LG Augsburg, Beschluss vom 08.05.2014 - 1 Qs 160/14
Fundstelle
openJur 2014, 10657
  • Rkr:

1. Die Vergütung für anthropologische Vergleichsgutachten ist der Honorargruppe 8 der Anlage 1 zu § 9 JVEG zu entnehmen.2. Anthropologische Vergleichsgutachten und Schriftgutachten sind vergleichbare gutachterliche Leistungen.

Tenor

Die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 13.03.2014 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nördlingen vom 21.02.2014 wird als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Die Sachverständige, promovierte Humanbiologin hatte im Ausgangsverfahren ein anthropologisches Vergleichsgutachten erstellt und mit Gebührenrechnung vom 02.12.2013 beantragt, den Stundensatz gemäß Anlage 1 zu § 9 JVEG der Honorargruppe 8 (Stundensatz: 100,- €) zu entnehmen.

Nach entgegenstehender Stellungnahme des Bezirksrevisors, der eine Einstufung in die Honorargruppe 6 für angemessen und ausreichend erachtet (Stundensatz: 90,- €) hat das AG Nördlingen die Vergütung antragsgemäß festgesetzt und wegen der grundsätzlichen Bedeutung die Beschwerde zugelassen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 13.03.2014, der das Amtsgericht Nördlingen mit Verfügung vom 18.03.2014 nicht abgeholfen hat.

II.

Die schon wegen Erreichens des Beschwerdewerts zulässige und im Übrigen auch zugelassene Beschwerde ist unbegründet.

Das Amtsgericht Nördlingen hat zu Recht die Vergütung auf 689,25 € festgesetzt.

Die Vergütung der Sachverständigen ist der Honorargruppe 8 zu entnehmen.

1. Eine ausdrückliche Eingruppierung anthropologischer Vergleichsgutachten in eine der Honorargruppen der Anlage 1 zu § 9 JVEG ist bislang durch den Gesetzgeber noch nie erfolgt. Die Praxis der Einordnung war uneinheitlich; die Rechtsprechung vor der letzten Novellierung des Gesetzes ist uneinheitlich, hat sich aber mehrheitlich für die Einordnung unter die Honorargruppe 6 ausgesprochen (vgl. LG Berlin, VRS 121, 56-58; OLG Dresden, DAR 2006, 338; OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 392; OLG Bamberg, NStZ-RR 2005, 359-360; a.A. (Honorargruppe 8) z.B.: OLG Celle, Beschluss vom 26. Oktober 2007, Az. 2 W 102/07; LG Hildesheim, Beschluss vom 03.05.2005, 15 Qs 7/05).

Durch das 2. Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 23.07.2013 (BGBl. 2013, Teil I Nr. 42, S. 2586) ist die notwendige Klarstellung nicht erfolgt.

Die Vergütungsgruppe ist daher gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG nach wie vor nach billigem Ermessen zu bestimmen.

2. Maßgeblich bei dieser Art der Festsetzung sind die üblicherweise gerichtlich und außergerichtlich vereinbarten Stundensätze für diese Art der Tätigkeit. Da anthropologische Vergleichsgutachten aber auf dem freien Markt normalerweise nicht nachgefragt werden, können übliche Stundensätze insoweit nicht festgestellt werden (so auch BT-Drucks 17/11471, S. 355).

3. Eine Eingruppierung kann jedenfalls nicht in die Honorargruppen M 1-3 vorgenommen werden, weil diese ausschließlich medizinischen Begutachtungen vorbehalten sind. Zwar wäre über das medizinische Teilgebiet der Anatomie durchaus eine gewisse Nähe zu diesem Bereich feststellbar. In ihrer Stellungnahme im Gesetzgebungsverfahren hat die Bundesregierung ebenfalls den Gedanken aufgebracht, die Vergütung in der Praxis den Vergütungsgruppen M1 bis M 3 zu entnehmen ohne eine konkrete Zuordnung zu diesen Gruppen vorzunehmen (BT-Drucks 17/11471, S. 355). Tatsächlich hat der Gesetzgeber anthropologische Gutachten letztlich aber weder diesen Gruppen noch einer anderen Vergütungsgruppe zugeordnet. Der Schwerpunkt der Begutachtung liegt bei Vergleichsgutachten aber nicht in speziellen medizinischen Kenntnissen, sondern in der reinen äußerlichen Beschreibung von Körpermerkmalen. Auf die Funktion der zu beschreibenden Merkmale kommt es insoweit nicht an. Ein anthropologischer Vergleich stellt daher keine Leistung dar, die einer medizinischen (oder psychologischen) Begutachtung gleichkommt.

4. Angemessen ist aber eine Eingruppierung in die Honorargruppe 8. Den dort genannten Schriftgutachten kommt ein anthropologisches Vergleichsgutachten am nächsten. In beiden Fällen werden rein äußerliche Merkmale anhand von Vergleichsmaterial verglichen und bewertet. Ob es sich beim Gegenstand der Begutachtung um Menschen bzw. Fotos von Menschen handelt oder um Schriftzeichen, spielt insoweit keine entscheidende Rolle. Die Schwierigkeit der Begutachtung ergibt sich aus der festzustellenden und zu bewertenden Ähnlichkeit von Vorlage und Vergleichsmaterial. Dabei können in beiden Fällen gleichartige Methoden wie z.B. Längenmessungen erfolgen. Auch die Beschreibung der Ähnlichkeit oder Verschiedenheit muss in beiden Fällen so beschrieben oder erklärt werden, dass sie vom Gericht nachvollzogen werden kann.