. 89 ff. bei juris). Die Verantwortlichkeit eines Staates nach Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK wegen der Behandlung eines Ausländers kann etwa ausnahmsweise begründet sein, wenn dieser vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. zur Situation in Griechenland: EGMR v. 21.01.2011, Az. 30696/09, NVwZ 2011, 413 [insbes. dort Rn. 253 ff., 263]; vgl. dazu auch: BVerwG v. 25.10.2012, Az. 10 B 16.12; BVerwG v. 31.01.2013, Az. 10 C 15.12; OVG Münster v. 07.03.2014 a.a.O., Rn. 124 bei juris; Thym, ZAR 2011, 368 ff.).

Es liegen dem erkennenden Gericht keinerlei Erkenntnismittel vor, die die Befürchtung rechtfertigen könnten, dass in Schweden systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im oben genannten Sinne bestehen (vgl. auch: VG Osnabrück v. 19.02.2014, Az. 5 B 12/14; VG München v. 15.01.2014, Az. M 4 S 13.31316; VG München v. 24.01.2014, Az. M 4 S 14.30061; VG Göttingen v. 17.10.2013, Az. 2 B 844/13). Entsprechendes wird von Seiten des Klägers auch nicht geltend gemacht.

bb) Auch unter dem Blickwinkel des Art. 16a GG ergibt sich nichts anderes. Schweden gilt – als Mitglied der EU – als sicherer Drittstaat im Sinn des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG, § 26a AsylVfG. Hinderungsgründe für eine Abschiebung in einen derartigen sicheren Drittstaat ergeben sich nur ausnahmsweise dann, wenn der Asylsuchende individuelle konkrete Gefährdungstatbestände geltend machen kann, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung von verfassungs- und gesetzeswegen berücksichtigt werden können und damit von vorneherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Dies ist – bezogen auf die Verhältnisse im Abschiebezielstaat – etwa dann der Fall, wenn sich die für die Qualifizierung des Drittstaats als sicher maßgebenden Verhältnisse schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung darauf noch aussteht oder wenn der Aufnahmestaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung zu greifen droht und dadurch zum Verfolgerstaat wird. An die Darlegung eines solchen Sonderfalls sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen (BVerfG v. 14.5.1996 – 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93). Hiervon ist in Bezug auf Schweden nicht auszugehen.

cc) Ebenfalls im Hinblick auf die vom Klägerbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 2. April 2014 vorgetragene Gesundheitsgefährdung ist kein zwingender Grund dafür ersichtlich, dass die Beklagte gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO das Selbsteintrittsrecht ausüben oder wegen Reiseunfähigkeit bzw. wegen eines sonstigen inlands- oder zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses (zur Relevanz im Dublin-Verfahren: BayVGH v. 12.03.2014, Az. 10 CE 14.427; BayVGH, v. 12.11.2012, Az. 10 CE 12.2428; VG Hannover v. 07.11.2013, Az. 2 A 4696/12, Rn. 53 – 55; VG München v. 09.07.2013, Az. M 11 S 13.30578; VG München v. 21.11.2013, Az. M 23 S 13.31183; VG Würzburg v. 03.02.2014, Az. W 6 S 14.30079; VG Augsburg v. 13.02.2014, Az. Au 7 S 14.39957) von der Überstellung nach Schweden absehen muss. Selbst eine Tuberkuloseerkrankung würde kein grundsätzliches Abschiebungshindernis darstellen. Es wäre auch dann nicht zu befürchten, dass eine Überstellung nach Schweden für den Kläger lebensbedrohlich oder mit einer ernsthaften Gesundheitsverschlechterung verbunden wäre. Insbesondere ist davon auszugehen, dass der Kläger – jedenfalls bei entsprechender Information der Behörden des Ziellandes (vgl. VG München v. 10.03.2014, Az. M 21 S 14.30368; VG München v. 17.03.2014, Az. M 21 S 14.30388; VG München v. 27.03.2014; Az. M 21 S 14.30551; VG Würzburg v. 03.02.2014, Az. W 6 S 14.30079; Thym, ZAR 2013, 331 [333]) – in Schweden ohne weiteres die erforderliche medizinische Hilfe erhalten würde. Es ist aber vorliegend schon nicht erkennbar bzw. hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger überhaupt an TBC erkrankt ist. Der Vortrag des Klägerbevollmächtigten begrenzt sich auf eine schlichte Möglichkeit einer Ansteckung mit TBC, die einer Klärung durch das Gesundheitsamt zugeführt werden sollte. Da der diesbezügliche Vortrag seit Anfang April 2014 nicht weiter konkretisiert wurde, obwohl der Klägerbevollmächtigte, im Schriftsatz vom 6. Mai 2014 hierzu im Fall einer entsprechenden ärztlichen bzw. amtsärztlichen Befunderhebung hierzu Anlass gehabt hätte, spricht alles dafür, dass es nicht zu einer TBC-Ansteckung kam. Dass der Kläger aufgrund einer TBC-Erkrankung derzeit reiseunfähig wäre und aus diesem Grund nicht nach Schweden überstellt werden könnte, ergibt sich im Übrigen weder aus dem Vortrag der Klägerseite noch gibt es in den Akten irgendwelche Hinweise, die dem Gericht eine entsprechende Sachverhaltserforschung nahelegten.

c) Der Kläger kann nicht erfolgreich einwenden, dass eine Überstellung nach Schweden unzulässig ist, weil nach Maßgabe von Art. 3 Abs. 1, 5 ff. Dublin-II-VO ein anderer Mitgliedstaat – hier Spanien, Österreich oder Italien – primär zuständig wäre.

Schweden hat im vorliegenden Fall der Wiederaufnahme des Klägers unter Rekurs auf Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO zugestimmt. Nach dieser Vorschrift ist der Mitgliedstaat, bei dem der Asylantrag gestellt wurde – hier: Schweden –, gehalten, einen Asylbewerber, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates befindet und dort einen Asylantrag gestellt hat, nachdem er seinen Asylantrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zurückgezogen hat, nach den Regeln des Art. 20 Dublin-II-VO wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaates zum Abschluss zu bringen. Aufgrund dieser Vorschrift bleibt der Mitgliedstaat, in dem der Asylbewerber zuerst einen Asylantrag gestellt hat, auch dann für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig, wenn er diesen Asylantrag später zurücknimmt.

Selbst wenn im vorliegenden Fall ein anderer Mitgliedstaat zunächst nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO oder Art. 13 Dublin-II-VO für die sachliche Behandlung des Asylantrags zuständig geworden wäre, weil sich der Kläger zuerst dorthin begeben hat oder zuerst dort einen Asylantrag gestellt hat – seine Angaben einerseits gegenüber der Regierung von Oberbayern, andererseits gegenüber dem Bundesamt sind widersprüchlich (s.o.: Spanien?, Italien? Österreich?) –, steht dies der Abschiebung nach Schweden im Dublin-Verfahren nicht entgegen.

Denn zum einen dient die Wiederaufnahmezuständigkeit des Mitgliedstaats nach Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO – hier: Schwedens – gerade der Klärung der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats. Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO ist Ausdruck des Willens des europäischen Normsetzers, im hierfür zuständigen Staat das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrages zuständigen Mitgliedstaats zunächst zum Abschluss zu bringen (VG Frankfurt / Oder v. 28.11.2012, Az. 3 K 525/11.A).

Zum andern ist unabhängig davon, dass Schweden, nach der Wiederaufnahme des Klägers und dem Abschluss der Prüfung nach Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO immer noch von seinem Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs.2 Dublin-II-VO Gebrauch machen kann (falls nicht Schweden, sondern ein anderer Mitgliedstaat nach Maßgabe von Art. 3 ff. der Dublin-II-VO für die sachliche Bearbeitung des Asylantrags zunächst zuständig geworden wäre), im Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten ausschließlich entscheidend, dass Schweden unter dem 19. Dezember 2013 – hier gestützt auf Art. 4 Abs. 5 i.V. mit Art. 20 Dublin-II-VO – gegenüber der Beklagten seine Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens erklärt hat. Denn nach vorzugswürdiger Ansicht gewährt die Dublin-II-Verordnung einem Antragsteller keinen subjektiven, einklagbaren Rechtsanspruch darauf, dass sein Asylantrag in einem bestimmten Mitgliedstaat geprüft wird, den er für zuständig hält. Es ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den europarechtlichen Zuständigkeitsvorschriften um reine zwischenstaatliche Regelungen handelt, die grundsätzlich keine subjektiven Rechten von Asylbewerbern begründen, wonach das Asylverfahren in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden muss. Die Rechtsstellung des Einzelnen wird durch das europäische Zuständigkeitssystem lediglich insoweit geschützt, als jedenfalls ein zuständiger Vertragsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens eines Drittstaatsangehörigen gewährleistet sein muss. Demgemäß sind die in der Dublin-II-VO niedergelegten Zuständigkeitsregeln an die Mitgliedstaaten adressiert und sehen Rechte und Pflichten für die EU-Mitgliedstaaten vor. Ein subjektives Recht auf Durchführung des Asylverfahrens im zuständigen Mitgliedstaat besteht daher grundsätzlich nicht (OVG Münster v. 07.03.2014, Az. 1 A 21/12.A, Rn. 43 ff. bei juris; VG Oldenburg v. 20.02.2014, Az. 3 B 145/14; VG München v. 06.02.2014, Az. M 23 S 14.30153; VG Regensburg v. 29.01.2014, Az. RN 5 S 14.30057; VG Regensburg v. 14.02.2014, Az. RN 5 S 14.30112; VG Regensburg v. 07.03.2014, Az. RN 5 S 14.30199; VG Ansbach v. 10.02.2014, Az. AN 1 S 14.30086 – jeweils m.w.N.). Dies entspricht auch der Auffassung des Europäischen Gerichtshofs. Dieser hat mit Urteil vom 10.12.2013, Rs. C- 394/12, entschieden, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin-II-Verordnung (Regelung zum Rechtsbehelf gegen die Entscheidung eines Mitgliedstaates, den Asylantrag nicht zu prüfen) dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin-II-Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (hierzu oben). Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken, die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs auch auf die vergleichbare Konstellation der Zustimmung eines Mitgliedstaates zur Wiederaufnahme eines Asylbewerbers nach Art. 20 Dublin-II-VO (hier i.V. mit Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO) zu übertragen (vgl. auch: VG Oldenburg v. 20.02.2014, Az. 3 B 145/14; VG München v. 06.02.2014, Az. M 23 S 14.30153; VG Ansbach v. 10.02.2014, Az. AN 1 S 14.30086).

Das erkennende Gericht teilt im Übrigen nicht die Ansicht des VG Saarl. (Beschl. v. 11.02.2014, Az. 3 L 95/14), wonach die Begründung einer Zuständigkeit des die Wiederaufnahme erklärenden Mitgliedstaates voraussetze, dass in dem Formular für das Wiederaufnahmegesuch unter der Rubrik „In welches Land (in welche Länder) hat er sich begeben“ und „Reiseweg“ der vollständige Reiseweg sowie der Umstand einer vorangehenden Asylantragstellung in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Österreich) angegeben wurde. Denn der ersuchte Staat – hier: Schweden – hat innerhalb der zweiwöchigen Bearbeitungszeit gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b) Dublin-II-VO ohne Weiteres die Möglichkeit, selbst eine EURODAC-Abfrage durchzuführen, um eine mögliche vorrangige Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates feststellen zu können, und kann zudem von sich aus vom ersuchenden Staat – hier: Deutschland – weitere Informationen verlangen (vgl. VG Ansbach v. 10.02.2014, Az. AN 1 S 14.30086). Darüber hinaus dienen die Formularvorgaben aus Art. 17 Abs. 3 UAbs. 2 Dublin-II-VO i.V. mit den hierzu erlassenen Durchführungsbestimmungen allein dem Rechtsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (s.o.).

d) Der Kläger kann sich auch nicht erfolgreich auf den Zeitablauf zwischen der Asylantragstellung in Deutschland und dem Übernahmeersuchen an Schweden berufen.

Ein Zuständigkeitswechsel auf die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des Ablaufs der Dreimonatsfrist des Art. 17 Abs. 1 UAbs. 2 Dublin-II-VO kommt nicht in Betracht, da Art. 17 Dublin-II-VO nicht auf die Fälle der Wiederaufnahme gem. Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO i.V. mit Art. 20 Dublin-II-VO anwendbar ist. Denn Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO verweist nur auf Art. 20 Dublin-II-VO, nicht aber auf Art. 17 Dublin-II-VO (ebenso für die Fälle des Art. 16 Abs. 1 Buchst c) und e) i.V. mit Art. 20 Dublin-II-VO: OVG Koblenz v. 21.02.2014, Az. 10 A 10656/13, Rn. 34 bei juris; VG Oldenburg v. 19.02.2014, Az. 5 B 12/14; VG Regensburg v. 28.02.2014, Az. RN 5 S 14.30203, Rn. 32 bei juris; VG Düsseldorf v. 31.03.2014, Az. 13 L 119/14.A; VG Oldenburg v. 06.03.2014, Az. 3 B 402/14; VG Stade v. 05.03.2014, Az. 1 B 168/14; VG München v. 05.02.2014, Az. M 4 S 14.30079; VG Augsburg v. 29.05.2013, Az. Au 7 K 13.30134, z.T. mit Nachweisen zum Streitstand, auch zu der Frage, ob sich aus der Verfahrensvorschrift überhaupt ein Anspruch auf die Zuständigkeit eines bestimmten Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens ergeben kann). Art. 21, Art. 23 Abs. 2 und Art. 24 Abs. 2 der Dublin-III-VO finden auf den vorliegenden Sachverhalt noch keine Anwendung.

Der vorliegende Zeitablauf von etwas über drei Monaten zwischen der Stellung des Asylantrags in Deutschland (... September 2013) und der Stellung des Übernahmegesuchs an Schweden (... Dezember 2013) erreicht keinen Umfang, wonach zwingend das Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin-II-VO ausgeübt werden müsste oder wonach ggf. schon implizit von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts auszugehen wäre. Die Verfahrensdauer allein löst im Übrigen nicht zwingend eine Verpflichtung zum Selbsteintritt aus. Der Kläger ist nämlich durch das Zuwarten des Bundesamtes im Ergebnis nicht belastet, sondern begünstigt worden. Die Situation des Klägers hat sich nicht im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verschlimmert (vgl. EuGH v. 21.12.2011, Az. C-411), da sich der Klägers im Laufe des Verfahrens in dem Staat aufhalten konnte, in dem er nun Asyl begehrt. Es ist daher auch mit Blick auf die Verfahrensdauer noch nicht zwingend geboten, dass die Beklagte vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch macht (VG Augsburg v. 29.05.2013, Az. Au 7 K 13.30134).

Da die mit dem Zugang der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs am ... Dezember 2013 begonnene sechsmonatige Überstellungsfrist gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Dublin-II-VO (hier i.V. mit Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO) derzeit noch nicht abgelaufen ist – nach Ansicht des Gerichts ist davon auszugehen, dass mit Zustellung der ablehnenden Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz (Beschluss vom 11. März 2014, Az. M 21 S 14.30302) wegen § 34a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG i.V. mit Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Satz 2, letzter Halbsatz Dublin-II-VO der Lauf einer neuen sechsmonatigen Überstellungsfrist ausgelöst wurde (vgl. zum entsprechend weit auszulegenden Begriff der „aufschiebenden Wirkung“ im Sinne von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d) Satz 2, letzter Halbsatz Dublin-II-VO: VG Regensburg v. 13.12.2013, Az. RO 9 S 13.30618, Rn. 18 – 21; VG München v. 05.03.2014, Az. M 21 S 14.30335; VG Göttingen v. 28.11.2013, Az. 2 B 887/13) –, ist derzeit noch kein Zuständigkeitsübergang auf die Bundesrepublik Deutschland gem. Art. 4 Abs. 5 Dublin-II-VO i.V. mit Art. 20 Abs. 2 Dublin-II-VO eingetreten. Insofern kann es dahingestellt bleiben, ob sich der Kläger auf einen Fristablauf und die sich daraus ergebenden Zuständigkeitskonsequenzen überhaupt als subjektives Recht berufen kann (ablehnend z.B.: VG Osnabrück v. 19.02.2014, Az. 5 B 12/14; VG Trier v. 11.02.2014, Az. 5 L 95/14.TR, m.w.N.; befürwortend hingegen: VG Oldenburg v. 21.01.2014, Az. 3 B 7136/13; VG Augsburg v. 31.01.2014, Az. Au 7 S 14.30025).

e) Letztlich ist die gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsanordnung im vorliegenden Fall nicht etwa deshalb aufzuheben bzw. zu suspendieren, weil Art. 7 Abs. 1 VO (EG) 1560/2003 verschiedene Modalitäten der Überstellung eines Asylbewerbers an den zuständigen Mitgliedsstaat vorsieht, darunter gem. Art. 7 Abs. 1 Buchst. a) VO (EG) 1560/2003 eine freiwillige – gänzlich unbegleitete – Ausreise aus dem Mitgliedsstaat innerhalb einer vorgegebenen Frist bzw. (wie im Schriftsatz vom 12. Februar 2014 vorgetragen) gem. Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) VO (EG) 1560/2003 in Form der kontrollierten Ausreise (behördliche Begleitung des Asylbewerbers nur bis zum Besteigen des Beförderungsmittels). Auch wenn insoweit Bedenken an der Unionsrechtskonformität des § 34a Abs. 1 AsylVfG geltend gemacht werden (vgl. die Nachweise bei VG Göttingen v. 03.01.2014, Az. 2 B 763/13, Rn. 30 bei juris), vermögen sich diese auf den vorliegenden Sachverhalt schon deshalb nicht auszuwirken, weil der Kläger weder im verwaltungsbehördlichen noch im gerichtlichen Verfahren glaubhaft geltend gemacht bzw. zu erkennen gegeben hat, dass er bereit ist, sich freiwillig innerhalb kürzester Zeit nach Erlass des streitgegenständlichen Bescheids vom ... Februar 2014 wieder nach Schweden oder in sein Heimatland zu begeben. Unter diesen Umständen erscheint es verhältnismäßig, wenn das Bundesamt – dem vom nationalen Gesetzgeber vorgegebenen Regelfall folgend – gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG die Abschiebung der Kläger nach Schweden angeordnet hat und somit auf eine vollständig begleitete Rückführung desselben in den zuständigen Mitgliedsstaat setzt (VG Göttingen v. 03.01.2014 a.a.O., m.w.N.).

3.Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.