Bayerisches LSG, Beschluss vom 21.05.2014 - L 15 SF 137/13
Fundstelle
openJur 2014, 11378
  • Rkr:

1. Die vollen Kosten für die Inanspruchnahme eines Taxis sind nur zu erstatten, wenn entweder eine Reise ohne Taxi mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel (öffentliches Verkehrsmittel oder eigenes bzw. unentgeltlich zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug) überhaupt nicht möglich oder zumutbar oder die Reise mit einem Taxi aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt oder die Reise mit einem Taxi aus Vertrauensschutzgründen zulässig ist.2. Die Erstattung von Kosten für ein Taxi, das ein Beteiligter aus Zeitnot in Anspruch genommen hat, um einen gerichtlich angesetzten Termin rechtzeitig wahrnehmen zu können, kommt jedenfalls bei einer selbst herbeigeführten Zeitnot nicht in Betracht. Denn von einer objektiven Notwendigkeit der Taxibenutzung kann dann nicht ausgegangen werden.3. Bei einer entschädigungsrechtlich unzulässigen Taxibenutzung sind gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG lediglich Fahrtkosten nach der Kilometerpauschale von 0,25 EUR für die gefahrenen Kilometer zu entschädigen.4. Das Verbot der reformatio in peius gilt bei einer gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG nicht.

Tenor

Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins zur Begutachtung am 11.12.2012 wird auf 58,50 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung eines gerichtlich angeordneten Begutachtungstermins nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 6 R 173/12 geführten Rechtsstreit wurde der dortige Kläger und jetzige Antragsteller am 11.12.2012 im Rahmen einer von Amts wegen angeordneten Begutachtung vom Sachverständigen Dr. L. für den 11.12.2012, 10.00 Uhr, einbestellt. Der Antragsteller erschien mit halbstündiger Verspätung um 10.30 Uhr und wurde um 12.30 Uhr wieder entlassen.

Mit auf den 22.01.2013 datiertem Entschädigungsantrag, bei Gericht eingegangen am 28.01.2013, beantragte der Antragsteller die Entschädigung für das Erscheinen zur gutachtlichen Untersuchung am 11.12.2012.

Im Entschädigungsantrag gab der Antragsteller an, für die Fahrt nach C-Stadt zunächst zu Fuß 20 Minuten zur Bushaltestelle gegangen zu sein und dann einen Bus (von A-Stadt nach B-Stadt) und die Bahn (von B-Stadt nach C-Stadt Hauptbahnhof) benutzt zu haben. Vom Hauptbahnhof zum Gutachter sei er mit einem Taxi gefahren. Die Rückfahrt sei entsprechend erfolgt. In C-Stadt habe er für 9,60 € gegessen. Als Nachweis für die Fahrtkosten legte er drei Busfahrkarten zu je 2,95 € (zwei von A-Stadt nach B-Stadt am 10. und 11.12.2102, eine von B-Stadt nach A-Stadt am 10.12.2012), zwei Bahnfahrkarten (Einzelfahrt von B-Stadt nach C-Stadt zu 21,80 €; Bayernticket zu 24,- €, beide Fahrkarten am 10.12.2012 erworben) und zwei Taxirechnungen vom 11.12.2012 über 21,10 € und 23,10 € vor. Von zu Hause weg gewesen sei er von 6.30 Uhr bis 17.30 Uhr.

Dem Gutachten des Dr. L. ist zu entnehmen, dass der Antragsteller nach sachverständiger Einschätzung mehr als 500 Meter in 15 Minuten zurücklegen kann.

Mit Schreiben vom 28.02.2013 bewilligte der Kostenbeamte des LSG als Entschädigung Fahrtkosten für die Bahn in Höhe von 43,60 € und für den Bus in Höhe von 5,90 €. Anstelle der Taxikosten setzte er fiktive Kosten des MVV in Höhe von 5,20 € an. Zudem wurde ein Entschädigung für Aufwand in Höhe von 6,- € gewährt. Die Entschädigung betrug insgesamt 60,70 €. Die Taxikosten seien - so der Kostenbeamte - nicht erstattungsfähig, da eine Beförderung mit dem Taxi nach den Angaben des Sachverständigen nicht notwendig gewesen sei, der Richter dies später nicht genehmigt habe und die Taxibenutzung auch nicht zu einer Einsparung der Entschädigung geführt habe.

Mit Schreiben vom 12.03.2013 hat die Antragsteller "Widerspruch" gegen die Abrechnung erhoben und sich gegen die Ablehnung der Erstattung der Taxikosten gewandt. Er - so der Antragsteller - könne kaum laufen. Er habe das Taxi auch deshalb genommen, weil er sich in C-Stadt nicht so gut auskenne und der Zug mit Verspätung in C-Stadt angekommen sei. Er lege Wert auf Pünktlichkeit. Dass er drei Busfahrkarten vorgelegt habe, sei - so auf Nachfrage des Gerichts der Antragsteller im Schreiben vom 12.12.2013 - damit zu begründen, dass er am Vortag nach B-Stadt gefahren sei, um das Bahnticket für den nächsten Tag zu kaufen. Von C-Stadt zurück sei er mit einem Bayernticket gefahren; er sei kostenbewusst.

Der Hauptsacherichter hat dem Kostensenat mitgeteilt, dass eine Genehmigung der Taxifahrt mit Blick auf die Feststellungen des Sachverständigen für ihn nicht in Frage gekommen wäre.

Auf Nachfrage des Gerichts hat der Antragsteller mit Schreiben vom 19.02.2014 die angegebene Zugverspätung dahingehend präzisiert, dass der Zug am Hauptbahnhof eine Verspätung von 30 bis 35 Minuten gehabt habe.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom 12.03.2013 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Gerichtstermins am 11.12.2012 ist auf 58,80 € festzusetzen. Die Benutzung der Taxis ist nur in weit geringerer Höhe zu entschädigen, als der Antragsteller dafür Kosten aufgewendet hat.

Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich wie hier um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 4, Rdnr. 12 - m.w.N.).

Der Senat hat den Antragsteller ausdrücklich mit Schreiben vom 29.11.2013 und vom 26.02.2014 darauf hingewiesen, dass dieser bei einer gerichtlichen Festsetzung mit einer niedrigen Festsetzung, als sie der Kostenbeamte vorgenommen habe, und damit möglicherweise einer Rückforderung rechnen müsse, obwohl eine derartige Anhörung nicht zwingend erforderlich ist (vgl. Beschluss des Senats vom 06.02.2014, Az.: L 15 SF 13/14 - m.w.N.).

2. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn dem Antrag liegt eine Heranziehung zu einem gerichtlich angeordneten Begutachtungstermin vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG zugrunde.

3. Fahrtkosten für Bus, Bahn und Taxi

Für Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG (Bus, Bahn und Taxi) ist eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 52,50 € zu leisten.

Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels. Wählt der Beteiligte wie hier die Anreise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln, werden ihm gemäß § 5 Abs. 1 JVEG die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt. Voraussetzung ist immer, das die durchgeführte Fahrt auch objektiv notwendig war, um den gerichtlich angeordneten Termin wahr zu nehmen.

3.1. Buskosten

Objektiv erforderlich war nur eine einzige Busfahrt, nämlich die von A-Stadt nach B-Stadt am 11.12.2012, die mit Kosten in Höhe von 2,95 € verbunden war. Die Kosten sind durch die Vorlage der Fahrkarte belegt.

Nicht zu berücksichtigen sind die Fahrten von A-Stadt nach B-Stadt und zurück am Tag vor der Begutachtung, nämlich am 10.12.2012. Wenn der Antragsteller versucht, diese Fahrten damit zu erklären, dass er bereits am Vortag nach B-Stadt gefahren sei, um sich ohne Stress die Zugfahrkarte besorgen zu können, kann dies nicht eine objektive Notwendigkeit dieser Fahrt begründen. Denn es wäre völlig unproblematisch möglich gewesen, sich die Zufahrkarte erst am Untersuchungstag zu kaufen. Der Fahrkartenerwerb ist nicht so schwierig, dass dafür eine gesonderte Fahrt am Vortag erforderlich wäre. Wenn der Antragsteller tatsächlich zeitaufwändige Probleme beim Fahrkartenerwerb befürchtet hätte, wäre es ihm zumutbar gewesen, die Reise am Untersuchungstag frühzeitig genug zu beginnen.

3.2. Bahnkosten

Dem Antragsteller sind die entstandenen und durch die Vorlage von zwei Fahrkarten nachgewiesenen Kosten in Höhe von insgesamt 45,80 € zu erstatten.

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 JVEG werden einem Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.

In diesem Rahmen halten sich die vom Antragsteller geltend gemachten Fahrtkosten, wie sie sich aus den vorlegten Fahrkarten ergeben.

Ob der Antragsteller durch geschickte Auswahl der Fahrkarten eine weitere Reduzierung der Kosten erreichen hätte können, ist bei der Entschädigung rechtlich ohne Bedeutung, solange sich die tatsächlich entstandenen Kosten in dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen halten; die im gesamten Kostenrecht geltende Kostenminimierungspflicht findet insofern ihre Grenze an den Vorgaben des § 5 Abs. 1 JVEG.

3.3. Taxikosten

Für die Fahrt mit dem Taxi sind (lediglich) 3,75 € zu entschädigen

Mit der Frage der Erstattung von Taxikosten hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, befasst. Er hat dort Folgendes ausgeführt:

"Eine Erstattung der angefallenen Kosten für eine Reise mit einem Taxi kommt daher nur in folgenden Konstellationen in Betracht:

a) Reise weder mit einem in § 5 Abs. 1 JVEG noch in § 5 Abs. 2 JVEG genannten Verkehrsmittel unter den dort zugrunde gelegten Bedingungen möglich (Fall des § 5 Abs. 3, 2. Alt. JVEG - objektive Notwendigkeit des teureren Beförderungsmittels)

Die Anreise mit einem Taxi müsste objektiv zur Terminsteilnahme erforderlich sein.

Eine Reise mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel (öffentliches, regelmäßig verkehrendes Verkehrsmittel oder eigenes bzw. zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug) ist überhaupt nicht möglich oder zumutbar, so dass der Berechtigte ohne Reise mit einem Taxi den gerichtlich angeordneten Termin nicht wahrnehmen kann.

b) Reise mit einem Taxi aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt (Fall des § 5 Abs. 3, 1. Alt. JVEG - Wirtschaftlichkeit des teureren Beförderungsmittels im Gesamtvergleich)

Die Reise mit einem Taxi müsste aus wirtschaftlichen Gründen, also bei Berücksichtigung der entstehenden Gesamtkosten, angezeigt sein.

Dies ist dann der Fall, wenn die Gesamtkosten bei Reise mit einem Taxi niedriger (oder nicht höher) sind als die Gesamtkosten, die bei Benutzung eines in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrmittels entstehen würden.

Als Vergleichsmaßstab ist zu errechnen, welche entschädigungsrechtlich relevanten Kosten die Anreise mit einem (eigenen) Kraftfahrzeug oder mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln verursachen würde. Dabei kommt es nicht auf die individuellen Umstände des konkret Betroffenen an, sondern darauf, welche Kosten bei uneingeschränkter Reisefähigkeit unter normalen Bedingungen entstehen würden. Der sich dabei ergebende höhere Betrag, der die Obergrenze der sich aus § 5 Abs. 1 oder 2 JVEG ergebenden Entschädigung darstellt, ist der Vergleichsmaßstab.

Aus einem Gesamtkostenvergleich kann sich eine Rechtfertigung der Inanspruchnahme eines teureren Beförderungsmittels beispielsweise dann ergeben, wenn dadurch weitere, bei einer Anreise mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrmittel ansonsten entstehende Kosten (z.B. Übernachtungskosten, höherer Verdienstausfall wegen längerer Abwesenheit) vermieden oder reduziert werden können, sodass letztlich die Reise ohne das teurere Beförderungsmittel der Staatskasse nicht billiger käme (vgl. vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a.a.O., § 5, Rdnr. 14, der eine Berücksichtigung der Mehrkosten für einen Flugschein grundsätzlich dann für geboten bezeichnet, wenn die "Gesamtentschädigung ... nicht höher als bei Benutzung anderer, regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel" bezeichnet; Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 180 - zu § 5 JVEG).

c) Reise mit einem Taxi aus Vertrauensschutzgründen zulässig

Der Berechtigte müsste ein schutzwürdiges Vertrauen darauf haben, dass er trotz höherer Kosten mit einem Taxi anreisen darf.

Ausnahmsweise sind über die Regelunge des § 5 Abs. 3 JVEG hinaus, die für eine Erstattung von Taxikosten die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Taxibenutzung voraussetzen, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die Kosten einer - nicht notwendigen oder unwirtschaftlichen - Reise mit einem Taxi zu erstatten. Davon ist dann auszugehen, wenn der Berechtigte aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er mit einem Taxi reisen darf. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat. In Betracht kommt hier insbesondere die vor der Reise ausgesprochene Zustimmung durch den in der Hauptsache zuständigen Richter. In einem solchen Fall ist für den Berechtigten ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der ihn - unabhängig von der objektiven Erforderlichkeit oder Wirtschaftlichkeit - zur Benutzung eines Taxis auf Staatskosten berechtigt. Gleichzustellen der vor der Reise erteilten Zustimmung ist die (nachträglich erfolgte) Genehmigung durch den Hauptsacherichter, die dieser jederzeit, z.B. auf Nachfrage des Kostenbeamten, aussprechen kann und bei der er die von ihm gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke vom Berechtigten, z.B. bei der mündlichen Verhandlung, verwerten kann."

Im vorgenannten Beschluss hat der Senat weiter und mit umfangreicher Begründung ausgeführt, dass bei einer entschädigungsrechtlich unzulässigen Taxibenutzung weder eine anteilige Erstattung der angefallenen Taxikosten bis zu der Höhe, in der bei einer Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln Kosten angefallen wären, noch eine Erstattung der fiktiven Kosten einer Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln erfolgen kann. Zu entschädigen sind in derartigen Fällen gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG lediglich Fahrtkosten nach der Kilometerpauschale von 0,25 € für die gefahrenen Kilometer. Darüber hinausgehende Kosten sind nicht erstattungsfähig.

Im vorliegenden Fall ist unter keinem der oben unter a) bis c) aufgezeigten Gesichtspunkte eine Taxibenutzung zulässig gewesen.

Dem Antragsteller wäre es durchaus möglich und zumutbar gewesen, vom Hauptbahnhof zum Ort der Begutachtung (Klinikum H.) mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln anzureisen. Aufgrund der Feststellungen im Gutachten des Dr. L. ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen auf die Benutzung eines Taxis angewiesen gewesen wäre. Wenn der Antragsteller etwas anderes behauptet, ist dies unglaubwürdig und steht auch im Widerspruch zu seinen eigenen Angaben. So war ihm am Wohnort durchaus ein 20-minütiger "Fußmarsch" - so die Angabe im Entschädigungsantrag - bis zur Bushaltestelle möglich. Die zu Fuß bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln in C-Stadt anfallenden Strecken wären deutlich kürzer gewesen.

Es mag zwar durchaus zutreffen, dass der Antragsteller in C-Stadt nicht ortskundig ist. Dies kann aber nicht die Rechtfertigung dafür geben, auf Staatskosten in C-Stadt ein Taxi in Anspruch zu nehmen. Bei Ortsunkundigkeit ist es dem Antragsteller zumutbar, dass er sich durch eine rechtzeitige Anreise ein gewisses Zeitpolster (vgl. zum Gesichtspunkt der objektiv erforderlichen Zeit und der zu berücksichtigenden Umstände: Beschlüsse des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14) verschafft, das ihm die Orientierung an dem ihm unbekannten Ort ermöglicht.

Grundsätzlich nicht abwegig ist hingegen die Begründung des Antragstellers, er habe das Taxi benutzen müssen, um rechtzeitig zum Gutachter zu kommen. Es sind durchaus Konstellationen denkbar, in denen ein Beteiligter unverschuldet in Zeitnot kommt und dann versucht, die Verspätung durch die Benutzung eines Taxis auszugleichen. Dies - die rechtzeitige Wahrnehmung des gerichtlich angesetzten Termins - liegt auch im Interesse des Gerichts (vgl. den ähnlichen Gesichtspunkt bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Dauer der zu entschädigen Zeit: Beschlüsse des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14). In derartigen Fällen wäre von einer objektiven Notwendigkeit der Taxibenutzung im Sinn der Konstellation a) im oben zitierten Grundsatzbeschluss des Senats vom 08.05.2014 auszugehen. Im hier zu entscheidenden Fall kann dieser Gedanke aber deshalb nicht durchgreifen, weil es wesentlich dem Antragsteller zuzuschreiben ist, dass er bei der Anreise in Zeitnot geraten ist. Dies ergibt sich aus dem eigenen Vorbringen des Antragstellers. So hat er im Schreiben vom 19.02.2014 auf Nachfrage des Senats angegeben, dass der Zug am Hauptbahnhof 30 bis 35 Minuten Verspätung gehabt habe. Wenn berücksichtigt wird, dass der Antragsteller beim Gutachter mit 30 Minuten Verspätung angekommen ist - geladen war er für 10.00 Uhr, erschienen ist er tatsächlich erst um 10.30 Uhr -, belegt dies zweifelsfrei, dass der Zeitdruck allein durch das Verhalten des Antragstellers entstanden ist. Denn wenn der Zug planmäßig in C-Stadt angekommen wäre, hätte es der Antragsteller ebenfalls nur bei Benutzung eines Taxis rechtzeitig zum Gutachter geschafft - und dies wohl nur in letzter Minute zum angesetzten Termin um 10.00 Uhr. Es liegt daher für den Senat auf der Hand, dass der Antragsteller von Anfang an geplant hat, in C-Stadt mit dem Taxi zu fahren. Diese Annahme bestätigt sich auch dadurch, dass der Antragsteller für die Rückfahrt vom Gutachter zum Hauptbahnhof erneut ein Taxi benutzt hat, obwohl dafür der von ihm für die Anfahrt vorgeschobene Zeitdruck nicht mehr vorgelegen haben kann. Von einer vom Antragsteller unverschuldeten Zeitnot und deshalb einer objektiven Notwendigkeit der Taxibenutzung ist daher nicht auszugehen.

Auf einen vom Gericht geschaffenen Vertrauenstatbestand kann sich der Antragsteller bei der Taxibenutzung nicht berufen; auch hat es der Hautsacherichter ausdrücklich abgelehnt, die Taxibenutzung nachträglich zu genehmigen.

Aus Wirtschaftlichkeitsgesichtpunkten heraus war die Taxibenutzung nicht zulässig; eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre in einem Gesamtvergleich weitaus günstiger gekommen.

Es ist daher nur eine Entschädigung für die gefahrene Fahrtstrecke gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG zu gewähren.

Die zugrunde zu legende Fahrtstrecke ist in der gleichen Art und Weise zu ermitteln wie auch sonst die objektiv erforderliche Fahrtstrecke bei Benutzung des Kraftfahrzeugs. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der Senat in ständiger Rechtsprechung und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind, wobei weitere Ausnahmen dann zu akzeptieren sind, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (z.B. Unzumutbarkeit der kürzesten bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12). Die Ermittlungen zur Streckenlänge können unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13).

Die schnellste Strecke für die Fahrt vom Hauptbahnhof zum Untersuchungsort des Sachverständigen (Klinikum H.) ist laut Routenplaner 7,4 km lang. Für Hin- und Rückfahrt sind daher 15 km Fahrtstrecke der Entschädigung zugrunde zu legen. Bei 15 km Fahrtstrecke und einer Entschädigung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 € für jeden gefahrenen Kilometer errechnet sich ein Fahrtkostenersatz in Höhe von 3,75 € für die mit dem Taxi zurückgelegte Strecke.

4. Entschädigung für Zeitversäumnis

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG ist nicht zu gewähren.

Die gesetzliche Vermutung des § 20 letzter Halbsatz JVEG ist als widerlegt zu betrachten, da sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte (vgl. Grundsatzbeschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Davon ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet, und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).

5. Zehrkosten

Es ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) gemäß § 6 Abs. 1 JVEG in Höhe von 6,- € zu gewähren.

Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mindestens acht bis unter 14 Stunden gibt es nach der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c) EStG im Jahr 2012 ein Tagegeld in Höhe von 6,- €. Eine achtstündige Abwesenheit vom Wohnort ist damit auch Voraussetzung für die Zehrkostenpauschale. Eine durch die mündliche Verhandlung erforderlich gewordene Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist im vorliegenden Fall nach den eigenen und nachvollziehbaren Angaben des Antragstellers gegeben.

Auf die tatsächlichen Restaurantkosten des Antragstellers kommt es aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Regelung einer Pauschalierung nicht an.

Die Entschädigung des Antragstellers für die Teilnahme am Gerichtstermin ist daher auf insgesamt 58,50 € festzusetzen.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).