AG Wiesbaden, Urteil vom 15.11.2013 - 93 C 3906/12
Fundstelle
openJur 2014, 10926
  • Rkr:

Hat der Mieter Fragen zu seiner Betriebskostenabrechnung, muss er grundsätzlich zunächst Belegeinsicht nehmen. Der Mieter hat keinen Anspruch auf Auskunft gegen den Vermieter zu den Fragen seiner Betriebskostenabrechnung vor oder anstelle der Belegeinsicht.

Ein Anspruch des Mieters gegen den Vermieter auf Auskunft besteht jedoch gemäß § 242 BGB, wenn die mieterseits beanspruchte und durch den Vermieter ordnungsgemäß erfüllte Belegeinsicht nicht ausreicht.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention jeweils zu 50 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerseite darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Kläger sind Mieter der Beklagten. Mietsache ist die 3-Zimmer-Wohnung nebst Küche, 2 Bädern, Diele und Balkon im 2.OG links in der B-Straße in Wiesbaden.

Die Beklagte ließ am 11.11.2010 durch die Streithelferin eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 erstellen, die mit einem Guthaben der Kläger in Höhe von 739,39 € abschloss. Insoweit wird auf Bl. 53 - 57 der Akte verwiesen. Mit Schreiben vom 13.12.2010 (Bl. 58 - 60 der Akte) wurde die Betriebskostenabrechnung dahingehend geändert, dass sich das Guthaben der Kläger auf 743,60 € erhöhte.

Die Kläger erhoben, vertreten durch den Mieterschutzverein, Einwände gegen die Betriebskostenabrechnung und forderten die Beklagtenseite zur Auskunft auf. Die Beklagtenseite übersandte teilweise Dokumente.

Die Streithelferin hält die der Betriebskostenabrechnung zu Grunde liegenden Belege in ihrem Büro in der F-Straße in Wiesbaden zur Einsicht bereit. Mit Ausnahme der übersandten Belege nahmen die Kläger keine Belegeinsicht.

Die Kläger vertreten die Auffassung, dass eine Belegeinsicht nicht ausreichend sei, um die Betriebskostenabrechnung zu prüfen.

Die Kläger haben ursprünglich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen über folgende Fragen zur klägerseits erteilten Betriebskostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum 01.01. bis 31.12.2009 vom 13.12.2010 bzgl. des mit den Beklagten bestehenden Mietverhältnisses über die 3-Zimmer-Wohnung nebst Küche, 2 Bädern, Diele und Balkon im 2.OG links des Anwesens B-Straße Wiesbaden Auskunft zu erteilen: 1) Wie wurden die jährliche Gesamtkosten von 24.294,68 € für die Position Grundsteuer der Wohneinheiten für die gebildete Abrechnungseinheit … mit insgesamt 5.858,91 m² ermittelt?

2) Über welchen Zähler läuft der Stromverbrauch für die Außenbeleuchtung? Laufen über diesen Zähler auch andere Stromverbräuche, wenn ja … - für welche Hausanlagen, - für welche Gebäude der in Ziffer 1) genannten Abrechnungseinheit und - wie wurden in diesem Fall die jährlichen Gesamtkosten von 800,00 € für die Position Strom Außenbeleuchtung ermittelt?

3) Zur Position Hausreinigung / Hauswart: Wer führte in dem Zeitraum 01.01. - 30.06.2009 zu welchen vertraglichen Konditionen und zu welchem vertraglichen Tätigkeitskatalog die Hausreinigung und Hauswarttätigkeit aus? Im Einzelnen zu dem Vertrag mit dem Hauswartservice D vom 21.04.2009 zugrunde liegenden Leistungsverzeichnis:

- Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der Kontrolle der Aufzugsanlage? - Welche Abwasserentsorgungsanlage existiert im Haus, wo befindet sie sich und welche Art der Überprüfung ist an dieser wöchentlich durchzuführen? - Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der Bedienung und der Überwachung des Müllaufzuges? - Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der regelmäßigen Überprüfung der Zentralheizung, wo befindet sich die Zentralheizung im Objekt und in welchen zeitlichen Abständen erfolgen Überprüfungen? - Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der Überprüfung sämtlicher sanitärer Vorrichtungen in den Gemeinschaftsflächen, um welche konkreten sanitären Vorrichtungen handelt es sich und wo/ in welchen Gemeinschaftsflächen befinden sich diese? - Wo in den Allgemeinflächen befinden sich Heizkörper, worauf müssen diese überprüft werden? - Welche Pumpen sind wo vorhanden, die zu prüfen und ggf. turnusmäßig auszuschalten sind? - Welcher Arbeitsaufwand ist erforderlich und wurde im Rahmen der vereinbarten Vergütung gem. Hausmeistervertrag kalkuliert.

4) In welcher Höhe sind in den Positionen Niederschlagswasser, Bürgersteigreinigung, Gartenpflege, Strom Außenbeleuchtung, Versicherung, Hausreinigung/ Hauswart sowie Grundsteuer Kostenanteile enthalten, die ausschließlich auf die Tiefgarage entfallen, d.h. … - auf welche befestigte Fläche (wie viel m²?) wurden die Niederschlagswasserkosten berechnet, wo befindet sich diese Fläche (zB. Hoffläche, Tiefgaragenzufahrt oder überdachte Fläche der Tiefgarage?) und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies?, - für welche Flächen sind die Kosten der Bürgersteigreinigung konkret angefallen und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies? - welche Tätigkeiten für welche Flächen genau wurden im Rahmen der Kosten der Gartenpflege in Rechnung gestellt und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies? - über welchen Stromzähler läuft die Stromversorgung (Licht, Garagentor, Lüftung etc.) der Tiefgarage und wie hoch war der auf die Tiefgarage entfallende Stromverbrauch in der Abrechnungsperiode 01.01.- 31.12.2009? - in welcher Höhe wurden die Kosten für die Bewirtschaftung der Tiefgarage (die Gegenstand des dem Vertrag vom 21.04.2009 zugrunde liegenden Leistungsverzeichnisses ist) im Rahmen der vereinbarten Hausmeistervergütung kalkuliert und auf Basis welchen Arbeitsaufwandes für diese Tätigkeit im Einzelnen? - für welche Flächen sind die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung konkret angefallen und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies? - in welcher Höhe wurden die Kosten für Strom, Lüftung und Wartung der Tiefgarage direkt zugeordnet und aus welchen Rechnungen ergibt sich der gesonderte Anfall dieser Kosten, also die direkte Zurechenbarkeit?

Die Kläger erweitern die Klage und beantragen nunmehr zusätzlich zu dem bereits gestellten Antrag,

5) die Beklagte wird verurteilt über folgenden Fragen zur klägerseits erteilten Betriebskostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum 01.01. bis 31.12.2011 vom 17.12.2012 Auskunft zu erteilen: a) In welcher Art und Weise und in welcher Größenordnung haben die Garagen in der Verteilung zu den Kostenpositionen Kanal/Regenwasser, Müllabfuhr, Grundsteuer, Versicherungen, Strom Außenbeleuchtung, Hausmeister Winterdienst, Pflege Außenanlage Berücksichtigung gefunden? b) Überlassung eines Leistungskataloges bezüglich der Kosten Hausmeister/-reinigung.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Kläger sämtliche Auskünfte aus den Abrechnungsunterlagen im Wege der Belegeinsicht erhalten können. Mit Schriftsatz vom 03.12.2012 (Bl.121 der Akte) hat die Beklagte der Streithelferin den Streit verkündet. Die Streithelferin ist dem Verfahren mit Schriftsatz vom 13.12.2012 (Bl. 126 der Akte) beigetreten.

Im Weiteren wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf Auskunft. Ein solcher ergibt sich nicht aus dem Mietvertrag selbst. Auch § 242 BGB ist als Anspruchsgrundlage nicht einschlägig.

Mieter einer Wohnung, die einen Betriebskostenvorschuss nach 556 Abs. 2 (1) 2. Alt BGB zahlen, haben einen Anspruch auf Abrechnung der Betriebskosten, wobei sich der Umfang nach den Voraussetzungen des § 259 BGB bemisst.

Dem Mieter ist über seinen Anspruch auf Belegeinsicht die Möglichkeit geben, die Richtigkeit der Betriebskostenabrechnung zu überprüfen. Üblicherweise reicht die Belegeinsicht aus, um zu erkennen, ob die Abrechnung richtig ist oder ob der Mieter ggf. Ansprüche aus einer fehlerhaften Abrechnung herleiten kann. Kommt der Mieter infolge der Belegeinsicht zu dem Ergebnis, dass eine Betriebskostenabrechnung fehlerhaft ist, bedarf es keines weitergehenden Auskunftsanspruchs des Mieters, da dieser ohne weitere Auskunft Zahlungsklage erheben kann.

Das Gericht teilt die klägerische Auffassung, dass ein Anspruch auf Auskunft gemäß § 242 BGB bestehen kann, wenn die Belegeinsicht nicht ausreicht. Dies setzt allerdings voraus, dass eine mieterseits beanspruchte und durch den Vermieter ordnungsgemäß erfüllte Belegeinsicht gegeben ist.

Ort der Einsicht wegen § 269 BGB beim Vermieter, da dieser die Belegeinsicht schuldet. Danach hat die Leistung im Zweifel am Wohnsitz des Schuldners zu erfolgen, also des Vermieters. Im Ergebnis besteht daher weitgehend Einigkeit darüber, dass der Mieter das Einsichtsrecht jedenfalls dann am Sitz des Vermieters wahrzunehmen hat, d.h. in seinem Büro, seiner Wohnung oder im Büro der Hausverwaltung, wenn er mit dem Ort, an dem sich das Mietobjekt befindet, identisch ist. Dies wird damit begründet, dass Nebenpflichten regelmäßig am Leistungsort der Hauptpflicht des Vermieters, nämlich der Überlassung der Mietwohnung, zu erbringen sind (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Auflage 2011: § 556, Rn. 486 f.). Die Kläger haben damit keinen Anspruch auf Übersendung von Belegkopien. Dieses Kontrollsystem zu Gunsten des Mieters ist Teil einer gefestigten Rechtsprechung und Literaturmeinung. Die Bejahung eines Auskunftsanspruchs des Mieters vor oder anstelle der Belegeinsicht untergräbt dieses Kontrollsystem, weil er dazu führt, dass der Vermieter, Auskünfte übersenden müsste, was gegenüber der nicht geschuldeten Übersendung von Belegkopien ein „Mehr“ bedeute würde.

Auch kann die Meinung der Kläger, dass die Belegeinsicht die erforderlichen Auskünfte nicht ersetzen könnte, nicht nachvollzogen werden. Dabei verkennt das Gericht nicht das Bedürfnis, der Kläger eine möglichst genaue Auskunft zu erlangen, um Schadensersatzansprüche bzw. bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen die Klägerin beziffern zu können. Allerdings ist durchaus vorstellbar, dass der Antrag zu 1) durch Belegeinsicht erfüllt werden kann, wenn die Grundsteuerbescheide ggf. unter Zuhilfenahme einer Additionsrechnung erkennen lassen, wie die Klägerin zur Einstellung des Betrages in Höhe von 24.294,68 € in die Betriebskostenabrechnung gekommen ist. Auch erscheint es gut vorstellbar, dass eine Belegeinsicht den ersten Teil des Antrages zu 3) (Wer führte in dem Zeitraum 01.01. - 30.06.2009 zu welchen vertraglichen Konditionen und zu welchem vertraglichen Tätigkeitskatalog die Hausreinigung und Hauswarttätigkeit aus?) erfüllt. Liegen Hausmeisterrechnungen für die erste Jahreshälfte vor, wäre dieser Teil nämlich beantwortet. Läge nur eine Rechnung des Hausmeisterservices D in Höhe der eingestellten 29.226,18 € vor, wäre die Frage zumindest insoweit beantwortet, dass vor dem Hausmeisterservice D kein anderer Hausmeisterdienst tätig wurde.

Eine Belegeinsicht kann ferner das Auskunftsbegehren der Kläger erfüllen, wenn andere als die übersandten Belege die erforderlichen Informationen erbringen. Zwar braucht sich die Klägerseite nicht aus rein formalistischen Gründen auf die Belegeinsicht verweisen zu lassen, wenn klar ist, dass diese die erforderlichen Auskünfte nicht beibringen kann. Allerdings liegt der Fall hier anders, denn die Beklagtenseite hat mit Schriftsatz vom 03.12.2012 vorgetragen, dass die Belegeinsicht das Auskunftsbegehren erfüllen würde. Die darlegungsbelastete Klägerseite kann mit Ihrem gegenteiligen Vortrag, nachdem sie Belegeinsicht nicht genommen hat, nicht gehört werden.

Die Kostenentscheidung beruht aufgrund der §§ 91, 100, 101 I ZPO; die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 11 2. Alt, 711 S.2, 108 ZPO.

Zitate0
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte